Neue Wehrpflicht - Sklavenarbeit nur für Männer?

@sacredheart

Freut mich ja für dich (und ich meine es ehrlich!), aber es ist doch kein Argument für einen Zwangsdienst, dass man das Glück, oder die Fähigkeit haben kann, halbwegs mit einem blauen Auge aus der Sache herauszukommen. Ich frage mich einfach, was das für ein Gesellschaftsverständnis ist, das nicht damit beginnt, die Gesellschaft als Gesamtheit in Fairness zu Zusammenhalt zu führen, sondern das glaubt, die Gesellschaft von einer willkürlich ausgesuchten, zwangsverpflichteten Minderheit zusammengehalten zubekommen.

paxito schrieb:Dann aber bitte für alle, unabhängig vom Geschlecht.

Natürlich, aber sogar dann bliebe es ungerecht, denn irgendwelche Ausreden gibt es immer. Der/die eine wäre berfreit wegen Schwangerschaft, wegen Polizeidienst, weil er/sie den leichter an ein Attest kommt, bei der Feuerwehr ist, sonst irgendwie unabkömmlich etc., oder letztlich sogar weil er/sie politisch nicht die passende Einstellung mitbringt.

paxito schrieb:Dann aber bitte für alle, unabhängig vom Geschlecht.

@paxito

Das würde heute wohl so laufen, falls wieder ein solcher Dienst eingeführt wurde. Mir persönlich wäre das nicht das wichtigste Anliegen.

Tripane schrieb:aber es ist doch kein Argument für einen Zwangsdienst, dass man das Glück, oder die Fähigkeit haben kann, halbwegs mit einem blauen Auge aus der Sache herauszukommen. Ich frage mich einfach, was das für ein Gesellschaftsverständnis ist, das nicht damit beginnt, die Gesellschaft als Gesamtheit in Fairness zu Zusammenhalt zu führen, sondern das glaubt, die Gesellschaft von einer willkürlich ausgesuchten, zwangsverpflichteten Minderheit zusammengehalten zubekommen

@Tripane

Ich denke nicht, dass man den Zusammenhalt der gesellschaft dann ausschließlich von den Dienstleistenden erwartet. Man muss ja auch die Fehler, die früher bei der Wehrpflicht geschehen sind, nicht einfach wiederholen. Ich halte es aber für einen guten Weg, dass junge Menschen ben auch mal andere Einblicke erhalten, die nicht nur ichbezogen sind. Über den Wehrdienst kann ich mangels eigener Erfahrung nichts sagen, aber ich weiss, dass viele Zivis für sich selbst (abgesehen von erfreulichen Begleitumständen) davon profitiert haben, eine Zeitlang mit Alten, Kranken, Behinderten gearbeitet zu haben. Das kann den Blick aufs Leben auch positiv verändern.

Ich selbst hatte so auch Kontakt zu vielen menschen, denen ich sonst nie begegnet wäre, angefangen von Kranken bis hin zu vielfältigen Arten von Mitarbeitern. Ich denke, dass zumindest meine damaligen Kollegen und ich sehr davon profitiert haben. Wir haben sogar heute noch viel Kontakt untereinander.

Tripane schrieb:Ich frage mich einfach, was das für ein Gesellschaftsverständnis ist, das nicht damit beginnt, die Gesellschaft als Gesamtheit in Fairness zu Zusammenhalt zu führen, sondern das glaubt, die Gesellschaft von einer willkürlich ausgesuchten, zwangsverpflichteten Minderheit zusammengehalten zubekommen.

Sehe ich ähnlich wie @sacredheart , ein Jahr Dienst für die Gesellschaft löst nicht alle Probleme, aber kann durchaus sinnvoll wirken. Wird das immer gerecht sein? Nö, muss es aber auch nicht.

@sacredheart

Ich halte von dem ganzen Ansatz im Grunde nichts, Menschen zu ihrem Glück zwingen zu wollen. Ich will dir auch deine schönen Erinnerungen nicht vermiesen, aber es ist doch Selbstbetrug, so zu tun, als sei dies alles nur auf Basis eines staatlich organisierten Zwangsdienstes möglich, der auf völlig willkürlicher und ausbeuterischer Basis beruht.

@Tripane
Ich hab die Zeit als Wehrpflichtiger nie als Sklavenarbeit empfunden, sondern als durchaus lehrreiche und interessante Zeit. Ich glaub, viele haben eine falsche Vorstellung und denken nur an das Klischee faul rumhängen und ab und an über die Rödelbahn rennen, samt die berühmte Wand hochklettern.
Dass auch Themen wie politische Bildung, Umgang mit Kompass und Karte im Gelände, Erste Hilfe Kurse, Sport und vieles, vieles mehr auf dem Plan eines Wehrpflichtigen stand, darf man nicht vergessen.
Das war nicht nur Schlauchboote putzen und saufen.

paxito schrieb:Nö, muss es aber auch nicht.

Warum muß es das nicht? Ich bin glühende Anhängerin einer Politik von Freiheit und Selbstverantwortung (zumindest war ich es, für Deutschland habe ich meine Hoffnungen weitgehend zurückgeschraubt). Bei Freiheit und Selbstverantwortung hat "Gerechtigkeit" auch nicht die Bedeutung wie im theoretischen Kommunismus. Man hat irgendwo auch sein eigenes Leben zu meistern wie es eben ist.

Es ist für mich aber ein elementarer Unterschied, ob ein Staat nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigt (denn das kann er nie) oder ob er selbst mutwillig aktiver Teil dieser Ungerechtigkeiten ist.

Es geht mir nicht darum, einem "Dienst an der Gesellschaft" jegliches Gute abzusprechen, das wäre billig. Ich halte es aber ebenso billig, zu glauben, die damit einhergehenden Nachteile wären auf jeden Fall marginal. Ich halte die Nachteile für größer als die Vorteile. Ich bin gar nicht sicher, ob ich mir eine Gesellschaftsform vorstellen kann und will, in der ich die Vorteile solcher Dienste größer als die Nachteile einschätzen könnte.

abberline schrieb:Ich hab die Zeit als Wehrpflichtiger nie als Sklavenarbeit empfunden, sondern als durchaus lehrreiche und interessante Zeit. Ich glaub, viele haben eine falsche Vorstellung und denken nur an das Klischee faul rumhängen und ab und an über die Rödelbahn rennen, samt die berühmte Wand hochklettern.
Dass auch Themen wie politische Bildung, Umgang mit Kompass und Karte im Gelände, Erste Hilfe Kurse, Sport und vieles, vieles mehr auf dem Plan eines Wehrpflichtigen stand, darf man nicht vergessen.
Das war nicht nur Schlauchboote putzen und saufen.

Dann sollen die, die es wollen, die doppelte Zeit machen, und die andern, die es nicht wollen, sollen das Recht haben, es sein zu lassen.
Scheint ja im Grunde dann nur eine Frage zu sein, wie man die Sache verkauft. Aber Dinge die man "verkaufen" kann, muß man nicht erwzingen.
Ich war selbst nie aktiv dabei, habe aber auch diverse Erfahrungsberichte, die mir eine Meinungsbildung erlauben.

Tripane schrieb:Warum muß es das nicht?

Weil es bei menschlichem Handeln nie völlig gerecht zu geht. Das ist eine völlig übertriebene Anforderung.

Tripane schrieb:Ich bin glühende Anhängerin einer Politik von Freiheit und Selbstverantwortung

Hm, okay.

Tripane schrieb:Es ist für mich aber ein elementarer Unterschied, ob ein Staat nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigt (denn das kann er nie) oder ob er selbst mutwillig aktiver Teil dieser Ungerechtigkeiten ist.

Weil? Warum sollte der Staat gerechter sein, als die z.B. die Wirtschaftsunternehmen im Staat? Wenn Unternehmen eine einjährige Erfahrung im sozialen Bereich als Einstellungskriterium setzen, ist das dann irgendwie besser?

Tripane schrieb:Es geht mir nicht darum, einem "Dienst an der Gesellschaft" jegliches Gute abzusprechen, das wäre billig.

Und absurd.

Tripane schrieb:Ich halte die Nachteile für größer als die Vorteile.

Abgesehen von deinem theoretischen Genörgel, der Staat sollte aber nicht aktiv ungerecht sein, seh ich ehrlich keinerlei Nachteile. Und Nachteile für wen? Den Einzelnen oder die Gemeinschaft? Ich tippe mal Ersteres, richtig?

Tripane schrieb:Dann sollen die, die es wollen, die doppelte Zeit machen, und die andern, die es nicht wollen, sollen das Recht haben, es sein zu lassen.

Der Punkt ist ja, das man mal Erfahrungen außerhalb des selbst gewählten Kontextes macht. Das ist der große Pluspunkt und das geht nicht freiwillig.

paxito schrieb:Abgesehen von deinem theoretischen Genörgel, der Staat sollte aber nicht aktiv ungerecht sein, seh ich ehrlich keinerlei Nachteile. Und Nachteile für wen? Den Einzelnen oder die Gemeinschaft? Ich tippe mal Ersteres, richtig?

Richtig. Du glaubst also, ein Staat handelt richtig, wenn er Menschen in vorsätzlicher und problemlos vermeidbarer Weise andern gegenüber benachteiligt?

paxito schrieb:Der Punkt ist ja, das man mal Erfahrungen außerhalb des selbst gewählten Kontextes macht. Das ist der große Pluspunkt und das geht nicht freiwillig.

Die Behauptung das wäre ein Pluspunkt, ist absolut willkürlich und subjektiv und öffnet jeder totalitären Denke Tür und Tor.

Tripane schrieb:Du glaubst also, ein Staat handelt richtig, wenn er Menschen in vorsätzlicher und problemlos vermeidbarer Weise andern gegenüber benachteiligt?

Vorsätzlich und problemlos vermeidbar? Wie kommst du denn auf den Unfug? Natürlich sollte eine allgemeine Dienstpflicht soweit möglich niemanden benachteiligen. Dass das naturgemäß nicht 100% klappen kann, ist das Gegenteil von vorsätzlich und problemlos vermeidbar.

paxito schrieb:Vorsätzlich und problemlos vermeidbar? Wie kommst du denn auf den Unfug?

Das ist kein Unfug, sondern der Status Quo in Deutschland.

@paxito
Richtig, für so manche war die Zeit das erste Mal, dass sie Disziplin und Regeln einhalten mussten. Das hat manchen sehr gut getan. Ich kenn Kameraden, die mit völliger Null Bock Attitüde ankamen, aber dann gemerkt haben, dass da zum ersten Mal im Leben richtig was geht. Manche sind heute noch dabei

abberline schrieb:Manche sind heute noch dabei

Aber wohl kaum noch für das Taschengeld, das sie als Wehrpflichtige bekommen haben, sondern evtl. um genau dieser Situation zu entkommen, haben sich viele schnell länger verpflichtet.

@Tripane
Nicht um dieser Situation zu entkommen, sondern weil es ihnen dort gefällt. Zum "Taschengeld" kamen ja Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeit dazu. Wir hatten zusätzlich Geschäfte, die vergünstigt waren, ein Kino mit täglich wechselnden Filmen, Schwimmbad, Fitnessraum, die Getränkepreise im Mannschaftsheim waren nicht der Rede wert, das ging schon. War jetzt nicht der Knaller, aber da musste man halt durch und es ging.

Tripane schrieb:Das ist kein Unfug, sondern der Status Quo in Deutschland.

Der Status Quo ist, dass die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Wovon sprichst du?

Tripane schrieb:Aber wohl kaum noch für das Taschengeld,

Ich hab selten so gut gelebt, wie als Zivi.

paxito schrieb:Der Status Quo ist, dass die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde.

Eben, daher "problemlos vermeidbar". Es geht also durchaus auch ohne.

@Tripane

Ich würde es nicht als unbotmäßigen Eingriff in die Freiheit ansehen. Der Staat grätscht ja auch ansonsten beherzt in unsere Freiheit hinein, oft auch mit ganz gutem Grund. Er packt Dir bei jedem verdienten Euro in die Tasche, beim Tanken greift er noch mal tief zu, beim Hauskauf, beim Grundbesitz, beim Einkaufen. Der Staat schreibt Dir vor, wie schnell Du wo fährst. Er schreibt Dir vor, welche Prüfung Du machst, bevor Du losfährst. Er schreibt Dir vor, dass Du für den ÖR zahlst, er schreibt Dir ne Reihe Versicherungen vor, die Du nicht abwählen kannst. Manch ein Amerikaner hält das praktisch für Kommunismus.

Insofern ist der abwesende Staat ohnehin eine Illusion, ob man es mag oder nicht.

Wenn das freiwllig ist, macht es ja kaum einer oder eben nur die, die auf einen Studienplatz warten. Und manche machen es nicht, obwohl sie gerne würden, weil sie fürchten, sonst mal erklären zu müssen, warum sie denn nicht sofort angefangen hätten mit der Berufsausbildung.

Und sowohl der Wehrdienst als auch der Zivildienst sind ja Menschen zugute gekommen. Diese Dienste waren ja zum großen Teil sinnvoll.