Warum haben wir Hemmungen davor Menschen zu töten?

@PrivateEye
Ich denke aber trotzdem, dass nicht jeder Mensch „in der Lage ist“ aus dem Affekt heraus zu töten.
Die individuelle Hemmschwelle verhindert da den Affekt, denke ich.

boygreat schrieb:Die individuelle Hemmschwelle verhindert da den Affekt, denke ich.

Das ist falsch. Die Hemmschwelle wird durch den Affekt ja überwunden bzw. temporär ausgehebelt.

@PrivateEye
Und warum gibt es dann nicht viel mehr Tötungen im Affekt, wenn die Hemmschwelle so leicht auszuhebeln ist?

boygreat schrieb:Und warum gibt es dann nicht viel mehr Tötungen im Affekt, wenn die Hemmschwelle so leicht auszuhebeln ist?

Weil dieser Zustand ja nicht permanent ist. Er ist ja eher sogar die Ausnahme.

Wahrscheinlich ist die Chance, jemanden im Vollrausch zu töten, um einiges höher. Der Vollrausch ist zwar ebenfalls ein Schuldausschließungsgrund wie der Affekt, jedoch wird dieser eher willentlich verursacht und ist somit auch selber strafbar, auch wenn die eigentliche Tat nicht weiter verfolgt werden kann.

boygreat schrieb:Und warum gibt es dann nicht viel mehr Tötungen im Affekt, wenn die Hemmschwelle so leicht auszuhebeln ist?

Weil die meisten Menschen die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Emotionsregulation entwickelt haben.
Klar kann es Momente geben, in denen jemand von sehr starke negativen Emotionen wie Wut oder Verzweiflung durchgeschüttelt wird, aber trotzdem ist der Großteil der Menschen doch in der Lage, diese Emotionen zu kontrollieren/deckeln, sodass es nicht bis zur Tötung eines anderen eskaliert.

Haben wir diese Hemmung wirklich? Wie dünn ist die Firnis der Zivilisation, mit der wir überzogen sind, überzogen wurden? Wie schnell bekommt sie Risse, wenn die Situation oder die Gelegenheit es erfordert oder ermöglicht?

Wehe, wenn sie losgelassen
Wachsend ohne Widerstand.

(Schiller)

Doors schrieb:Haben wir diese Hemmung wirklich?

ich denke ganz stark, das und auch die Moral die jemand entwickelt ist zu einem gewissen Teil auch einfach Charaktersache.
Begründung nachfolgend.

praiseway schrieb am 27.09.2013:Ich meine, wenn Moral dem Menschen vom Menschen anerzogen wird, woher kommt sie dann bei dem, der sie anerzieht?

... und es wurde auch von jemandem angesprochen, dass die möglichen Sanktionen mit zu der Hemmung beitragen könnten.
Ich denke, es spielen auch andere Aspekte mit rein, als diese Faktoren.

Denn es muss mMn nicht unbedingt mit Erziehung oder Angst vor Bestrafung zu tun haben, wenn jemand eine Hemmung hat, Lebewesen zu töten.
Es gibt Menschen, die können nicht mal einer Fliege (im wahrsten Sinne des Wortes) etwas zu Leide tun.
Insekten zu töten ist nicht verboten, dennoch haben sie da - aus sich heraus - eine Hemmschwelle...

Nachtrag dazu:

Optimist schrieb:ich denke ganz stark, das ... ist zu einem gewissen Teil auch einfach Charaktersache.
...
Es gibt Menschen, die können nicht mal einer Fliege ... etwas zu Leide tun.

als krassen Gegensatz dazu gibt es úmgedreht auch Sadisten, denen das Quälen und Töten Spaß macht

Optimist schrieb:als krassen Gegensatz dazu gibt es úmgedreht auch Sadisten, denen das Quälen und Töten Spaß macht

Oder ganz brave, liebenswürdige Mitmenschen, die die Umstände und die Gelegenheit dazu gebracht hat. Nein, der Mensch ist kein friedfertiges Wesen. Da schliesse ich mich durchaus mit ein.


Vorsicht, der Text ist hart. sehr hart!


Algerien im Spiegel oder Die netten MörderInnen von nebenan (Beitrag von Doors)

boygreat schrieb am 06.07.2023:Ich denke aber trotzdem, dass nicht jeder Mensch „in der Lage ist“ aus dem Affekt heraus zu töten.
Die individuelle Hemmschwelle verhindert da den Affekt, denke ich.

Das nehme ich auch an, aber in Notwehr ist es wieder etwas Anderes. Der Tötungsaffekt in Notwehr könnte eventuell ein Stück weit ein angeborener Instinkt und Reflex sein. Nur Sadismus, Grausamkeit und Hass ist etwas, was beim Menschen dazukommen kann, das mir aber fremd ist. Dafür muss man schon ein sehr emotionaler, impulsiver Typ Mensch sein.

Doors schrieb am 22.11.2023:Nein, der Mensch ist kein friedfertiges Wesen. Da schliesse ich mich durchaus mit ein.

Hass und Rassismus sind nicht angeboren. Das lässt sich deutlich erkennen, wenn man kleine Kinder zusammen spielen sieht, egal von welcher Hautfarbe, Ethnie oder sonstigen Zugehörigkeit. Wenn man den Menschen mit einem herzlichen Lächeln begegnet, fallen all diese Vorurteile. Dadurch erlebte ich schon viele schöne Begegnungen. Ich glaube auch an das Gute im Menschen. Es ist beides da.

Laura_Maelle schrieb:Hass und Rassismus sind nicht angeboren.

Natürlich sind sie anerzogen. Wem sagst Du das.

Mir ging es eher um meine Erfahrung, dass Gelegenheit Mörder erschafft.

Doors schrieb:Mir ging es eher um meine Erfahrung, dass Gelegenheit Mörder erschafft.

Gelegenheit = Krieg
Das hat die Menschen auf beiden Seiten des Kriegs enthemmt. Ich habe Deinen Blogartikel dazu gelesen.

@Laura_Maelle

Es ist der Glaube an einen "höheren Auftrag" und die meist erfüllte Hoffnung auf Straflosigkeit, die aus den netten Mitmenschen Mörder macht.

Doors schrieb am 22.11.2023:Oder ganz brave, liebenswürdige Mitmenschen, die die Umstände und die Gelegenheit dazu gebracht hat

Der nette Nachbar von nebenan, der immer freundlich und liebenswert war, bis...
Falling Down.

Ich möcht' nicht wissen, wieviele hidden Soziopathen schon freundlich grüßend an mir vorbeigelaufen sind. ;)
Da sind mir die offen Aggressiven Typen lieber, kannste besser einschätzen.

Aber selbst im Krieg ist nicht jeder Soldat ein kalter Mörder, es zeigt sich nur das wahre Gesicht eines Menschen.
Dann, wenn er Macht bekommt.

Ich denke, grundsätzlich hatte die Tötungshemmung in der eigenen Sippe mehr Vorteile, aber nicht in Bezug zu anderen Sippen. Das ist bis heute so geblieben.

@Hyperborea


Die „netten Nachbarn“ hat Georg Kreisler mal sehr „schön“ besungen:

Georg Kreisler - Weg zur Arbeit

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Doors schrieb am 26.11.2023:Es ist der Glaube an einen "höheren Auftrag" und die meist erfüllte Hoffnung auf Straflosigkeit, die aus den netten Mitmenschen Mörder macht.

Politik als auch Religion sind da ganz schlechte Berater, aber leider wohl federführend.

Ted Bundy hatte keine Hemmungen.

Nachdem ich mir so ein paar Beiträge im „Todesstrafe“-Thread angesehen habe, gewann ich den Eindruck, dass es eine erschreckende Anzahl von Zeitgenossen auf Allmystery gibt, die nur zu gern bereit wären, Menschen, die es ihrer Ansicht nach „verdient“ hätten, vom Leben zum Tode zu bringen. Sollte das Land der Richter und Henker also wieder einmal Bedarf an Mordgesellen haben, scheint es mir da keinen Fachkräftemangel zu geben. Das erschreckt mich schon.

@Doors
ja das liest man auch immer bei migration.am besten gleich abknallen an der grenze.denen würde ich gern ne waffe in die hand drücken und sagen los mache.ich glaube die meisten erschießen nicht einen.todesstrafe hat auch noch keinen vom mord abgehalten aber das ist auch wieder was anderes.