Pesca schrieb:"Aus für Alexander Stevens beim BR: Der Podcast-Anwalt wird künftig nicht mehr als Experte im erfolgreichen True-Crime-Format des Senders auftreten. Eine richtige Entscheidung."
Diese Berufung des BR darauf, dass Stevens der "Experte im Studio" sei und die Belle journalistisch verantwortlich für den Inhalt ist doch eh ein Witz. Von einem Experten im Studio würde ich erwarten, dass er fundiert, neutral und sachlich Auskunft zu den juristischen Aspekten eines Falles gibt, sie also juristisch einordnet, die juristischen Besonderheiten des Einzelfalls erleutert, erklärt, warum welcher § zur Anwendung kommt und ein anderer eben nicht etc.
Tatsächlich lief das aber doch so, dass Stevens die von ihm betreuten Fälle vorgestellt hat, dargelegt hat, mit welchen juristischen Finessen er seine Mandanten, die ja immer eigentlich gar nichts dafür konnten, dass sie angeklagt waren, da rausgehauen hat. Da ging es zum einen darum, PR für seine Mandanten zu machen (ich erinnere mich mit Grausen an den Überraschungsgast, der sich dann als die Doppelmörderin Schemmer erwiesen hat und die in dem Podcast über drei Folgen lang salbadern durfte, dass sie ja ein Justizopfer ist) und zum anderen darum, das Stevens sich als kompetenten, gerissenen und engagierten Strafverteidiger darzustellen, der wie ein Löwe und gleichzietig ein Superhirn für seine Mandanten und gegen die Willkür der deutschen Justiz kämpft (auf deutsch: also Werbung für die eigene Kanzlei zu machen).
Ich finde es beschämend, dass so einem medieneitlen Menschen so eine Plattform geboten wird, die von Rundfunkgebühren aller Bürger finanziert wird.
Schneewi77chen schrieb:Falls das Magazin jemanden interessiert, hier die frei im Netz verfügbare pdf-Datei:
Danke für den Link zum Artikel, der ist wirklich sehr interessant! Und nicht nur der, sondern das ganze Heft.
Schneewi77chen schrieb:Interessant ist, wie True Crime - Journalisten den Kontakt zur Opferfamilie handhaben. Manche nehmen gar keinen Kontakt auf, um die Familie nicht zu retraumatisieren - schreiben aber dennoch ihren Artikel, welcher natürlich ebenso das Potential für eine solche Retraumatisierung birgt.
Wobei ich glaube, dass so ein Anruf aus heiterem Himmel die meiste Wucht hat. Da denkst Du an nichts Böses, kommst vielleicht gerade echt gut klar mit Deinem Leben und dann - BAM! - wirst Du direkt wieder zurück katapultiert in die schlimmste Zeit Deines Lebens. Und Du kannst nichts dagegen tun.
Ich denke vor allem, dass es ein großer Unterschied ist, ob über einen Cold Case berichtet werden soll oder um einen geklärten und juristisch abgeschlossenen Fall.
In Cold Case-Fällen haben die Angehörigen oft ja selbst ein großes Interesse daran, dass über den Fall berichtet wird, weil sie oft immer noch auf den einen Zeugenhinweis hoffen, mit dem der Fall dann doch noch gelöst werden kann. Ich denke allerdings, dass gerade da auch viel Schindluder getrieben wird, weil die Gefahr besteht, dass den Angehörogen Hoffnung gemacht wird, die aber in vielen Fällen nicht gerechtfertigt ist.
In juristisch abschlossenen Fällen denke ich, dass so eine Berichterstattung in den allermeisten Fällen sicher wieder Wunden aufreißt, von denen Angehörige froh waren, dass sie langsam anfangen konnten zu verheilen. Für viele Podcaster, Journalisten etc. ist das ganze aber einfach nur eine Story, die sie erzählen wollen, um ihr Programm oder ihre Seiten zu füllen.
In dem Magazin des weißen Ringes steht das schon im Vorwort:
Eine Sensibilisierung und Selbstreflexion der Medien. Vor jeder Veröffentlichung sollten sich
Journalistinnen und Journalisten fragen: Besteht wirklich ein öffentliches Interesse an diesem
Beitrag – und was tue ich damit möglicherweise den Betroffenen an
Quelle:
https://www.allmystery.de/dateien/2adnsaixihg0_werforumopferhilfe01022023demagazin23050.pdf(Seite 3)
Und wenn sie ehrlich wären, müssten viele Medienschaffende sich wohl eingestehen, dass eben kein öffentliches Interesse - zumindest keines, was über bloße Unterhaltung hinaus geht - an vielen geklärten Fällen besteht. Problematisch ist eben auch, dass viele Podcasts und Youtube-Kanäle eben nicht von ausgebildeten Journalisten betrieben werden, die sich gar nicht bewusst sind, dass es so etwas wie ethische Grundsätze und Selbstverpflichtungen im Journalismus gibt. Wobei man eben sagen muss, dass viele Journalisten das auch vergessen zu haben scheinen. Wie sonst kann man sich solche Auswüchse wie die Beläsigung von Frau Baumer durch Frau Belle bis zum Weinen, diesen geschmacklosen Auftritt des Zeit Verbrechen-Podcasts unter dem Motto "Musik & Verbrechen" (ein Talk in launiger Grundstimmung über eine mordendes Ehepaar mit musikalischer Untermalung durch ein Symphonieorchester!) oder sowas wie eine Stadtführung via App zu "7 spannenden Tatorten und einer Bonus-Station in Fulda" des Mörderische Heimat-Podcast erklären?!