Die Folter als "Ultima Ratio"?

@fumo

fumo schrieb:Nach dem Fallbeispiel mit der Flugzeugentführung aus Deinem Artikel darf der Polizist den Mann nur aus Notwehr foltern, weil sein eigenes Leben im Flugzeug bedroht ist und er in dem Moment als Zivilperson und nicht mehr als staatliches Organ handelt.

Ja. Das wurde in der Zeit so dargestellt, aber auch das ist höchst umstritten.

@praiseway
Ich muss das jetzt noch einmal aus Deinem Munde hören, sonst glaube ich es nicht!

Du bist Jurist? Ist das richtig?

Mein Sohn wurde entführt und ist eines der 6 Kinder, die sterben werden, wenn der Täter das Versteck nicht preisgibt. Ich als KOMMISSAR schnappe den Täter, er gesteht noch vor Ort, der Entführer zu sein und weigert sich, das Versteck der Kinder zu verraten.

MEIn SOhn ist in Lebensgefahr, ich foltere den Täter, er verrät das Versteck und das war dann Notwehr, weil ich in dem Moment zur Zivilperson wurde, die das Leben ihres Kindes schützen wollte?

@fumo
Im Notwehrparagraphen steckt sowohl Notwehr (Verteidigung der eigenen Rechte als auch Nothilfe ( Verteidigung der Rechte anderer ) drin. Aber unter welchen Voraussetzungen.... da geht es halt los.

@praiseway
Bitte schau noch einmal auf den Post über Dir!

@fumo

MEInSOhn ist in Lebensgefahr, ich folter den Täter, er verrät das Versteck und das war dann Notwehr, weil ich in dem Moment zur Zivilperson wurde, die das Leben ihres Kindes schützen wollte?

Ganz so leicht ist es dann nicht. Warst Du im Dienst? Dann stehst Du in einem Sonderrechtsverhältnis zum Staat, das auch deine Notwehrrechte einschneidet. (Könnten Polizisten unter den gleichen Anforderungen Notwehr üben, wie eine Privatperson... ich will mir das Gemetzel bei Fußballspielen nicht vorstellen. Und ob es Notwehr ist, das ist halt die strittige Frage. Kann man so sehen. Man kann es aber auch - und noch handhaben das die Gerichte wohl so - so sehen: keine Folter ist ultima ratio. Sollte dein Fall tatsächlich mal vor die Gerichte kommen, vielleicht würde das ein Umdenken einleiten.

@fumo

fumo schrieb:weil ich in dem Moment zur Zivilperson wurde

Und sorum hab ich das Problem juristisch noch nie aufbereitet gelesen. Ein Standardproblem ist der umgekehrte Fall: Sich in den Dienst versetzen.

@praiseway
Ich wäre auch gerne bereit, bis 18.00 Uhr zu warten, bis ich Feierabend habe, bevor ich ihn foltere, solange fahre ich ihn in meinem Dienstfahrzeug durch die Stadt spazieren und spendiere ihm eine Curry-Wurst! :troll:

@fumo
Selbst dann bekommst Du ja nicht weg, dass Du eine Sonderbeziehung zu der Sache hast. Und da startet halt das Problem. Das läßt sich nur als Einzelfallentscheidung beurteilen. Da müssen die Besonderheiten des Einzelfalls abgewogen werden. Einerseits bist du Vater, andererseits Polizeibeamter, Du hast ihn im Dienst geschnappt, wenn Du nur wartest, bis dein Dienst endet, bevor Du ihn folterst, wird dir das nicht viel nutzen, ... ist echt nicht leicht.

@fumo
Ich denke aber auch, z. B. der Daschner-Fall lief so:
Ach ne. Ich will keine Vermutungen anstellen. Ich les ihn erst mal.

http://www.jura.uni-mainz.de/erb/Dateien/Daschner-Stellungnahme.pdf (Archiv-Version vom 13.09.2017)

@fumo
@vincent
Ich glaub fast, ich knick ein. @fumo In deinem Beispiel wäre der Täter wohl gerechtfertigt. Damit sind wir wieder bei der Frage: Wo zieht man die Grenze?

@praiseway
Genau das ist jetzt die Frage, wo ziehen wir die Grenze?

Ich lese gerade noch die pdf zum Daschner-Fall, dauert noch einen kleinen Moment!

@fumo
Obwohl man ja sagen muß, dass der Täter zwar gerechtfertigt gewesen wäre, hätte das Opfer noch gelebt, der Staat (in dem Fall das Land) aber dennoch schadensersatzpflichtig ist.

@praiseway
@vincent
@kleinundgrün

Wer einen anderen Menschen entführt, schafft eine Notwehrlage, die so
lange andauert wie der Freiheitsentzug des Opfers. In dieser Situation erlaubt § 32
StGB gegenüber dem Entführer als „Angreifer“ grundsätzlich jedes Vorgehen, das zu
r Abwendung des Angriffs(d.h. zur Befrei-
ung des Opfers) „erforderlich“ ist. „

Euer Ehren, keine weiteren Fragen! :note:

Quelle:
http://www.jura.uni-mainz.de/erb/Dateien/Daschner-Stellungnahme.pdf (Archiv-Version vom 13.09.2017)

@fumo
Du darfst aber nicht vergessen: All das ist höchst umstritten. Das ist die Meinung eines Juristen.

@praiseway
Ich sehe aber, dass mein ethisches Bauchgefühl als Laie in der Situation nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, sondern dass es auch Fachleute gibt, die meine Ansicht zur Sache teilen.

@vincent
Du hast vollkommen richtig gelegen mit Deiner Aussage eben, wir verlieren das ethisch Richtige aus den Augen, weil wir uns zu sehr an Schriftstücke klammern!

@fumo
Definitiv. Ich hab mal jemanden kennengelernt, der war Refenrendar beim BGH. Der hat erzählt, da würde die Urteilsfindung so ablaufen: Die Richter begeben sich ins Hinterzimmer, setzen sich in ihre Ohrensessel und diskutieren darüber, was bei dem Fall denn wohl rauskommen muß. Wenn sie sich darüber geeinigt haben, tuen sie ihr Ergebnis einem Refenrendar kund, der dann die Aufgabe hat, das Ergebnis mit den bestehenden Rechten in Einklang zu bringen. Es gibt in Jura quasi nichts, das Du nicht vertreten kannst.

@praiseway

praiseway schrieb:Ich glaub fast, ich knick ein. @fumo In deinem Beispiel wäre der Täter wohl gerechtfertigt. Damit sind wir wieder bei der Frage: Wo zieht man die Grenze?

Darf ich das so ins Protokoll übernehmen? :}

@fumo
Ja. Ich hab kein Problem damit, mich überzeugen zu lassen.