Warum wird Alkohol so verherrlicht?
gestern um 22:52Vor Kurzem hat ein ehemaliger Arbeitgeber (selbstständiger Heizungs-/ Sanitärtechniker) den Führerschein verloren. Betrunken einen Unfall gebaut, Fahrerflucht begangen, wurde bei sich zu Hause von der Polizei gestellt...
Wir standen in letzter Zeit sowieso schon in Kontakt (ich habe ihm ein bisschen mit Computer-Kram geholfen), und er bat mich, ihn zur Arbeit/ nach Hause zu fahren. Da ich im Moment sowieso die nötige Zeit habe, erklärte ich mich einverstanden und spielte auch bei der Arbeit den Assistenten.
Er ist Mitte 60, seit vielen Jahren Alkoholiker und nutzte nun die Tatsache, dass er nicht mehr ans Steuer muss, indem er mitunter bereits morgens anfing zu trinken. Er kann schon im nüchternen Zustand unangenehm sein, aber nach ein paar Schlücken Wein/ Bier wird er reizbar, mitunter aggressiv, extrem vergesslich, zombiehaft, kaum noch in der Lage, Tätigkeiten ordentlich und vollständig zu verrichten. Wenn ihm dies überhaupt auffällt, macht er andere oder sein, wie er meint, hohes Alter verantwortlich. Verweist man ihn auf die negativen Folgen seines Alkoholkonsums, stößt man auf Verleugnung.
Ich war mir seiner Probleme schon bewusst und habe wegen dieser auch vor Jahren die Arbeit mit ihm aufgegeben, da es nach einer Weile einfach unerträglich wurde, aber sein Zustand hat sich in der Zwischenzeit noch deutlich verschlimmert. Er macht einen kränklichen Eindruck. In letzter Zeit litt er unter anhaltender Übelkeit, hat sich vor mir in seiner Küche übergeben und zwar bin ich mit ihm zum Arzt, welcher ihm eine Einweisung ins Krankenhaus ausstellte, aber er misstraut Ärzten und will das Krankenhaus nicht aufsuchen.
Seine Wohnung sieht aus wie ein Schweinestall, in seiner Küche stehen geöffnete Konserven und Essensreste rum. Fruchtfliegen und Lebensmittelmotten haben sich darin breitgemacht. Auf dem Boden liegt Müll und Zigarettenasche. Der Gestank in der Wohnung und seinem genauso versifften Auto bleibt in der Kleidung hängen und ist erst nach zwei Wäschen wirklich raus. Er hat mich während dieser letzten zwei Wochen immer wieder gefragt, wie ich so lange ohne Essen aushalte. Was ich ihm nicht sagen wollte, ist, dass der Umgang mit seinem Zeug mir den Appetit verdirbt. Ich leide zugegebenermaßen unter Kontaminationszwängen, bin mir aber sicher, dass jedem mit dem geringsten Sinn für Sauberkeit unter solchen Umständen der Appetit vergehen würde. Seine Übelkeit macht es ihm selbst schwer, genug Kalorien zu sich zu nehmen, aber zwei Liter Wein schafft er in einer Nacht locker.
Eigentlich wollte ich ihn noch eine Weile unterstützen, da er sonst niemanden mehr hat -zu seiner Familie, welche in der Nähe wohnt, hat er keinen wirklichen Kontakt mehr und sonst hat er auch keine Freunde in der Gegend, die ihm helfen könnten- aber vor ein paar Tagen hatte ich endgültig genug. Wie immer rief ich ihn morgens an und fragte, wie es steht und ob er sich in der Verfassung befindet, zur Arbeit zu fahren, was er bejahte. Wie sich herausstellte, wollte er aber vor allem eines, nämlich Alkohol kaufen. Er kaufte im Netto einen Kasten Bier, zwei Liter Wein und eine Kleinigkeit zu Essen. Danach ging es in die nächste Stadt, damit ihm jemand mit dem WLAN seines Smartphones helfen kann, woran ich gescheitert war. Auf dem Weg dorthin fing er bereits an zu trinken.
Er kenne irgenwelche Türken, die ihm helfen können, meinte er und ich brachte ihn ins Stadtzentrum, wo er eine Weile lang rumtorkelte, bis er jemanden antraf, der ihm half, den Laden zu finden. Nach ein paar Minuten kam er zurück mit einem kleinen Problem: er muss den PIN eingeben. Natürlich dauerte es nicht lange, bis dieser drei Mal falsch eigegeben war und sich bei ihm eine Mischung aus Hilflosigkeit und Unglaube breitmachte. Wir fuhren zurück und ihm fiel etwas ganz wichtiges ein: "Warte! DA! Wir kaufen Wein!", "Wir haben vorhin Wein gekauft...", "WO!?", "Im Netto...".
Als wir bei ihm ankamen, stellte sich heraus, dass der Transponder vom Auto, den ich ihm zuvor gab, damit er ins Auto kann, während ich das WC aufsuche, verloren gegangen ist. Das Auto sprang an, auch wenn er sich vom selbigen entfernte. Er musste sich also irgendwo im Auto befinden, aber wir konnten ihn nicht finden.
Bei ihm zu Hause machte ich mich an die Lösung des Smartphone-Problems. In seinen Unterlagen fand sich zwar ein PUK, aber dieser war nicht gültig, also rief ich bei 1&1 an. Meine Hoffnung, dass man nicht mit ihm persönlich sprechen möchte, wurde schnell zerstört. Er sollte die ersten Zahlen seiner Versicherungsnummer angeben, wofür er leider kein Verständnis hatte. Er schrie den Mitarbeiter und die drei weiteren, mit welchen wir Verbunden wurden, an, gab ihnen Daten, die sie gar nicht brauchen, fragte sie, was sie überhaupt von ihm wollten, forderte, dass sie sein Handy reparieren sollen, gab ihnen aber nie genug Zeit, ihm zu antworten. Letzten Endes versprach man ihm eine neue SIM und ich entschuldigte mich für sein Verhalten wie für ein kleines Kind.
Zu guter Letzt sollte ich ihn noch zu seinen Tomaten bringen, welche auf dem Grundstück einer eher schlechten Bekanntschaft wuchsen. Zuerst suchten wir aber noch einmal nach dem Transponder, welchen ich schließlich auf dem Armaturenbrett fand, wo er sehr gut getarnt war. Vor lauter Freude vergaß der gute Mann, den Kofferraum zu schließen, was mir erst auf der Landstraße bei knapp 100 Sachen klar wurde.
Im Nachhinein muss ich über manche dieser Erfahrungen mit ihm (von welchen man jedes Mal viele macht), schmunzeln, aber es ist doch eigentlich sehr traurig, zu sehen, was aus einem Menschen wird, der kaum anders kann, als jeden Tag große Mengen zu trinken. Zeitweise, sagt er, habe er gar nicht getrunken und könne es auch sein lassen, "aber wohin mit den Gedanken?".
Die schrecklichen Dinge, die er im Afghanistankrieg gesehen hat, seine gescheiterte Ehe, die Ermordung seines Bruders und dessen Familie, die Einsamkeit in seiner Wohnung. Er weiß nicht, mit all dem umzugehen. Der einzige Cope, den er hat, ist die Flasche, aber wie es nun aussieht, wird er bald sterben, wenn er so weitermacht. Es fehlt ihm die Demut, zuzugeben, dass er ein ernsthaftes Problem hat und Hilfe aufzusuchen. Keine Ahnung, wie viel schlimmer es werden muss, bevor er zu diesem Punkt kommt und ob er ihn noch erleben wird.
Einerseits will ich ihm helfen, aber ich bin mit ihm überfordert. Keine Ahnung, was nun aus ihm wird.
Sorry für OT, aber ich musste das loswerden.
Wir standen in letzter Zeit sowieso schon in Kontakt (ich habe ihm ein bisschen mit Computer-Kram geholfen), und er bat mich, ihn zur Arbeit/ nach Hause zu fahren. Da ich im Moment sowieso die nötige Zeit habe, erklärte ich mich einverstanden und spielte auch bei der Arbeit den Assistenten.
Er ist Mitte 60, seit vielen Jahren Alkoholiker und nutzte nun die Tatsache, dass er nicht mehr ans Steuer muss, indem er mitunter bereits morgens anfing zu trinken. Er kann schon im nüchternen Zustand unangenehm sein, aber nach ein paar Schlücken Wein/ Bier wird er reizbar, mitunter aggressiv, extrem vergesslich, zombiehaft, kaum noch in der Lage, Tätigkeiten ordentlich und vollständig zu verrichten. Wenn ihm dies überhaupt auffällt, macht er andere oder sein, wie er meint, hohes Alter verantwortlich. Verweist man ihn auf die negativen Folgen seines Alkoholkonsums, stößt man auf Verleugnung.
Ich war mir seiner Probleme schon bewusst und habe wegen dieser auch vor Jahren die Arbeit mit ihm aufgegeben, da es nach einer Weile einfach unerträglich wurde, aber sein Zustand hat sich in der Zwischenzeit noch deutlich verschlimmert. Er macht einen kränklichen Eindruck. In letzter Zeit litt er unter anhaltender Übelkeit, hat sich vor mir in seiner Küche übergeben und zwar bin ich mit ihm zum Arzt, welcher ihm eine Einweisung ins Krankenhaus ausstellte, aber er misstraut Ärzten und will das Krankenhaus nicht aufsuchen.
Seine Wohnung sieht aus wie ein Schweinestall, in seiner Küche stehen geöffnete Konserven und Essensreste rum. Fruchtfliegen und Lebensmittelmotten haben sich darin breitgemacht. Auf dem Boden liegt Müll und Zigarettenasche. Der Gestank in der Wohnung und seinem genauso versifften Auto bleibt in der Kleidung hängen und ist erst nach zwei Wäschen wirklich raus. Er hat mich während dieser letzten zwei Wochen immer wieder gefragt, wie ich so lange ohne Essen aushalte. Was ich ihm nicht sagen wollte, ist, dass der Umgang mit seinem Zeug mir den Appetit verdirbt. Ich leide zugegebenermaßen unter Kontaminationszwängen, bin mir aber sicher, dass jedem mit dem geringsten Sinn für Sauberkeit unter solchen Umständen der Appetit vergehen würde. Seine Übelkeit macht es ihm selbst schwer, genug Kalorien zu sich zu nehmen, aber zwei Liter Wein schafft er in einer Nacht locker.
Eigentlich wollte ich ihn noch eine Weile unterstützen, da er sonst niemanden mehr hat -zu seiner Familie, welche in der Nähe wohnt, hat er keinen wirklichen Kontakt mehr und sonst hat er auch keine Freunde in der Gegend, die ihm helfen könnten- aber vor ein paar Tagen hatte ich endgültig genug. Wie immer rief ich ihn morgens an und fragte, wie es steht und ob er sich in der Verfassung befindet, zur Arbeit zu fahren, was er bejahte. Wie sich herausstellte, wollte er aber vor allem eines, nämlich Alkohol kaufen. Er kaufte im Netto einen Kasten Bier, zwei Liter Wein und eine Kleinigkeit zu Essen. Danach ging es in die nächste Stadt, damit ihm jemand mit dem WLAN seines Smartphones helfen kann, woran ich gescheitert war. Auf dem Weg dorthin fing er bereits an zu trinken.
Er kenne irgenwelche Türken, die ihm helfen können, meinte er und ich brachte ihn ins Stadtzentrum, wo er eine Weile lang rumtorkelte, bis er jemanden antraf, der ihm half, den Laden zu finden. Nach ein paar Minuten kam er zurück mit einem kleinen Problem: er muss den PIN eingeben. Natürlich dauerte es nicht lange, bis dieser drei Mal falsch eigegeben war und sich bei ihm eine Mischung aus Hilflosigkeit und Unglaube breitmachte. Wir fuhren zurück und ihm fiel etwas ganz wichtiges ein: "Warte! DA! Wir kaufen Wein!", "Wir haben vorhin Wein gekauft...", "WO!?", "Im Netto...".
Als wir bei ihm ankamen, stellte sich heraus, dass der Transponder vom Auto, den ich ihm zuvor gab, damit er ins Auto kann, während ich das WC aufsuche, verloren gegangen ist. Das Auto sprang an, auch wenn er sich vom selbigen entfernte. Er musste sich also irgendwo im Auto befinden, aber wir konnten ihn nicht finden.
Bei ihm zu Hause machte ich mich an die Lösung des Smartphone-Problems. In seinen Unterlagen fand sich zwar ein PUK, aber dieser war nicht gültig, also rief ich bei 1&1 an. Meine Hoffnung, dass man nicht mit ihm persönlich sprechen möchte, wurde schnell zerstört. Er sollte die ersten Zahlen seiner Versicherungsnummer angeben, wofür er leider kein Verständnis hatte. Er schrie den Mitarbeiter und die drei weiteren, mit welchen wir Verbunden wurden, an, gab ihnen Daten, die sie gar nicht brauchen, fragte sie, was sie überhaupt von ihm wollten, forderte, dass sie sein Handy reparieren sollen, gab ihnen aber nie genug Zeit, ihm zu antworten. Letzten Endes versprach man ihm eine neue SIM und ich entschuldigte mich für sein Verhalten wie für ein kleines Kind.
Zu guter Letzt sollte ich ihn noch zu seinen Tomaten bringen, welche auf dem Grundstück einer eher schlechten Bekanntschaft wuchsen. Zuerst suchten wir aber noch einmal nach dem Transponder, welchen ich schließlich auf dem Armaturenbrett fand, wo er sehr gut getarnt war. Vor lauter Freude vergaß der gute Mann, den Kofferraum zu schließen, was mir erst auf der Landstraße bei knapp 100 Sachen klar wurde.
Im Nachhinein muss ich über manche dieser Erfahrungen mit ihm (von welchen man jedes Mal viele macht), schmunzeln, aber es ist doch eigentlich sehr traurig, zu sehen, was aus einem Menschen wird, der kaum anders kann, als jeden Tag große Mengen zu trinken. Zeitweise, sagt er, habe er gar nicht getrunken und könne es auch sein lassen, "aber wohin mit den Gedanken?".
Die schrecklichen Dinge, die er im Afghanistankrieg gesehen hat, seine gescheiterte Ehe, die Ermordung seines Bruders und dessen Familie, die Einsamkeit in seiner Wohnung. Er weiß nicht, mit all dem umzugehen. Der einzige Cope, den er hat, ist die Flasche, aber wie es nun aussieht, wird er bald sterben, wenn er so weitermacht. Es fehlt ihm die Demut, zuzugeben, dass er ein ernsthaftes Problem hat und Hilfe aufzusuchen. Keine Ahnung, wie viel schlimmer es werden muss, bevor er zu diesem Punkt kommt und ob er ihn noch erleben wird.
Einerseits will ich ihm helfen, aber ich bin mit ihm überfordert. Keine Ahnung, was nun aus ihm wird.
Sorry für OT, aber ich musste das loswerden.