Literatur
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Gedichte aus aller Welt

799 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Literatur, Gedichte, Lyrik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte aus aller Welt

27.08.2021 um 10:06
JOHN HÖXTER

Café Wolkenkuckucksheim

Dies rauchige Café ist unser Reich,
Vor Gott und dem Kellner sind alle gleich.
Anfänger und Prominente
Zahlen ihm zehn Prozente.
Der allerwürdigste Barde
Gleich dem grünsten der jungen Garde
Hält treu zu unserem, Union Jack‘:
Kaffeeschwarz, Herzrot und Gold-Tabak,
Zwar trifft man auch manchmal leider
Gevatter Schuster und Schneider.
Sie kriechen hervor aus ihrem Kolk
Und mischen sich unter das Künstlervolk.
Die Allgemeinschaft der Bohème
Scheint ihnen puncto Liebe bequem.
Doch Mimi Pinson hat Rasse,
Sie fordert Geist oder Kasse:
Und so kühn sie manch Loch in die Kasse reißt,
Nie sündigt sie gegen den heil’gen Geist,
Stets kehrt sie vom Haus am Scharmützelsee
Ins Chambre garnie heim, ins Atelier,
In das Bild, in den Traum und in den Reim
Der Gäste vom Wolkenkuckucksheim!


Aus Wikipedia: John Höxter (geboren 2. Januar 1884 in Hannover; gestorben 15. November 1938 in Potsdam) war ein Maler und Schriftsteller des Expressionismus und Dadaismus.

Ich ergänze: Er war auch Bohemien, Sonderling, "Schnorrer", Stammgast im Romanischen Café und im Café des Westens. Mit seinem schillernden Auftreten überspielte er wohl seine Einsamkeit und Verzweiflung. Und als die Nazis an die Macht kamen musste er um sein Leben bangen, denn er war Jude. Er kam den Nazis zuvor, indem er sich selbst das Leben nahm.

Er bewegte die Gemüter mancher seiner Zeitgenossen, so dass er in vielen Büchern auftaucht, in Biografien, Autobiografien und mancherlei Büchern/Erzählungen über das Berlin jener Zeit.

Es wurden auch Gedichte über ihn geschrieben, eines davon ist von Friedrich Hollaender:

Ich pendle langsam zwischen allen Tischen.
Ab zwanzig Uhr beherrsch ich dieses Reich.
Ich will mir einen edlen Gönner fischen.
Vor mir sind Rassen und Parteien gleich.
Irrenärzte, Komödianten,
Junge Boxer, alte Tanten,
Jeder kommt mal an die Reihe
Jeder kriegt von mir die Weihe:
Könnse mir fünfzig Pfennige borgen?
Nur bis morgen?
Ehrenwort!

Anzeige
melden

Gedichte aus aller Welt

27.08.2021 um 10:17
JOHN HÖXTER


PRO DOMO

Wenn ich wollte, was ich könnte,
Könnt’ ich eher, was ich wollte;
Doch wie will ich wollen können,
Und wie kann ich können wollen
Ohne Muß zum Können wollen,
Da man wollen kann, wer muß!
Müßt’ ich wirklich, was ich müssen wollte,
Könnt’ ich sicher, was ich können muß.
Seht! Ein Mann, der manches können könnte,
Wenn der gute Mann nur wollen wollte.
Er verstummt und macht vorzeitig Schluß,
Weil (nach Nathan) kein Mensch müssen muß!


BERLINER WINTER

Erbssuppenhimmel, der zu Boden fließt –
Die Erde patscht.
Spreenebel und Schlotauswurf drücken
Der nackten, nassen Teerpappbauten Rücken.
Wie Scheuerlappen hingeklatscht
Schneeflächen, rußgefleckte, her und hin;
Des Großstadtwinters Bettelhermelin.
An fensterlosen, steilen Häusermauern,
Auf Schuppen, die umzäunt im Kehricht kauern,
Frieren erlosch’ne Farben der Reklamen,
Die einst Glutrosen, strahlende Cyklamen,
Goldgelbe Primeln, lilasüßer Flieder,
Einklangen in der Sonne Sommerlieder
Und die mich jetzt durch grelles Lärmen stören,
Misstönend zu den grauen Dämmerchören,
Drin, hinter blätterlosem Baumgerippe
Flussbögen blinken und des Todes Hippe.


melden

Gedichte aus aller Welt

29.08.2021 um 22:30
FRANZ KAFKA

Kühl und hart

Kühl und hart ist der heutige Tag.
Die Wolken erstarren.
Die Winde sind zerrende Taue.
Die Menschen erstarren.
Die Schritte klingen metallen
Auf erzenen Steinen,
Und die Augen schauen
Weite weiße Seen.

In dem alten Städtchen stehn
Kleine helle Weihnachtshäuschen,
Ihre bunte Scheiben sehn
Auf das schneeverwehte Plätzchen.
Auf dem Mondlichtplatze geht
Still ein Mann im Schnee fürbaß,
Seinen großen Schatten weht
Der Wind die Häuschen hinauf.

Menschen, die über dunkle Brücken gehn,
vorüber an Heiligen
mit matten Lichtlein.

Wolken, die über grauen Himmel ziehn
vorüber an Kirchen
mit verdämmernden Türmen.
Einer, der an der Quaderbrüstung lehnt
und in das Abendwasser schaut,
die Hände auf alten Steinen.


(Aus einem Brief Kafkas vom 9. November 1903, in dem er als Zwanzigjähriger seinem Schulfreund
Oskar Pollak von "einigen Versen" schreibt, die er "in guten Stunden lesen" möge).


melden

Gedichte aus aller Welt

03.09.2021 um 07:14
Joachim Ringelnatz

Morgenwonne

Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich »Euer Gnaden«.

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.


melden

Gedichte aus aller Welt

03.09.2021 um 22:11
RICHARD DEHMEL (1863 - 1920)

Manche Nacht

Wenn die Felder sich verdunkeln,
fühl' ich, wird mein Auge heller,
schon versucht ein Stern zu funkeln
und die Grillen klingen schneller,

jeder Laut wird bilderreicher,
das Gewohnte sonderbarer,
hinterm Wald der Himmel bleicher,
jeder Wipfel hebt sich klarer,

und du merkst es nicht im Schreiten,
wie das Licht verhundertfältigt
sich entringt den Dunkelheiten,
plötzlich stehst du überwältigt.


melden

Gedichte aus aller Welt

04.09.2021 um 21:55
Johann Wolfgang von Goethe

Nur wer die Sehnsucht kennt...

Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
Nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.

Es schwindelt mir, es brennt.
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!


melden

Gedichte aus aller Welt

05.09.2021 um 10:33
Der Punkt nach der ersten Zeile des letzten Verses gehört da nicht hin!

Sondern:

Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.


Der stört mich sehr, denn er verzerrt den ganzen Sinn der Aussage!

Löschen lassen kann ich es leider nicht #ausGründen.... aus unerfindlichen! ^^


melden

Gedichte aus aller Welt

07.09.2021 um 09:04
JOACHIM RINGELNATZ

Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.

Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!


melden

Gedichte aus aller Welt

10.09.2021 um 00:09
RAINER MARIA RILKE

Zum Einschlafen zu sagen

Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüßte: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf dich gelegt;
und sie halten dich sanft und lassen dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.


melden

Gedichte aus aller Welt

11.09.2021 um 16:00
FRANCOIS VILLON

(Uebertragung: Carl Zuckmayer)


Der braune Cognacsee

Ich bin im braunen Cognacsee ertrunken
Sechs Monde schwimmt mein Leichnam wie ein Fisch
Mit weißem Bauch, noch unverwest und frisch
Ein Freund der bitt'ren Angostura-Unken
Mit weißem Bauch, noch unverwest und frisch
Ein Freund der bitt'ren Angostura-Unken

Ich ward geblendet, bin ins Grab gesunken
Im Wurzelreich ein trunk'ner Frühlingsgast
Mein Hügel grünt im Schatten der Spelunken
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast
Mein Hügel grünt im Schatten der Spelunken
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast

Du roter Strom Burgunder, aus allen Poren
Sprießt mir der wilde Rebstock ohne Rast
Das Senfkorn keimt versteckt in meinen Ohren
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast
Das Senfkorn keimt versteckt in meinen Ohren
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast

Der Augen Blau ist längst zu Anemonen
Der Haare Schwarz zu Büffelgras verblasst
Der Maulwurf mag in meinem Magen wohnen
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast
Der Maulwurf mag in meinem Magen wohnen
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast

Tief aus der Erde schallt betrunk'nes lallen
Der Würmer, die von meinem Leib geprasst
All' meine Knochen sind zu Staub zerfallen
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast
All' meine Knochen sind zu Staub zerfallen
Aus meinem Herzen sprießt der Seidelbast


melden

Gedichte aus aller Welt

14.09.2021 um 20:17
Ein Gedicht der US-Dichterin Mary Ruefle
Glücklich

Als meine Mutter gestorben war,
hörte ich sie auf dem Dachboden
mit Puppen spielen.
ich konnte durch Dinge hindurchsehen, wie durch Luft
oder Abschaum.
Es war wunderbar -
ich durfte die Erde putzen
auf allen Vieren, ich durfte sie wachsen!
Als sie glänzte, ging ich eislaufen
mitten in der Nacht.
Ich war glücklich dort draußen
beim Eislaufen unterm Mond,
und niemand war dabei.
Ich war so glücklich, ich fing an,
dem Mond Kleider zu nähen.
Winzige Dinge erst,
wie Taufkleidchen für Raupen.
Und meine Mutter kaufte sie!
Sie war so glücklich, mich so glücklich zu sehen,
es machte kaum etwas aus, daß wir
auf Erden nie viel geredet hatten.
Ich habe immer zu den mürrischen stillen
Typen gehört, die nicht wissen, wie sie vorankommen.
Und jetzt bin ich glücklich. Ich bin so glücklich,
das nächste Mal, wenn ich Papa sehe
im schwarzen Cape auf dem Baum,
wo er Botschaften abwirft,
lasse ich einen Drachen steigen
mit seinem Gesicht.
Quelle: Perlentaucher


melden

Gedichte aus aller Welt

16.09.2021 um 11:22
@Narrenschiffer

Von Mary Ruefle habe ich bis anhin noch nie etwas mitbekommen. Vielen Dank dass Du sie uns vorgestellt hast. Das Gedicht ist voller Geheimnisse, eines von jener Art Gedichte, die ich mehrere Male lesen muss um den Zugang zu finden. Und mit etwas Glück öffnen sie sich mit jedem Mal etwas mehr. Also eine ganz spannende Sache.

Jetzt habe ich noch eine Frage an Dich in der Hoffnung, dass Du sie mir vielleicht beantworten kannst.

Schon öfters habe ich bemerkt, dass Gedichte gepostet wurden, deren Urheber noch keine 70 Jahre lang tot sind. Ich selber habe es bisher nur ganz wenige Male gewagt ein solches Gedicht zu posten.

Mir brennen so viele solcher "copyrightgeschützten" Gedichte auf der Zunge. Was meinst Du, könnte ich auch etwas mutiger sein, wenn ich die Quellenangabe dazu schreibe?

:merle:


1x zitiertmelden

Gedichte aus aller Welt

16.09.2021 um 11:53
Die Mitternachtsmaus

Wenns mitternächtigt und nicht Mond
noch Stern das Himmelshaus bewohnt,
läuft zwölfmal durch das Himmelshaus
die Mitternachtsmaus.

Sie pfeift auf ihrem kleinen Maul, -
lm Traume brüllt der Höllengaul ...
Doch ruhig läuft ihr Pensum aus
die Mitternachtsmaus.

Ihr Herr, der große weiße Geist,
ist nämlich solche Nacht verreist.
Wohl ihm! Es hütet ihm sein Haus
die Mitternachtsmaus.





Das Mondschaf

Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
Das Mondschaf.


Das Mondschaf rupft sich einen Halm
und geht dann heim auf seine Alm.
Das Mondschaf.


Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
»Ich bin des Weltalls dunkler Raum.«
Das Mondschaf.


Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn ist rot.
Das Mondschaf.

Christian Morgenstern
(aus "Galgenlieder")


melden

Gedichte aus aller Welt

16.09.2021 um 17:30
Zitat von Marianne48Marianne48 schrieb:Schon öfters habe ich bemerkt, dass Gedichte gepostet wurden, deren Urheber noch keine 70 Jahre lang tot sind. Ich selber habe es bisher nur ganz wenige Male gewagt ein solches Gedicht zu posten.

Mir brennen so viele solcher "copyrightgeschützten" Gedichte auf der Zunge. Was meinst Du, könnte ich auch etwas mutiger sein, wenn ich die Quellenangabe dazu schreibe?
Ich habe es mir nur getraut, weil es auch im Perlentaucher veröffentlicht war. Ansonsten meide ich es. Wegen eines Bildes (das eh CC ist) aus der Wikimedia hat mich hier sogar mal ein Fotograf angepflaumt (er hat sich extra hier angemeldet), weil ich vergessen habe, seinen Namen zu erwähnen. Lässt sich in meinem Gästebuch nachlesen. Daher meide ich es eher auch.


1x zitiertmelden

Gedichte aus aller Welt

16.09.2021 um 21:38
Ah okay...vielen Dank für Deine Infos.
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Daher meide ich es eher auch.
Dann lass ich das besser auch. Das müsste ich wirklich nicht haben, dass gar ein wortgewaltiger Dichter sich im Forum anmeldet und mich zusammenstaucht. :D


melden

Gedichte aus aller Welt

16.09.2021 um 21:44
@emanon

Die Galgenlieder vom Morgenstern mag ich auch sehr. Es sind herrliche humoristische Kleinode.


melden

Gedichte aus aller Welt

17.09.2021 um 09:11
RAINER BRAMBACH (* 22. Januar 1917 in Basel als Reinhard Brambach; † 14. August 1983 ebenda) ist einer jener Gedichte-Dichter (so wird er im Klappentext von einem seiner Gedicht-Bändchen genannt) von dem ich gerne das eine und andere Gedicht hier reinstellen würde. Leider kann ich das nicht machen, wegen dem Copyright.

Eines seiner Gedichte trägt den Titel MOND. Eine Zeile darin lautet: und nachts den Mond wie Klopstock ihn sah.... Vermutlich ein Hinweis auf folgendes Gedicht von Klopstock:


FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK (1724 - 1803)

Die frühen Gräber

Willkommen, o silberner Mond,
Schöner, stiller Gefährt der Nacht!
Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.

Des Mayes Erwachen ist nur
Schöner noch wie die Sommernacht,
Wenn ihm Thau, hell wie Licht, aus der Locke träuft,
Und zu dem Hügel herauf röthlich er kömt.

Ihr Edleren, ach es bewächst
Eure Maale schon ernstes Moos!
O wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sähe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht.


melden

Gedichte aus aller Welt

17.09.2021 um 14:17
Eine weitere Zeile in Brambachs MOND Gedicht lautet: und nachts den Mond wie Goethe ihn sah....


JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749 - 1842)

An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud' und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd' ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.


melden

Gedichte aus aller Welt

17.09.2021 um 14:26
Die nächste Zeile lautet: und nachts den Mond wie Claudius ihn sah...


MATTHIAS CLAUDIUS (1740 - 1815)

Der Mond ist aufgegangen

Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so holt
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß dein Heil uns schauen,
auf nichts Vergänglichs bauen,
nicht Eitelkeit uns freun;
laß uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.

Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod;
und wenn du uns genommen,
laß uns in Himmel kommen,
du unser Herr und unser Gott.

So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und laß uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbar auch.


melden

Gedichte aus aller Welt

17.09.2021 um 14:39
Die 4. und letzte Zeile des Verses lautet: und nachts den Mond wie Hebel ihn sah, betrachten.

Aus Wikipedia:
Johann Peter Hebel (* 10. Mai 1760 in Basel; † 22. September 1826 in Schwetzingen) war ein deutscher Schriftsteller, evangelischer Geistlicher und Lehrer.

Aus dem Alemannischen Wikipedia:
Der Johann Peter Hebel isch en ditsche Dichter, evangelische Theolog, Prälat un Pädagog gsi. Uf d Wält cho isch er am 10. Mai 1760 z Baasel, gstorbe am 22. Septämber 1826 z Schwetzige. Är giltet as der wichtigscht vo de früene alemannische Dialäktdichter und er het e Würkig gha uf vil anderi Mundartschriftsteller. Bekannt wore isch er vor allem dur sini „Allemannische Gedichte“ un dur d Kaländergschichte, wu im Volkskaländer „Der Rheinische Hausfreund“ erschine sin.


JOHANN PETER HEBEL

Der Mann im Mond

"Lueg, Müetterli, was isch im Mo?"
He, siehschs denn nit, e Ma!
"Jo wegerli, i sieh ne scho.
Er het e Tschöpli a.

Was tribt er denn die ganzi Nacht,
er rüehret jo kei Glied?"
He, siehsch nit, aß er Welle macht?
"Jo, ebe dreiht er d´Wied."

Wär i, wie er, i blieb dehei,
und machti d´Welle do."
He, isch er denn us üser Gmei?
Mer hen scho selber so.

Und meinsch, er chönn so, wiener well?
Es wird em, was em ghört.
Er gieng wohl gern – der sufer Gsell
mueß schellerwerche dört.

"Was het er bosget, Müetterli?
Wer het en bannt dörthi?"
Me het em gseit der Dieterli,
e Nütnutz isch er gsi.

Ufs Bete het er nit viel gha
ufs Schaffen o nit viel,
und öbbis mueß me triebe ha,
sust het ma langi Wil.

Drum, het en öbbe nit der Vogt
zuer Strof ins Hüsli gspert,
sen isch er ebe z´Chander ghockt,
und het d´Butelli gleert.

"Je, Mütterli, wer het em´s Geld
zue some Lebe ge?"
Du Närsch, er het im Hus und Feld
scho selber wüsse z´neh.

Ne mol, es isch e Sunntig gsi,
se stoht er uf vor Tag,
und nimmt e Beil, und tummlet si,
und lauft in Lieler Schlag.

Er haut die schönste Büechli um,
macht Bohnestecke drus,
und treit sie furt, und luegt nit um,
und isch scho fast am Hus.

Und ebe goht er uffem Steg,
se ruuscht em öbbis für:
Jez, Dieter, goht´s en andre Weg!
Jez, Dieter, chumm mit mir!‘

Und uf und furt, und sieder isch
kei Dieter wit und breit.
Dört obe stoht er im Gibüsch
und in der Einsemkeit.

Jez haut er jungi Büechli um;
jez chuuchet er in d´Händ;
jez dreiht er d´Wied, und leit sie drum,
und ´s Sufe het en End.

So goht´s dem arme Dieterli;
er isch e gstrofte Ma!
"O bhüetis Gott, lieb Müetterli,
i möchte´s nit mittem ha!"

Se hüet di vorem böse Ding,
´s bringt numme Weh und Ach!
Wenn´s Sunntig isch, se bet und sing.
Am Werchtig schaff di Sach.


Anzeige

melden