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Gedichte aus aller Welt

798 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Literatur, Gedichte, Lyrik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte aus aller Welt

12.12.2012 um 20:41

Vision

1

Wir wachten noch. Mit glühendem Verlangen
Zog ich das schönste Weib an meine Brust,
Das jemals eines Mannes Arm umfangen,
Durchzuckt von ihres Kusses süßer Lust
Fühlt' ich das Blut in meinen Pulsen stocken
Und war mir doch der Seligkeit bewußt.
Sie war ja mein; das Haupt voll dunkler Locken,
Der schlanke Leib, des Auges Liebesglut,
Des Busens schneeig weiße Lilienglocken,
Ihr liebend Herz und all sein heißes Blut.
Mein war es; und das geistige Genießen
Versank fast in der Leidenschaften Flut.
Sie hob das Haupt von ihrem Lagerkissen,
Belebte mich durch einen langen Kuß
Und sprach dann schmerzlich lächelnd: »Würd' ich wissen,
Dein Leichtsinn könnte diesen Hochgenuß
Der seligsten Vereinigung verderben,
Mir rauben, was ich hoch erkaufen muß -
O dann, Geliebter, wünscht' ich jetzt zu sterben,
Eh' mich der Hoffnung Himmelsfreuden fliehn
Und ihre Blätter herbstlich gelb sich färben.«
»Mein heißes Lieb, du sprichst in Phantasien,
Dein Blut ist heiß, sei ruhig, schlafe ein,
Schlaf ein, denn meines treuen Herzens Glühn
Und diese Küsse schwören: ewig dein!«
Sie sank zurück, sie schlief. - Noch war es Nacht,
Da blendet plötzlich mich ein heller Schein,
Auf mich herab sinkt die azurne Pracht
Des Himmels, der in goldnen Sonnenstrahlen
Hervor aus schneeig weißen Wolken lacht.
Doch könnt' ich jetzt auch mein Entsetzen malen,
Vor mir erhebt sich ein vergeßnes Bild
Und weckt in mir der alten Liebe Qualen.
Ich schaute nicht den Himmel blau und mild,
Ihr Auge ist's, ich hab es jetzt erkannt,
Die Wolke, die den Horizont umhüllt,
Es ist ihr weißes flatterndes Gewand,
Seht, wie sie flehend ihre Hand ausstreckt!
Wie, hört' ich recht! mein Name ward genannt!
So ist's kein Spiel der Hölle, das mich neckt -
Sie ist es selbst! - Doch ach, zu spät - die Reue
Hat nimmermehr die Toten auferweckt.
Und doch - weh mir - ich zittre! - meine Treue,
Die ich im Schwur gelobt, - sie wankt -
Die alte Liebe reget sich aufs neue -
Weib, rette mich, des Kampfes Ausgang schwankt! -
Und sie erwacht, sie richtet sich empor -
Ein einzger Kuß, und wie mich's auch gebangt,
Ich ging als Sieger aus dem Kampf hervor.
Und als sie fragte: was mich aufgeschreckt!
Da flüsterte ich leise ihr ins Ohr:
»Nichts, nichts, mein Kind, ein Traum, der mich geneckt!«

2

Es war so traulich still in ihrem Zimmer; -
Sie selbst vom goldnen Abendrot umflossen,
Und an der Wand des Mondes Silberschimmer,
Das waren meiner Seligkeit Genossen,
Als mir sich, in des schönsten Weibes Zügen,
Ein süß Geheimnis endlich aufgeschlossen.
Sie liebte mich! - und könnten Engel lügen,
Und glaubt' ich selbst an eines Gottes Fehle
Unmöglich konnte mich ihr Auge trügen,
Der himmelsklare Spiegel ihrer Seele,
Unmöglich war's, daß in des Herzens Tiefen
Sie Kälte, Furcht und Zweifel mir verhehle.
Gefühle, die wie tot im Busen schliefen,
Belebten sich an meines Herzens Glut,
Mir war es, als ob tausend Stimmen riefen:
»Jetzt oder - nie! Der Sieg belohnt den Mut!«

Fort trieb's mich, eine Rose ihr zu pflücken,
Um alles, was im Herzen mir geruht,
Ihr mit dem Bild der Liebe auszudrücken,
Um sie, die blüh'nde Königin der Frauen
Auch mit der Blumenkönigin zu schmücken.
Und welch ein Sieg! ich sah aus ihrem blauen,
Dem klaren Auge, - Freudestrahlen sprühend,
Auch Freudentränen jetzt herniedertauen;
Sah an den Busen, wie die Rose blühend,
Der Liebe Bild gepreßt von ihren Händen,
Sah ihre Lippen, wie die Rose glühend,
Der Küsse heilges Feuer fast verschwenden;
Das schaut' ich alles, ach - und immer wieder
Wollt' ich zurück die trunknen Blicke wenden.
Sie steckte jetzt die Rose an das Mieder,
Sie wollte sprechen, doch die Lippe bebte,
Sie schlug die Augen auf, sie schlug sie nieder, -
Wie glühend auch ihr Herz der Liebe bebte,
Des Weibes Scham war ihr so ganz geblieben,
Daß sie den eignen Wünschen widerstrebte.

Da hat es mich zu rascher Tat getrieben;
Ein Kuß - und ach, im Gegenkusse brennen
Fühlt' ich die Lippen, hörte mich bei lieben,
Bei tausend längst erwünschten Namen nennen,
Und wie wir innig uns umschlungen hatten,
Da schwört' ich laut: »Es kann kein Gott uns trennen!«
Doch plötzlich sah ich vor mir einen Schatten,
Und zitternd, leise sprach mein Weib die Worte:
»Entflieh, Geliebter, meinem toten Gatten;
Sieh, wie die Hand mir drohet, die verdorrte,
Ach, meine Schwüre hab' ich kaum gebrochen,
So öffnet schon sich seines Grabes Pforte.«
Ich hörte ihres Herzens lautes Pochen,
Sah sich den Schatten riesig weiter dehnen,
Doch meines Blutes leidenschaftlich Kochen
Mein ganzes Sein, mein Trachten und mein Sehnen
Verlangte eins, verlangte zu genießen,
Wild rief ich: »Du bist mein!« Da sah ich Tränen
Aus ihren lieben, blauen Augen fließen,
Und ach, wie wenn sie meine Glut vernichtet,
Vermocht' ich's nicht, sie länger zu umschließen,
Und ob der Mond den Schatten auch gelichtet,
Es schwieg in mir Begierde und Genuß,
Der letzte Kuß, bevor ich ganz verzichtet,
Es war der erste, schöne Freundeskuß.

Theodor Fontane



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Gedichte aus aller Welt

12.12.2012 um 20:48

Auf den Virgin Islands

Die Dünung der Orgel
der anglikanischen Kirche St. Croix in Christianstead
wird von der Stimme des Fallschirmjägers verdrängt: "Nach
Vietnam zur Polizei. Dreißigmal abgesprungen."
Glocken bestrafen die tote Straße, Tauben taumeln,
ihre Schirme öffnend, vom Glockenturm
und drehen sich in Kreisen, bis die Ringe des Läutens aufhören.
"Salud!" Der Fallschirmjäger hebt sein Glas.
Die Gemeinde erhebt sich wie eine Patrouille,
mit schlurfenden Schuhen und Stiefeln,
und wiederholt Befehle, während die Orgel donnert:
"Preiset den Herrn. Der Name des Herrn sei gepriesen."

Jenseits des stillen Hafens kann man die Brecher
nicht an den geschrammten Horizont feuern hören,
noch die Charterflugzeuge, die auf Buck Island
zuschießen. Der einzige Krieg hier ist ein stiller
Krieg zwischen blauem Himmel und Meer,
und eine einzige Stimme, die des marschierenden Chros, erhebt sich,
um mit dem uralten Schrei "Onward, Christian Soldiers"
neue Rekruten für die noch halbleeren, oder, wie Gläser,
halbvollen Kirchenbänke auszuheben.
Eine Möwe hängt, sich am Sims festkrallend,
wie eine Medaille vom tuchblauen Himmel.

Ist das alles: diese Boote, dieses blaue Meer?
Die Dinghis, Katamarane und Rennjachten, die an den
spitzengesäumten Felsen, an denen sie vertäut sind,
der Dünung von "Preiset den Herrn" zunicken?
Wesley und Watts, deren evangelisches Licht
die Minenschächte zu unserem Kirchstuhl hinabstach
mit seinen von Anthrazitstäubchen kiesigen Strahlen,
die auf uns in unseren Bänken zutrieben:
aus Gottes langsam mahlenden Mühlen in Lancashire
Asche auf die in den Sümpfen Flanderns eingegrabenen Toten,
während nun ein graues Nieseln an der Aussicht

auf diesen blauen Hafen vorbeidefiliert, in Fenster
zwischen zwei vom Zügel des Windes hin- und hergerissene
Palmwedel gerahmt, die wie Pferdenacken übereinstimmen
und nickend, langsam wie ein Leichenwagen, einen Schleier
aus Regentroddeln tragen. Während das Wetter, wie in einem Kind,
umschlägt, wird der paradiesische Tag draußen dunkel,
die Jachten flattern wie Motten in einem grauen Glas,
die militärischen Stimmen gehen im Donnern unter, und
auf der anderen Seite des Hafens wirft, wie ein schüchterne
Lockung, der Regen einen siebenfarbigen Bogen.

Der Sonntag ist für heute abend zu Bett gebracht worden.
Altarlichter reiten auf dem schwarzen Glas, wo sich die
Jachten steif wiederholen und mit jeder Kräuselung
phosphoreszieren - die weiten Parkplätze
reicher Gezeiten - und jeder Mast wiegt das Zifferblatt
der Nacht beim Umschwenken seiner Nadel auf der Suche
nach der Station, die wirklich Frieden heißt.
Wie Neonlaser, die über die Bars geschossen werden,
dröhnen die Discos die Musik der Sphären aus, und, einer nach
dem anderen, werden die Sterne von der Wissenschaft infiziert.


Derek Walcott
(Übersetzt von Johannes Beilharz)




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Gedichte aus aller Welt

12.12.2012 um 20:49

Wald von Europa

Die letzten Blätter fielen wie Noten von einem Klavier
und hinterließen das Echo ihrer Ovale im Ohr;
der Winterwald mit seinen schlaksigen Notenständern
sieht aus wie ein unbesetztes Orchester mit
auf verstreuten Schneemanuskripten gezogenen Linien.

Der Einlegekupferlorbeer einer Eiche
scheint hell wie Whisky durch die braunen
Glasziegel über deinem Kopf, während der wintrige Atem
der Mandelstamzeilen, die du rezitierst, sich
sichtbar wie Zigarettenrauch entrollt.

"Das Rascheln von Rubelnoten an der zitronenen Newa."
Die Gutturale, zerfallene Blätter, krachen unter deiner
Exilszunge wie Harsch unter Stiefeln;
Mandelstams Zeile kreist mit dem Licht
in einem braunen Raum im öden Oklahoma.

Ein Archipel Gulag liegt
unter diesem Eis, wo das Salz, Mineralquelle
des langen Pfades der Tränen, diese Ebene
berieselt, die, hart und offen wie ein Hirtengesicht,
sonnenspröde mit unrasiertem Schnee verstoppelt ist.

Aus dem Schriftstellerkongreß wächst im Flüsterton
Schnee heraus und kreist wie Kosaken um die Leiche
eines müden Choctaw, bis daraus ein Blizzard
aus Verträgen und weißem Papier wird, während wir
einen Einzelnen einer Sache wegen aus den Augen verlieren.

Jeden Frühling beladen diese Äste wie Bibliotheken
ihre Regale mit neuerschienenen Blättern, bis sie weggeworfen
und einem neuen Zyklus überführt werden - Papier zu Schnee -
und doch überdauert ein Wille am Nullpunkt des Erträglichen
wie diese Eiche mit ein paar unverschämten Blättern.

Als der Zug durch die vergewaltigten Ikonen des Waldes fuhr,
klirrten die Eisfelder wie Rangierbahnhöfe, dann ging es
durch die Nadeln gefrorener Tränen - die Bahnhöfe
kreischten Dampf - und er atmete sie in einem einzigen
Winteratem versteinerter Konsonanten ein.

Er sah die Gedichte verlorener Bahnhöfe
unter Wolken so weit wie Asien, in Gegenden,
die Oklahoma wie eine Traube verschlucken könnten -
nicht dieser baumschattigen Präriehaltestellen - in Räumen
von einer aller Entfernungen spottenden Verlassenheit.

Wer ist dieses dunkle Kind an den Geländern Europas,
das zusieht, wie der Abendfluß die mit Macht und
keinen Dichtern gestempelten Könige prägt, während
die Themse und die Newa mit Banknoten rascheln
und dann auch, schwarz auf gold, die Silhouetten des Hudson?

Von der gefrorenen Newa zum Hudson ergießt sich
unter den Kuppeln der Flugplätze, in den widerhallenden
Bahnhöfen der Fluß der Emigranten, die das Exil
so klassenlos gemacht hat wie gemeiner Schnupfen,
Bürger einer Sprache, die jetzt auch die deine ist,

Und jeden Februar, jeden "allerletzten Herbst",
schreibst du, weit entfernt von den dreschenden Erntearbeitern,
dem Weizenstroh, das sie flechten wie Mädchen ihr Haar,
weit entfernt von Rußlands vom Sonnenstich zitternden
Kanälen, ein Mann in einem Zimmer mit Englisch.

Die Touristeninseln meines Südens sind
auch Gefängnisse, bestechlich, und was sind Gedichte,
auch wenn es kein schlimmeres Gefängnis gibt, als sie
zu schreiben, und falls sie tatsächlich ihr Salz wert sind,
als Sätze, die die Menschen von der Hand in den Mund nehmen?

Von der Hand in den Mund, das Brot, das Jahrhunderte
überdauert, das dauert, wenn Regime gefallen sind,
wenn in seinem Wald aus Stacheldrahtästen
ein Gefangener in Kreisen geht und den einen Satz kaut,
dessen Musik die Blätter überdauern wird,

dessen Dampf der Marmorschweiß
auf Engelsstirnen ist, der niemals trocknen wird
bis Boreas die Pfauenlichter seines
langsamen Fächers von L.A. nach Archangelsk schließt
und das Gedächtnis nichts mehr wiederholen muß.

In göttlichem Fieber, hungrig und erschreckt,
zitterte Mandelstam, und jede Metapher
schüttelte ihn wie ein Schüttelfrost,
jeder Vokal wog schwerer als ein Grenzstein
"zum Rascheln von Rubelnoten an der zitronenen Newa".

Doch nun ist dieses Fieber ein Feuer, dessen Schein
unsere Hände wärmt, Joseph, da wir grunzen wie Primate,
die in der Winterhöhle einer braunen Hütte
Gutturale austauschen, während draußen im Gestöber
Mastodone ihre Systeme durch den Schnee zwängen.


Derek Walcott
(Übersetzt von Johannes Beilharz)




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Gedichte aus aller Welt

12.12.2012 um 23:24
Winter

When icicles hang by the wall
And Dick the shepherd blows his nail
And Tom bears logs into the hall,
And milk comes frozen home in pail,
When Blood is nipped and ways be foul,
Then nightly sings the staring owl,
Tu-who;
Tu-whit, tu-who: a merry note,
While greasy Joan doth keel the pot.

When all aloud the wind doth blow,
And coughing drowns the parson’s saw,
And birds sit brooding in the snow,
And Marian’s nose looks red and raw
When roasted crabs hiss in the bowl,
Then nightly sings the staring owl,
Tu-who;
Tu-whit, tu-who: a merry note,
While greasy Joan doth keel the pot.

William Shakespeare


Winter

Wenn Eiszapfen an der Wand hängen
und Dick die Hirten bläst seine Nagel
Und Tom Bären in die Halle anmeldet,
Und Milch kommt eingefroren Hause im Eimer,
wenn Blut erstickt und Wege sein Foul,
dann nächtlichen singt der starren Eule,
Tu-who;
Tu -whit, tu-die: a merry beachten Sie,
Während fettigen Joan doth Kiel den Pot.

Wenn alle laut der Wind doth blasen,
und Husten ertrinkt des Pfarrers Säge,
Und Vögel sitzen im Schnee Grübeln,
Und Marian Nase sieht rot und roh
Wenn gerösteten Krabben Zischen in der Schüssel,
dann nächtlichen singt die starren Eule,
Tu-who;
Tu -whit, tu-die: a merry beachten Sie,
Während fettigen Joan doth Kiel den Pot.

William Shakespeare


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Gedichte aus aller Welt

12.12.2012 um 23:58
@Missesfee
Die "Googletranslater" Übersetzung ist weitaus epischer als das original! :D


Erinnert stark an den "Jabberwoky"!


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Gedichte aus aller Welt

13.12.2012 um 09:10
@Jofe
Ich war zu Faul eine gescheite Übersetzung zu suchen :D
aber für einen Lacher taugt der Googletranslater allemal :D


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Gedichte aus aller Welt

13.12.2012 um 18:38

Dos cuerpos


Dos cuerpos frente a frente
son a veces dos olas
y la noche es océano.

Dos cuerpos frente a frente
son a veces dos piedras
y la noche desierto.

Dos cuerpos frente a frente
son a veces raíces
en la noche enlazadas.

Dos cuerpos frente a frente
son a veces navajas
y la noche relámpago.

Dos cuerpos frente a frente
son dos astros que caen
en un cielo vacío.

Octavio Paz
(Mexico)



Zwei Körper


Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal Wellen,
und die Nacht ist Meer.

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal zwei Steine,
und die Nacht ist Wüste.

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal Wurzeln,
in der Nacht verschlungen.

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal Klingen,
und Blitze die Nacht.

Zwei Körper Stirn an Stirn:
zwei Sterne, die
in einen leeren Himmel fallen.


Octavio Paz
(Mexico)




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Gedichte aus aller Welt

13.12.2012 um 18:41

After Baudelaire, ‘Les Bijoux’

Knowing just what I like, she keeps her jewels on
when she strips, so stone and metal gleam
and clash: she's slave and conqueror in one,
light and sound melting in a single dream.
She crouches, but won't let herself be loved,
fixing her gaze on mine, a tigress tamed
by lust and music, a body restless, moved
from pose to pose, erotic, unashamed,
that sleepy smile enhanced by her vermilion
lipgloss; the oiled mahogany other thighs,
her arms, her arse; an angel of destruction
with childlike candour radiant in her eyes —
until the song ends, and the red spotlights flood
her dark skin with a pulse that glows like blood.

Grevel Lindop


Nach Baudelaire, ‘Les Bijoux’

Sie weiß, was ich mag, und lässt die Klunker dran,
während sie strippt. Stein und Metall glänzen
und kämpfen: Sklavin ist sie, Eroberin zugleich,
Licht und Klang verschmelzen zu einem Traum.
Sie kauert zwar, lässt sich aber nicht lieben,
mit festem Blick in meinem, Tigerin gezähmt
von Lust und Musik, ruheloser Körper, bewegt
von Pose zu Pose, erotisch, ohne Scham,
schläfriges Lächeln verstärkt durch den Zinnober
ihres Lippenstifts; geöltes Mahagoni von Schenkeln,
Armen, Arsch; ein Engel der Zerstörung,
kindlicher Freimut im Glanz der Augen —
bis die Musik aussetzt und eine Flut
roter Lichter auf ihrer dunklen Haut pulsiert wie Blut.

Grevel Lindop




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Gedichte aus aller Welt

14.12.2012 um 21:26

La laguna

La noche es suave y muelle
Tal cual si fuera hecha
Con los vellones blandos
De alguna oveja negra.

No hay luna. Vago a oscuras
Por el campo hechizado.
Huelo frescor de juncos,
De sauces y de álamos.

Voy junto a la laguna,
¡Oh misterio del agua!
El agua es un ser vivo
Que me contempla y calla.

La laguna, esta noche,
Parece pensativa.
Mi alma se alarga a ella
Como una serpentina.

¡Cuánto me gusta el agua!
¡Cuánto me gusta el agua!
Hacia ella se inclina
Cual un junco mi alma.

Acaso, en otra vida
Ancestral, yo habré sido
Antes de ser de carne,
Cisterna, fuente o río...

Juana de Ibarbourou
(Uruguay)



Die Lagune

Die Nacht ist sanft und zart,
Als ob sie aus dem weichen
Vlies eines schwarzen
Schafes bestünde.

Kein Mond. Ich streife im Dunkeln
Auf dem verzauberten Feld umher.
Ich atme die Frische von Binsen,
Weiden und Ulmen.

An der Lagune gehe ich entlang
Und spüre dich, Geheimnis des Wassers!
Das Wasser ist ein lebendiges Wesen,
Das mich betrachtet und schweigt.

In dieser Nacht scheint
Die Lagune Gedanken nachzuhängen.
Meine Seele streckt sich an ihr
Serpentinengleich aus.

Wie ich das Wasser liebe!
Wie ich das Wasser liebe!
Ihm zu neigt sich
meine Seele wie die Binse.

Vielleicht war ich in einem
Anderen uralten Leben,
Bevor ich Fleisch wurde,
Zisterne, Brunnen oder Fluss..

Juana de Ibarbourou
(Uruguay)




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Gedichte aus aller Welt

14.12.2012 um 21:28

Abril

Abril dorado y maduro,
Abril de mi amor feliz,
¡Cómo me gusta tu aire,
Tu sol y tu luna, Abril!

En la vigilia y el sueño
Tu cielo, torre y azar,
Con la cara que más quiero
Es mi esperanza tenaz.

Abril sin las golondrinas
De Octubre, sin el rosal
De Diciembre y sin la poma
Que el rojo Enero me da.

Abril, que entornas la puerta
Ruidosa del colmenar.
Abril sin corderos nuevos,
Uvas, lilas, ni azahar;

Manso Abril desposeído
Que nada tienes que dar.
¡Cómo me gustas por eso,
Abril de ligero andar!

¡Cómo me gustas por claro,
Por bueno para soñar,
Con tu silencio en mi playa
Y tu dulzura en mi mar!

Juana de Ibarbourou
(Uruguay)


April

Goldener, reifer April,
April meiner glücklichen Liebe,
Wie ich deine Luft genieße,
Deine Sonne, deinen Mond!

Wachend und im Traum
Ist dein Himmel, Turm und Zufall
Mit dem heißgeliebten Gesicht,
Meine unbeirrbare Hoffnung.

April ohne die Schwalben
Des Oktobers, ohne den Rosenstrauch
Des Dezembers und ohne den Apfel,
Den der rote Januar mir schenkt.

April, der die geräuschvolle Tür
Des Bienenhauses zur Hälfte öffnet.
April ohne neugeborene Lämmer,
Trauben, Flieder, Orangenblüte;

Zahmer, enteigneter April,
Der du nichts zu geben hast.
Wie du mir deshalb gefällst,
Leicht dahinschwebender April!

Wie ich dich wegen deiner Klarheit liebe,
Deiner Anstiftung zum Träumen,
Mit deiner Stille an meinem Strand
Und deiner Süße in meinem Meer!

Juana de Ibarbourou
(Uruguay)




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Gedichte aus aller Welt

15.12.2012 um 18:40

Der Turmkauz

Schnee hüllt das Land. – Grundtief füllt Eis den Main. –
Durch kalte Nachtluft leuchtet, – sonder Ende –
In höh'rem Glanz, als sonst der Sterne Schein: – –
Das ist die Nacht der Jahreswende.

Geh', Münsterturmwart, ruhe diese Nacht!
Dich lös' ich ab in deiner luft'gen Zelle:
Selb zweit mit meiner Harfe halt' ich Wacht,
Bis daß mich grüßt die Morgenhelle.

Dorthin den Weinkrug und die Ampel: hier
Den Speer und deine lange Turmdrommete:
Geh nur und schlaf: ich halte Wache dir
Mit Sang und Sinnen und Gebete. – –

Rings ruht die Stadt. – Nur auf der Burg glimmt rot
Des Gauwarts Licht. – Rings Kälte, Nacht und Schweigen, –:
Wie anders einst zu Rom uns Neujahr bot
Das Volk mit Tanz und Flötenreigen.

Lau ist die Nacht dort, wie bei uns im Mai!
Wie glatt die Lispler Gruß und Handschlag fälschen:
»Salut a voi!« – Da plötzlich: Mordgeschrei!
Und über uns die Wut der Welschen!

Das war das röm'sche Neujahr! – Heimatland: –
Da lob' ich dich, trotz Eis und Frost! – – Was ächzet
Vor'm Fenster dort? – Der Turmkauz! – Übler Fant!
Er kündet Unheil, wo er krächzet.

»Was wachst du, Mann,
Den Tag heran,
Den Tag vom neuen Jahre?
Unheil verrann,
Unheil hebt an
Von Wiege bis zur Bahre.

Die Lieb' ist Lust!
Treu keine Brust:
Es gleißt die Welt in Lügen:
Der Freund liebt sich:
Er liebt nicht dich:
Laß dich den Schein nicht trügen.

Das Reich zerrinnt,
Und Rom gewinnt,
Der Kaiser beugt den Scheitel:
Die Welt ist schal:
Ja, sie ist Qual:
Reich, Lieb' und Sang sind eitel.«

Husch, höllisch Nachtgekrächz, entweich' hiedann!
Sonst, Unhold, schlag' ich nach dir mit dem Speere – –
Ha sieh: Es tagt! Es tagt! die Nacht verrann,
Die Sonne steigt! Dem Herrn die Ehre!

Falsch war der Unkenruf! Es siegt das Licht:
Nicht eitel sind Lieb', Sang und deutsche Krone:
Den echten Mann reut seiner Schmerzen nicht:
Er trägt tief in sich, was ihm lohne.

Das Fenster auf! – Komm, Wachtdrommete mein:
Weit soll das deutsche Land den Ruf vernehmen:
Was feig und falsch, was niedrig und gemein,
Das soll mein Morgenlied verfemen.

Was kühn und treu, was edel, hoch und rein,
Soll sieghaft stehn gen alle Höllenstreiche:
Heil, junges Jahr! Dein Willkommgruß soll sein:
Dem Kaiser Heil und Heil dem Reiche.

Walther von der Vogelweide




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Gedichte aus aller Welt

15.12.2012 um 18:48

Ein Laboratorium

In einem kleinen Labor,
einer Schachtel von Zimmer,
kreisen in ihren Bahnen
Planeten, Meteoriten,
Sonne, Sterne,
Stickstoff, kosmisches Eis.
Auf einigen Planeten
gibt es Leben,
so denken einige Leute,
gibt es hochentwickelte Geschöpfe.
Auf einigen Sternen
laufen chemische Reaktionen ab,
und Leben wird es dort
erst in einigen Milliarden Jahren geben,
so denken einige Leute.
Während
auf anderen Planeten
das Leben allmählich erlischt.
Plötzlich schaukelte diese kosmische Idylle,
kosmisches Eis
in kleinen Stücken
fiel funkelnd auf die Sonne,
Planeten stürzten aus ihren Bahnen,
alle Materie versammelte sich in einer Ecke –
Gott hatte das Labor genommen
und ihm einen anderen Raum verpasst.

Viktar Licvinau
(Weißrussland)




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Gedichte aus aller Welt

15.12.2012 um 18:54

Ode to Drowning

1.
This is an ode
to be sung
in the latest hour of night

when the rain clouds
have gathered
over shingled roofs

and blue-skinned gods
with magical flutes
seduce the virgins to dance

For there is no love
without music
No rain

without peacocks
perched
in branches

of sandalwood trees
with plumes
of angels

and voices of thieves
pleading for their loves
to return

2.
If rain signals
the lover's return
then I am lost

in the desert
burning
like the brain fever bird*

looking for images of you
through mesquite
and teak

Because there's no sign
of you
or what I know

to be as you
Only clouds adrift
in a vanquished sky

like vines
of deeply throbbing arms
and mouths

drinking at the shores
of my fallen tears
intoxicated with the night

3.
There are as many ways
of yearning
as there are ways for rain

to fall
slow
incessant
gentle
squalling
melancholy
warm

It's that old idea
of drowning
into another to find the self

the compliance
that water gives in form
and depth to something else

But what if the humming bees
are quiet
and the garlands

of throbbing jasmine
have been laid out to dry
How long to wait

under the awning of desire
for a season to quench us
with delight

4.
It's desire
after all that spins us round
demands that love

be sung of again
and again
as though it were new

like the stillness before
the coming
of the first monsoon

when the hymen of the earth
is torn into
and the brazen smell

of damp
fills the air
and everything turns

immodestly green
heavy with flower
washed of dirt

Must there be surprise
when we've thundered
and rolled

and appeased our thirst
when the silence returns
again

Because in truth
it's a waiting
that never ends

like the pause
between the cycles
of the world

between separation
and union
longing and abandonment

only somewhere
in between the waning
we're left with something

of an essence
the music of uncertainty
the aftertaste of rain

Tishani Doshi
(Indien)



Ode ans Ertrinken

1.
Dies ist eine Ode,
die in spätester Nachtstunde
gesungen werden sollte,

wenn sich die Regenwolken
über schindelgedeckten Dächern
zusammengezogen haben

und blauhäutige Götter
mit Zauberflöten
die Jungfrauen zum Tanz verführen.

Denn es gibt keine Liebe
ohne Musik,
keinen Regen

ohne Pfauen
auf den
Ästen

von Sandelholzbäumen,
mit den Federn
von Engeln

und den Stimmen von Dieben,
heiser nach der Rückkehr
ihrer Geliebten schreiend.

2.
Kündet der Regen
die Rückkehr des Geliebten an,
bin ich verloren

in der Wüste,
brenne
wie der Papiha-Vogel*,

der durch Süßholz
und Teakstämme hindurch
dein Bild sucht.

Weil von dir
oder dem, was ich
als dich kenne,

jedes Zeichen fehlt.
Nur Wolken, die über einen
bezwungenen Himmel treiben

wie Ranken
schlagender Arme
und Münder,

die sich, von der Nacht berauscht,
an den Ufern
meiner gefallenen Tränen laben.

3.
Die Sehnsucht hat so viele
Gesichter
wie der Regen:

langsam,
unaufhörlich,
sanft,
böig,
melancholisch,
warm.

Es ist der uralte Gedanke
des Ertrinkens im anderen
zur Selbstfindung,

der Anpassung
des Wassers in Form
und Tiefe an etwas anderes.

Was aber, wenn das Summen der Bienen
verstummt ist,
wenn die Girlanden

des pochenden Jasmins
zum Trocknen ausgelegt wurden?
Wie lange soll ich warten

unter dem Sonnensegel der Begierde,
bis der nächste Monsun unseren
Durst mit Freude stillt?

4.
Denn es ist das Begehren,
das uns umherwirbelt,
verlangt, dass Liebe

wieder und wieder
gesungen wird,
als ob sie neu wäre,

wie die Stille
vor dem Eintreffen
des ersten Monsuns,

wenn das Hymen der Erde
durchbrochen wird
und der schamlose Geruch

der Feuchtigkeit
die Luft erfüllt,
wenn alles ganz

unanständig grün wird,
mit schweren Blüten behangen ist,
von Schmutz befreit.

Muss es Überraschung geben,
wenn wir gedonnert
und gegrollt

und unseren Durst gelöscht haben,
wenn die Stille zurückkehrt,
auf Neue?

Da es in Wahrheit
ein Warten ist,
das niemals endet,

wie die Pause
zwischen den Zyklen
der Welt,

zwischen Trennung
und Vereinigung,
Verlangen und Verlassenwerden,

nur dass uns irgendwo
vor dem Abflauen
etwas verbleibt,

etwas Wesentliches,
die Musik der Ungewissheit,
der Nachgeschmack des Regens.


Tishani Doshi
(Indien)



* Papiha (Cuculus varius): von den Schreien dieses Vogels aus der Kuckucksfamilie wird gesagt, dass sie das Kommen des Monsuns ankündigen.




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Gedichte aus aller Welt

16.12.2012 um 16:02

Het hart van het hart

Het hart van een hart is de hartaanval,
de materie die crasht, met zwart weefsel
doorschoten, waarmee zich het lichaam
tot het huis en zijn doorbloede
gebruiken of een wandeling
langs het ijskoude stuwmeer verklaart
als verzinkend in zijn vlezen staat,

een spier door zijn zozijn verlaten.

In zijn blauw, de kern van zijn afbraak,
is het hart als een dier dat klam
uit de zuurstof verdreven naar
de grens van zijn anatomie
stervend meer dan zichzelf is
en daarin verweven met het gedicht,
dat zich infarct na infarct
aan het voorbijgaan schenkt en daarbij
steeds weer,

de dood in het schrift geslagen,

zijn deel van de wereld vernietigt.

Dirk van Bastelaere
(Belgien)


Das Herz des Herzens

Das Herz eines Herzen ist der Herzinfarkt,
die Materie, die crasht, mit schwarzem Gewebe
durchschossen, mit dem sich der Körper
zum Haus und seine durchbluteten
Gewohnheiten oder einen Spaziergang
an einem eiskalten Stausee entlang erklärt,
wenn versinkend in seinem Fleische steht,

ein Muskel von seinem Sosein verlassen.

In seinem Blau, dem Kern seines Verfalls,
ist das Herz wie ein Tier, das, klamm
aus dem Sauerstoff vertrieben, zur
Grenze seiner Anatomie
sterbend, mehr ist als es selbst
und darin verwoben mit dem Gedicht,
das sich, Infarkt nach Infarkt,
dem Vorbeigehen schenkt und dabei
immer wieder,

den Tod in die Schrift geworfen,

seinen Teil der Welt vernichtet.


Dirk van Bastelaere
(Belgien)




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Gedichte aus aller Welt

17.12.2012 um 10:53

Creator

Man cwrdd, neu fan cau allan ydyw’r ffin;
â chraith Clawdd Offa’n hollti’r fro yn ddwy,
eiddo pob enaid byw yw dewis p’un.

Ar fore Sul, cael tro ar ben dy hun
ar hyd y lôn sy’n derfyn gwlad a phlwy’;
man cwrdd, neu fan cau allan ydyw’r ffin.

Llais gynnau pell y grymusterau blin.
Llais plentyn na ŵyr ddim o’u dicter hwy;
eiddo pob enaid byw yw dewis p’un.

Ac yn y fan, gweld popeth megis llun:
y byd lle na fydd codi arfau mwy,
man cwrdd, neu fan cau allan ydyw’r ffin.

Dagrau iachâd sy’n glasu’r erwau crin,
neu’r dicter cyfiawn sy’n coleddu’r clwy’,
eiddo pob enaid byw yw dewis p’un.

Y cenedlaethau’n rhannu’r gân fel gwin,
heb feddwl gyntaf pam, na ble, na phwy;
man cwrdd, neu fan cau allan ydyw’r ffin,
eiddo pob enaid byw yw dewis p’un.

Grahame Davies
(Walisisch)


Der Begründer

Grenze, Ort sich zu treffen / zu meiden:
Eine Narbe (:Offas Wall), die das Land trennt
Die Macht der Seele, sich zu entscheiden.

Am Sonntagmorgen ein einsames Schreiten
Den Weg entlang, der ans Ende rennt;
Die Grenze der Ort, sich zu treffen / zu meiden.

Die Stimme der Waffen wütender Zeiten.
Die Stimme des Kinds, das deren Groll nicht kennt;
Die Macht der Seele, sich zu entschieden.

Und sogleich beginnt ein Bild sich zu breiten:
Die Welt, die nicht mehr in Krieg entbrennt
Grenze, Ort sich zu treffen / zu meiden.

Die Tränen fließen, in grünende Weiten
Oder der Zorn leckt die Wunden, zuend;
Die Macht der Seele, sich zu entscheiden.

Die Völker teilen das Lied und die Leiden
Ohne ewig zu fragen: mein Feind / my friend
Grenze, Ort sich zu treffen / zu meiden
Die Macht der Seele, sich zu entscheiden.

Grahame Davies




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Gedichte aus aller Welt

17.12.2012 um 17:20

grond

onder bevele van my voorgeslagte was jy besit
had ek taal kon ek skryf want jy was grond my grond

maar my wou jy nooit
hoe ek ookal strek om my neer te lê
in ruisende blou bloekoms
in bees wat horings sak in Diepvlei
rimpelend drink die trillende keelvel
in tafsytossels in leksels gom
in doringbome afgegly na die leegtes

mý wou jy nooit
my verduur kon jy nooit
keer op keer skud jy my af
rol jy my uit
grond, ek word langsaam naamloos in die mond

nou word geveeg om jou
beding verdeel verkamp verkoop versteel verpand
ek wil ondergronds gaan met jou grond
grond wat my nie wou hê nie
grond wat nooit aan my behoort het nie

grond wat ek vergeefser as vroeër liefhet

Antjie Krog
(Afrikaans)

Land

Auf Befehl meiner Vorfahren wurdest du besetzt
hätte ich Sprache könnte ich schreiben denn du wärst Land mein Land

aber mich wolltest du nie
wie sehr ich mich auch streckte um zu liegen
im rauschend blauen Eukalyptus
beim Vieh das seine Hörner senkt in Becken voller Wasser
in winzigen Wellen plätschernd die zitternden Wangen trinken
in seidigen Quasten im tropfendem Harz
in Dornenbäumen die hinab ins Leere glitten

mich wolltest du nie
mich konntest du niemals ertragen
ein übers andre Mal hast du mich abgeschüttelt
hast du mich raus gerollt
Land, langsam wurd’ ich namenlos in meinem Mund

Jetzt wird um dich gekämpft
verhandelt geteilt abgeweidet verkauft gestohlen verpfändet
in den Untergrund will ich mit dir gehn Land
Land das mich nicht haben wollte
Land das mir nie gehörte

Land das ich fruchtloser liebe denn je

Antjie Krog




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Gedichte aus aller Welt

17.12.2012 um 21:53

Liebe und Wollust


Schwestern sind sie, doch sie meiden
ewig sich ohn Unterlaß;
wählst du eine von den beiden,
mußt du von der andern scheiden,
schwörest du der andern Haß!

Schwestern sind sie, ähnlich scheinen
sie beim ersten Blicke, doch
wer sie suchet zu vereinen,
wird den Irrtum bald beweinen,
denn er nimmt der Wollust Joch.

Unter mancherlei Gestalten
schleichet sich die Listge ein,
läßt du einmal sie obwalten,
weiß sie schlau dich festzuhalten,
mußt du stets ihr Sklave sein!

Ihren schimmernden Altären
nahet sich die halbe Welt;
ihre süße Macht verehren
die selbst unter Schmerzenszähren,
die ihr Stachel teuflisch quält.

Schön ist ihre Außenseite,
lieblich lacht ihr Rosenmund,
aber lockend lacht sie heute
und stößt morgen ihre Beute
wild in der Verzweiflung Schlund;

in der hocherhabnen Linken
hält sie schmeichelnd den Pokal,
aber folgst du ihren Winken,
willst den süßen Nektar trinken,
mordet dich ihr scharfer Stahl.

Ruhig, mit bescheidnen Mienen
naht die zweite, sanft und mild;
und wohl denen, die ihr dienen
rein und makellos; wohl ihnen,
all ihr Sehnen wird erfüllt.

Zwar lockt nicht mit frechen Blicken
sie dich an die keusche Brust,
doch wen ihre Gaben schmücken,
füllt das reine Herz Entzücken,
Seligkeit und Himmelslust!

Wohl dem edlen Erdensohne,
der ihr ewge Treue schwor,
denn der reinen Liebe Krone
reicht sie ihm zum schönen Lohne,
hebt zu Göttern ihn empor!

Ich auch habe sie gefunden,
mich auch schmückt ihr Rosenband,
meine Stirn hat sie umwunden
in der seligsten der Stunden,
als ich meine Molly fand!

Mich reizt nicht das Glück der Toren,
nicht der Wollust Vollgenuß,
Liebe, dich hab ich erkoren,
als ich Molly Treu geschworen,
bei der Holden ersten Kuß!

Weg da mit dem eiteln Ruhme,
feiler Wollust Knecht zu sein!
in der Liebe Heiligtume
blüht mir eine schönre Blume,
Molly, Molly, du bist mein!

Franz Grillparzer




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Gedichte aus aller Welt

18.12.2012 um 16:28

Villes réellement
(Kanada)

villes effleurées d’où tu regardes
les petits bras d’Isabelle Huppert
quand elle récite
les mots de Sarah Kane
villes effleurées où quelqu’un demande
parfois si ça soulage un incendie
ou peut-être aussi un tatouage

villes dans l’eau jusqu’à la ceinture
jusqu’à la destruction lente et molle du matin
ton sourire qui remonte à si loin
puis émerger sera
un verbe utile et strident

villes suspendues au-dessus des heures
avec leurs paupières de renaissance
leurs ficelles pour guérir
repoussant le chien le singe
dans les musées
frôlant paumes et poings pour camoufler
l’odeur de peur, l’instinct quotidien

villes du très grand Nord
où j’apprends à toucher
la matière grise des bêtes
leur peau sur les comptoirs
à essuyer le sang sur mes mains
pour saluer qui vient
de l’horizon turquoise des glaciers
avec une soif et un appétit qui font un lien
entre la tendresse et le froid

Nicole Brossard



Städte tatsächlich

Städte kaum berührt von wo aus du
Isabelle Hupperts zarte Arme betrachtest
wenn sie Sarah Kanes
Worte vorträgt
Städte kaum berührt wo manchmal jemand
fragt ob ein Brand Erleichterung schafft
oder vielleicht auch ein Tatoo

Städte bis zum Gürtel im Wasser
bis zur langsamen und schlaffen Zerschlagung des Morgens
dein Lächeln liegt so weit zurück
auftauchen wird schließlich
als Verb nützlich und schrill

Städte in der Schwebe über den Stunden
mit ihren Renaissance-Lidern
ihren heilenden Fäden
drängen Hund und Affe
ins Museum zurück
streifen flache Hand und Faust um den
Angstgeruch zu vertuschen, den alltäglichen Instinkt

Städte des sehr hohen Nordens
wo ich lerne die graue
Substanz der Tiere anzufassen
ihre Häute auf Ladentheken
mir das Blut von den Händen zu wischen
um die zu grüßen die vom Horizont
kommt türkis von den Gletschern
und mit ihrem Durst und Appetit Zärtlichkeit
und Kälte verknüpft

Nicole Brossard
(Kanada)




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Gedichte aus aller Welt

19.12.2012 um 18:24

TextLamento

Souvenez-vous des signes

la harde où vous aviez compté
douze chevreuils
l’étang mordu par la bise
où vous aviez vu l’eau
lentement prise
le vol de canards où vous lisiez
de portée en portée la partition
des douces choses promises

Vos étangs sont pris de silence
les vols sont de l’autre côté
du monde et la harde?
est-elle en amour?

J’entends les douze coups déjà
Dites aurons-nous le temps?


Claire Krähenbühl
(Schweiz)


Lamento

Erinnern Sie sich der Zeichen

das Rudel in dem Sie
zwölf Rehe gezählt hatten
der Teich den der kalte Nordwind beisst
wo Sie das Wasser gesehen hatten
wie es langsam gefror
der Entenflug in dem Sie
Notenlinie für Notenlinie die Partitur
der süssen versprochenen Dinge lasen

Ihre Teiche sind gefroren vor Stille
die Flüge sind auf der anderen Seite
der Welt und das Rudel?
ist es verliebt?

Ich höre die zwölf Schläge schon
Sagen Sie werden wir die Zeit haben?

Claire Krähenbühl




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Gedichte aus aller Welt

19.12.2012 um 18:26

La blanche

Quels mots? demandiez-vous
Prémices bourgeon ressources?
Et cette vie à vivre
ce jeu terre contre terre

Elle nous sera portée en compte
l’attente - la mésange
est de peu de poids -

Elle nous sera contée entre deux portes
l’histoire avec sa mort ses larmes
Et vous n’aurez que des mots d’ordre
et sages ou bien vous vous tairez

Et nous ne saurons plus ni comment
ni combien de nuits
de gares ni quelle constellation

Ni pourquoi tant d’orages
tant de fois


Claire Krähenbühl
(Schweiz)


Der Weiße

Welche Wörter? fragten Sie
Anfang Knospe Mittel?
und dieses Leben das gelebt werden muss
dieses Spiel Erde gegen Erde

Man wird sie uns in Rechnung stellen
die Erwartung - die Meise
hat nur wenig Gewicht -

Man wird sie uns zwischen zwei Türen erzählen
die Geschichte mit ihrem Tod ihren Tränen
Und Sie werden nur noch Parolen haben
kluge oder schweigen

Und wir werden nicht mehr wissen wie
noch wieviele Nächte
Bahnhöfe noch welches Sternbild

Noch warum so viele Gewitter
so oft

Claire Krähenbühl




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