Unruhen in Libyen - warum?

Man sollte zwischen Aufständen und Demos unterscheiden, die VON DER REGIERUNG dieses und jenes fordern und solche, welche den STURZ der Regierung fordern.

Die Medien, von den global playern der Agenturen, CNN, BBC und Al- Jazeera (dem Player der arabischen Welt) verwischen diesen Unterschied durch die Art der Inszenierung.

Wenn bei uns Hunderttausende gegen die Parteiendiktatur demonstrieren würden, und dazu Institutionen abfackeln würden, welche den Staat und das System repräsentieren, würden im übrigen auch die Fetzen fliegen ...

@DahamImIslam

Diese Unruhen seit Tunesien wollen alle einen Sturz der Regierung.

Sowas ist mit den Unzufriedenheiten hier nicht zu vergleichen.
Und Al-Jazeera hat gut gemacht.
Verstehe deine Skepsis aber denke wirklich, dass hier etwas weltbewegend Neues im Gang ist, Ausgang noch ungewiss....

@lilit

Sollte das Ergebnis ein naher Osten mit Regierungen sein, welche sich um die Nöte der Bevölkerung kümmern (wurscht ob es formale Meinungsfreiheit und Parteien gibt oder nicht, es geht um Gewaltenteilung, es geht ums Substanzielle!), dann ist die Entwicklung positiv.

Sollten dagegen nur face- gelifteten autoritären Militärstaaten mit pseudo- Demokratien rausschauen, dann profitieren davon wieder nur die Player (Umstürzler und ihre Gönner und Anhänger)

Warten wir es also ab. Was am Ende dabei rumkommt, ist kaum vorauszusagen.


Wobei die Entwicklung in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich sein kann. Das hängt nicht zuletzt davon, wie wichtig dem Weltkapital das jeweilige Land ist.

Bei der Causa Libyen würde ich nicht einmal ausschließen, dass das Land zweigeteilt wird, sollte Ghaddafi Tripolis halten können, den Osten aber nicht ... Wobei das Öl vor allem in Bengaziland sprudelt ;)

Und ja, den Hype um die Facebookgeneration teile ich nicht. Ein libyscher Beduinenspross bleibt ein Beduine und wird zu keinem weichgewaschenen "nicht-Fisch-und-nicht-Fleisch-Cyber- Weltbürger ... und das ist auch gut so ;)

DahamImIslam schrieb:Wenn bei uns Hunderttausende gegen die Parteiendiktatur demonstrieren würden, und dazu Institutionen abfackeln würden, welche den Staat und das System repräsentieren, würden im übrigen auch die Fetzen fliegen ...

Das stimmt allerdings.

Wobei sich die Frage stellt, ob Polizeistationen, die abgefackelt wurden, vielleicht nicht deswegen abgefackelt wurden, weil die Polizei zuvor auf die Demonstranten schoss und somit die Wut der Demonstranten überkochen ließ.

Das ist von Außen schwer zu beurteilen.

@DahamImIslam

DahamImIslam schrieb:wurscht ob es formale Meinungsfreiheit und Parteien gibt oder nicht

Was ist eine formale Meinungsfreiheit? M.M. nach ist Meinungsfreiheit, resp das Recht auf freie Meinungsäusserung das a und o einer gesunden Politik!

Gaddafi muss trotzdem weg, solche geisteskranken und ruchlosen "Bruder Führer" braucht niemand!

Das ist schon möglich, ändert aber kaum etwas an der Symbolhaftigkeit dieser Art von Aktivismus.

Als in Frankreich die Vorstadtjugend Schulen abfackelte, sprach man auch gleich von einer enormen Gefährdung für die Sicherheit im Staate.

Wenn die Repräsentanten des Systems versehrt werden, ist das selbstverständlich ein Alarmzeichen, gegen den sich auch mittel- und nordeuropäische "Vorzeigestaaten" mit allen Mitteln zur Wehr setzen.

Wenn es mit dem ersten Warnzeichen (bsp. Abstrafung der Demonstranten in Stuttgart) und dem Weichspülen der Aufrührer (Aufnehmen von Verhandlungen, siehe Geißlers Meisterstück ...).

Die Aufständischen werden in gut und böse eingeteilt. Wer aus Zorn gegen das Ganze heraus handelt, der ist ein Chaot, Aufrührer; er muss schikaniert werden, bis er isoliert wird.

Wer deswegen auf die Straße geht, weil er der Meinung ist, dass uralte Bäume nicht gefällt werden dürften, der ist unvernünftig, aber nicht gefährlich,

und wer auf die Straße geht, weil er persönliche Nachteile befürchtet, der ist ein aufrechter und loyaler Bürger, dessen Nöte die hohen Repräsentanten respektieren und den sie evtl. mit ein paar Zuckerln für seine Loyalität auch belohnen ...

So funktioniert es überall, nur wird hier der sich anstauende Volkszorn schnell kanalisiert, während er in Diktatoren sofort unterdrückt werden muss und im Falle des Scheiterns dieses Unternehmens für das System sofort brandgefährlich wird.

Bei den Unruhen in arabischen Ländern wird diese Unterscheidung allerdings nicht gemacht. Die Demonstranten sind alle gut, ob sie rachedürstend mit Kalaschnikow auf der Jagd nach Günstlingen des Regimes durch die Gegend rennen oder sympathisch plaudernd beim Tee die Straße blockieren ... Transparante "fundamentalistisch- islamischer" Parteien werden nicht gezeigt, denn es ist wichtig, dass nicht die bösen Islamisten Träger dieser Aufstände sind, sondern die lieben Facebook- Bubies ;)

@Fidaii

Richtig, aber bekanntlich nutzt es wenig, wenn der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben wird.

Aber warten wir es ab, ich will nicht ZUVIEL Pessimismus verbreiten und würde mich sehr freuen, wenn ich mich in einigen Jahren selbst watschen müsste, weil ich so skeptisch war.

@Fidaii

Fidaii schrieb:Wobei sich die Frage stellt, ob Polizeistationen, die abgefackelt wurden, vielleicht nicht deswegen abgefackelt wurden, weil die Polizei zuvor auf die Demonstranten schoss und somit die Wut der Demonstranten überkochen ließ.

Das ist von Außen schwer zu beurteilen.

Bei "uns" wird nicht auf Demonstranten geschossen, auch wenn sie Steine werfen. Es gibt Wasserwerfer und Tränengas, aber wenn geschossen wird, mit Gummi.
Ausser bei G8 Demo 2001 in Genua Italien ist Demonstrant getötet worden, aber das sind schon Riesenausnahmen hier.

Dann engagiere dich in Deutschland einmal in einer Vereinigung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird - auch bei Vereinigungen, die ausdrücklich betonen, dass sie das Grundgesetz nicht antasten. Du wirst schnell feststellen, auf welch dünnem Eis die Meinungsfreiheit sich dann bewegt.

Der Vorteil unseres System ist, dass der Rahmen der Meinungsfreiheit weiter gespannt ist, dass der Verfassungsschutz erst richtig aktiv wird, wenn du potentiell als staatsgefährdend eingestuft wirst, während in Diktaturen allenfalls die Korruption bzw. die Misswirtschaft angeprangert werden kann, nie aber die Regierung selbst angetastet werden darf. Wenn der Diktator das zulässt, ist das bereits das Anfang vom Ende.

Der eigentliche Vorteil besteht aber darin, dass es in unseren Staaten ein hierarchisch aufgebautes und durch übergeordnete Instanzen kontrolliertes System von Institutionen gibt. Das ist aber nur möglich, weil sehr sehr sehr viel Geld im Staat steckt (ich beziehe das nicht nur auf das Budget, sondern den Umsatz im ganzen Staat).

Demokratien, die nicht auf diese Weise durchorgansiert sind, versinken dagegen genauso in Korruption und Misswirtschaft wie Militärdiktaturen.

Spaetesten wenn in einigen der Laender Islamisten an die Macht kommen wird sich der Westen fragen, warum haben wir die Diktatoren nicht unterstuetzt?

Ganz so nebenbei ist Libyen das reichste Land in ganz Afrika und steht im HDI auf gleicher Stufe wie einige europaeische Nationen. Sogar noch ueber! Russland, China, Brasilien und der Tuerkei, nur um einige zu nennen.
Ist aber auch einer der korruptesten Staaten ueberhaupt.

Weil die Bevölkerung mit der Politik zufriedener ist und ihr Demonstrationswille kanalisiert wird.

Tage des Zorns haben wir noch nicht erlebt ...

Allgemein spreche ich bei solchen Vergleichen nicht von der Quantität (natürlich sind wir freier, müssen weniger um Leib und Leben fürchten etc), sondern von Qualität (die Mechanismen sind ähnlich)

@DahamImIslam

Der Vorteil unseres System ist, dass der Rahmen der Meinungsfreiheit weiter gespannt ist, dass der Verfassungsschutz erst richtig aktiv wird, wenn du potentiell als staatsgefährdend eingestuft wirst, während in Diktaturen allenfalls die Korruption bzw. die Misswirtschaft angeprangert werden kann, nie aber die Regierung selbst angetastet werden darf.

Man kann es einfach nicht vergleichen. Korruption und Misswirtschaft anprangern geht ja schon gegen Regierung und ist gefährlich, für dich und deine ganze Familie.

Hier machst du dich höchstens unbeliebt,
ev werden Telefone abgehört und der Umgang von Beamten (Fremdenpolizie) wird plötzlich ganz rüde, wenn du dich zufest engagierst, aber du musst nicht um dein Leben fürchten.

Ist doch ein Riesenunterschied...

lilit schrieb:Hier machst du dich höchstens unbeliebt,
ev werden Telefone abgehört und der Umgang von Beamten (Fremdenpolizie) wird plötzlich ganz rüde, wenn du dich zufest engagierst, aber du musst nicht um dein Leben fürchte

Das kommt aber auch darauf an. Wenn man hier eine zu starke und ernstzunehmende Gefahr für das System und Establishment darstellt, wird man womöglich auch aus dem Weg geräumt.

Nur hier geschieht es halt verdeckter.

Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß.
Wenn die Leute wissen, dass sie unterdrückt und eingesperrt sind, werden sie sich viel eher dagegen zur Wehr setzen, als wenn sie es nicht wissen und irrigerweise glauben, sie hätten die Wahl und wären frei.

Das ist ein listiger Trick!

@Fidaii

Der beste und effektivste Protest wäre so einfach und absolut gewaltfrei und erst noch gesund:

Konsumverweigerung aller unnützen und umweltschädigenden und miese Konzerne fördernden Produkte, angefangen bei Cocacola! :D

@lilit

Ja, da geb ich dir Recht.
Denn das alles kann sich nur halten, weil die Menschen es mitmachen und somit füttern.

@lilit

Dann kannst Du eigentlich gleich 80-90% aller hier erhaeltlichen Produkte verbieten.
Wieviele wuerden denn hier z.B. auf ein Handy verzichten, oder auf sein neueres Auto mit ausgefeilter Elektronik? Nicht viele und da ist ihnen z.B. der blutige Coltan-Abbau in Afrika wurscht egal!

krijgsdans schrieb:Ganz so nebenbei ist Libyen das reichste Land in ganz Afrika und steht im HDI auf gleicher Stufe wie einige europaeische Nationen. Sogar noch ueber! Russland, China, Brasilien und der Tuerkei, nur um einige zu nennen.

Genau deshalb greift auch keine UNO oder EU ein, diese heuchlerischen Kapitalisen mit Ihren Papierfetzen die Sie Verträge nennen....die mit Blut von untererhährten und ausgebeuteten Menschen getränkt sind. Wir sollten uns alle mal an die Nase fassen und unsere Politiker zu mehr transparenz auffordern, aber das macht niemand so lange er günstig Ressourcen bekommen kann.
Echt erbärmlich wie wir weltwweit die Natur und arme Menschen sterben lassen damit unseren Autos, Flugzeugen und Hubschraubern nicht der Sprit ausgeht.