azazeel schrieb:Die Mobber sind ja typischerweise keine fiesen Menschen. Sie hängen oftmals in eigenen Unsicherheiten fest und treffen dann schlechte Entscheidungen. Wenn das gut moderiert ist, kann man in aller Regel solche Situationen auflösen.
Das sehe ich, v.a. rückblickend, auch so. Da waren z.B. Jugendliche (14 - 16 Jahre alt) darunter, deren Schulabschluss gefährdet war. Da war ein erstmal noch nettes junges Mädchen (12 Jahre - und kann mich noch daran erinnern dass ich zu Beginn in Erwägung zog mich mit ihr anzufreunden, was für mich eine Ausnahme war) darunter, die nicht merkte, wie manipulativ ihr erster "Freund" (15) war, der ihr für Mobbing den Bussitzplatz frei hielt und Bier und Zigaretten schenkte. Sie fühlte sich wohl groß und erwachsen, ganz anders ein halbes Jahr zuvor fleißig die Hausaufgaben und kindlich Pferde malen.
(Und denke mir heutzutage auch häufig: Was wurde aus denjenigen? Persönlich habe ich da gar keine Rachegelüste, sondern hoffe, dass sie irgendwann andere, produktivere Verhaltensweisen gelernt haben und, ganz geringe Hoffnung aber man weiß ja nie, evl. sogar aktiv etwas dagegen tun - und nicht z.B. eine "Karriere" aus Straffälligkeit mit Körperverletzung, Gewalt in der Beziehung etc. daraus wurde, der eine war schon 16, Messer in der Schule dabei.)
azazeel schrieb:Aber es ist auch schwer zu erkennen. Die Gemobbten offenbaren den Umfang häufig nicht, weil damit auch eine gewisse Scham verbunden ist. Und die Befürchtung, dass es dann noch schlimmer wird.
Das, und zumindest früher wurden oft noch alle zusammen bestraft: "Ihr habt euch gestritten", "Ihr habt auf dem Gang geschrien". Da wurden dann die Opfer mitbestraft.
Scham ist ein Punkt. Auch dass es schlimmer wird (selbst auch erlebt: Mobbingvorfall -> gemeldet -> Strafe -> Mobber ließ den Unmut verstärkt an mir und anderen Opfern aus). Auch ein Punkt: Nachdem man vormittags/ in der Schule schon damit zu kämpfen hatte, kommt dann nachmittags Runde 2, wenn es mit den Eltern, Mitschülereltern, bei Anrufen mit Lehrern... nochmal durchgekaut wird. Auch das schreckt ab, etwas zu sagen.
Selbst habe ich z.B. v.a. anfangs noch etwas gesagt. Es galt als "Petzen". Teils Strafe an "alle Beteiligten" (= auch an mich). Danach habe ich die Vorfälle teilweise heruntergespielt, z.B. Verletzungen kaschiert oder Ursachen erfunden, Spuren von Demütigung wie Spuckeflecken und Kaugummi in den Haaren versucht heimlich zu entfernen. Ruhe war an einer Schule, bei der man dem konsequent nachging und auch nicht unterschwellig andeutete, Mobbingopfer seien doch mit Schuld und seien die eigentlichen Störenfriede.
azazeel schrieb:Oft stellen sich auch Eltern fälschlich vor ihre Kinder: "Mein Kind ist doch kein Mobber!" - nun, das Kind ist vielleicht wirklich nett, aber in der falschen Konstellation tut es Dinge, die anderen schwer schaden. Hier fehlt es in meinen Augen an frühzeitiger Aufklärung der Kinder.
Meine Zustimmung. Es waren im obigen Fall auch Kinder dabei die in anderen Konstellationen nett wirkten. Z.B. jene aus Familien mit eher repräsentativen Aufgaben (die Tochter des Bürgermeisters, die Tochter eines Unternehmers) - schick gekleidet, spielt die Querflöte, kann höflich mit Gästen umgehen und schon anmoderieren, will aber auch ausbrechen. Und in anderem Umfeld wird ausgebrochen, dann auch als Mobbingtäter.
azazeel schrieb:Die meisten dieser Fälle würden vermieden werden, wenn den Kindern klar vor Augen läge, was sie damit verursachen. Denn nichts ist leichter, als das Leid anderer zu verdrängen.
Meine Vermutung leider: Sie wissen es weitestgehend - nicht im Detail, aber z.B. zunehmende Schüchternheit, Tränen, Bitten um Aufhören werden sicherlich wahrgenommen. Ansonsten würde kaum (weiter-)gemobbt werden bis hin zu genau treffend.
azazeel schrieb:Wer nicht sehr unmittelbar selbst- oder fremdgefährdend ist, bekommet faktisch keine Hilfe.
In der Tat. Und dann nochmal die Scham bzgl. psychologisch-psychiatrische Hilfe generell.
Wichtig fände ich in der Hinsicht: Dass Schüler wissen (und das auch so umgesetzt wird) dass a) Mobbing gemeldet werden soll, kann und muss und den Betroffenen keine Vorwürfe gemacht werden, b) gegen Mobbing konsequent vorgegangen wird, Mobbing hier keine Chance hat. (Das es aufwendig ist, Zeit kostet: weiß ich. Ja selbst miterlebt, wie leider Schulstunden draufgingen, wieder einmal etwas zu klären.)
Sterntänzerin schrieb:Ein Amokalarm wird nicht geübt, weil sich ein möglicher Täter nicht zu bewusst sein sollte, dass es ihn gibt. Im Fall der Schule, an die einer meiner Arbeitsplätze angegliedert ist, ist es z.B. so, dass es eine kleine, aber deutliche Abweichung der üblichen Feueralarm-Durchsage gibt. Das ist aus diversen Gründen nicht ideal, aber immerhin wird man immer wieder dran erinnert, dass es so ist.
Danke für die Info! In manchen Ländern wird der Amokalarm nämlich (heutzutage) ausdrücklich geübt.
Wie ist dann der weitere Ablauf (wenn das grob beschreibbar ist ohne zu viel zu verraten)? Ich kann mir vorstellen, Lehrkräfte kennen die charakteristische Abweichung (sagen wir mal exemplarisch, fünfmal statt dreimal tuten, oder Abweichung im Wortlaut etwa es sollen sich "alle geschlossen" statt "alle" versammeln). Umgang mit den Schülern dann wie beim Feueralarm, der ja auch für andere Notfälle genutzt wird (wir hatten z.B. einmal an einer Schule "Feueralarm", es war ein anderer Schaden am Gebäude)?
Vermutlich,
@Dini1909 war das zu deiner (und meiner) Schulzeit aber tatsächlich noch kein Thema und damals herrschen keine Vorkehrungen, spezielle Alarme etc., dafür.
Selbst zum Ende meiner Schulzeit (als Jugendliche, junge Erwachsene "ohne Scheuklappen und ohne rosa Brille", d.h. selbstverständlich Nachrichten mitverfolgt und eher vom besorgten Typ) war es für mich kein auch nur irgendwie in Erwägung zu ziehender Notfall.