Habt ihr ein erfülltes Leben?

martenot schrieb:also auf die Tatsache, dass einem dann das Thema "werde ich später einen Job finden?" nicht mehr wichtig zu sein braucht.

Genau, es ist "Kür", aber keine Pflicht mehr, da man ja beruflich nicht (mehr) darauf angewiesen ist, möglichst schnell das Studium durchzuziehen und schnell einen Job zu finden.

nairobi schrieb:möglichst schnell das Studium durchzuziehen und schnell einen Job zu finden.

Genau, darauf wollte ich hinaus.

Meine eigentlichen Studienwünsche wären unter anderem die Fachbereiche Kultur (z. B. Musik oder Kulturwissenschaften, Kulturmanagement), Sprachen und Geografie gewesen, aber davor hatte man mir immer händeringend abgeraten. Stattdessen hatte ich mich für ein technisches Studium überreden lassen, was nie wirklich zu mir gepasst hat.

Wenigstens im Alter will ich mich da nicht mehr verbiegen lassen und mich noch ein paar Jahre lang mit Themen beschäftigen, die mich wirklich interessieren und begeistern.

Kies-Richard schrieb am 25.08.2023:Wenn ich gefragt werde was ich mache muss ich natürlich immer lügen, irgendwas erfinden und ich darf natürlich nie erwähnen dass ich psychische Probleme habe, sonst denkt jeder ich wäre bekloppt

Weiß dein näheres Umfeld also nichts davon, oder meinst du den Rest der Gesellschaft?
Ich glaube nicht, dass es so ein großes Tabu ist, im heutigen Zeitalter. Würdest du nicht mal zu dir selbst stehen wollen?

Kies-Richard schrieb am 25.08.2023:Hilfe für Menschen mit psychischen Problemen ist leider nicht sehr gut in Deutschland, man bleibt krasser Außenseiter

Wo ist es denn besser?

Kies-Richard schrieb:Psychotherapie ist häufig wenig praxisorientiert und eher theoretisch (so ein bisschen wie in der Schule und mit Hausaufgaben), das mag ich nicht so. Außerdem ist Psychotherapie unglaublich soft und (wie so vieles) eher auf die Bedürftnisse von Frauen ausgelegt

Was ist denn noch alles auf die Bedürfnisse von Frauen ausgelegt? Machst du Sport?

gruselich schrieb:Wo ist es denn besser?

USA, die sind uns in diesem Bereich immer mindestens 10 Jahre voraus. Eine Zwangsstörung (OCD) ist dort deutlich bekannter. Bei uns in Deutschland kennt das fast niemand, selbst viele Psychologen verstehen es immer noch nicht.

gruselich schrieb:Was ist denn noch alles auf die Bedürfnisse von Frauen ausgelegt? Machst du Sport?

Schule, Studium, Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem usw.

Kies-Richard schrieb:USA

Ist es dort nicht unglaublich teuer, die medizinische Versorgung in den Staaten? Dachte immer, dass dort vieles aus eigener Tasche bezahlt werden muss.

Kies-Richard schrieb:Schule, Studium, Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem usw.

Aha, das klingt für mich dermaßen rätselhaft, da hätte ich 1000 fragen dazu. Kommst du dir als Mann unterdrückt vor?

Kies-Richard schrieb:Eine Zwangsstörung (OCD) ist dort deutlich bekannter. Bei uns in Deutschland kennt das fast niemand, selbst viele Psychologen verstehen es immer noch nicht.

Das kann ich mir nicht vorstellen. Dass das viele Psychologen nicht verstehen. Das ist doch deren Job.

nairobi schrieb:Das kann ich mir nicht vorstellen. Dass das viele Psychologen nicht verstehen. Das ist doch deren Job

Das ist auch in D bekannt. Zwänge sind durchaus behandelbar durch Verhaltenstherapie. Nur muss eben auch die Bereitschaft des Patienten zur Therapie vorhanden sein.

nairobi schrieb:Das kann ich mir nicht vorstellen. Dass das viele Psychologen nicht verstehen. Das ist doch deren Job.

Es gibt bestimmte Aspekte dieser Krankheit die noch nicht verstanden werden. Zum Beispiel Pure-O, sprich wenn man wie ich hauptsächlich Gedankenzwänge hat. Nicht selten wird das mit Psychosen verwechselt und man bekommt Neuroleptika (die man nicht braucht) und die sind in der Regel die absolute Hölle, beim letzten Medikament habe ich 1 Jahr gebraucht um es abzusetzen. Diese Erfahrung habe ich gemacht. Von meinen Antidepressiva kommen ich auch nicht mehr runter.

@Kies-Richard
Also wenn Du den Eindruck hast, dass Dir kein Therapeut bei Gedankenzwängen helfen kann, dann würde ich schauen, dass Du Dir selbst hilfst durch Aneignung von entsprechendem Wissen dazu. Selbsttherapie, Coaching, buddhistische Methoden der Meditation, Stoizismus.

Gedankenzwänge sind mit einer Sucht vergleichbar. Füttere die Gedankenkarusselle nicht weiter, sondern stoppe sie. Der eigene Wille vermag viel.

Kies-Richard schrieb:Zum Beispiel Pure-O, sprich wenn man wie ich hauptsächlich Gedankenzwänge hat.

Zwangsgedanken sind in der Psychologie aber schon sehr lange bekannt. Es gibt Therapeut:innen mit Spezialisierungen auf bestimmte Fachgebiete. Die müsste man u.U. für sich suchen und dafür ggfs. auch einen weiteren Weg in Kauf nehmen. So, wie das bei körperlichen Erkrankungen auch der Fall ist.
Durch Corona lief auf dem Gebiet auch einiges online, was es u.U. leichter macht.

Laura_Maelle schrieb:Gedankenzwänge sind mit einer Sucht vergleichbar. Füttere die Gedankenkarusselle nicht weiter, sondern stoppe sie. Der eigene Wille vermag viel.

Die Stärke deines Willens glaube ich dir auf's Wort. Aber bist du auch eins mit deinem Körper? Anhand dessen, was du schreibst, spielt dein Körper ja so gut wie gar nicht mit.
Ich bin aber auch jemand, der der psychologischen Hilfe von fremden Menschen sehr, sehr skeptisch gegenübersteht.

Ich finde es ein bisschen anmaßend wie hier über meine Krankheit und meine mittlerweile jahrzehntelange Erfahrung gesprochen und geurteilt wird. Das Problem bei der Zwangsstörung ist dass sie sehr schnell (ab)kategorisiert wird und dabei wird meist die Vielfältigkeit der Erkrankung vergessen. Zwänge werden immer noch mit Waschzwängen und Ordnungszwängen oder blasphemischen Gedanken in Verbindung gebracht.

Das führt dazu dass Zwangserkrankte die z.B. über Monate hinweg glauben Homosexuell zu sein (das ist ein typischer Zwang) von Ärzten eine Psychose angedichtet bekommen und dann gibt es Neuroleptika und dadurch kann es sein dass ein unnötiger Aufenthalt in der Psychatrie notwendig wird.

Desweiteren wird die Krankheit auch von der Wissenschaft noch nicht zu 100% verstanden, Therapiemethoden führen nicht immer zum Erfolg und Medikamente, die eventuell helfen, haben starke Nebenwirkungen. Und wenn der Patient dann diese absetzt, erlebt er einen Rückfall.

Gute Kliniken gibt es, wenn man Glück hat und evtl. zusatzversichert ist kommt man mit langer Wartezeit in eine, aber die wenigen richtig guten Kliniken für Zwangserkrankungen in Deutschland richten sich an Privatpatienten.

Zwangserkrankungen sind nach wie vor ein Tabu in der Gesellschaft. Viele Zwangserkrankte brauchen Jahre um zu merken dass sie eine Zwangsstörung haben und nicht einfach verrückt sind. Die Zwangshandlungen werden heimlich ausgeübt, wenn überhaupt dann weiß nur das engste Umfeld über die Erkrankung bescheid. Und da es schwer möglich ist komplexe Zwänge für Laien zu erklären (ohne dass der Laie denkt, die Person ist komplett durchgeknallt), wird darüber halt nicht gesprochen.

Kies-Richard schrieb:aber die wenigen richtig guten Kliniken für Zwangserkrankungen in Deutschland richten sich an Privatpatienten.

Das stimmt einfach nicht.

Kies-Richard schrieb:dass Zwangserkrankte die z.B. über Monate hinweg glauben Homosexuell zu sein (das ist ein typischer Zwang

Dafür hätte ich gerne einen Beleg bitte, dass der Glaube homosexuell zu sein ein "typischer Zwang" ist.

In der Regel geht man auch nicht zum Arzt, wenn man glaubt homosexuell zu sein.

Kies-Richard schrieb:Zwangserkrankungen sind nach wie vor ein Tabu in der Gesellschaft.

Mag in deinem Umfeld so sein, ist aber nicht zu verallgemeinern.
Könnte unter anderem auch am Alter und am Wohnumfeld liegen. Im urbanen Umfeld ist das möglicherweise anders als auf dem Dorf.

@fischersfritzi
Hast du eine Zwangserkrankung? Kennst du dich aus?

fischersfritzi schrieb:Dafür hätte ich gerne einen Beleg bitte, dass der Glaube homosexuell zu sein ein "typischer Zwang" ist.

Der Glaube oder die Furcht Heterosexueller Homosexuell zu sein oder andersrum ist ein klassischer Zwang.

fischersfritzi schrieb:Das stimmt einfach nicht.

Würde gerne wissen was dein Kenntnisstand über Kliniken diesbezüglich ist.

Kies-Richard schrieb:Hast du eine Zwangserkrankung

Nein

Kies-Richard schrieb:Kennst du dich aus?

Ja

Kies-Richard schrieb:Der Glaube oder die Furcht Heterosexueller Homosexuell zu sein oder andersrum ist ein klassischer Zwang.

Beleg?

Kies-Richard schrieb:Würde gerne wissen was dein Kenntnisstand über Kliniken diesbezüglich ist.

Ich kann dir gerne welche raussuchen, die einen guten Ruf haben.

fischersfritzi schrieb:Ich kann dir gerne welche raussuchen, die einen guten Ruf haben.

Gerne

Kies-Richard schrieb:USA, die sind uns in diesem Bereich immer mindestens 10 Jahre voraus. Eine Zwangsstörung (OCD) ist dort deutlich bekannter. Bei uns in Deutschland kennt das fast niemand, selbst viele Psychologen verstehen es immer noch nicht.

Zwangsstörungen sind in Deutschland sehr wohl bekannt, du findest sie unter anderem in der ICD https://www.icd-code.de/icd/code/F42.-.html
Dass nicht alle Aspekte jeglicher Krankheit komplett verstanden sind ist richtig, aber das ist dann weltweit so. Medizinische Fortschritte werden auch über Ländergrenzen hinweg bekannt gemacht.

Kies-Richard schrieb:Viele Zwangserkrankte brauchen Jahre um zu merken dass sie eine Zwangsstörung haben und nicht einfach verrückt sind

Und warum? Wahrscheinlich, weil sie so lange zögern, ihr Problem mit den entsprechenden Ärzten zu besprechen.

Kies-Richard schrieb:Das führt dazu dass Zwangserkrankte die z.B. über Monate hinweg glauben Homosexuell zu sein (das ist ein typischer Zwang) von Ärzten eine Psychose angedichtet bekommen und dann gibt es Neuroleptika und dadurch kann es sein dass ein unnötiger Aufenthalt in der Psychatrie notwendig wird.

So pauschal ist das wohl Bullshit. Natürlich machen auch Ärzte Fehler, das ist unstrittig.

Kies-Richard schrieb:Desweiteren wird die Krankheit auch von der Wissenschaft noch nicht zu 100% verstanden, Therapiemethoden führen nicht immer zum Erfolg und Medikamente, die eventuell helfen, haben starke Nebenwirkungen.

Willkommen im wahren Leben. Was wirkt, hat in der Regel auch Nebenwirkungen.

Kies-Richard schrieb:Die Zwangshandlungen werden heimlich ausgeübt, wenn überhaupt dann weiß nur das engste Umfeld über die Erkrankung bescheid. Und da es schwer möglich ist komplexe Zwänge für Laien zu erklären (ohne dass der Laie denkt, die Person ist komplett durchgeknallt), wird darüber halt nicht gesprochen.

Deshalb plädiere ich ja auch dafür sich zeitnah in die Behandlung entsprechend geschulter Psychologen etc. zu geben und nicht zu versuchen, den Strauß alleine auszufechten.
Solche Erkrankungen verlaufen auch schon mal progredient daher ist es besser früh zu intervenieren und zu therapieren. Man kann durch Verzögern und insuffizienter Selbsttherapie da auch etwas verschlimmern.
Wie das Rennen auch ausgeht, ich wünsche dir alles Gute.

Kies-Richard schrieb:und meine mittlerweile jahrzehntelange Erfahrung gesprochen und geurteilt wird. Das Problem bei der Zwangsstörung ist dass sie sehr schnell (ab)kategorisiert wird und dabei wird meist die Vielfältigkeit der Erkrankung vergessen.

Es liegt mir fern, darüber zu urteilen.
Ich möchte da nicht so sehr ins Detail gehen, aber jemand aus meinem damaligen nahen Umfeld hatte das, was Du hier andeutest/beschreibst. Meine Schwester hat Psychologie studiert und war noch im Studium, aber bereits in der Lage, zu erkennen, um was es sich handelt. Das liegt auch schon fast 30 Jahre zurück.
Dass Zwangsstörungen kaum bekannt sind

Kies-Richard schrieb:Bei uns in Deutschland kennt das fast niemand, selbst viele Psychologen verstehen es immer noch nicht.

halte ich daher für nicht richtig. Vielleicht hast Du das ungünstig ausgedrückt.


Dass Betroffene sich schämen und das nicht unbedingt öffentlich machen glaube ich sofort.

Kies-Richard schrieb:Die Zwangshandlungen werden heimlich ausgeübt, wenn überhaupt dann weiß nur das engste Umfeld über die Erkrankung bescheid.

Das betrifft aber nicht ausschließlich diese Art der Erkrankung. Viele Menschen wollen es vermeiden, dass eine Erkrankung oder Störung anderen Personen bekannt wird, weil sie das mit einer Schwäche assoziieren.

Wie das, was Du hast im einzelnen behandelt wird, kann ich nicht sagen. Die von mir erwähnte Person bekam ein Medikament, ich glaube etwas mit Sertralin. Es hieß, vereinfacht gesagt, dass ein Stoff im Gehirn fehle. Die Person sollte auch in Gesprächstherapie, hat sich darum aber nicht richtig gekümmert und kam auch mit dem ersten Psychologen, den sie aufsuchte, nicht zurecht, was ich auf Grund ihres Berichtes nachvollziehen konnte - manche Psycholog:innen müssten selbst therapiert werden...

Ich denke halt, reines Tablettenschlucken bis ans Lebensende kann nicht die Lösung sein.
Zumal Du

Kies-Richard schrieb am 25.08.2023:starke Nebenwirkungen

erwähnst.
Mir bleibt daher nur, Dir zu wünschen, dass Du noch den richtigen Therapeuten findest und mehr Hilfe als jetzt bekommst.

Kies-Richard schrieb:Gerne

Ok. Ich habe eine zeitlang mit psychisch kranken Menschen gearbeitet und Infos aus der Zeit. Bin aber im Moment unterwegs und erst ab Montag wieder zu Hause. Ich suche dann gerne Kliniken raus.

Aus dem Kopf fallen mir im Moment nur die Heiligenfeld Kliniken ein.
Das ist ein Klinik Betreiber mit mehreren Kliniken, die meisten in Bad Kissingen. Die haben sowohl Privstklinkiken, als auch für Kassenpatienten und Reha Klinken bei denen die Rentenversicherung die Kosten trägt. Nicht alle Häuser behandln Zwangsstörungen, aber es ist auf jeden Fall eine Klinik dabei, die auch für Kassenpatient:innen ist.
Die Kliniken sind ziemlich beliebt, die Wartelisten sind lang. Es werden verschiedene Therapieformen angeboten, aber auch Meditationen etc. Ist sicher nicht jedermanns Sache, aber ich habe nur positives über die Kliniken gehört.
Wenn du deine Medis ausschleichen willst, wäre das auch eine gute Adresse, die sollen dafür sehr offen sein. Das ist nicht überall der Fall.

Behandlungsansätze

Erster Bestandteil der Behandlung ist die Behandlungsmotivation und Erklärung der Hintergründe der Zwangssymptomatik. Typischerweise wird im Verlauf der Behandlung eine Verringerung der störenden Symptome angestrebt. Dazu werden neben der Gruppen- und Einzeltherapien auch gezielte verhaltenstherapeutische Einzelgespräche angeboten und geübt (Expositionsbehandlung). Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Anwendung der kreativtherapeutischen Behandlungselemente wie z. B. Kunsttherapie, Rythmustherapie und körpertherapeutischen Gruppen und ggf. tiergestützten therapeutischen Gruppen.

Quelle: https://www.heiligenfeld.de/behandlung/psychosomatik/zwangsstoerungen/?utm_source=google&utm_medium=cpc&utm_campaign=Berlin_max_Performance&utm_content=&utm_term=&device=m&Name=Berlin_max_Performance&gclid=EAIaIQobChMIjoGh4sSEgQMVLJyDBx1vzAMXEAAYASAAEgIPsPD_BwE#Fachklinik-Heiligenfeld-%E2%80%A2-Bad-Kissingen