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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

6.089 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Psiram, Deutsches Reich, Reichsbürger ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 15:00
@azazeel

Das ist der entscheidende Punkt: Wie operationalisieren wir diese Idee von kultureller Gestaltung?
»Rituale, Zugehörigkeit, Narrative« – das sind starke Begriffe, aber ohne klare gesellschaftliche Praxis bleiben sie abstrakt.

Gerade autoritäre Bewegungen wie die Reichsbürger zeigen ja, wie erfolgreich diese Instrumente auf der Gegenseite genutzt werden:

  • Rituale: pseudoamtliche Urkunden, Fantasiapässe, Reichsverfassungen

  • Zugehörigkeit: exklusive Gruppenidentitäten, Feindbilder

  • Narrative: Der „Tiefe Staat“, die „versklavte BRD“, das „System“ als Unterdrücker


Die Reichsbürger haben also längst erkannt, wie man irrationale Bedürfnisse anspricht und bindet – wir sind da gerade oft zu rational, zu spröde, zu defensiv.
Wenn wir dem etwas entgegensetzen wollen, braucht es eben nicht mehr Aufklärung in Form von Fakten allein, sondern auch kulturelle Formen der Resonanz:

  • politische Bildung als Begegnung, nicht nur als Stoffvermittlung

  • demokratische Rituale, die Teilhabe emotional spürbar machen

  • Erzählungen, die Orientierung geben, ohne in Mythologie zu verfallen


Ein konkreter Ansatzpunkt wäre z. B. die Aufwertung lokaler Demokratiearbeit, in Schulen, Vereinen, kommunalen Projekten – nicht nur als Verwaltungsakt, sondern als Erlebnis gemeinsamer Gestaltung.

Wenn wir irrationalen Bewegungen begegnen wollen, brauchen wir mehr als Argumente – wir brauchen Formen, die berühren.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 15:07
@hidden
Das Gefühl, dass man »nur noch verteidigt, was man mal erreicht hat«, teile ich durchaus – gerade, wenn man miterlebt hat, wie brüchig scheinbar stabile Fortschritte plötzlich werden können.

Aber vielleicht ist genau darin auch eine realistische Form von Hoffnung begründet:
Dass Stabilität nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder kulturell neu begründet werden muss.
Es ist nicht unbedingt ein Rückschritt, wenn man feststellt, dass man nicht dauerhaft auf einem »Höhenweg« weiterwandert, sondern ständig mit Gegenkräften umgehen muss – von Regression über populistische Versuchung bis hin zu antidemokratischer Zersetzung, wie es die Reichsbürger repräsentieren.

Das Erschreckende ist, wie leicht kulturelle Sicherungen fallen, wenn man sie für selbstverständlich hält.
Das Ermutigende ist aber: Es gibt kollektive Erfahrung, Reflexionsfähigkeit, Widerstandskraft. Die muss nicht laut sein, aber sie wirkt.

Gerade wenn man keine jugendliche Illusion mehr pflegt, sondern mit »abgehärtetem Idealismus« weitermacht, ist das kein Pessimismus, sondern eine Form erwachsener Zivilcourage.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 15:10
Zitat von hiddenhidden schrieb:Bei anderen Themen, die als überwundet galten bin ich über die Geschwindigkeit und Leichtigkeit der Änderungen überrascht.
Weil sie eben nicht überwunden waren, sondern nur ein bisschen abgedeckt.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:aber ohne klare gesellschaftliche Praxis bleiben sie abstrakt.
Das ist doch, was ich zu sagen versuche. Die gesellschaftliche Praxis kann nur auf den Rahmenbedingungen fußen.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:wie erfolgreich diese Instrumente auf der Gegenseite genutzt werden
Wollen wir denn diese Instrumente nutzen? Es sind ja durchweg Instrumente, die einem aufgeklärten Weltbild widersprechen. Bekämpfen wir also Feuer mit Feuer?
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Ein konkreter Ansatzpunkt wäre z. B. die Aufwertung lokaler Demokratiearbeit, in Schulen, Vereinen, kommunalen Projekten – nicht nur als Verwaltungsakt, sondern als Erlebnis gemeinsamer Gestaltung.
Auch das ist noch zu unkonkret. Was stellst Du Dir (beispielhaft) darunter vor? Angenommen, Du könntest es entscheiden - was würdest Du ganz konkret (in einem kleinen Rahmen) machen?
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Wenn wir irrationalen Bewegungen begegnen wollen, brauchen wir mehr als Argumente – wir brauchen Formen, die berühren.
Auch das ist zu abstrakt. Klingt gut - aber wie machst Du "trockene Materie" spannend?

Die Populisten haben das Problem nicht. Sie können sich etwas Spannendes einfach ausdenken. Aber die Realität ist oft mit Dingen belastet, die nicht schön sind. Oft gibt es keine guten Lösungen, sondern nur weniger schlechte. Oft ist eine "große" Lösung mit persönlichem Verzicht verbunden.
Die Populisten können das mit einem Federstrich alles umgehen.

Was würdest Du hier denn konkret tun, um die "manchmal unschöne Realität" gut zu vermitteln?


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 15:14
@azazeel
Genau an dem Punkt wird es spannend – und schwierig zugleich.
Natürlich kann man dem Populismus nicht mit denselben Mitteln begegnen, ohne sich selbst zu korrumpieren.
Aber: Man kann die Mechanismen verstehen, ohne sie zu kopieren.
Das bedeutet: Emotionalität, Symbolik und Gemeinschaftserfahrung sind keine Erfindung der Rechten – sie sind kulturgeschichtliche Konstanten. Der Fehler der demokratischen Mitte war oft, sie den Extremisten zu überlassen.

Ein konkretes Beispiel für lokale Praxis?
Stärkung politischer Jugendbildung außerhalb des Unterrichts statt »Indianerspiele«.
Nicht durch Infoabende, sondern durch reale Beteiligung: etwa wenn Schüler*innen kommunale Prozesse mitgestalten dürfen – nicht nur im Planspiel, sondern bei echten Entscheidungen (z. B. Gestaltung eines öffentlichen Raums, Entwicklung eines Schulprojekts mit Budget, Einbindung in Jugendbeiräte).
Das wäre »Demokratie als Erfahrungsform«.
Oder: Öffentliche Debattenformate in Kooperation zwischen Schulen, Bürgerinitiativen und Stadtverwaltung, wo auch mal streitbar diskutiert wird – aber unter zivilisierten, klaren Bedingungen.

Es gibt diese Initiativen – nur eben oft unterfinanziert, unverbunden, belächelt.

Was fehlt, ist die kulturelle Aufwertung dieser Räume, nicht als Pflichtübung, sondern als Orte, in denen gesellschaftliche Gestaltung als sinnvoll erlebt wird – im Kontrast zur Ohnmachtserfahrung, auf der der Populismus gedeiht.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 15:37
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Natürlich kann man dem Populismus nicht mit denselben Mitteln begegnen, ohne sich selbst zu korrumpieren.
Eben. Und schon ist es vorbei mit der Waffengleichheit. Der "ehrliche Demokrat" hat einen systematischen Nachteil. Wie kann der kompensiert werden?
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Das bedeutet: Emotionalität, Symbolik und Gemeinschaftserfahrung sind keine Erfindung der Rechten
Dann kommst Du auf den schmalen Grad des "Populismus zum guten Zweck". Die rationalbasierte Denkweise soll ja gerade verhindern, dass "die Guten" mit den selben Mitteln manipulieren und dann "die Bösen" werden. Dass man als Bürger merkt, ob man manipuliert wird oder nicht. Das ist ja die Idee der aufgeklärten Gesellschaft.
Ansonsten hängt es ja nur am Zufall, ob der bessere Populist eher gut oder schlecht ist. Nicht?
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Es gibt diese Initiativen – nur eben oft unterfinanziert, unverbunden, belächelt.
Gut. Das verstehe ich und das trage ich mit. Mehr aktive Teilhabe an demokratischen Prozessen in Schulen. Gar keine Frage.
Das Problem bleibt aber bestehen. Wie motiviere ich die Leute, es "gut zu finden". Kleinere Klassen, mehr Lehrer, bessere Ausstattung und besser (psychologische) Ausbildung der Lehrer. Alles toll.
Zwei Probleme: Das muss man bezahlen. Also im ersten Schritt wird es erst mal teuer. Es muss also ein Reformer die Mehrheit davon überzeugen, dass das Loch im Geldbeutel was Tolles ist. Das gelingt aktuell weder beim Klimaschutz noch bei der Bildung oder der Infrastruktur. Wie kommst Du also zu mehr Geld in der Bildung?
Das zweite Problem ist, dass diese Dinge (so sinnvoll sie mittel- und langfristig sind), erst in vielen Jahren (Jahrzehnten) wirken. Was machen wir bis dahin? Und wie gelingt es, diesen "Masterplan" über die Jahrzehnte der kommenden Neuwahlen zu bewahren? Gegen all die Populisten, die jederzeit auf den Geldbeutel verweisen können?

Du hast natürlich recht, dass der Populismus (auch) auf der "Ohnmachtserfahrung" aufbaut. Aber auch auf der Nähe zum eigenen Geldbeutel. Wenn die Umsetzung der von Dir genannten Punkte nicht "vom Himmel" fällt - wie motiviere ich Menschen zu diesem ersten Schritt?

Schau Dir die Vereine an. Immer weniger (vor allem junge Menschen) empfinden diese Form der unmittelbaren sozialen Teilhabe als wünschenswert. Sie möchten lieber unverbindliche "Scheinbeziehungen", die oft auch nur virtuell sind.
Warum? Na weil es sie unmittelbar weniger kostet und die späteren Folgen nicht relevant für die Entscheidung sind.

Und warum bleiben die Älteren eher in den Vereinen? Weil sie so aufgewachsen sind. Weil ihre Sozialisierung aus einer Zeit stammt, in der der Verein die einzig sinnvolle Option der gesellschaftlichen Teilhabe war.

Dann erlebten wir die Pandemie und auch viele der Älteren - die eine Zeitlang gezwungen waren, diese erlernten Umstände auszusetzen - fanden in der Unverbindlichkeit der Virtualität und des "Postfaktischen" einen viel niederschwelligeren Ersatz.

Auch wenn Du es als fatalistisch bezeichnest, Menschen werden im Zweifel in der Mehrheit versuchen, ihren unmittelbaren Vorteil zu optimieren. Jede Umsetzung von "wir sollten mehr Geld in Bildung etc. stecken", wird erst diese Hürde überwinden müssen. Und jeder Populist, dem es nicht auf Inhalte ankommt, sondern nur auf Stimmen, wird hier gewinnen.

Wie bekommen wir das konkret in den Griff?


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 15:52
@azazeel
Du beschreibst das Dilemma sehr präzise – und genau deshalb muss die Antwort nicht im „Widerlegen“ liegen, sondern im Reframing: Der ehrliche Demokrat wird immer einen strukturellen Nachteil haben, wenn er sich auf das Spielfeld des schnellen Vorteils und der Suggestion begibt. Aber das muss er nicht.
Drei mögliche Repliken auf dein zentrales Argument:


  1. Motivation durch Selbstwirksamkeit statt Moralpredigt
    Die demokratische Idee gewinnt nicht durch bessere Moral, sondern durch erlebbare Selbstwirksamkeit. Menschen investieren dort Zeit und Energie, wo sie merken: »Ich kann etwas bewegen.« Das kann lokal, klein, konkret beginnen – etwa wenn ein kommunales Projekt nicht als »Verwaltungsmaßnahme«, sondern als gestaltbares Vorhaben mit eigenen Stimmen erlebt wird.
    Selbst populistisch geprägte Bewegungen mobilisieren nicht nur über Ressentiment, sondern auch über das Gefühl, endlich gehört zu werden. Das kann – auf demokratischer Grundlage – zurückerobert werden.

  2. Langfristigkeit durch kulturelle Bindung, nicht politische Dauerwellen
    Natürlich sind Bildungs- und Beteiligungsreformen ein Langstreckenlauf. Aber sie müssen nicht immer sofort wirken, sondern Vertrauen in langfristige Kulturveränderung schaffen – das heißt: nicht Wahlkampfkommunikation, sondern institutionelle Verankerung. Beispiel: Der Ausbau von Schulparlamenten, Bürgerhaushalten, offenen Jugendräten – weniger für den kurzfristigen Output, mehr für eine langfristige Sozialisation.

  3. Neue Rituale statt manipulative Symbolik
    Du sagst zurecht: Der Grat ist schmal zwischen emotionaler Mobilisierung und populistischer Manipulation.
    Aber warum sollten wir Formen wie Erzählung, Gemeinschaft, Identifikation gleich den Demagogen überlassen?
    Der Staat darf nicht zum Missionar werden – aber Demokratie darf kulturell spürbar sein, nicht nur als System, sondern als Erzählung: durch Räume, Rituale, Symbole, die Verbundenheit stiften. Ein Paradebeispiel ist das, was einst Gewerkschaften, Sportvereine, politische Bildungseinrichtungen leisteten. Diese Räume sind nicht verschwunden – sie wurden nur entwertet.
  4. [/ul]


    Kurz:
    Ja, der Demokrat hat keinen billigen Vorteil. Aber genau darin liegt auch seine Stärke – wenn er nicht wie ein Buchhalter argumentiert, sondern wie ein Gärtner handelt. Nicht auf schnellen Gewinn, sondern auf Kultivierung, Beziehung und tiefere Bindung setzt.
    Die einzige Waffe gegen den Populismus ist kein Gegennarrativ – sondern eine gelebte demokratische Kultur, in der Teilhabe kein Sonntagswort ist, sondern Alltag.

    Was die Kosten betrifft, man muss auch auf Ehrenamtliche setzen



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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 16:53
Ich fange mal hinten an:
Was die Kosten betrifft, man muss auch auf Ehrenamtliche setzen
Genau das wird immer weniger. Weil die Anreize sich verändern.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Menschen investieren dort Zeit und Energie, wo sie merken: »Ich kann etwas bewegen.«
Oder wo sie denken, sie könnten etwas bewegen. Das ist viel einfacher.
Aber wir sind wieder bei der Motivation. Warum macht die AfD ein Grillfest? Na, weil sie damit Wähler bekommt. Die Motivation der Grillfestbetreiber ist ja, dass sie eine kleine Partei groß machen. Ist das mal verflogen, wird auch bei der AfD keiner mehr groß grillen.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Der Ausbau von Schulparlamenten, Bürgerhaushalten, offenen Jugendräten – weniger für den kurzfristigen Output, mehr für eine langfristige Sozialisation.
Wie motiviert man Menschen, da mitzumachen? Die grundsätzlich interessierten sind ja nicht das Problem. Sondern diejenigen, die sich innerlich völlig von "Politik" verabschiedet haben. Deren politische Teilhabe nur im Meckern am Stammtisch (oder auf FB, Tiktok etc.) besteht. Weil meckern halt schön leicht ist und gut tut.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Diese Räume sind nicht verschwunden – sie wurden nur entwertet
Aber warum sind sie so viel kleiner geworden? Weil die Menschen bequemere Alternativen der sozialen Teilhabe gefunden haben. Wie würdest Du denn jemanden für einen Verein oder für ein Ehrenamt motivieren? Da würden Dir für eine Lösung sehr viele Vereinsvorstände und Bürgergruppen um den Hals fallen.

Natürlich stimmt es, dass gelebte soziale Teilhabe sehr zu einem "Wir-Gefühl" beiträgt. Und sehr zu dem Wunsch, die Sache aktiv besser machen zu wollen.
Aber hier scheitern wir doch schon am ersten Schritt. Wir können die Leute ja kaum in diese Strukturen hinein prügeln. Und wie würdest Du sie motivieren ,dass sie es gerne machen? Ganz offensichtlich besteht dieses Bedürfnis gar nicht mehr so sehr.
Es gibt ja Gründe, warum die Leute da nicht mitmachen. Die Vereine sind doch nicht plötzlich für sich betrachtet unattraktiv geworden. Sie sind nur jetzt weniger attraktiv - weil verbindlicher - als eine lose und unverbindliche soziale Interaktion.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 19:14
Hat sich Fitzek nicht immer auf Artikel 146 des Grundgesetzes berufen? Das war doch mit der Wiedervereinigung 1990 hinfällig.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 20:01
Zitat von azazeelazazeel schrieb:Die Motivation der Grillfestbetreiber ist ja, dass sie eine kleine Partei groß machen. Ist das mal verflogen, wird auch bei der AfD keiner mehr groß grillen.
@azazeel
Das glaube ich noch nicht einmal.
Warum sollte es in der AFD nicht Köpfe geben, die das analysieren
und feststellen: egal wie groß wir sind, die Grillfeste auf den Dörfern
brauchen wir. (Sonst wächst was nach, das uns eines Tages verdrängen wird)


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

12.06.2025 um 21:49
@azazeel

Du beschreibst das Problem sehr treffend: Das Verschwinden des Ehrenamts ist kein Zufall, sondern Symptom eines kulturellen Wandels, der sich an Bequemlichkeit, Unverbindlichkeit und der Illusion von Einfluss orientiert. Die AfD-Grillfeste, TikTok-Rants und Stammtischwut wirken auf viele unmittelbarer als Sitzungen im Bezirksausschuss oder Vereinsarbeit am Wochenende. Warum? Weil sie schnell, emotional und scheinbar folgenwirksam sind.

Aber genau das ist der Punkt: Die Gegenbewegung darf nicht auf „Motivieren durch Moral“ setzen. Sondern muss neu denken, was Teilhabe im digitalen Zeitalter heißen kann.
Drei konkrete Vorschläge:

  1. Hybridisierung des Ehrenamts:
    Warum soll ehrenamtliches Engagement nicht stärker digital eingebunden sein – mit kleinteiligen, aber sichtbaren Aufgaben, die zeitlich flexibel sind und trotzdem Wirkung haben?
    Statt fünf Jahre im Vorstand: Zwei Stunden im Monat für ein konkretes Anliegen – mit sichtbarem Feedback. Das macht den Einstieg leichter.

  2. Narrative Umkehr: Vom Opfer zum Mitgestalter
    Viele erleben sich im politischen Diskurs nur noch als Opfer: der Umstände, der Eliten, des Systems. Erfolgserlebnisse in kleinen Beteiligungsformaten können dieses Gefühl umkehren. Aber dafür muss man das Framing ändern:
    Nicht »Hilf uns im Verein«, sondern »Gestalte deine Nachbarschaft mit – auf deine Weise«.

  3. Soziale Anerkennung sichtbar machen
    In einer Gesellschaft, in der Likes und Shares Währung sind, braucht Engagement auch Bühne und Wertschätzung. Warum nicht z. B. regionale oder kommunale Plattformen, die Ehrenamt sichtbarer machen – mit echten Geschichten, sozialen Belohnungen, klaren Rückmeldungen? Wer sich engagiert, muss auch wahrgenommen werden – nicht nur als »der Vereinsmeier«.

Fazit:
Du hast völlig recht: Die alten Formen allein reichen nicht mehr – und die Rationalität des Arguments ist keine Garantie für Engagement.
Aber der Weg kann nicht nur sein, über die Veränderung zu klagen. Sondern: Wir müssen Beteiligung in den Formen ermöglichen, die unsere Gegenwart versteht. Ohne uns dabei zu verkaufen. Das ist schwierig, aber es ist möglich. Und nötig.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

17.06.2025 um 09:30
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb am 12.06.2025:Warum sollte es in der AFD nicht Köpfe geben, die das analysieren
und feststellen: egal wie groß wir sind, die Grillfeste auf den Dörfern
brauchen wir.
vielleicht. Wahrscheinlich siegt aber irgendwann die Trägheit. So wie überall sonst auch.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb am 12.06.2025:ondern Symptom eines kulturellen Wandels, der sich an Bequemlichkeit, Unverbindlichkeit und der Illusion von Einfluss orientiert
Genau. Und die Reichsbürger sind einfach nur ein weiteres Symptom.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb am 12.06.2025:mit kleinteiligen, aber sichtbaren Aufgaben, die zeitlich flexibel sind und trotzdem Wirkung haben?
Statt fünf Jahre im Vorstand: Zwei Stunden im Monat für ein konkretes Anliegen – mit sichtbarem Feedback. Das macht den Einstieg leichter.
Ich bin ja selbst recht aktiv in solchen Dingen. Das klingt gut, ist aber aus zwei Gründen kaum umsetzbar:
1. Es ist enorm aufwändig, Aufgaben so aufzubereiten, dass sie kleinteilig von anderen erledigt werden können. Diese Leute haben ja kein Gesamtbild und das bedeutet, die Koordination ist dann ein großer Posten. Wenn man das in "Arbeitszeit" umrechnet, ergibt sich wenig Gewinn, weil man ja doch wieder diejenigen braucht, die das verlässlich und dauerhaft organisieren.
2. Gerade diese "kleinen" Aufgaben finden kaum Leute, die sie erledigen. Es muss ja in aller Regel sichergestellt sein, dass eine Aufgabe zu einer bestimmten Zeit erledigt ist. Wir haben schon viele Ansätze versucht - auch z.B. einen Pool aus Aufgaben, die "irgendwann" erledigt werden sollen und die Leute können das recht frei bestimmen. Aber auch Kleinaufgaben, die nur wenig Zeit beanspruchen, aber fixe Termine haben.
Es hilft halt nichts, wenn jemand sagt, vielleicht mache ich es, vielleicht nicht. Das ehrenamtliche Leben besteht zu einem Großteil daraus, den Leuten hinterherzulaufen und sie zu motivieren. Das ist auf Dauer nichts, was Spaß macht.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb am 12.06.2025:Nicht »Hilf uns im Verein«, sondern »Gestalte deine Nachbarschaft mit – auf deine Weise«.
Du meinst, dass man den Grund der Mitwirkung besser kommunizieren müsste? Also dass es nicht der abstrakte Verein ist, sondern das eigene Umfeld?
Das stimmt natürlich. Aber in meinen Auen wird das doch vielfach schon so gemacht. Und auch hier ist die Rückmeldung schlecht. Es fänden zwar viele toll, wenn "man was machen" würde - aber selbst auch nur wenige Stunden zu investieren möchte kaum jemand.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb am 12.06.2025:In einer Gesellschaft, in der Likes und Shares Währung sind, braucht Engagement auch Bühne und Wertschätzung. Warum nicht z. B. regionale oder kommunale Plattformen, die Ehrenamt sichtbarer machen – mit echten Geschichten, sozialen Belohnungen, klaren Rückmeldungen?
Auch das ist völlig richtig.
Was wäre denn eine passende "Währung"?
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb am 12.06.2025:Das ist schwierig, aber es ist möglich. Und nötig.
Ich hänge weiterhin am "es ist möglich". Es sollte möglich sein. Aber ist es das?


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

17.06.2025 um 10:54
Zitat von azazeelazazeel schrieb:Ich hänge weiterhin am »es ist möglich«. Es sollte möglich sein. Aber ist es das?
Die Frage ist berechtigt – und sie trifft den wunden Punkt vieler engagierter Projekte: Die Vision ist klar, aber die Umsetzung kollidiert mit realer Trägheit, Zeitmangel und mangelnder Verbindlichkeit.

Was aber wäre die Alternative? Wenn wir das als »nicht möglich« abhaken, überlassen wir das Feld jenen, die sehr genau wissen, wie man Unverbindlichkeit, Frustration und Illusion von Kontrolle für ihre Zwecke nutzt – und zwar nicht für demokratische, sondern für destruktive Ziele.

Vielleicht ist der Begriff »ehrenamtlich« inzwischen sogar kontraproduktiv. Er klingt nach Arbeit, Pflicht und Verzicht. Warum nicht stärker in Richtung kreative Selbstwirksamkeit kommunizieren?

Nicht: »Wer hilft mit«“
Sondern: »Was fehlt dir hier – und wie würdest du es ändern?«

Damit wird nicht eine Aufgabe delegiert, sondern ein Problem zurückgegeben. Das ist unbequem – aber es macht den Unterschied zwischen Bittsteller-Logik (»Wir brauchen Hilfe«) und Augenhöhe (»Wir gestalten gemeinsam«).

Zur »Währung«: Sichtbarkeit ist eine. Anerkennung eine zweite. Reale Mitsprache eine dritte. Es braucht eine Bühne, auf der man auch scheitern darf, ohne lächerlich gemacht zu werden – also eine echte Feedbackkultur, die Menschen nicht für Engagement »bestraft«, sondern stärkt.

Die zentrale Frage bleibt:
Wie gestalten wir die ersten 15 Minuten des Engagements so attraktiv, dass jemand wiederkommt?

Wenn wir dafür keine Antwort finden, verlieren wir nicht nur das Ehrenamt, sondern mittelfristig das demokratische Fundament. Und genau da docken Reichsbürger, Verschwörer und »Systemkritiker« an: In der Lücke zwischen Wollen und Wirken.


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

17.06.2025 um 12:02
Trotzdem bleibt hängen, dass das Reichiproblem ein rein deutsches Phänomen ist.

Gibt es denn in bspw. Polen, UK, Frankreich, Portugal oder sonstwo ähnliche Gruppierungen in diesem Ausmaß wie bei uns, die bloß, weil sie zu faul zum Arbeiten, und deshalb nicht in der Lage oder willens sind, sich in der Gesellschaft ein- bzw. unterzuordnen und sich deshalb auf Fantasiegebilde oder auf irgend einen Käse von vor hundert Jahren berufen?


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

17.06.2025 um 15:21
@SomertonMan

Claude Sonnet 4 antwortet auf die Frage
"Gibt es in anderen Staaten Bewegungen wie die unserer "Reichsbürger" folgendes:

Ja, es gibt in verschiedenen Ländern ähnliche Bewegungen wie die deutschen "Reichsbürger". Hier sind einige Beispiele:

USA - "Sovereign Citizens": Diese Bewegung lehnt die Legitimität der US-Bundesregierung ab und behauptet, nur unter bestimmten historischen Gesetzen zu stehen. Sie verweigern oft Steuerzahlungen und erkennen Gerichte nicht an.

Österreich - "Staatenbund Österreich": Ähnlich den deutschen Reichsbürgern behaupten sie, die Republik Österreich sei illegitim und das Österreich-Ungarn von 1867 bestehe noch.

Schweiz - "Verfassungsfreunde": Kleinere Gruppen, die die Legitimität des modernen Schweizer Staates anzweifeln.

Kanada - "Freeman on the Land": Eine Bewegung, die behauptet, Individuen könnten sich von staatlichen Gesetzen "befreien" durch bestimmte Erklärungen.

Australien - "Sovereign Citizen"-Gruppen: Lehnen die Autorität der australischen Regierung ab, oft mit Bezug auf die ursprüngliche Kolonialzeit.

Russland - "USSR-Nostalgiker": Gruppen, die behaupten, die Sowjetunion bestehe rechtlich noch fort.

Diese Bewegungen teilen oft gemeinsame Merkmale: Sie stellen die Legitimität ihrer aktuellen Regierung in Frage, berufen sich auf historische oder alternative Rechtssysteme und verweigern häufig die Anerkennung staatlicher Autorität. Die konkreten Ausprägungen variieren je nach nationaler Geschichte und politischem Kontext.



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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

17.06.2025 um 15:28
Zitat von SomertonManSomertonMan schrieb:Trotzdem bleibt hängen, dass das Reichiproblem ein rein deutsches Phänomen ist.
Nee, das Problem gibt es auch in anderen Ländern bzw. Staaten.
In den USA wären das die "Sovereign Citizens", in Kanada die "Freemen on the Land", das "Freemen movement" bei den Briten, in Australien die "Sovereign Citizen" und "Freemen" und in Österreich/Schweiz die "Selbstverwalter" und "Staatsverweigerer".
Gemeinsam ist denen das Ablehnen des jeweiligen Staates und die dazugehörigen jeweiligen juristischen Spinnereien. Außerdem besitzen die jeweils auch eine Affinität für Verschwörungsmythen. Bei unseren Reichies kursieren zum Beispiel die "Protokolle der Weisen von Zion" (beim Bewerben dieser wurden sie bspw. für eine Undercover-Recherche mit versteckter Kamera gefilmt) - da weiß man quasi wo die Reise hingeht. "Chemtrails" und "kinderblutsaufende satanistische Eliten/Reptiloide" sind in dieser Szene natürlich auch weit verbreitet.

(@geeky war da wohl schneller)


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

28.06.2025 um 13:21
Spiegel TV hat heute den ersten Teil einer neuen Interviewreihe aus der genialen Sendereihe "Im Verhör" veröffentlicht indem es speziell um das KRD Deutschland bzw. Fitzek geht. Wie immer toll gemacht wenngleich es chronologisch etwas drunter und drüber geht aber das ist zu vernachlässigen.
Youtube: Im Verhör: Peter Fitzek – »Der Möchtegern-König« von Deutschland (1) | SPIEGEL TV
Im Verhör: Peter Fitzek – »Der Möchtegern-König« von Deutschland (1) | SPIEGEL TV
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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

29.06.2025 um 00:42
Vom Koch zum selbsternannten König Fitzek hatte sich seine eigene kleine Welt aufgebaut, in der er der Boss war und alles nach seinen Regeln lief. Zum Glück ist damit jetzt Schluss.


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30.06.2025 um 19:46
Es gibt Leute, die einfach durch die Tür gehen, und solche, die auftreten. Jetzt ist sein Reich verboten, und er sitzt im Knast. 4.500 Leute sind ihm gefolgt und Millionen in sein Königreich gesteckt. Aber das Geld ist weg alles weg.


Quelle:
Youtube: Staat gegen Reichsbürger –wie Fitzeks „Königreich Deutschland“ zerschlagen wurde | Doku | exactly
Staat gegen Reichsbürger –wie Fitzeks „Königreich Deutschland“ zerschlagen wurde | Doku | exactly
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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

30.06.2025 um 19:58
@duval

Ja, echt eine dumme Sache. Da hat man sich so schön sein eigenes Königreich zusammenfantasiert, mit wichtigem Titel und allem Zipp und Zapp – und dann ist plötzlich das ganze schöne Geld weg! Alles futsch! Wer hätte auch ahnen können, dass eine Pseudo-Monarchie auf selbstgedruckten Reichsausweisen keine solide Kapitalanlage ist? 😅


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Reichsbürgerbewegung - für wie gefährlich haltet ihr sie?

01.07.2025 um 00:27
Zitat von duvalduval schrieb:Aber das Geld ist weg alles weg.
Und dabei soll es sich um eine Summe zwischen 7 und 12 Mio. handeln, heißt es gegen Ende in dem verlinkten Video.
Unbedingt sehenswert dieses Video vom mdr, auch wer denkt, den Fall bestens zu kennen.


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