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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

14.10.2021 um 05:47
Das Grab im Busento
von August von Platen

Nächtlich am Busento lispeln, bei Cosenza, dumpfe Lieder,
Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder!

Und den Fluß hinauf, hinunter, ziehn die Schatten tapfrer Goten,
Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.

Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben.

Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette.

In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf dem Pferde.

Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe,
Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe.

Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.

Und es sang ein Chor von Männern: »Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!«

Sangen's, und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere;
Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere!

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Gedichte: Tragik

14.10.2021 um 16:40
An eine, die vorüberging

Der Straßenlärm betäubend zu mir drang.
In großer Trauer, schlank, von Schmerz gestrafft,
Schritt eine Frau vorbei, die mit der Hand gerafft
Den Saum des Kleides hob, der glockig schwang;

Anmutig, wie gemeißelt war das Bein.
Und ich, erstarrt, wie außer mich gebracht,
Vom Himmel ihrer Augen, wo ein Sturm erwacht,
Sog Süße, die betört, und Lust, die tötet, ein.

Ein Blitz … dann Nacht! – Du Schöne, mir verloren,
Durch deren Blitz ich jählings neu geboren,
Werd in der Ewigkeit ich dich erst wiedersehn?

Woanders, weit von hier! zu spät! soll’s nie geschehn?
Dein Ziel ist mir und dir das meine unbekannt,
Dich hätte ich geliebt, und du hast es geahnt!

Charles Baudelaire


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Gedichte: Tragik

31.12.2021 um 18:21
Bald ist alles zuende,
Wier sind in eimnem Wald voller Brände.


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Gedichte: Tragik

02.01.2022 um 08:47
Archibald Douglas

Theodor Fontane

Ich hab' es getragen sieben Jahr,
und ich kann es nicht tragen mehr,
wo immer die Welt am schönsten war,
da war sie öd' und leer.

Ich will hintreten vor sein Gesicht
in dieser Knechtsgestalt,
er kann meine Bitte versagen nicht,
ich bin ja worden alt,

Und trüg' er noch den alten Groll,
frisch wie am ersten Tag,
so komme, was da kommen soll,
und komme, was da mag.«

Graf Douglas sprichts. Am Weg ein Stein
lud ihn zu harter Ruh',
er sah in Wald und Feld hinein,
die Augen fielen ihm zu.

Er trug einen Harnisch, rostig und schwer,
darüber ein Pilgerkleid, -
da horch, vom Waldrand scholl es her
wie von Hörnern und Jagdgeleit.

Und Kies und Staub aufwirbelte dicht,
herjagte Meut' und Mann,
und ehe der Graf sich aufgericht't,
waren Roß und Reiter heran.

König Jakob saß auf hohem Roß,
Graf Douglas grüßte tief,
dem König das Blut in die Wange schoß,
der Douglas aber rief:

»König Jakob, schaue mich gnädig an
und höre mich in Geduld,
was meine Brüder dir angetan,
es war nicht meine Schuld.

Denk nicht an den alten Douglas-Neid,
der trotzig dich bekriegt,
denk lieber an deine Kinderzeit,
wo ich dich auf den Knieen gewiegt.

Denk lieber zurück an Stirling-Schloß,
wo ich Spielzeug dir geschnitzt,
dich gehoben auf deines Vaters Roß
und Pfeile dir zugespitzt.

Denk lieber zurück an Linlithgow,
an den See und den Vogelherd,
wo ich dich fischen und jagen froh
und schwimmen und springen gelehrt.

O denk an alles, was einsten war,
und sänftige deinen Sinn,
ich hab' es gebüßet sieben Jahr,
daß ich ein Douglas bin.«

»Ich seh' dich nicht, Graf Archibald,
ich hör' deine Stimme nicht,
mir ist, als ob ein Rauschen im Wald
von alten Zeiten spricht.

Mir klingt das Rauschen süß und traut,
ich lausch' ihm immer noch,
dazwischen aber klingt es laut:
Er ist ein Douglas doch.

Ich seh dich nicht, ich höre dich nicht,
das ist alles, was ich kann,
ein Douglas vor meinem Angesicht
wär' ein verlorener Mann.«

König Jakob gab seinem Roß den Sporn,
bergan ging jetzt sein Ritt,
Graf Douglas faßte den Zügel vorn
und hielt mit dem Könige Schritt.

Der Weg war steil, und die Sonne stach,
und sein Panzerhemd war schwer;
doch ob er schier zusammenbrach,
er lief doch nebenher.

»König Jakob, ich war dein Seneschall,
ich will es nicht fürder sein,
ich will nur warten dein Roß im Stall
und ihm schütten die Körner ein.

Ich will ihm selber machen die Streu
und es tränken mit eigner Hand,
nur laß mich atmen wieder aufs neu
die Luft im Vaterland.

Und willst du nicht, so hab' einen Mut,
und ich will es danken dir,
und zieh dein Schwert und triff mich gut
und laß mich sterben hier.«

König Jakob sprang herab vom Pferd,
hell leuchtete sein Gesicht,
aus der Scheide zog er sein breites Schwert,
aber fallen ließ er es nicht.

»Nimm's hin, nimm's hin und trag es neu,
und bewache mir meine Ruh',
der ist in tiefster Seele treu,
wer die Heimat liebt wie du.

Zu Roß, wir reiten nach Linlithgow,
und du reitest an meiner Seit',
da wollen wir fischen und jagen froh
als wie in alter Zeit.«


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Gedichte: Tragik

02.01.2022 um 10:02
Das Ende ist nah,
Die Pure Verzweiflung ist nur noch da.


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Gedichte: Tragik

02.01.2022 um 10:19
Die Kraniche des Ibykus

Friedrich Schiller

Zum Kampf der Wagen und Gesänge,
Der auf Korinthus' Landesenge
Der Griechen Stämme froh vereint,
Zog Ibykus, der Götterfreund.
Ihm schenkte des Gesanges Gabe,
Der Lieder süßen Mund Apoll,
So wandert er, an leichtem Stabe,
Aus Rhegium, des Gottes voll.

Schon winkt auf hohem Bergesrücken
Akrokorinth des Wandrers Blicken,
Und in Poseidons Fichtenhain
Tritt er mit frommem Schauder ein.
Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichtem Geschwader ziehn.

"Seid mir gegrüßt, befreund'te Scharen!
Die mir zur See Begleiter waren,
Zum guten Zeichen nehm ich euch,
Mein Los, es ist dem euren gleich:
Von fern her kommen wir gezogen,
Und flehen um ein wirtlich Dach.
Sei uns der Gastliche gewogen,
Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!"

Und munter fördert er die Schritte,
Und sieht sich in des Waldes Mitte -
Da sperren, auf gedrangem Steg,
Zwei Mörder plötzlich seinen Weg.
Zum Kampfe muß er sich bereiten,
Doch bald ermattet sinkt die Hand,
Sie hat der Leier zarte Saiten,
Doch nie des Bogens Kraft gespannt.

Er ruft die Menschen an, die Götter,
Sein Flehen dringt zu keinem Retter,
Wie weit er auch die Stimme schickt,
Nichts Lebendes wird hier erblickt,
"So muß ich hier verlassen sterben,
Auf fremdem Boden, unbeweint,
Durch böser Buben Hand verderben,
Wo auch kein Rächer mir erscheint!"

Und schwer getroffen sinkt er nieder,
Da rauscht der Kraniche Gefieder,
Er hört, schon kann er nicht mehr sehn,
Die nahen Stimmen furchtbar krähn.
"Von euch ihr Kraniche dort oben,
Wenn keine andre Stimme spricht,
Sei meines Mordes Klag erhoben!"
Er ruft es, und sein Auge bricht.

Der nackte Leichnam wird gefunden,
Und bald, obgleich entstellt von Wunden,
Erkennt der Gastfreund in Korinth
Die Züge, die ihm teuer sind.
"Und muß ich so dich wiederfinden,
Und hoffte mit der Fichte Kranz
Des Sängers Schläfe zu umwinden,
Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!"

Und jammernd hören's alle Gäste,
Versammelt bei Poseidons Feste,
Ganz Griechenland ergreift der Schmerz,
Verloren hat ihn jedes Herz;
Und stürmend drängt sich zum Prytanen
Das Volk, es fodert seine Wut,
Zu rächen des Erschlagnen Manen,
Zu sühnen mit des Mörders Blut.

Doch wo die Spur, die aus der Menge,
Der Völker flutendem Gedränge,
Gelocket von der Spiele Pracht,
Den schwarzen Täter kenntlich macht?
Sind's Räuber, die ihn feig erschlagen?
Tat's neidisch ein verborgner Feind?
Nur Helios vermag's zu sagen,
Der alles Irdische bescheint.

Er geht vielleicht mit frechem Schritte
Jetzt eben durch der Griechen Mitte,
Und während ihn die Rache sucht,
Genießt er seines Frevels Frucht;
Auf ihres eignen Tempels Schwelle
Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt
Sich dreist in jene Menschenwelle,
Die dort sich zum Theater drängt.

Denn Bank an Bank gedränget sitzen,
Es brechen fast der Bühne Stützen,
Herbeigeströmt von fern und nah,
Der Griechen Völker wartend da,
Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen,
Von Menschen wimmelnd, wächst der Bau
In weiter stets geschweiftem Bogen
Hinauf bis in des Himmels Blau.

Wer zählt die Völker, nennt die Namen,
Die gastlich hier zusammenkamen?
Von Cekrops' Stadt, von Aulis' Strand,
Von Phocis, vom Spartanerland,
Von Asiens entlegner Küste,
Von allen Inseln kamen sie,
Und horchen von dem Schaugerüste
Des Chores grauser Melodie,

Der streng und ernst, nach alter Sitte,
Mit Iangsam abgemeßnem Schritte,
Hervortritt aus dem Hintergrund,
Umwandelnd des Theaters Rund.
So schreiten keine ird'schen Weiber,
Die zeugete kein sterblich Haus!
Es steigt das Riesenmaß der Leiber
Hoch über menschliches hinaus.

Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden,
Sie schwingen in entfleischten Händen
Der Fackel düsterrote Glut,
In ihren Wangen fließt kein Blut;
Und wo die Haare lieblich flattern,
Um Menschenstirnen freundlich wehn,
Da sieht man Schlangen hier und Nattern
Die giftgeschwollnen Bäuche blähn.

Und schauerlich gedreht im Kreise,
Beginnen sie des Hymnus Weise,
Der durch das Herz zerreißend dringt,
Die Bande um den Frevler schlingt.
Besinnungraubend, herzbetörend
SchaIIt der Erinnyen Gesang,
Er schallt, des Hörers Mark verzehrend,
Und duldet nicht der Leier Klang:

"Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle
Bewahrt die kindlich reine Seele!
Ihm dürfen wir nicht rächend nahn.
Er wandelt frei des Lebens Bahn.
Doch wehe, wehe, wer verstohlen
Des Mordes schwere Tat vollbracht!
Wir heften uns an seine Sohlen,
Das furchtbare Geschlecht der Nacht!

Und glaubt er fliehend zu entspringen,
Geflügelt sind wir da, die Schlingen
Ihm werfend um den flüchtgen Fuß,
Daß er zu Boden fallen muß.
So jagen wir ihn, ohn Ermatten,
Versöhnen kann uns keine Reu,
Ihn fort und fort bis zu den Schatten,
Und geben ihn auch dort nicht frei."

So singend tanzen sie den Reigen,
Und StiIIe wie des Todes Schweigen
Liegt überm ganzen Hause schwer,
Als ob die Gottheit nahe wär.
Und feierlich, nach alter Sitte,
Umwandelnd des Theaters Rund,
Mit langsam abgemeßnem Schritte,
Verschwinden sie im Hintergrund.

Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet
Noch zweifelnd jede Brust und bebet,
Und huldiget der furchtbarn Macht,
Die richtend im Verborgnen wacht,
Die unerforschlich, unergründet,
Des Schicksals dunkeln Knäuel flicht,
Dem tiefen Herzen sich verkündet,
Doch fliehet vor dem Sonnenlicht.

Da hört man auf den höchsten Stufen
Auf einmal eine Stimme rufen:
"Sieh da! Sieh da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibykus!" -
Und finster plötzlich wird der Himmel,
Und über dem Theater hin
Sieht man, in schwärzlichtem Gewimmel,
Ein Kranichheer vorüberziehn.

"Des Ibykus!" - Der teure Name
Rührt jede Brust mit neuem Grame,
Und wie im Meere Well auf Well,
So läuft's von Mund zu Munde schnell:
"Des Ibykus, den wir beweinen,
Den eine Mörderhand erschlug!
Was ist mit dem? Was kann er meinen?
Was ist's mit diesem Kranichzug?"

Und lauter immer wird die Frage,
Und ahnend fliegt's, mit Blitzesschlage,
Durch alle Herzen: "Gebet acht,
Das ist der Eumeniden Macht!
Der fromme Dichter wird gerochen,
Der Mörder bietet selbst sich dar!
Ergreift ihn, der das Wort gesprochen,
Und ihn, an den's gerichtet war."

Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht er's im Busen gern bewahren;
Umsonst! der schreckenbleiche Mund
Macht schnell die Schuldbewußten kund.
Man reißt und schleppt sie vor den Richter,
Die Szene wird zum Tribunal,
Und es gestehn die Bösewichter,
Getroffen von der Rache Strahl.


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Gedichte: Tragik

02.01.2022 um 10:24
Erlkönigs Tochter

Johann Gottfried Herder





Herr Oluf reitet spät und weit,
Zu bieten auf seine Hochzeitleut;

Da tanzen die Elfen auf grünem Land,
Erlkönigs Tochter reicht ihm die Hand.

„Willkommen, Herr Oluf! Was eilst von hier?
Tritt her in den Reihen und tanz mit mir.“

„Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeittag.“

„Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir,
Zwei güldne Sporne schenk ich dir!

Ein Hemd von Seide so weiß und fein,
Meine Mutter bleicht's mit Mondenschein.“

„Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeittag.“

„Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir,
Einen Haufen Goldes schenk ich dir.“

„Einen Haufen Goldes nähm ich wohl;
Doch tanzen ich nicht darf noch soll.“

„Und willt, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir,
Soll Seuch und Krankheit folgen dir.“

Sie tät einen Schlag ihm auf sein Herz,
Noch nimmer fühlt er solchen Schmerz.

Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd:
„Reit heim nun zu dein'm Fräulein wert.“

Und als er kam vor Hauses Tür,
Seine Mutter zitternd stand dafür.

„Hör an, mein Sohn, sag an mir gleich,
Wie ist dein' Farbe blaß und bleich?“

„Und sollt sie nicht sein blaß und bleich,
Ich traf in Erlenkönigs Reich.“

„Hör an, mein Sohn, so lieb und traut,
Was soll ich nun sagen deiner Braut?“

„Sagt ihr, ich sei im Wald zur Stund,
Zu proben da mein Pferd und Hund.“

Frühmorgen und als es Tag kaum war,
Da kam die Braut mit der Hochzeitschar.

Sie schenkten Met, sie schenkten Wein;
„Wo ist Herr Oluf, der Bräutigam mein?“

„Herr Oluf, er ritt in Wald zur Stund,
Er probt allda sein Pferd und Hund.“

Die Braut hob auf den Scharlach rot,
Da lag Herr Oluf, und er war tot.


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02.01.2022 um 10:25
Der Knabe im Moor

Annette von Droste-Hülshoff

O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnenlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! Nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen,
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide.


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Gedichte: Tragik

02.01.2022 um 10:55
Die Grenadiere

Heinrich Heine


Nach Frankreich zogen zwei Grenadier,
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.

Da hörten sie beide die traurige Mär:
Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das große Heer -
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.

Da weinten zusammen die Grenadier
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!

Der andre sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich möcht mit dir sterben,
Doch hab ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.

Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit beßres Verlangen;
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind -
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!

Gewähr mir, Bruder, eine Bitt:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.

Das Ehrenkreuz am roten Band
sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gürt mir um den Degen.

So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach, im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe.

Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab,
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.


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04.01.2022 um 09:47
Der Feuerreiter

Eduard Mörike


Sehet ihr am Fensterlein
Dort die rote Muetze wieder?
Nicht geheuer muß es sein,
Denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch Gewuehle
Bei der Bruecke, nach dem Feld!
Horch! das Feuergloecklein gellt:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Muehle!

Schaut! da sprengt er wuetend schier
Durch das Tor, der Feuerreiter,
Auf dem rippenduerren Tier,
Als auf einer Feuerleiter!
Querfeldein! Durch Qualm und Schwuele
Rennt er schon, und ist am Ort!
Drueben schallt es fort und fort:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Muehle!

Der so oft den roten Hahn
Meilenweit von fern gerochen,
Mit des heilgen Kreuzes Span
Freventlich die Glut besprochen -
Weh! dir grinst vom Dachgestuehle
Dort der Feind im Hoellenschein.
Gnade Gott der Seele dein!
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Ras't er in der Muehle!

Keine Stunde hielt es an,
Bis die Muehle borst in Truemmer;
Doch den kecken Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im Gewuehle
Kehren heim von all dem Graus;
Auch das Gloecklein klinget aus.
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennts! -

Nach der Zeit ein Mueller fand
Ein Gerippe samt der Muetzen
Aufrecht an der Kellerwand
Auf der beinern Maehre sitzen:
Feuerreiter, wie so kuehle
Reitest du in deinem Grab!
Husch! da faellts in Asche ab.
Ruhe wohl,
Ruhe wohl
Drunten in der Muehle!


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04.01.2022 um 09:50
Ernst, Otto (1862-1926)
Nis Randers

Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd -
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht mans gut.
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sichs der Abgrund.

Nis Randers lugt - und ohne Hast
Spricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen."

Da fasst ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein:
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich wills, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!"

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
"Und seine Mutter?"

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muss es zerschmettern ...! Nein, es blieb ganz ...!
Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des andern springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? - Ein Boot, das landwärts hält -
Sie sind es! Sie kommen! - -

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt...
Still - ruft da nicht einer? - Er schreits durch die Hand:
"Sagt Mutter, 's ist Uwe!"


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04.01.2022 um 16:32
Traurige Augen sehen mich an,
Ich weiß das man nicht mehr retten kann,
Stumme schreie in meinen Träumen,
Schlimme Träume sind nie schäume.


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05.01.2022 um 06:41
Die Geister am Mummelsee

[von Eduard Mörike]

Vom Berge was kommt dort um Mitternacht spät
Mit Fackeln so prächtig herunter?
Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht?
Mir klingen die Lieder so munter.
O nein!
So sage, was mag es wohl sein?
Das, was du da siehest, ist Totengeleit,
Und was du da hörest, sind Klagen.
Dem König, dem Zauberer, gilt es zu Leid,
Sie bringen ihn wieder getragen.
O weh!
So sind es die Geister vom See!
Sie schweben herunter ins Mummelseetal -
Sie haben den See schon betreten -
Sie rühren und netzen den Fuß nicht einmal -
Sie schwirren in leisen Gebeten -
O schau,
Am Sarge die glänzende Frau!
jetzt öffnet der See das grünspiegelnde Tor;
Gib acht, nun tauchen sie nieder!
Es schwankt eine lebende Treppe hervor,
Und - drunten schon summen die Lieder.
Hörst du?
Sie singen ihn unten zur Ruh.
Die Wasser, wie lieblich sie brennen und glühn!
Sie spielen in grünendem Feuer;
Es geisten die Nebel am Ufer dahin,
Zum Meere verzieht sich der Weiher -
Nur still!
Ob dort sich nichts rühren will?
Es zuckt in der Mitten - o Himmel! ach hilf!
Nun kommen sie wieder, sie kommen!
Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf;
Nur hurtig, die Flucht nur genommen!
Davon!
Sie wittern, sie haschen mich schon!


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05.01.2022 um 06:43
John Maynard!
„Wer ist John Maynard?“
„John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“

Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
„Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund.“

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
„Feuer!“ war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich´s dicht,
und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?“
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
„Noch da, John Maynard?“
„Ja, Herr. Ich bin.“

„Auf den Strand! In die Brandung!“
„Ich halte drauf hin.“
Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

„Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt's
mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt's!“
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
himmelan aus Kirchen und Kapell'n,

ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

„Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“


Theodor Fontane


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05.01.2022 um 06:45
Das Geisterschloß

In der Täler grünstem Tale

Hat, von Engeln einst bewohnt,

Gleich des Himmels Kathedrale

Golddurchstrahlt ein Schloß gethront.

Rings auf Erden diesem Schlosse

Keines glich;

Herrschte dort mit reichem Trosse

Der Gedanke - königlich.



Gelber Fahnen Faltenschlagen

Floß wie Sonnengold im Wind -

Ach, es war in alten Tagen,

Die nun längst vergangen sind! -

Damals kosten süße Lüfte

Lind den Ort,

Zogen als beschwingte Düfte

Von des Schlosses Wällen fort.



Wandrer in dem Tale schauten

Durch der Fenster lichten Glanz

Genien, die zum Sang der Lauten

Schritten in gemeßnem Tanz

Um den Thron, auf dem erhaben,

Marmorschön,

Würdig solcher Weihegaben,

War des Reiches Herr zu sehn.



Perlen- und rubinenglutend

War des stolzen Schlosses Tor,

Ihm entschwebten flutend, flutend

Süße Echos, die im Chor,

Weithinklingend, froh besangen

- Süße Pflicht! -

Ihres Königs hehres Prangen

In der Weisheit Himmelslicht.



Doch Dämonen, schwarze Sorgen,

Stürzten roh des Königs Thron. -

Trauert, Freunde, denn kein Morgen

Wird ein Schloß wie dies umlohn!

Was da blühte, was da glühte

- Herrlichkeit! -

Eine welke Märchenblüte

Ist′s aus längst begrabner Zeit.



Und durch glutenrote Fenster

Werden heute Wandrer sehn

Ungeheure Wahngespenster

Grauenhaft im Tanz sich drehn;

Aus dem Tor in wildem Wellen,

Wie ein Meer,

Lachend ekle Geister quellen -

Weh! sie lächeln niemals mehr!

Edgar Allan Poe
(* 19.01.1809, † 07.10.1849)


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Gedichte: Tragik

05.01.2022 um 06:51
Der Reiter und der Bodensee

[Gustav Schwab]

Der Reiter reitet durchs helle Tal,
Auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl.
Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee,
Er will noch heut an den Bodensee;
Noch heut mit dem Pferd in den sichern Kahn,
Will drüben landen vor Nacht noch an.
Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein,
Er braust auf rüstigem Roß feldein.
Aus den Bergen heraus, ins ebene Land,
Da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand.
Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt,
Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.
In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus,
Die Bäume gingen, die Felsen aus;
So flieget er hin eine Meil, und zwei,
Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei;
Es flattert das Wasserhuhn empor,
Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr;
Keinen Wandersmann sein Auge schaut,
Der ihm den rechten Pfad vertraut.
Fort geht's, wie auf Samt, auf dem weichen Schnee,
Wann rauscht das Wasser, wann glänzt der See?
Da bricht der Abend, der frühe, herein:
Von Lichtern blinket ein ferner Schein.
Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum,
Und Hügel schließen den weiten Raum.
Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn,
Dem Rosse gibt er den scharfen Sporn.
Und Hunde bellen empor am Pferd,
Und es winkt im Dorf ihm der warme Herd.
„Willkommen am Fenster, Mägdelein,
An den See, an den See, wie weit mag's sein?“
Die Maid, sie staunet den Reiter an:
„Der See liegt hinter dir und der Kahn.
Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu,
Ich spräch, aus dem Nachen stiegest du.“
Der Fremde schaudert, er atmet schwer:
„Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!“
Da recket die Magd die Arm in die Höh:
„Herr Gott! so rittest du über den See!
An den Schlund, an die Tiefe bodenlos,
Hat gepocht des rasenden Hufes Stoß!
Und unter dir zürnten die Wasser nicht?
Nicht krachte hinunter die Rinde dicht?
Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut,
Der hungrigen Hecht in der kalten Flut?“
Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär,
Es stellen die Knaben sich um ihn her.
Die Mütter, die Greise, sie sammeln sich:
„Glückseliger Mann, ja, segne du dich!
Herein, zum Ofen, zum dampfenden Tisch,
Brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!“
Der Reiter erstarret auf seinem Pferd,
Er hat nur das erste Wort gehört.
Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar,
Dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr.
Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund,
Sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.
Im Ohr ihm donnert's, wie krachend Eis,
Wie die Well umrieselt ihn kalter Schweiß.
Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab,
Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.


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Gedichte: Tragik

21.01.2022 um 18:59
Das Hexenkind

Das junge Ding hieß Ilse Watt.
sie ward im Waisenhaus erzogen.
dort galt sie als verstockt, verlogen,
weil sie kein Wort gesprochen hat,
und weil man es ihr sehr verdachte,
daß sie schon früh, wenn sie erwachte,
ganz leise vor sich hin lachte.

Man nannte sie, weil ihr Betragen
so seltsam war, das Hexenkind.
Allüberall ward sie gescholten.
doch wagt' es niemand, sie zu schlagen,
denn sie war von Geburt her blind.
Die Ilse hat für frech gegolten,
weil sie, wenn man zu Bett sie brachte,
noch leise vor sich hin lachte.

In ihrem Bettchen blaß und matt
lag sterbend eines Tags die kranke
und stille, blinde Ilse Watt,
lächelte wie aus andern Welten
und sprach zu einer Angestellten,
die ihr das Haar gestreichelt hat,
ganz laut und glücklich noch: "Ich danke."

Joachim Ringelnatz


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Gedichte: Tragik

21.01.2022 um 19:03
Barbara Allen.


Es war im Herbst, im bunten Herbst,
Wenn die rothgelben Blätter fallen,
Da wurde John Graham vor Liebe krank,
Vor Liebe zu Barbara Allen.


Seine Läufer liefen hinab in die Stadt

Und suchten bis sie gefunden:
„Ach, unser Herr ist krank nach Dir,
Komm, Lady, und mach’ ihn gesunden.“

Die Lady schritt zum Schloß hinan,

Schritt über die marmornen Stufen,

Sie trat an’s Bett, sie sah ihn an:
„John Graham, Du ließest mich rufen.“

„Ich ließ Dich rufen, ich bin im Herbst
Und die rothgelben Blätter fallen,

Hast Du kein letztes Wort für mich?

Ich sterbe, Barbara Allen.“

„John Graham, ich hab’ ein letztes Wort,
Du warst mein All und Eines;
Du theiltest Pfänder und Bänder aus,

Mir aber gönntest Du Keines.


John Graham, und ob Du mich lieben magst,
Ich weiß, ich hatte Dich lieber,
Ich sah nach Dir, Du lachtest mich an
Und gingest lachend vorüber.


Wir haben gewechselt, ich und Du,

Die Sprossen der Liebesleiter,
Du bist nun unten, Du hast es gewollt
Ich aber bin oben und heiter.“

Sie ging zurück. Eine Meil’ oder zwei,

Da hörte sie Glocken schallen;

Sie sprach: „Die Glocken klingen für ihn,
Für ihn und für – Barbara Allen.

Liebe Mutter mach ein Bett für mich,
Unter Weiden und Eschen geborgen;

John Graham ist heute gestorben um mich

Und ich sterbe um ihn morgen.“

Autor: Theodor Fontane


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Gedichte: Tragik

26.01.2022 um 07:50
Als sich mit Schmerzen,

In Tränen und stumm,

Trennten die Herzen,

Wer sagt, warum? -

Kalt dein Gesicht und blass,

Kälter dein Kuss;

O damals ahnt ich, was

Nun kommen muss.



Es taute der Morgen

So schaurig kühl,

Mich warnte verborgen

Ein Vorgefühl.

Die Schwüre verwehten,

Die Ehre zerbrach,

Dein Ruf ist zertreten

Und mein deine Schmach.



Dein Name umklingt mich

Wie Totengeläut.

Ein Schauer durchdringt mich,

Als liebt ich noch heut.

Wie gut ich dich kannte,

Wem ist es bewusst?

Wer weiß, wie mir brannte

Von Reue die Brust?



Verstohlen besessen,

Verstohlen beweint,

Dass du mich vergessen,

Verraten den Freund!

Nach langem Büßen,

Wenn Jahre herum,

Wie soll ich dich grüßen? -


In Tränen und stumm.


George Gordon Lord Byron
(* 22.01.1788, † 19.04.1824)

britischer Dichter


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Gedichte: Tragik

27.02.2022 um 19:57
Ulrich Horstmann

VERSONNEN

auf feinädrigen blättern kugelt der tau
in den tropfen
gebrochenes
sich vertausendes licht
SONNENAUFGANG
von den rippen verbläst der staub
ein hauch geht durch die flußtäler
und rötet die steine
am grund
nach diesem SONNTAG
ist der mond
für immer zum spiegel geworden
in der letzten
kopernikanischen wende
mürrisch
haben wir frieden gemacht

Aus: Wortkadavericon oder Kleine thermonukleare Versschule für jedermann. Köln; Leverkusen 1977.

https://untier.de/mondheimat/


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