Erfolgsgeschichten türkischer Unternehmer
06.12.2008, 08:24 Uhr
Den Dönermann um die Ecke kennt jeder. Aber türkische Unternehmer sind in Deutschland längst nicht mehr auf gastronomische Nischen fixiert. Ob Informatikbranche oder Finanzwelt – es gibt viele türkische Erfolgsgeschichten in Deutschland.
von Karen Haak
WORMS/DÜSSELDORF. Worms ist eine der ältesten Städte Deutschlands. Von hier aus regierte Karl der Große sein Reich. Auch Ismet Koyun lebt und arbeitet in Worms. Vor 30 Jahren zog der Unternehmer von Corum, einem kleinen Ort in der Nähe von Ankara, nach Deutschland, um Informatik zu studieren. Schon als Student verdiente er sich Geld, indem er PCs kaufte und verkaufte. 1986 gründete Koyun dann Kobil.
Heute hat Kobil 60 Mitarbeiter. Das Unternehmen entwickelt und produziert Hard- und Software, die den Geldverkehr im Internet sicherer macht. Sogar Microsoft-Gott Bill Gates ist bereits auf die Produkte aus Worms aufmerksam geworden. Und Kobil-Chef Koyun blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Der Markt für Sicherheitstechnologien ist noch jung und die Kobil-Produkte sind darauf führend.“
Kobil ist nicht die einzige Erfolgsgeschichte eines türkischen Unternehmers in Deutschland.
72 000 Unternehmen mit türkischem Hintergrund gab es 2007 hierzulande. Sie beschäftigten 350 000 Mitarbeiter und investierten acht Milliarden Euro. Ihr Umsatz betrug 36 Milliarden Euro. Das ergab eine Studie des deutsch-türkischen Unternehmerverbandes Atiad.
Türkische Unternehmer sind in allen Wirtschaftsbereichen tätig. Vorwiegend aber immer noch in der Gastronomie und im Einzelhandel. Durchschnittlich hat ein Betrieb fünf Mitarbeiter, wobei sich die Struktur der Angestellten in der Vergangenheit verändert hat. Früher beschäftigte ein türkischer Chef nur Türken. Heute sind deutsche Angestellte längst keine Ausnahme mehr.
Die Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen KPMG und dem Zentrum für Türkeistudien entstand, weist für die Zukunft einen positiven Trend auf: 2015 sollen demnach 120 000 Türken in Deutschland selbstständig sein und insgesamt 720 000 Arbeitsplätze schaffen. Das Investitionsvolumen steigt in der Projektion auf 66,5 Milliarden Euro. Auch andere Studien, zum Beispiel der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, belegen diesen Trend.
Musterbeispiel für ein erfolgreiches Unternehmen mit türkischen Wurzeln ist der Reiseanbieter Öger Tours. Hinter diesen Unternehmen steht Vural Öger, der in Berlin studierte und in Hamburg 1969 das Reisebüro Istanbul gründete. Heute besteht die Öger Group aus zwei Reiseveranstaltern und einem Fluganbieter. Deutschlandweit arbeiten 220 Menschen für die Öger Group, die 2006/2007 einen Umsatz von 722 Millionen Euro erwirtschaftete. Im vergangenen Touristikjahr verreisten 1,4 Millionen Urlauber mit dem Veranstalter – überwiegend in die Türkei.
Als Reiseland wird die Türkei bei den Deutschen immer beliebter. Andersherum ist Deutschland für viele Türken schon seit langer Zeit ein attraktiver Ort zum Geldverdienen. 1961 schloss die BRD mit der Türkei den Anwerbevertrag. 6 700 Menschen kamen schon im ersten Jahr als Gastarbeiter nach Deutschland. Unter ihnen gab es zunächst kaum Selbstständige. Schließlich wollten alle irgendwann wieder zurück in die Heimat.
Die ersten türkischen Unternehmer besetzten noch ökonomische Nischen: Mit Lebensmittelgeschäften und Gastronomiebetrieben gingen sie auf die Wünsche ihrer Landsleute ein. Deutsche Konkurrenz mussten diese Pioniere nicht fürchten. In den 80er Jahren kam es dann zu einem regelrechten Gründungsboom. Viele Menschen hatten ihre Träume von einer Rückkehr in die Türkei aufgegeben. Sie waren bereit, ihr angespartes Kapital in ein eigenes, kleines Unternehmen zu investieren. Die berufliche Selbstständigkeit galt ihnen als Symbol der Unabhängigkeit. Zudem erleichterten Veränderungen im Ausländerrecht den Start.
In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der türkischen Betriebe noch einmal stark. Ein Grund: Die Arbeitslosigkeit unter Migranten ist mit 30 Prozent ungewöhnlich hoch. Die Förderung der sogenannten Ich-AGs durch die Bundesagentur für Arbeit tat ihr übriges.
Als bereits die zweite Generation von Türken in Deutschland lebte, begannen sich auch türkische Unternehmen für den deutschen Markt zu interessieren. Im Vergleich zu den in Deutschland lebenden Türken ist ihr Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung geringer.
Als eines der ersten türkischen Unternehmen engagierte sich die Isbank in Deutschland mit einer Zweigstelle in Hamburg. Das Kreditinstitut mit türkischer Kapitalbeteiligung fördert den wirtschaftlichen Austausch zwischen beiden Ländern. Die Isbank Deutschland verfügt heute über zwölf Filialen und 160 Mitarbeitern. Der größte Teil der Kundschaft ist türkisch. Aber es gibt auch eine wachsende Zahl von deutschen Unternehmen, die die Angebote zur Exportvorfinanzierung nutzen. Denn die Firmen müssen oft in Vorkasse gehen, wenn sie in die Türkei exportieren wollen. Dabei hilft ihnen die Isbank mit einem kurzfristigen Kredit.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/in-deutschland-erfolgsgeschichten-tuerkischer-unternehmer-seite-2/3067788-2.html (Archiv-Version vom 14.02.2013)