Afghanistan, die Luft wird dicker

Carbine schrieb:Er wollte also ein Blutbad an sich selbst verhindern - soweit nachvollziehbar - denn das „zahllose Patrioten“ getötet und Kabul zerstört worden wären, wenn er noch dagewesen wäre, kann ich mir nicht vorstellen.

Wenn er den klassischen Diktatorenabgang (Schwere Kämpfe um den Präsidentenpalast, irgendwelche Leibgardisten und Profiteure die davon ausgehen können unter dem neuen Regime hingerichtet zu werden kämpfen bis zur letzten Patrone usw.) abgeliefert hätte wäre das vielleicht möglich gewesen, aber so korrupt und böse war der ja garnicht. So ein Abgang ist normalerweise reserviert für Leute die ihre Länder jahrzehntelang übelst unterdrücken.

bgeoweh schrieb:aber so korrupt und böse war der ja garnicht.

Was nicht heißt, dass er gerne weiterlebt - eventuell mit ein paar Geldtaschen schwerer. Beliebt war er ja wohl auch nicht so recht bei seiner Bevölkerung.
Meiner Meinung ein recht offensichtlicher Opportunist, hier ein Bericht der Wahlen aus 2014 mit Beispielen für meine Meinung:

https://www.deutschlandfunk.de/afghanistan-technokrat-im-paschtunengewand.799.de.html?dram:article_id=281515

Als ehemaliger Finanzchef wird er schon Ahnung haben, Geld zu horten und damit abzuhauen. :D

Die Russen gehen übrigens auch davon aus, dass er nicht mit leeren Händen ging:

https://www.fr.de/panorama/afghanistan-praesident-ghani-verschwunden-flucht-vor-taliban-in-helikopter-voller-geld-zr-90925643.html

Klar, russische "Vermutungen" sind immer sehr mit Vorsicht zu genießen - das allerdings kann ich mir schon vorstellen.

Carbine schrieb:Als ehemaliger Finanzchef wird er schon Ahnung haben, Geld zu horten und damit abzuhauen. :D

Der kommt doch ursprünglich sogar von der Weltbank, war für die am "Umbau" der Sowjetunion beteiligt nach '91...

Ich wäre überrascht wenn der nicht schon immer auf persönlichen Reserven sitzen würde.

Ich sag ja, gemütlicher Ruhestand in der Schweiz, vielleicht ein bisschen was an der Uni machen und so. Der kommt schon unter. Je nachdem ob die Amis die Linie "die legale Regierung ist im Exil" fahren oder mit den Taliban verhandeln wollen wird er ja vielleicht noch gebraucht. Das kann so oder so ausgehen, nach e.g. Guidao kräht ja auch kein Hahn mehr.

Blaubeeren schrieb:Sorry, aber 30- 50 Tage Prognose bei Einmarsch der Taliban innerhalb des nächsten Tages wäre schon grob fahrlässig.

Du gehst immer davon aus das information vorlagen die, diesen schnellen Fall kabuls klar vorhersehbar machten.

bgeoweh schrieb:Der kommt schon unter. Je nachdem ob die Amis die Linie "die legale Regierung ist im Exil" fahren oder mit den Taliban verhandeln wollen wird er ja vielleicht noch gebraucht. Das kann so oder so ausgehen, nach e.g. Guidao kräht ja auch kein Hahn mehr

Es, wird keine exilregierung geben

Das gibt man sich doch auch nicht

Fedaykin schrieb:Du gehst immer davon aus das information vorlagen die, diesen schnellen Fall kabuls klar vorhersehbar machten.

Oberflächliche Betrachtung:
Wenn die Taliban innerhalb 14 Tagen 470 km mit noch anfänglichem "Wiederstand" von Sarandsch und Kandahar zurücklegen können, komme ich immernoch nicht auf 30 - 50 Tage für weitere 490 km von Kandahar nach Kabul.

Fr. 6.8.2021

In Afghanistan haben die Taliban nach offiziellen Angaben bei ihrer jüngsten Offensive erstmals eine Provinzhauptstadt erobert. Die Stadt Sarandsch in Nimros im Süden des Landes sei von den radikalen Islamisten eingenommen werden, teilte die Provinzpolizei mit. Deren Sprecher machte das Ausbleiben von Verstärkungen durch die Zentralregierung in Kabul für die Niederlage verantwortlich.

Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-taliban-provinzhauptstadt-1.5375487

Fr., 13.8.21

Die Taliban haben in Afghanistan ihren Eroberungszug fortgesetzt und mit Kandahar die zweitgrößte Stadt des Landes eingenommen.

Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-usa-botschaftspersonal-103.html

Erst recht nicht wenn sie sich zwischenzeitlich zahlreicher Autos bedient haben und auch keine militärischen Hindernisse mehr zu überwinden haben.

Ein Anwohner sagte der Nachrichtenagentur AFP, die afghanische Armee habe offenbar den Rückzug angetreten. Zahlreiche Soldaten begaben sich demnach zu einer Militäreinrichtung außerhalb der Stadt.

Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-usa-botschaftspersonal-103.html

bgeoweh schrieb:die Amis die Linie "die legale Regierung ist im Exil"

Die neuen Machthaber werden von den USA geduldet, wenn sie sich als "Taliban light" erweisen.
Taliban light wären für die USA eine günstigere Lösung als die alte afghanische Regierung.

Allerdings frage ich mich jetzt gerade wann die Geheimdienst-Prognosen denn eigentlich aufgesetzt wurden?

Blaubeeren schrieb:Allerdings frage ich mich jetzt gerade wann die Geheimdienst-Prognosen denn eigentlich aufgesetzt wurden?

Wie so die Berichterstattung des BND erfolgt, kannst du gut auf seiner eigenen Seite nachlesen:

https://www.bnd.bund.de/DE/Die_Arbeit/Berichterstattung/berichterstattung_node.html

Außerdem treffen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BND ungefähr 150-mal pro Monat zu Fachbriefings mit Politikerinnen und Politikern.

Quelle: s. o.

Interessant ist, dass die CDU und SPD Länder-Innenminister jetzt ein Aufnahmeprogramm für eine unbekannte Zahl von afghanischen Flüchtlingen forden. Vorher hatten die CDU und SPD (als das noch problemlos möglich wäre) die Rettung einer begrenzten Anzahl afghanischer Hilfskräfte abgelehnt.

Länder-Innenminister fordern von Seehofer Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge

https://www.welt.de/politik/ausland/live233143529/Afghanistan-Live-Ticker-Innenminister-fordern-von-Seehofer-Aufnahmeprogramm-fuer-Fluechtlinge.html (Archiv-Version vom 18.08.2021)

Blaubeeren schrieb:Wenn die Taliban innerhalb 14 Tagen 470 km mit noch anfänglichem "Wiederstand" von Sarandsch und Kandahar zurücklegen können, komme ich immernoch nicht auf 30 - 50 Tage für weitere 490 km von Kandahar nach Kabul.

Da geht es nicht um Entfernung allein. Sondern in erster Linie um möglichen Widerstand. Und in Kabul war die Macht der Zentralregierung noch am direktesten.

Fedaykin schrieb:Du gehst immer davon aus das information vorlagen die, diesen schnellen Fall kabuls klar vorhersehbar machten.

Was sagt es denn über die Geheimdienste aus, dass ihnen diese Informationen nicht vorlagen, aber offenbar bereits ein bis zwei Tage mach der "Eroberung" Kabuls offen liegen.

Wer braucht solche Geheimdienste.

@parabol
@Fedaykin
es ist doch wohl nicht davon auszugehen, dass sich die Taliban (die ihr zugehörenden Männer) an einem geografischen Punkt versammelt haben und von dort losmarschiert/losgefahren sind, das Land einzunehmen.

ICh gehe vielmehr davon aus, dass sie übers ganze LAnd verteilt sind und sich nur an bestimmten ORten zu konzertierten Aktionen treffen und die Befehlshaber die Befehle oder Richtlinien per handy weitergeben :)

TatzFatal schrieb:Das die afghanische Armee kampflos aufgegeben hat, kann ich verstehen. Man hat sie auf westlichen Niveau ausgebildet, gegen Guerillakämpfer stehen die Chancen da eher schlecht, siehe Vietnam.
Kämpfen sollten sie für eine Art von westlicher Demokratie, das für sie so Abstrakt sein muss, wie die Vorstellung über die Reeperbahn.
Wenn der Großteil einer Bevölkerung selten Zugang zu Bildung hat, gelingt keine Missionierung.

Das habe ich gestern geschrieben und heute lese ich dies:

https://m.tagesspiegel.de/politik/die-lage-in-afghanistan-britischer-general-lobt-zusammenarbeit-mit-taliban-bei-evakuierung/27519346.html

Für den raschen Zusammenbruch der afghanischen Streitkräfte machte Carter einen Mangel an Vertrauen in die bisherige politische Führung verantwortlich. „Sie wollten nicht mehr für ihre Regierung kämpfen“, so der General. Die Moral in der Truppe sei einfach zusammengebrochen. Zudem hätten die Verbündeten „sehr abrupt“ Unterstützung entzogen. Afghanistans Armee sei nach dem Vorbild westlicher Streitkräfte aufgebaut worden, was Logistik, Technologie und die Funktionsweise betreffe. Das sei möglicherweise nicht der beste Weg gewesen. Daraus könne man „sehr wichtige Lektionen“ lernen. (dpa)

Ich kann mir nicht vorstellen das dies den Leuten an der Basis in Afghanistan, nicht vor langer Zeit klar gewesen ist.
Man kann die Leute nur dort abholen wo sie stehen und das weiß jeder Sozialarbeiter. Vermutlich interessiert aber keinen Politiker was seine Basis gelernt und welche Erfahrungen sie haben. Das ist nicht klug.




Aus dem gleichen Link entnommen:

US-Geheimdienste haben nach Informationen der „New York Times“ bereits im Juli vor einem raschen Zusammenbruch des afghanischen Militärs und einem wachsenden Risiko für die Hauptstadt Kabul gewarnt. In mehreren Berichten stellten sie zu dieser Zeit unter anderem in Frage, ob afghanische Sicherheitskräfte den militant-islamistischen Taliban ernsthaften Widerstand leisten würden, schrieb das Blatt am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf informierte Kreise

Aber jetzt im August hat das niemand gedacht? Echt nicht?



Was ich von alldem halten soll, ich weiß es noch nicht.

So wie es scheint formt sich der erste Widerstand.

Der afghanische Vizepräsident Saleh sieht sich als legitimer Präsident des Landes. Er dürfte im Panjshir-Tal Zuflucht gefunden haben, das auch in den 1990er-Jahren nicht von den Taliban eingenommen werden konnte.

Quelle: https://www.diepresse.com/6022442/das-panjshir-tal-eine-provinz-widersetzt-sich-den-taliban

Hier noch ein weiterer Artikel im Wiki:

https://de.wikipedia.org/wiki/Pandschschir-Widerstand

Wird wohl keine landesweite Einigung unter den Taliban geben.

fischersfritzi schrieb:Was sagt es denn über die Geheimdienste aus, dass ihnen diese Informationen nicht vorlagen, aber offenbar bereits ein bis zwei Tage mach der "Eroberung" Kabuls offen liegen.

Wer braucht solche Geheimdienste

Ähem echt man weiß nachrm etwas 3i getreten ist das es eingetreten ist?

Ziemlich normal.

Wie gesagt hier das Klischee der magischen Geheimdienste. Kommt wohl vom Fernsehen.

Seidenraupe schrieb:Taliban (die ihr zugehörenden Männer) an einem geografischen Punkt versammelt haben und von dort losmarschiert/losgefahren sind, das Land einzunehmen.

Natürlich nicht.

Ebenso haben sie nichtcrumposaunt wen sie auf ihre Seite gezogen hatten.

Seidenraupe schrieb:konzertierten Aktionen treffen und die Befehlshaber die Befehle oder Richtlinien per handy weitergeben

Das ermöglicht sogar abhören.

Einer verlinktte das Beispiel von der Seite des BND

Und jetzt kommt der low tech Kram Der Das ganze Elint sprengt. Stell dir vor die schreiben nen Zettel und schicken einen los..

TatzFatal schrieb:US-Geheimdienste haben nach Informationen der „New York Times“ bereits im Juli vor einem raschen Zusammenbruch des afghanischen Militärs und einem wachsenden Risiko für die Hauptstadt Kabul gewarnt.

Ich hatte vor anderthalb Monaten den entsprechenden Limk gepostet:

Amerikanische Geheimdienste gehen davon aus, dass die Taliban in den nächsten Monaten gewinnen werden.

https://thehill.com/policy/defense/559894-intel-analysis-afghan-government-could-collapse-six-months-after-us-troops

Beitrag von parabol (Seite 305)

Seidenraupe schrieb:ICh gehe vielmehr davon aus, dass sie übers ganze LAnd verteilt sind

Die Taliban hatten bereits vor 2 Monaten die Kontrolle, sie kontrollierten die Grenzübergänge und die wichtigen Landverbindungen

parabol schrieb:Ich hatte vor anderthalb Monaten den entsprechenden Limk gepostet:

Dann ist es doch Fakt das sie damit gerechnet haben und erklärt auch Bidens Haltung.

Fedaykin schrieb:Ähem echt man weiß nachrm etwas 3i getreten ist das es eingetreten ist?

Verstehe den Satz nicht.

Fedaykin schrieb:Ziemlich normal.

Was genau?

Dass es in Hinblick auf die Einschätzung der Situation ein eklatantes Versagen gab ist wohl unübersehbar.

Fedaykin schrieb:Wie gesagt hier das Klischee der magischen Geheimdienste

Wer spricht von Magie?
Eine etwas zutreffendere Einschätzung zu erwarten hat mit Magie wenig zu tun.

Fedaykin schrieb:Kommt wohl vom Fernsehen.

Hör auf so zu tun als wäre ich zu blöd irgendwelche Filme und die Realität auseinander zu halten.

Deine Einschätzung ist auch nichts weiter als die laienhafte Einschätzung irgendeines x beliebigen Forums Users.
Wird vermutlich von einigen geteilt.
Ebenso wie meine.

Is klar, die Taliban nehmen eine Provinzhauptstadt nach der anderen ein. Montags die Dienstags die nächste und so weiter aber die Geheimdienste gehen davon aus, dass Kabul wochenlang gehalten wird. Die wussten, dass die "Soldaten" keinen Bock haben sich gegen die Taliban zu stellen, dass die Motivation mit jeder kampflos übergebenen Provinzhaupstadt eher sinkt als steigt hätte jeder 8 Jährige voraus sehen können. Die Geheimdienste aber meinen, dass sich da noch ein paar unpatriotische unterbezahlte Soldaten gegen die Taliban in den Kampf werfen um ihren unbeliebten Präsidenten im Amt zu halten mit dem Glauben man werde die Taliban besiegen und nicht sterben?
Schwachsinnn!

fischersfritzi schrieb:Verstehe den Satz nicht.

Na es ist logisch das man hinterher schlauer ist.

fischersfritzi schrieb:Dass es in Hinblick auf die Einschätzung der Situation ein eklatantes Versagen gab ist wohl unübersehbar.
Fedaykin schrieb:

Das ist eben hinterher ersichtlich. Ob Versagen vorliegt kann ich nicht beurteilen ohne die Datenlage vor ein paar Tagen, Wochen zu kennen.

Und dann ob man davon ausgeht wann die richtig in die offensive gehen.

fischersfritzi schrieb:Wer spricht von Magie?
Eine etwas zutreffendere Einschätzung zu erwarten hat mit Magie wenig zu tun.

Nun weil man davon ausgeht das man ausreichend Infos hatte um diesen Verlauf vorherzusagen

fischersfritzi schrieb:Deine Einschätzung ist auch nichts weiter als die laienhafte Einschätzung irgendeines x beliebigen Forums Users.

Nun ich versuche erst einmal zu hinterfragen.

Ist wie die Sache mit den 7 Personen im Flieger. Ohne Kontext wurde ja alles mögliche unterstellt.

Die preisfrage bleibt ja warum alle Dienste den c
Vormarsch zeitlich falsch eingeschätzt haben.

Und da liegen wir realistisch immer darin das man unvollständige Informationen hat
Quelle: