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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

608 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Evolution, Wissen, Denken ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 02:42
Zitat von duvalduval schrieb am 25.09.2025:Gegenfrage: Fällt ein Baum im Wald, wenn niemand ihn hört, macht er dann ein Geräusch?
Ja, er fällt, aber nein, er macht kein Geräusch.
Zitat von off-peakoff-peak schrieb am 26.09.2025:Der Zusmmenhang ist deshlb da, weil wir das Dreieck so zusammenhängeng konstruiert haben.
Uhm.... nope! Beispielsweise physikalische Gesetzmäßigkeiten werden ebenfalls mit Hilfe von Mathematik beschrieben, sind aber ganz bestimmt nicht vom Menschen konstruiert.
Zitat von off-peakoff-peak schrieb am 26.09.2025:Ja, die Ordnungen sind da, aber die Ordnunge selbst sind ja nicht die Mathematik an sich.
Stimmt, aber sie sind Gegenstand der Mathematik.
Zitat von off-peakoff-peak schrieb am 26.09.2025:Die Mathematik ist die Sprache,die wir erfunden haben.
Nein, Mathematik ist weitaus mehr als nur Sprache. Du verwechselst Mathematik mit Mathematischer Notation.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 08:47
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Beispielsweise physikalische Gesetzmäßigkeiten werden ebenfalls mit Hilfe von Mathematik beschrieben, sind aber ganz bestimmt nicht vom Menschen konstruiert.
Das habe ich auch nicht behauptet.

Ich behaupte, dass die Methode, diese vorgefundenen Gesetzmäßigkeiten zu beschreiben, von Menschen erfunden wurden. Also, die Mathematik.
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Stimmt, aber sie sind Gegenstand der Mathematik.
Und? Es geht hier nicht um die Frage, was Gegenstand der Mathematik ist, sondern ob diese Mathematik entdeckt oder erfunden wurde.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 15:45
Zitat von off-peakoff-peak schrieb:Und? Es geht hier nicht um die Frage, was Gegenstand der Mathematik ist, sondern ob diese Mathematik entdeckt oder erfunden wurde.
Nein, das ist schlichtweg falsch. Es geht genau darum. Und das kannst du so auch überall nachlesen:
Eine unter Mathematikern verbreitete Position ist der Realismus, vertreten u. a. durch Kurt Gödel und Paul Erdős. Mathematische Gegenstände (Zahlen, geometrische Figuren, Strukturen) und Gesetze sind keine Konzepte, die im Kopf des Mathematikers entstehen, sondern es wird ihnen eine vom menschlichen Denken unabhängige Existenz zugesprochen, wie Friedrich Engels im Anti-Dühring betont. Mathematik wird folglich nicht erfunden, sondern entdeckt. Durch diese Auffassung wird dem objektiven, also interpersonellen Charakter der Mathematik entsprochen. Dieser ontologische Realismus ist materialistische Philosophie.
Wikipedia: Philosophie der Mathematik#Realismus, Platonismus, Materialismus
Es geht hier also sehr wohl um die Gegenstände der Mathematik, es steht explizit im Text, geht also um das, womit sich die Mathematik eben befasst, beispielsweise Zahlen, geometrische Figuren, Strukturen uvm.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 18:40
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Eine unter Mathematikern verbreitete Position ist der Realismus, vertreten u. a. durch Kurt Gödel und Paul Erdős.
Die Idee, dass Mathematik entdeckt wird und nicht einfach ausgedacht ist, passt. Aber zu sagen, das sei automatisch materialistische Philosophie, ist nicht ganz so eindeutig da gibt’s unterschiedliche Meinungen dazu!


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 20:49
Zitat von duvalduval schrieb:Aber zu sagen, das sei automatisch materialistische Philosophie, ist nicht ganz so eindeutig da gibt’s unterschiedliche Meinungen dazu!
Wo liest du denn das raus? :ask:


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 21:06
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Wo liest du denn das raus? :ask:
Der Fehler im Text liegt in folgendem Satz: "Dieser ontologische Realismus ist materialistische Philosophie."

Im Text wird mathematischer Realismus fälschlicherweise mit materialistischer Philosophie gleichgesetzt und genau das ist der Denkfehler.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

07.10.2025 um 21:14
@duval
Oh, okay. Hatte gerade via Textsuche danach gesucht, aber scheinbar war da ein Tippfehler drin, hatte nämlich 0 Treffer... :D

Ja, der Zusatz ist wirklich irreführend, bezieht sich halt auf die Aufassung von Friedrich Engels, d.h. auch gemäß Engels sind mathematische Gesetze nicht Erfindungen, sondern Entdeckungen realer Gesetzmäßigkeiten der materiellen Welt - daher objektiv, also realistisch - aber eben nicht im platonischen Sinn.

(Nachtrag: Ah... ich hatte im falschen Artikel gesucht. Hatte noch einen Tab zum Platonismus offen. Naja, sowas kommt, wenn man abgelenkt ist...)


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 00:20
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Der Künstler erfindet... der Wissenschaftler entdeckt...

Die Mathematischen Zusammenhänge existieren auch bevor wir sie entdeckt haben... und es kann dazu kommen das zwei unterschiedliche Menschen getrennt voneinander diese entdecken...
Ein Kunstwerk - in welcher Form auch immer - ist abstrakt gesprochen auch nur eine spezifische Anordnung ihrer Teilelemente und kann daher genauso entdeckt werden wie mathematische Theoreme. ;)

Die Mathematik ist lediglich stringenter, da man sich in aller Regel auf ein Axiomensystem (ZFC) geeinigt hat und man leichter die gleichen Entdeckungen machen kann.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 03:04
Das Problem ist nach wie vor, dass einige zu sehr auf einseitigen Positionen beharren obwohl die Beobachtung der Denkaktivität eben nun mal was ganz anderes verrät: Die Mathematik ist weder bloß entdeckt (als Eigenschaft der Dinge an sich) noch bloß erfunden (willkürlich festgelegt). Die Mathematik ist, ganz richtig, eine durch und durch apriorische Wissenschaft.(Man erkennt dies z.B. schon intuitiv-vage daran, dass ihre (bewiesenen) Sätze allgemeingültig und apodiktisch gewiss sind) Die apodiktische Gewissheit der Mathematik stützt sich auf die apriorischen Anschauungsformen (Raum und Zeit), die wir als Organa in unserem Erkenntnisorganismus gewahren. Sie sind uns also gegeben, und deshalb liegt hier (in Bezug auf meine Antwort in dem anderen Thema) die einzige Möglichkeit einer nicht-sinnlichen Anschauung (man spricht hier oft heute von "mathematischer Intuition"). Die Mathematik ist also ein Organon, kein Kanon. Wir können dort unser Wissen beliebig erweitern (synthetisch) da im Gebiete des a priori, wodurch zusätzlich auch apriorisches induzieren (d.h. apriorische Begriffsbildung), ohne dem Induktionsproblem anheimzufallen, möglich ist.

Z.B. Der apriorische Raum nezessitiert (d.h. nötigt) unsere Urteilskraft und entscheidet über die Zulässigkeit und Gültigkeit der geometrischen Begriffe. Beispielsweise wissen wir durch apriorische Konstruktion, dass unser Raum drei Dimensionen hat, weil das a priori induzierbare Objekt es nicht zulässt, mehr als drei senkrecht schneidende Linien zu ziehen. Auch der Hyperwürfel, den wir einer "vierten" Raumdimension zuschreiben, zeigt sich uns anschaulich lediglich in derselben sinnlichen Anschauung wie wir alle anderen Körper im Alltag wahrnehmen.

Genauer gesagt, gibt es hier also so etwas wie einen vierdimensionalen Körper in unserer Anschauung nicht (und damit wäre "Existenz" als Modalität hier gar nicht anwendbar und auch nicht zulässig). Strenge Altkantianer würden also sagen, dass die Idee eines vierdimensionalen Raumes völlig hanebüchen ist (d.h. dialektisch), da nichts, auch rein gar nichts, in unserer Anschauung diese Position zulässt. Hier könnte man also vielleicht wirklich von Erfindung sprechen. Aber auch das wäre wieder falsch. Denn auch hier ist nichts wirklich willkürlich, denn die (formale) logische Möglichkeit, einen Raum zu denken (nicht anzuschauen), der vier Dimensionen hat, ist uns gerade nur deshalb möglich, weil wir ja bereits die Dimensionallinien unseres bekannten Raumes kennen und auf ihm eine logische Möglichkeit konstruieren, auch wenn sie transzendent ist und für uns anschaulich unzugänglich ist, d.h. es keinen Anlass gibt anzunehmen, hier von "unserem" Raum zu sprechen als nur von einem hypothetischen ("Wenn wir eins, zwei, drei Dimensionallinien im Raum konstruieren können, dann können wir auch mehr als solche konstruieren") bzw. alsbald eines problematischen ("Es existieren n-Dimensionale Räume") im Modus der Möglichkeit (Modalität). In der modernen Mathematik geht man aber nicht mehr so streng vor wie das früher mal der Fall war, sondern verwendet sie stattdessen mehr als nützliche Werkzeuge um andere Probleme zu lösen, auch wenn es unserer Anschauung nicht genügt. Das Denken alleine erlaubt uns diese Möglichkeit. Dennoch würden Altkantianer definitiv hier von "Dialektik" sprechen. Um das alles zusammenzufassen: Auch die Konstruktion eines hypothetischen (nicht-anschaulichen) vierdimensionalen Raums durch das Denken ist nicht wirklich Erfindung, sondern auch wieder beides: Erfindung deshalb weil wir apriorisch zu induzieren versuchen, und Entdeckung weil wir die induktiven Faktoren (Raum und Zeit) als Grundlage dafür nehmen und daher solche Möglichkeiten darin entdecken können und von unserer Urteilskraft zugelassen werden.

Die geometrischen Begriffe sind also konstruierte (konstruiert nicht im Sinne von willkürlich zusammengebastelt) Begriffe. Diese Konstruktion geschieht durch die Phantasie unter der Leitung des Verstandes. Um zum Beispiel den apriorisch leeren Raum zu zerlegen und seine Gesetzmäßigkeit zu ergründen, muss die Phantasie experimentierend Grenzgebilde erfinden (d. h. konstruieren), wie Flächen, Linien und Punkte. Und diese Fähigkeit zur Konstruktion basiert auf (ebenfalls uns gegebenen) zentralen logischen Momenten (Funktionen des Denkens, d.h. Begriffsformen und alsbald "Kategorie"), die als Direktivmittel die Phantasie leiten. Die Konstruktion eines Dreiecks z.B. ist dann das Produkt einer solchen phantasmatischen Tätigkeit. Insgesamt ist also die Konstruktion logischer Momente im Raum eine Limitativaufgabe, wobei mathematische Grenzgebilde mithilfe der Phantasie ausgedacht werden. Und wichtig ist hier jetzt zu verstehen, dass diese Konstruktion nicht willkürlich ist (auch wenn wir mit unserer Phantasie durchaus "frei" solche Konstruktionen bauen können), sondern sie geschieht stets durch apriorische Induktion auf den uns bereits gegebenen reinen Anschauungsformen, und diese restringieren uns durchaus was die Erfindung angeht. Ja, selbst der freie Künstler kann nicht sinnlich über seine Grenzen hinausgehen, aber innerhalb dieser Grenzen gibt es mehr als genug zu entdecken.

Kurz und knapp:
- Zentrale, aktive Erzeugung (Erfindung/Deduktion): Der Intellekt wendet die logischen Momente (die aus dem Funktionswissen des Verstandes stammen) an, um Formen zu konstruieren. Hier gibt es nichts zu entdecken, die allgemeine Logik ist (wie Kant es bereits erklärte) ein Kanon, kein Organon, also vollständig abgeschlossen und uns bereits bekannt. Dafür müssen wir nicht einmal Kenner der Logik sein oder Kalküle oder Schlussregeln reflektierend kennen und benennen können, denn wir wenden alltäglich sozusagen eine "organische Logik" an. Sie vollständig ins Bewusstsein zu ziehen und darüber reflektieren zu können, ist ein großes Vermächtnis des Aristoteles und, später, des Kant.

- Peripherisches, gegebenes Material (Entdeckung/Induktion): Das apriorische Material (Raum und Zeit) dient als induktiver Faktor, und hier können wir unbegrenzt neues entdecken. Hierin finden wir die einzige Möglichkeit einer nicht-sinnlichen Anschauung, in dem wir synthetisch apriorisches Wissen entdecken bzw. apriorisch induzieren.


Nun, noch etwas anderes. Der Empiriker nimmt oft an, dass wir ja jetzt genau jene apriorischen Elemente durch Abstraktion aus der Natur herausgezogen haben (d.h. zentripetal induziert). Dass dies eben nicht stimmig sein kann, zeigt uns ja schon das Induktionsproblem. Da wird nichts apriorisches aus der Natur herausgezogen, es fehlt die apodiktische Gewissheit, die die Sätze a priori charakteristischer Weise besitzen. Die kritische Theorie Kants beweist (wie vorhin schon erläutert) eben das: Die Elemente wurden zentrifugal (vom denkenden Ich) in den Erfahrungsbegriff gebracht. Etwas anderes anzunehmen ist der typische dialektische Schein (der transzendentale Schein), dem viele so gern verfallen: Die Formel heißt dann Naturgesetz, weil wir die (irrige) Vorstellung haben, als hätten wir sie aus der Natur herausgezogen.

Die physikalischen Gesetze sind somit notwendig konstruiert (durch die apriorischen logischen Funktionen angewandt auf die apriorischen Anschauungsformen von Zeit und Raum), d.h. auch hier haben wir es mit einem gemeinsamen Spiel von Erfindung und Entdeckung zu tun. Sie (die Gesetze) sind selbstverständlich nicht einfach da, sondern existieren für uns als Natur nur, weil wir sie durch unsere gesetzgebende Funktion ordnen. Und willkürlich "ausdenken" können wir uns diese Gesetze ebensowenig (das beweist uns ja die unmittelbare Erfahrung). Jetzt wieder die klassische Frage: "Ja, aber wie erklärt es sich dann, dass die Natur sich genauso von uns ordnen lässt und muss und nicht anders? Weil irgendwas muss da ja noch sein, unabhängig von uns, das diesen spezifisch ordnenden Zustand (und keinen anderen) in uns erst hervorruft?" => Und die Frage ist berechtigt, und sie muss leider, wie schon zuvor, beantwortet werden mit einem: Wir wissen es nicht, und werden es auch nicht. Die Erklärung dafür, warum die Natur sich der vom menschlichen Intellekt vorgeschriebenen Ordnung (Gesetzmäßigkeit) fügt, liegt in der Existenz eines ihr zugrunde liegenden, von uns unabhängigen Urgrundes (Das Ding an sich) und in der organischen Einheit zwischen diesem Urgrund und unserem Erkenntnisapparat.

Gehen wir es mit unserer Denkbeobachtung noch einmal durch:

Die Sinneserscheinungen (das Mannigfaltige) bringen von sich aus einen Charakter oder Typus mit, den Kant als Affinität oder Assoziabilität bezeichnet => Dieser Typus besteht in ihrer Fähigkeit, sich zu Einheiten (Objekten) zusammenfügen zu lassen und sich den vom Verstande a priori gebildeten logischen Regeln zu akkommodieren. Da die Erscheinungen in die apriorischen Anschauungsformen von Raum und Zeit eintreten müssen, bilden sie dort eine logisch fassbare, beharrliche, typische Ordnung. Das entscheidende ist nun eine nomologische Nötigung: Die Urteilskraft wird durch die Ordnung der Sinnlichkeitsdaten oder durch die apriorischen Anschauungsformen genötigt (einer Restringenz), gerade diese spezifischen Gesetze anzuwenden, d.h. wir sind genötigt, eine Erscheinung unter eines der Grundgesetze des Verstandes zu bringen, da ansonsten keine Erkenntnis zustande käme. Und genau diese nomologische Nezessitation (im Gegensatz zur passiven "pathologischen" Nötigung) ist das Bewusstsein, dass die Erscheinung uns nötigte, ein Gesetz, und zwar gerade dieses Gesetz, des Verstandes auf sie anzuwenden.

Damit erklärt sich zumindest mal das "Das" und "Wie" dieser Akkommodation. Die letzte Frage: "Warum?" bleibt am Ende ein ewig dunkles Geheimnis. Es ist eine unerklärbare elementare Tatsache, dass der Urgrund die Dinge an sich so einrichtete, dass sie in unserem Erkenntnisorganismus gerade solche Erscheinungen hervorrufen, die sich z.B. unter die Kausalform subsumieren lassen und dadurch für uns erkennbar sind. Wir sind aufgrund des Vermögens unserer logischen Organisation darauf angewiesen, die Erscheinungen in einem bestimmten logischen Zusammenhang aufzufassen. Dass die Erscheinungen uns diesen Gefallen tun, sich dieser Form anzupassen, ist (wie schon mal erwähnt) vielleicht eine der vielen Seiten der Wirkungen der Dinge an sich (wenn sie überhaupt erkennbar wären), aber letztendlich unerklärbar. (Also auch bei den Naturgesetzen wird weder was bloß entdeckt noch bloß erfunden. Es ist ein Zusammenspiel aus beidem)

Das ist final das Ergebnis, das Kant erlangt hat und in seiner KrV vollständig präzise bis ins Detail beweist. Ja, gewiss, das war und ist enttäuschend und vielleicht auch deprimierend für viele, die gehofft haben in der Empirie die ewige Wahrheit zu finden, enttäuschend auch für alle Metaphysiker und Spekulanten, enttäuschend für die Zukunft der Philosophie, denn die Grenzen sind nun gezeigt und dort geht es nicht weiter. Ja, das war alles deprimierend und zermürbend auf den Geist vieler Menschen. So weit, dass es ganze kulturelle Bewegungen (wie z.B. Sturm und Drang) gab, die sich mit aller Kraft dagegen zu wehren versuchten, stur wie die Oxen die Realität verkennend. Ein Goethe, der die "Ur-Pflanze" suchte, Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, der den Übermenschen fantasierte, und viele mehr. Wie viele Philosophen und Empiriker nach Kants Ableben wollten seine Darlegung dehnen, erweitern, verzerren, ja sogar dialektisch widerlegen, um irgendwie ein kleines bisschen an das (letztlich doch illusorische) Licht dieser "Dinge an sich" zu gelangen? Und wie vielen ist es denn tatsächlich gelungen? ... Eben. Wie viele versuchen heute eine "Weltformel" zu finden, die scheinbar alles erklären soll in der Natur und den Charakter des a priori haben soll, völlig die Tatsache des Induktionsproblems verkennend? Wie es nun mal mit Wahrheiten ist, mit ihnen lässt sich nicht feilschen. Und so wie die Spiritisten es damals und heute einsehen müssen, so müssten es auch irgendwann mal die ganzen Naturwissenschaftler und Empiriker einsehen.

Aber viele wollen es eben gerne einfach haben: Der Verstand ist nur ein Fotoapparat, der die bereits fertigen Naturkunststückchen in sich abfotografiert. Wie schön, wenn es so einfach wäre!

Anbei verweise ich hier auf meine andere Antwort von kürzlich, was das Ding an sich betrifft: Ist das Kantische Ding an sich kontraproduktiv zur Aufklärung? (Beitrag von XKetanX)


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 11:24
Zitat von XKetanXXKetanX schrieb:Es ist eine unerklärbare elementare Tatsache, dass der Urgrund die Dinge an sich so einrichtete, dass sie in unserem Erkenntnisorganismus gerade solche Erscheinungen hervorrufen, die sich z.B. unter die Kausalform subsumieren lassen und dadurch für uns erkennbar sind. Wir sind aufgrund des Vermögens unserer logischen Organisation darauf angewiesen, die Erscheinungen in einem bestimmten logischen Zusammenhang aufzufassen. Dass die Erscheinungen uns diesen Gefallen tun, sich dieser Form anzupassen, ist (wie schon mal erwähnt) vielleicht eine der vielen Seiten der Wirkungen der Dinge an sich (wenn sie überhaupt erkennbar wären), aber letztendlich unerklärbar.
Ist der Grund warum sich sinnliche Data unter die Kategorien subsumieren lassen bei Kant nicht ganz einfach das Schema (die Zeit) ?
Das hat nichts mit den Dingen an sich und ihrer Beschaffenheit zu tun...


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 16:04
Die Welt passt sich nicht irgendwie nett unseren Denkkategorien an, sondern unser Kopf sorgt selbst dafür, dass wir alles, was wir wahrnehmen, automatisch in diese Kategorien einsortieren. Es liegt also an unserem Erkenntnisapparat und nicht an den Dingen an sich, dass die Welt für uns so logisch und geordnet erscheint.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 17:31
Zitat von duvalduval schrieb:Die Welt passt sich nicht irgendwie nett unseren Denkkategorien an, sondern unser Kopf sorgt selbst dafür, dass wir alles, was wir wahrnehmen, automatisch in diese Kategorien einsortieren. Es liegt also an unserem Erkenntnisapparat und nicht an den Dingen an sich, dass die Welt für uns so logisch und geordnet erscheint.
richtig und dass das ganze überhaupt kompatibel ist dafür sorgt die zeit als schema


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08.10.2025 um 21:06
@kaktuss
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Ist der Grund warum sich sinnliche Data unter die Kategorien subsumieren lassen bei Kant nicht ganz einfach das Schema (die Zeit) ?
Ja, das ist richtig, das ist der Mechanismus (d.h. das "Wie") dahinter, das notwendige sinnliche Material. Aber du übersiehst hier wieder was, wie schon zuvor. Zunächst, ja, das Schema ist der notwendige Mittler. Die reine Kategorie (z. B. das logische Moment der Bedingung und des Bedingten) muss das sinnliche Zeitschema aufnehmen, um zur Naturkategorie (z. B. Kausalgesetz) zu werden. Die Zeit ist die Bedingung der Anwendbarkeit (der Schlüssel ihres Gebrauchs) der Kategorie. Es geht hier aber um die Notwendigkeit der Subsumtion (und davon war auch die Rede), die ja letztlich einen unerkennbaren Grund erfordert, der im Ding an sich gedacht werden muss. Sonst entstehen nun mal Widersprüche, die bekannten Kantschen Antinomien.

Richtig ist also, dass das Ding an sich nicht direkt an der logischen Formierung (Subsumtion) beteiligt ist, aber die Erscheinungen, die es hervorruft, müssen die Eigenschaft der Affinität oder Akkommodabilität besitzen, d. h., sie müssen so beschaffen sein, dass sie gesetzmäßig den logischen Formen des Verstandes (Kategorien) entsprechen.

Das eigentliche Kernproblem des Verhältnisses zwischen Ding an sich und Kategorien ist also die Frage, welcher Urgrund die Dinge an sich so einrichtete, dass sie in dem Erkenntnisorganismus solche Erscheinungen hervorrufen, die sich unter die Kausalform subsumieren lassen. Obwohl also der logische Vorgang (die Schematisierung durch die Zeit) intraorganisch stattfindet und daher nichts mit der Beschaffenheit des Ding an sich selbst zu tun hat (da diese unerkennbar ist), ist das Ding an sich notwendig als Grenzbegriff und als unbedingte Ursache anzunehmen, um die Gesetzmäßigkeit und die Erkennbarkeit der Erscheinungen zu erklären, d.h. also, warum die Erscheinungen die erforderliche Affinität zu unserem Schema und unseren Kategorien besitzen. Die Beschaffenheit des Ding an sich ist für das Erkennen irrelevant (es ist nur für den Gedanken ein besetzter, für das Erkennen ein leerer Raum), aber es ist die letzte Ursache, die notwendig die Materie (die Erscheinung) bereitstellt, die sich dem Schema fügen muss. Nur so lassen sich die Antinomien widerspruchsfrei lösen.


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08.10.2025 um 22:02
Zitat von XKetanXXKetanX schrieb:Richtig ist also, dass das Ding an sich nicht direkt an der logischen Formierung (Subsumtion) beteiligt ist, aber die Erscheinungen, die es hervorruft, müssen die Eigenschaft der Affinität oder Akkommodabilität besitzen, d. h., sie müssen so beschaffen sein, dass sie gesetzmäßig den logischen Formen des Verstandes (Kategorien) entsprechen.
Genau... und dieses geschieht durch das Schema... das heißt die innere Anschauungsform... die Zeit...
Zitat von XKetanXXKetanX schrieb:Die Beschaffenheit des Ding an sich ist für das Erkennen irrelevant (es ist nur für den Gedanken ein besetzter, für das Erkennen ein leerer Raum), aber es ist die letzte Ursache, die notwendig die Materie (die Erscheinung) bereitstellt, die sich dem Schema fügen muss.
Stimmt... das Ding an sich stellt die Materie für unsere sinnlichen Daten bereit... diese werden von uns durch die transzendentale Apprehension raumzeitlich geordnet... warum das nun möglich ist, dass sich diese sinnlichen Daten von uns raumzeitlich ordnen lassen, darüber verliert Kant doch kein Wort oder irre ich mich da ?

Inwiefern hat das ganze was mit den Antinomien zu tun ?
Zitat von XKetanXXKetanX schrieb:Es geht hier aber um die Notwendigkeit der Subsumtion (und davon war auch die Rede), die ja letztlich einen unerkennbaren Grund erfordert, der im Ding an sich gedacht werden muss.
Die Notwendigkeit der Subsumtion ? Ich dachte das Schema stellt diese Notwendigkeit bereit... inwiefern muss hier etwas im Ding an sich gedacht werden ? Das Ding an sich ist doch gänzlich Tabu also hier lässt sich gar nichts mehr irgendwie denken bzw. ausmachen...




Die Antinomien lösen sich doch wenn ich mich recht erinnere nur insofern durch die Trennung zwischen Ding an sich und Erscheinung auf, als dass das Ding an sich eben nicht den Gesetzen der Erscheinung unterliegt da letztere ja ein Konstrukt a priori ist...


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08.10.2025 um 22:07
@kaktuss
Die Herausforderung hier liegt in der wichtigen Unterscheidung zwischen dem Erkenntnisgrund (ratio cognoscendi) und dem Existenzgrund (ratio essendi) der Erscheinungen, welcher zum "Ding an sich" führt. Solange du das nicht verstehst, drehen wir uns hier nur im Kreis. Du wirst um das "Ding an sich" nicht drumherum kommen, auch mit dialektischen Spielereien nicht. Glaub mir, etliche Philosophen, Empiriker, usw. haben es schon versucht und alle sind sie gescheitert.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 22:12
Zitat von XKetanXXKetanX schrieb:Die Herausforderung hier liegt in der wichtigen Unterscheidung zwischen dem Erkenntnisgrund (ratio cognoscendi) und dem Existenzgrund (ratio essendi) der Erscheinungen, welcher zum "Ding an sich" führt. Solange du das nicht verstehst, drehen wir uns hier nur im Kreis.
Falls du mir hier in diesem Forum wirklich noch was beibringen kannst... tu dir keinen Zwang an das mal gründlich zu erläutern...
denn mir ist das neu...


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

08.10.2025 um 22:31
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Falls du mir hier in diesem Forum wirklich noch was beibringen kannst... tu dir keinen Zwang an das mal gründlich zu erläutern...
denn mir ist das neu...
Lieber, @kaktuss . Ich habe das ja jetzt nun wirklich mehr als genug erklärt! In mehreren (recht langen) Beiträgen. Du solltest dir die Beiträge nochmal gründlich durchlesen und verstehen. Vielleicht auch die Lektüre Kants in die Hand nehmen, ich empfehle mit dem Prolegomena zu beginnen. Kant ist nicht einfach zu verstehen, das gebe ich zu. Daran trägt er selbst eine Mitschuld. Das ändert jedoch nichts an dem Gesagten. Hier (ein letztes Mal) nochmal ein anderer Gesichtspunkt:

Die primäre Frage lautete: "Welcher Urgrund richtete die Dinge an sich so ein, dass sie in unserem Erkenntnisorganismus solche Erscheinungen hervorrufen, die sich unter die Kausalform subsumieren lassen, und eben aus diesem Grunde für uns erkennbar sind?" (es geht also nicht um den Mechanismus WIE diese Subsumtion im Intellekt abläuft)

Das Ding an sich muss existieren, weil es die unbedingte Bedingung der bedingten Natur (als Erscheinung, d.h. die Erscheinung ist "Endwirkung") ist. Es ist ein wichtiger Unterschied zwischen transzendentaler Kausalität und immanenter Kausalität. Wenn die Natur dem ganzen Bestand nach bedingt ist (als Erscheinung) (denn so treten sie vor uns auf; => Verstand), muss ihr das Unbedingte als Bedingung zugrunde liegen (=> Vernunft, die Idee). Das Ding an sich als Urgrund ruft Erscheinungen hervor, die anschaulich ja zufälligerweise die Fähigkeit (Affinität, Akkommodabilität) besitzen, sich den logischen Regeln des Verstandes (den Kategorien und Schemata) anpassen zu lassen. Die eigentliche und wahre innerliche Eigenschaft der Sinneserscheinung, die es möglich macht, sie nach Regeln des Verstandes zu qualifizieren (und nicht WIE man das macht), ist völlig verborgen. Die Tatsache, dass sie sich so qualifizieren lassen (und unser Intellekt dies auch kann), ist zwar a priori bekannt, aber welcherlei Eigenschaft im Innern der Erscheinung sie nötigt, so aufzutreten, erfahren wir nicht und werden es auch nicht.

Die Notwendigkeit der Subsumtion (ratio cognoscendi) liegt im Schema der Zeit, so weit warst du hier richtig. Der Grund, warum die Erscheinungen überhaupt in einer Form existieren, die dieser Notwendigkeit entspricht (ratio essendi), muss im Ding an sich gedacht werden.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

09.10.2025 um 09:59
Zitat von XKetanXXKetanX schrieb:Der Grund, warum die Erscheinungen überhaupt in einer Form existieren, die dieser Notwendigkeit entspricht (ratio essendi), muss im Ding an sich gedacht werden.
Aber wäre das nicht wiederum schon zuviel in das Ding an sich hinein gedacht, welches doch vollkommen unerkennbar ist und nur
als Grenzbegriff dient ? Ließe es sich nicht dann hier ein Stück weit erkennen ?

P.S : Ich habe die KrV schon mehrfach gelesen... aber dieser Existenzgrund und Erkenntnisgrund Unterschied ist wohl an mir vorbei gegangen...


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09.10.2025 um 10:18
Zitat von duvalduval schrieb:Es liegt also an unserem Erkenntnisapparat und nicht an den Dingen an sich
Ein schönes Argument dafür, dass wir die Mathematik erfunden haben.


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Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

09.10.2025 um 13:30
Zitat von off-peakoff-peak schrieb:Ein schönes Argument dafür, dass wir die Mathematik erfunden haben.
Wir haben die Mathematik aber nicht erfunden.... das sind Gesetzmäßigkeiten die einfach da sind....
hätten wir sie bloß erfunden, dann wäre die Mathematik ein Kunstwerk und keine Wissenschaft...
inwiefern auch die materielle Welt mathematisch strukturiert ist, ist ja eine ganze andere Frage...


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