Einsamkeit

behind_eyes schrieb:Gibt ja noch die Möglichkeit selber aktiv zu werden und der Einladende zu sein.

Wenn man sich dazu noch arg zu wenig kennt wirkt es, insbesondere ist man nicht gerade ein sehr extravertierter Mensch, schnell bedürftig - und niemand (oder fast niemand) kommt.
Die Nachbarschaft abklappern wer zum Grillen kommen mag, unter Kollegen herumfragen wer zum Geburtstag komme mag, in der Uni den Hörsaal ablaufen wer Lust auf Spieleabend hat... klappt nicht wenn man nicht schon wenigstens (gute) Bekannte ist, zur Mittagspausenrunde gehört etc. Menschen bei denen es so ist gibt es. Mir geht es nicht mehr so, aber ich kenne es noch von früher. Viele Menschen, die noch nie länger einsam waren, glauben - einfach aus Erfahrung - nicht dass es das gibt weil sie selbst daran gewöhnt sind dass es zumindest einen "Dunstkreis" aus Bekannten gibt. Zu dem Zeitpunkt konnte ich "frag mal im Bekanntenkreis herum", "triff dich doch mal öfter mit einem Bekannten, vielleicht werdet ihr Freunde", "lassen Sie sich bitte abholen", "Sie haben doch bestimmt jemanden der den Brief für Sie einwerfen kann"... nicht nachkommen.

Raspelbeere schrieb:Viele Menschen, die noch nie länger einsam waren, glauben - einfach aus Erfahrung - nicht dass es das gibt weil sie selbst daran gewöhnt sind dass es zumindest einen "Dunstkreis" aus Bekannten gibt. Zu dem Zeitpunkt konnte ich "frag mal im Bekanntenkreis herum", "triff dich doch mal öfter mit einem Bekannten, vielleicht werdet ihr Freunde", "lassen Sie sich bitte abholen", "Sie haben doch bestimmt jemanden der den Brief für Sie einwerfen kann"... nicht nachkommen.

Genau das, alle schließen immer nur von den eigenen Erfahrungen auf andere, ein großer Fehler.

behind_eyes schrieb:Das verstehe ich nicht, trotz dem was du geschrieben hast.
Du lebst in Deutschland in einer halbwegs besiedelten Gegend?

Eine ernst gemeinte Frage:
Angenommen, es klopft bei dir an der Tür. Es ist der Nachbar den du mal flüchtig gesehen hast, oder der Kollege den du mal gesehen hast, wahrscheinlich kennst du nicht mal den Namen. Er fragt ob du Lust auf ein Treffen hättest. Würdest du dem nachkommen? (Ich vermute eher nicht, was auch relativ normal ist.)

Raspelbeere schrieb:Wenn man sich dazu noch arg zu wenig kennt wirkt es, insbesondere ist man nicht gerade ein sehr extravertierter Mensch, schnell bedürftig - und niemand (oder fast niemand) kommt.

Genau dessen muss man sich bewusst sein und das dann auch aushalten.
Muss ja auch kein Treffen zuhause sein oder zum Geburtstag, in einer Sportkneipe mal 3h abhängen und Fussball gucken oder Billard spielen ist relativ unverfänglich und man outet sich nicht sofort als Einsiedler.

Raspelbeere schrieb:Mir geht es nicht mehr so, aber ich kenne es noch von früher. Viele Menschen, die noch nie länger einsam waren, glauben - einfach aus Erfahrung - nicht dass es das gibt weil sie selbst daran gewöhnt sind dass es zumindest einen "Dunstkreis" aus Bekannten gibt.

Ich denke ich kann für mich persönlich sagen, daß ich das sehr gut kenne und einschätzen kann.

Raspelbeere schrieb:Angenommen, es klopft bei dir an der Tür. Es ist der Nachbar den du mal flüchtig gesehen hast, oder der Kollege den du mal gesehen hast, wahrscheinlich kennst du nicht mal den Namen. Er fragt ob du Lust auf ein Treffen hättest. Würdest du dem nachkommen? (Ich vermute eher nicht, was auch relativ normal ist.)

Genau, käme mir komisch vor.

Ich persönlich habe immer dort Menschen kennengelernt, wo Menschen eben hingehen die ohnehin aufgeschlossener sind: Club, Disko usw.

Es ist relativ unwahrscheinlich in einem Verein leicht Freunde zu finden, das sind quasi abgeschottete Gruppen.

Mindslaver schrieb:Genau das, alle schließen immer nur von den eigenen Erfahrungen auf andere, ein großer Fehler.

Ja, das erlebe ich auch so. Wer das Thema Einsamkeit selbst nicht kennt, kann sich oft nur schwer in jemanden reinversetzen, für den Einsamkeit ein Thema ist. Gerade was die Kontaktanbahnung betrifft, fällt es den Menschen recht unterschiedlich leicht oder schwer. Aber was für den einen leicht ist, ist für den anderen nicht unbedingt genauso einfach.

martenot schrieb:Wer das Thema Einsamkeit selbst nicht kennt, kann sich oft nur schwer in jemanden reinversetzen

Man sollte mal gezielt darüber nachdenken, wie viele Menschen man über andere Menschen kennengelernt hat. Und dann fragen: Hätte ich die Person kennengelernt, wenn es die eine oder andere Person nicht gegeben hätte?

Und nicht alle haben intakte Familien, mit 2 Tanten, 3 Onkeln, und gefühlt 20 Cousins und Cousinen, die einen irgendwo mit reinbringen...


Du kannst soviel "den Arsch hoch bekommen", wie du willst, es nützt nichts, wenn...

...es grundsätzlich keine Bereitschaft anderer Menschen gibt, Freundschaften und Beziehungen einzugehen.

...du über keine Ressourcen verfügst, irgendwo als "Neuer" aufgenommen zu werden.

...die Menschen zu sehr in ihrer eigenen Bubble verweilen.

...man automatisch davon ausgeht, dass ohnehin jeder ab 30 in seiner eigenen Bubble aus Haus, Familie, Kind lebt...

behind_eyes schrieb:Genau, käme mir komisch vor.

Ich persönlich habe immer dort Menschen kennengelernt, wo Menschen eben hingehen die ohnehin aufgeschlossener sind: Club, Disko usw.

Es ist relativ unwahrscheinlich in einem Verein leicht Freunde zu finden, das sind quasi abgeschottete Gruppen.

Das mag auch typ- und interessenspezifisch sein: Club und Disco wären für mich keine Kennenlernorte, Vereine aber schon.
Warum?

Club und Disco: Laut, Menschen eines mir ähnlichen Persönlichkeitstyps (z.B.: introvertiert) dürften dort eher wenig vertreten sein, der Kontakt muss sofort zustandekommen (sich gleich sympathisch sein, Kontaktmöglichkeit austauschen), es ist wenig interessenspezifisch.

Verein, Kurs etc: Sofern man nicht gerade einen sehr allgemeinen auswählt interessenmäßig vorgefiltert, dadurch teils auch bestimmte Persönlichkeitstypen mehr vertreten (Beispiel: in Vereinen rund um Computer und naturwissenschaftliche Themen findet man eher nerdigere, introvertiertere Leute gegenüber denen auch oft "aufgeschlossene" Menschen meist nicht so aufgeschlossen sind), man sieht sich mehrmals ohne sich bereits auf den ersten Blick sympathisch zu sein und Kontaktmöglichkeitne austauschen müssen. Man sieht Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft genauso wie inkompatible Charakterzüge am Verhalten.

Freunde inkl. Partner habe ich stets über gemeinsame Interessen - Verein, Kurs, Internetforum, ein Beruf der wirklich Spaß macht - kennengelernt.

Mindslaver schrieb:Und nicht alle haben intakte Familien, mit 2 Tanten, 3 Onkeln, und gefühlt 20 Cousins und Cousinen, die einen irgendwo mit reinbringen...

Dieses Manko habe ich auch.

Wie gesagt, ich denke, dass das Thema relativ komplex ist und deswegen nicht mit ein paar simplen Tipps für jedermann zu lösen ist. Die Ursachen für Einsamkeit sind vielfältig und liegen wahrscheinlich bei jedem woanders begründet.

Raspelbeere schrieb:Freunde inkl. Partner habe ich stets über gemeinsame Interessen - Verein, Kurs, Internetforum - kennengelernt.

Ja, wenn ich die verschiedenen Möglichkeiten miteinander vergleiche, würde ich auch den Anknüpfungspunkt "gemeinsame Interessen" am meisten bevorzugen bzw. für am vielversprechendsten halten. Discos, Clubs, Bars etc. haben für mich noch nie funktioniert.

Mindslaver schrieb:...es grundsätzlich keine Bereitschaft anderer Menschen gibt, Freundschaften und Beziehungen einzugehen.

Das ist mir zu pauschal, klingt so als würdest Du Anspruch drauf erheben....ist aber nicht, und wenn sich das wiederholt, liegt es vielleicht an einem selbst.

Mindslaver schrieb:...du über keine Ressourcen verfügst, irgendwo als "Neuer" aufgenommen zu werden.

Das verstehe ich nun mal gar nicht, BMW Klub und fährst Mercedes?

Mindslaver schrieb:...die Menschen zu sehr in ihrer eigenen Bubble verweilen.

Ja, dürfen sie. Und das ist auch gut so.

Raspelbeere schrieb:Club und Disco: Laut, Menschen eines mir ähnlichen Persönlichkeitstyps (z.B.: introvertiert) dürften dort eher wenig vertreten sein, der Kontakt muss sofort zustandekommen (sich gleich sympathisch sein, Kontaktmöglichkeit austauschen), es ist wenig interessenspezifisch.

Da muss ich leicht widersprechen, gebe dir aber bei der Disco uneingeschränkt Recht aber nicht beim Club.
Hintergrund: ich erlebe in Clubs wirklich viele Introvertierte, also mehr als man eigentlich so annehmen kann. Warum dort? Vermutung: Club ist im Gegensatz zur Disco eher Musik-Fokussiert und viele wollen einfach nur ihre Musik erleben. In der Regel gibt es in Clubs auch Ruhezonen wo man sich ungestört unterhalten kann. Ich habe dort die interessantesten Menschen (für mich) kennengelernt und dann entscheidet es sich: hält man den Kontakt?

Raspelbeere schrieb:Verein, Kurs etc: Sofern man nicht gerade einen sehr allgemeinen auswählt interessenmäßig vorgefiltert, dadurch teils auch bestimmte Persönlichkeitstypen mehr vertreten (Beispiel: in Vereinen rund um Computer und naturwissenschaftliche Themen findet man eher nerdigere, introvertiertere Leute gegenüber denen auch oft "aufgeschlossene" Menschen meist nicht so aufgeschlossen sind), man sieht sich mehrmals ohne sich bereits auf den ersten Blick sympathisch zu sein und Kontaktmöglichkeitne austauschen müssen. Man sieht Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft genauso wie inkompatible Charakterzüge am Verhalten.

Ich finde in Vereinen dauert es länger weil die sozialen Kontakte zwischen den Mitgliedern schon bestehen - du bist die Neue, der Neue - etwas schwieriger dort Fuss zu fassen wenn man ganz alleine ist.

martenot schrieb:Wie gesagt, ich denke, dass das Thema relativ komplex ist und deswegen nicht mit ein paar simplen Tipps für jedermann zu lösen ist.

Sehe ich genauso.
Das Thema ist zu komplex und zu individuell, hängt von sehr vielen Faktoren ab, von Äußeren wie auch Inneren, als das es dafür allgemeine Tipps geben kann.

martenot schrieb:Wie gesagt, ich denke, dass das Thema relativ komplex ist und deswegen nicht mit ein paar simplen Tipps für jedermann zu lösen ist. Die Ursachen für Einsamkeit sind vielfältig und liegen wahrscheinlich bei jedem woanders begründet.

Ich denke man muss Einsamkeit und Kontaktschwierigkeiten trennen. Beides bedingt sich nämlich nicht zwingend.

Aber wenn jeder Tipp scheiße ist, und eh alle anderen schuld sind, kann man sich das auch sparen.

Ich kenne sehr wohl Einsamkeit und habe auch schon beschrieben, wie ich da rauskam und auch dazugelernt habe.

Will man die ganz persönlichen Hintergründe, Situationen und Handlungsmöglichkeiten erfahren, sucht man sich am besten therapeutische Unterstützung.

Man kann nur Menschen kennenlernen, wenn man ihnen irgendwo begegnet.
Wo und wie das passiert, je nach Gelegenheit.
Ohne diesen Punkt geht es nunmal nicht.

Was meiner Meinung am wenigsten hilft ist, die Aktionen ausschließlich bei anderen Menschen zu suchen, die meistens gar nicht wissen, dass man einsam ist.

behind_eyes schrieb:Einsamkeit und Kontaktschwierigkeiten

Finde ich nicht, hätte man keine Kontaktschwierigkeiten, dann wäre man nicht einsam.

Mindslaver schrieb:Finde ich nicht, hätte man keine Kontaktschwierigkeiten, dann wäre man nicht einsam.

Ich kenne Menschen mit hunderten Kontakten die dennoch einsam sind ;-)

Bundeskanzleri schrieb:Wo und wie das passiert, je nach Gelegenheit.
Ohne diesen Punkt geht es nunmal nicht.

Und das passiert eben sehr häufig nur durch andere Menschen. Das man unter andere Menschen kommt.

behind_eyes schrieb:Ich kenne Menschen mit hunderten Kontakten

Was nützen "hunderte" Kontakte, wenn diese alle in ihrer Bubble leben, keinen Bock auf neue Kontakte haben oder keine Zeit, weil Karriere oder was auch immer?

Bundeskanzleri schrieb:Aber wenn jeder Tipp scheiße ist, und eh alle anderen schuld sind, kann man sich das auch sparen.

Was ja eigentlich niemand geschrieben hat. Mir ging es darum, dass man natürlich Tipps geben kann, aber man sich vor Augen führen sollte, dass der Tipp vielleicht einem anderen nicht so gut helfen wird wie einem selbst. Tipps können helfen, aber es gibt keine Garantie dafür, und wenn sie jemandem nicht helfen, ist nicht immer der Ratsuchende schuld.

Beispielsweise hab ich ganz gute Erfahrungen mit den erwähnten Theaterprojekten gemacht. Mir ist aber bewusst, dass nicht jeder Lust haben wird, Theater zu spielen. Dementsprechend nehme ich das niemandem übel, wenn man sagt "Nee, das passt nicht für mich."

Mindslaver schrieb:Was nützen "hunderte" Kontakte, wenn diese alle in ihrer Bubble leben, keinen Bock auf neue Kontakte haben oder keine Zeit, weil Karriere oder was auch immer?

Nee, die haben echt viele Freunde, sie werden eingeladen, laden ein usw. und sind trotzdem einsam.

behind_eyes schrieb:Nee, die haben echt viele Freunde, sie werden eingeladen, laden ein usw. und sind trotzdem einsam.

Worauf willst du hinaus?

Mindslaver schrieb:Worauf willst du hinaus?

Ich sagte es bereits:

behind_eyes schrieb:Ich denke man muss Einsamkeit und Kontaktschwierigkeiten trennen. Beides bedingt sich nämlich nicht zwingend.