risico schrieb:Matthäus berichtet nach Ostern, das ist klar, da sind wir uns eins. Aber Matthäus berichtet über etwas, das vor Ostern stattgefunden hat.
Und da liegt der Hase im Pfeffer. Was er über das vorösterliche Geschehen mitteilt, das teilt er aus nachösterlicher Sicht heraus mit. Und Markus, und Lukas... Jörg Sieger hat auf seinen Seiten eine, auf der er es ganz gut darstellt, wie das zu verstehen ist, daß die Evangelien weniger vorösterliches Geschehen erzählen (Historie), sondern nachösterlichen Glauben.
https://www.joerg-sieger.de/einleit/nt/02evan/nt25.php
risico schrieb:haben wir ausschließlich aus der Verfasserschaft nach Ostern, die aber, wie gesagt, ebenfalls über etwas vorösterliches berichten.
In der Tat findet sich auch Vorösterliches, doch ebenso viel Nachösterliches. Etwa die Beziehung Jesu zu den Pharisäern.
Jesus kritisiert diese ja oftmals, und diese stehen Jesus gegenüber oft feindlich gegenüber. Aber es gibt auch Fälle, wo Pharisäer Jesus loben, etwa wenn Jesus den Sadduzäern und ihrer Auferstehungsablehnung widerspricht. Und an einer Stelle warnen Pharisäer Jesus vor den Nachstellungen des Herodes, sodaß Jesus sich aus dessen Hoheitsgebiet zurückziehht. Hier besteht ein geradezu einvernehmliches, freundschaftliches Verhältnis. Hinzu kommt, daß Jesus selbst wie ein Pharisäer lehrt (er betreibt in der Bergpredigt die übliche pharisäische Thora-"Verschärfung", indem er Sachen bereits im Vorfeld eines Gebotes untersagt, sodaß man gar nicht erst in Gefahr gerät, das Gebot zu verletzen ("wer eine Frau bereits ansieht, sie zu begehren...").
Und dann wird Jesus von den Menschen als Pharisäer angesprochen; sie nennen ihn "Rabbi"! Jedenfalls bei Markus, dessen Evangelium gemeinhin für das älteste gehalten wird. Matthäus und Lukas dagegen gelten als jünger, um plus/minus 20 Jahre nach dem Jüdischen Krieg und der Zerstörung Jerusalems wie des Tempels. Bei Lukas steht dort, wo bei Markus "Rabbi" zu lesen ist, oft "Epistata", was sowas wie "Vorsteher" bedeutet. Auch Matthäus hat andere Vokabeln verwendet - außer wenn Menschen Jesus ansprechen, die diesem nicht folgen, ebenso, wenn Judas Iskariot den Herrn "Rabbi" nennt. Rabbi ist für Matthäus, bei dem die schärfste Pharisäerkritik begegnet, keine korrekte Anrede für Jesus mehr. Zwischen Markus und Lukas/Matthäus hat sich also die Stellung zu den Pharisäern - oder deren Stellung zu den Jüngern des Auferstandenen - verschlechtert.
In der Tat weiß Josephus zu berichten, daß ein jüdischer Hohepriester den Herrenbruder Jakobus, den damaligen Leiter der Jerusalemer Christengemeinde, anklagen und hinrichten. Dabei teilt Josephus mit, daß die Pharisäer sich für Jakobus stark machten, ihn beschützen wollten. Und als der Hohepriester dennoch Jakobus hinrichten ließ, sorgten sie dafür, daß dieser Hohepriester abgesetzt wurde. Das war ungefähr um 62 n.Chr. Zu dieser Zeit gab es noch keinen Bruch zwischen den Christen und den Pharisäern.
Aber nach dem Jüdischen Krieg, da gab es den dann. Womöglich, weil die Christen sich aus dem Krieg heraushielten (wer in der Ebene ist, der fliehe in die Berge, wer in der Stadt ist, verlasse sie). Oder weil die Christen die Zerstörung Jerusalems (wie des Tempels) als Strafe für die Kreuzigung Christi ansahen und als Ankündigung Christi. Warum auch immer, es gab diesen Bruch. Und er drückt sich aus in der Darstellung vorösterlicher Ereignisse in den Evangelien. Diese sind dann eben doch nicht so "historisch", wie man denken könnte. Gerade die extreme Kritik und Ablehnung der Pharisäer durch Jesus, ebenso deren feindliche Einstellung zu diesem, das ist vorösterlich geschildert, es ist aber gar nicht vorösterlich. Die Verbundenheit und Hilfe zwischen Jesus (mit den Seinen) und den Pharisäern, das hingegen scheint exhte historische Erinnerung zu sein. Dennoch muß auch dazu keine konkrete Erzählung "echt historisch" sein.
Es ist kompliziert. Aber durchaus verstehbar. Und unterm Strich bedeutet es, man kann ggf. Vorösterliches in den Evangelien finden, doch man kann nicht per se davon ausgehen, daß etwas in den Evangelien tatsächlich vorösterliche Gegebenheiten, Gepflogenheiten, Ereignisse und Sichtweisen wiedergibt. Nicht ohne verdammt gute Gründe, etwa durch externe Belege (wie Josephus als Beleg für die guten Beziehungen mit den Pharisäern vor dem Krieg),
risico schrieb:Für mich als Christ ist es also überhaupt kein Problem, denn ich habe das Zeugnis von Matthäus und Johannes. Ich glaube ihnen. Du anscheinend nicht, sondern bevor du ihnen das glaubst, was sie schreiben, musst du etwas dazwischenschieben, was der Text nicht hergibt.
Eines meiner Lieblingsbeispiele. In den Synoptikern sagt der Herr, daß Johannes der Täufer der Elia ist. Im Johannesevangeloium sagt der Täufer, er ist es nicht. Ausdrücklich und unzweifelhaft. Und nun? Kannste natürlich beides glauben. aber für ne historische Tatsache kannste das nicht beides machen.
Auch ich glaube beides. Daß Johann Baptist der Elia ist - und daß er es nicht ist. In meiner Glaubenssicht ist für beides Platz.
Aber wenn es um eine historische Ebene gaht "was war damals Fakt", dann nützt mir mein Glaube gar nichts, da muß ich quasi "als Historiker fragen". Und da kann er schon mal nur eines sein, Elia oder nicht Elia. Da der Elia am Ende kommen soll, damals das Ende noch nicht war, ist die "historische" Antwort ja leicht. Johannes war nicht der Elia. Punkt, Ende, Aus.
Na und wenn es um den historischen Fakt geht, ob die Juden (der Zeit Jesu) einen Sohn Gottes (singulär, exklusiv) in ihrer Viorstellungswelt haben, dann kannst Du das nicht mit dem christlichen Glauben beantworten, wie er im NT transportiert wird, wie er sogar in vorösterliche Zeit hineinerzählt wird.
Und schon gar nicht kannst Du mir da Glauben absprechen, nur weil ich was Historisches mithilfe einer historischen Betrachtungsweise benenne. Auf sowas reagier ich allergisch, wenn jemand "Wahrheit" auf "Historische Wahrheit" reduziert.
risico schrieb:Hoffentlich habe ich das jetzt deutlich dargelegt?
Wo sind die jüdischen Belege? Wo ist Deine Entkräftung meiner Darlegung, daß neutestamentliche Berichte über vorösterliche Vorstellungen udgl. historisch verläßlich sind und nicht nachösterliche Rückprojektionen???
Dazu hast Du nichts dargelegt. Nur Deinen Glauben in die Wagschale geworfen und meinen, nun, sagenwirmal: infragegestellt. Aber ne historische Sichtweise hast Du ganz außen vorgelassen, letztlich ighnoriert (da ich ja historisch was zu schrieb).
Und damit bin ich erneut raus. Geh bitte mal in Dich.
Leilan schrieb:Es geht mir nicht um die angenommene Herkunft, sondern einfach nur um das, was das Wort aus sich selber uns sagt, dass nämlich Gott das Gute bedeutet
Wo sagt das Wort Gott aus sich selber, daß Gott das Gute bedeutet? Und Haut heißt Haut, weil man drauf haut, ja? Zumindest sagt Haut
aus sich selber heraus, daß Draufhauen "dazu gehört", in Ordnung ist, geradezu Pflicht, ja? Das ist beliebiges Zusammengereime. Und das "aus sich heraus" ist ein schäbiger Argumenteersatz, letztlich ein Eingeständnis des "ich hab keine Ahnung und keine Argumente".
Leilan schrieb:das unsteigerbar Gute, weil zur Steigerung des Adjektivs "gut" seine Grundform in der Umgangssprache verändert wird zu "besser" und "am besten"
Und die Philharmonie ist dann auch ne unsteigerbare Harmonie, weil viel in der Steigerung mehr, meist, ebenfalls seinen Grundstamm verliert. Wie simpel die Welt doch ist!
Irgendnen Scheiß ausdenken, der dann auch noch lustig klingt, geradezu "passend", ist ne Unterhaltung, ne Kurzweil, aber doch keine "Wahrheit":
Leilan schrieb:Und wie steht der Name "Allah" dazu?
Es gibt übrigens auch Christen arabischer Muttersprache. Und nun rate mal, was die sagen, wenn sie "Gott" sagen? Irgendwas mit "Gut" auf arabisch? Nee, die sagen: Allah. Da kannste mal drüber nachdenken. Allah ist kein muslimischer Begriff (und wenn, dann genauso ein christlicher), sondern eine arabische Vokabel (eigentlich zwei, da steckt der Artikel schon drin).