Es geht mir hier nicht um Brüderle. Er hat nur den Stein ins Rollen gebracht. Die Diskussion war längst überfällig.

Es geht um Belästigungen im Alltag, die Frauen täglich hinnehmen müssen, und es geht um die Schwierigkeit, damit umzugehen.
Es geht um Männer, die anmachen und um Frauen, die in abhängigen Positionen darunter leiden, sich nicht, oder zu wenig oder zu spät wehren.

Es geht um die unterschiedliche Wertung von Mann und Frau in der Gesellschaft, vor allem wenn es um Körperlichkeit, Aussehen, Nacktheit und Sexualität geht.
Das führt dazu, dass scheinbar identische Situationen keinesfalls identisch sind, sobald die Geschlechter die Position tauschen.
Hier gilt der Spruch: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht das Gleiche.

Sexualität wird beim Mann nicht so abwertend gesehen. Er könnte auf eine Anmache hin spötteln: "Bei dir oder bei mir?" Ohne dass ihm die Augenhöhe verloren ginge. Und schon ist der Spieß umgedreht. Bei sowas verliert die Frau immer, auch wenn es nur ein verbaler Schlagabtausch ist.
Die gleiche Reaktion einer Frau auf eine Anmache lässt sie schnell zu einem Flittchen degradiert werden.
Diesen Unterschied kann man nicht einfach wegreden.

Ich komme zu der Mail, die ich eingestellt habe und versuche, es mit meinen Worten darszustellen. Der Einfachheithalber ersetze ich den darin vorkommenden Namen durch "man", denn es ist niemand bestimmtes gemeint. Es soll allgemein gehalten werden.
Ich bedaure, den Namen nicht vorher rausgenommen zu haben. Wird so bestimmt nicht wieder vorkommen.
diesen Kackhaufen sexistischer Denkweise nicht weiter anzutun. Man argumentiert mit Sexismus ("nackte Frauen überall auf Plakatwänden") um Sexismus zu veteidigen ("da sollte man doch wohl mal nen lockeren Spruch vertragen können").
Das Kack, kann man weglassen, aber es ist schon ein ordentlicher Haufen sexitischer Denkweise in solcher Argumentation enthalten.

Gemeint war diese Aussage auf Seite 1:
In einer Gesellschaft, in der überall auf Werbeplakaten mehr oder minder nackte oder äußerst enganliegend bekleidete Frauen zu sehen sind, sollte man es eigentlich auch mal einen lockeren Spruch vertragen können.
Gefolgt von dieser Aussage:
Wären nun groß Diskussionen entbrannt, wenn eine Frau zu Rainer Brüderle gesagt hätte, er sei noch `n ziemlich scharfer Feger für sein Alter
Die zurecht Doppelmoral genannt wird. Eine zur alltäglichen Realität gewordene.

Natürlich wäre darüber keine Diskussion entbrannt, weil das, wie ich oben beschrieb, aufgrund der unterschiedlichen Wertung nicht das Gleiche ist.

Ich möchte es an einem Beispiel verdeutlichen, das mir dazu einfällt und mit der Problematik zumindest verwandt ist:

Es gibt in der Umstrittene Bezeichnungen diverser Ethnien - diskriminierend oder rassistisch? etwas ganz Ähnliches. Dort habe unter anderem ich selbst mich hingestellt und gesagt, es störe mich nicht, wenn man mich einen Weißen nennt, schließlich bin ich einer, und habe die bekannte negative oder andere Bewertung des Wortes Schwarzer oder Neger einfach weg gelassen. Das sei doch kein Unterschied ...
Naja, jeder weiß, dass es sehr wohl ein Unterschied ist. (*Im Nachhinein schäm für diese dumme Argumentation*)
Sexismus ist gesellschaftlicher Normalzustand
Zutreffend.
aber das legitimiert ihn NICHT als Umgangsform, und es ändert NICHTS daran, dass sich die meisten Frauen und einige Männer sexistisch belästigt fühlen.
So ist es. Und man darf bei keinem Menschen über das, was er oder sie als sexistisch empfindet einfach hinweg gehen mit einem dummen Spruch in der Art, stell dich nicht so an. Was ein Mensch empfindet ist seine ureigenste Sache. Es steht niemandem zu, ihm da etwas abzusprechen und ihm etwas anderes einfach überzustülpen.
Man macht sich des weiteren lächerlich über Personen die weder sexistisch angefasst noch mit sexistischen Sprüchen über ihren Busen vollgetextet werden wollen, und auch das Drüber Lächerlichmachen ist Sexismus.

Des weiteren konstruiert man einen scheinbaren Gegensatz der Marke "Frau wird angefasst - das ist Sexismus - Mann wird angefasst - ist das dann auch Sexismus?"
Was sich auf diese Aussage hier bezieht.
Jedenfalls hab ich noch nicht gehört, dass Frauen wegen solcher Sprüche über Männer wütende Sexismus-Anklagen abbekommen.


Also, man merke: Wenn Mann zu Frau sagt, sie hätte einen geilen Po, dann ist das Sexismus.
Wenn Frau das über einen Mann sagt, dann nicht bzw. nicht der Aufregung wert? Warum?
Was ich oben versocht habe zu erklären. Es ist ein Unterschied und auch warum es einer ist.

Das Lächerlich machen einer empfundenen Belästigung vor Dritten, oder das bagatellisieren zählt auch dazu, denn es untergräbt die Würde des so angesprochenen Menschen, der mit Sicherheit durch seine Körpersprache deutlich macht, dass ihm oder ihr unbehaglich ist.
Wenn dann noch alle drum herum lachen, ist man zusätzlich noch die Spaßbremse. Das ist ein Teufelskreis, den jeder Mensch mit Empathie erkennen müsste.
Man tut dabei so, als ob Männer das PERMANENT erleben würden, angestarrt, mit blöden Sprüchen über ihren Körper vollgetextet und betatscht zu werden.
Das ist wieder so ein kleiner aber wichtiger Unterschied, der einfach durch weglassen die Wahrheit verfälscht. Es passiert auch Männern, aber bei Weitem nicht so oft wie Frauen. Sowenig, wie ich als Weißer in diskriminierender und abwertender Art angesprochen werde.
Die Frage ist eine hypothetische und soll lediglich dazu dienen, Frauen lächerlich zu machen die sich nicht betatschen lassen wollen. Ausserdem soll sie das Publikum in zwei Lager spalten - die Spaßfraktion die das alles locker sieht
und die dummen Opfer "die selber schuld sindwenn sie keinen Spaß haben".
Die gegen ihren Willen Begrabschte oder verbal Belästigte wird sicher schon mehr gelacht haben. Vor allem wird das nicht als Übergriff gesehen, was die bertroffene Person als solchen empfindet.
Was man alos "locker" sieht, wird wohl davon abhängen, auf welcher Seite des Zaunes man sich gerade befindet.
Gegenseitiges Einvernehmen wird es einer solchen Situation kaum geben. Vielleicht im Vollrausch.
Wenn man diese Frage, ob das Sexismus sei, ernsthaft stellen würde, wäre die Antwort ernsthaft: ja, wenn ein Mann so was erlebt, ist das ebenfalls Sexismus. Ich kenne durchaus Männer die es nicht mögen, wenn frau Kommentare über ihren Körper macht oder sie anfasst, und das sind nicht automatisch irgendwelche "Schwuchteln" oder "Asis" sondern Personen die Wert darauf legen, respektvoll und wie ein Mensch behandelt zu werden. Antatschen gegen den eigenen Willen oder ein Kommentar über Körperteile gehört nicht zu einer respektvollen Behandlung, sondern ist ein Übergriff.
Dem stimme ich zu. Jedoch sehe ich das Problem der unterschiedlichen Wertung. Die Frau ist viel schneller "unten", viel schneller in der Opferrolle, weil sie viel weiter unten anfängt.
Dass beides Mist ist, ist unstrittig.
In einer Gesellschaft, in der überall auf Werbeplakaten mehr oder minder nackte oder äußerst enganliegend bekleidete Frauen zu sehen sind, sollte man es eigentlich auch mal einen lockeren Spruch vertragen können.

Meine Fresse, wie kleinlich doch manche Leute sind
Man darf mit der zur Normalität gewordenen Unsitte nicht argumentieren, um sie zu rechtfertigen. Das ist doch absurd.

Die Kleinlichkeit hängt wie gesagt davon ab, auf welcher Seite des Zaunes man steht und leider auch davon, welches Geschlecht man hat. Auch ein Mann kann es als Übergriffigkeit empfinden, aber er spielt in einer anderen Liga und hat andere Möglichkeiten zu reagieren, weil im Zusammenhang mit Sex immer noch gilt: Mann --> Toller Hengst, Frau --> Schlampe.

Die Doppelmoral wurde mal auf der Startseite von Bild online deutlich, als oben eine halbnackte Frau in entsprechender Pose sitzend abgebildet war und direkt drunter ein "kritischer" Artikel zur Sexismusdebatte.
Oder das Magazin, das zuerst über Sexismus berichtet, und zwei Beiträge darunter kommen irgendwelche Beautytipps, weil Frauen ja immer gut aussehen müssen, wollen, sollen :ask:

Mit nacktem Frauenfleisch wird gesellschaftlich akzeptiert geworben, aber ist es deshalb gut und richtig? Und rechtfertigt es gar irgend etwas darüber hinausgehendes?

Wer sich für Werbung auszieht und sich dafür bezahlen lässt, macht es freiwillig und erhält eine Gegenleistung. Wenn so jemand schimpfen würde, würde ich auch den Kopf schütteln.

So jemand darf nicht verglichen werden mit den alltäglichen Übergriffen, oder sie gar rechtfertigen.
In einer Gesellschaft, in der überall auf Werbeplakaten mehr oder minder nackte oder äußerst enganliegend bekleidete Frauen zu sehen sind, sollte man es eigentlich auch mal einen lockeren Spruch vertragen können.
Was eine Frau anhat, darf keine Rolle spielen, um irgendeinen Übergriff, ob verbal oder handgreiflich oder mit Blicken zu rechtfertigen. An der Stelle stößt es mir jedesmal auf, wenn so etwas geschrieben wird.
Selbst wenn sie nackt wäre nicht. Hat jemand die Sendung gestern gesehen, wo eine Frau an einem Nacktbadestrand sehr offensichtlich von Männern belästigt wurde und sogar als Wichsvorlage missbraucht wurde?

Eine Frau ist kein Freiwild, welches man sich einfach nehmen kann, nur weil es gerade eine gute Zielscheibe bietet.
Man ignoriert, dass das Männern viel seltener passiert und er lässt geschickt beiseite, dass tendenziell alle Frauen diese sexistische, Frauen erniedrigende, beschämende und entwertende "Sichtweise" als gesellschaftliche Dauerbedröhnung erleben (übrigens auch durch jedes Plakat einer nackten Frau!).
Das meinte ich oben mit dem Weglassen von allseits bekannten Realitäten. Das fälscht ein Argument sehr ab.

Ich weiß, dass es Frauen in Abteilungen mit überwiegend Männern unangenehm ist, in jeder Kaffee-Ecke von etlichen nackte Frauen Bildern "beglückt" zu werden. Sie sagen nur nichts laut. Außer Ärger würde es ihnen nichts bringen. Das sind sie wieder, die Spaßbremsen. Auf welcher Seite des Zaunes sie wohl stehen?

Das Argument, sie könne ja Bilder von nackten Männern dazuhängen, hat eine ähnliche Schieflage, wie so manche Argumentation hier, und wie die unterschiedliche Wertung der Gesellschaft.

Abgesehen davon muss Frau nackte Männer nicht appetitlich finden, nur um irgendeine "Pseudogleichberechtigung" zu erreichen.
Der zweite Kommentar ist noch schlimmer, da unterstellt er sämtlichen Frauen, dass sie figurbetonte Klamotten oder "kurze Kleider" nur anziehen um Männer in Versuchung zu bringen. Auch das ist Sexismus, denn hier konstruiert man das Bild von der "verführerischen Hexe / Schlampe" die nichts anderes im Sinne hat als "den gegen solche Reize hilflosen Mann" aufzustacheln. Damit unterstellt man sämtlichen Frauen, die belästigt oder sogar vergewaltigt werden, dass sie es
a) durch Kleidung selbst herausfordern und somit auch
b) in der Hand hätten, durch "anständige" Kleidung Belästigung und Vergewaltigung zu entgehen.
Das bezieht sich auf diese Aussage hier:
Aber sieh dir doch mal die ganzen Werbeanzeigen, Tafeln und Werbefilme an - wer kommt überdurchschnittlich häufig vor? Attraktive, junge Frauen, gerne auch besonders figurbetont gekleidet.

Sind Moderatorinnen nur in hochformelle Hosenanzüge gekleidet - oder tragen sie oft relativ kurze Kleider?

Und was ist mit der modernen Mode? Gerade für junge Frauen sind die Sachen doch oft ziemlich figurbetont geschnitten.


Und unter solchen gesellschaftlichen Voraussetzungen regt man sich großartig auf, weil der Herr Brüderle gesagt hat, die Dame könnte aber gut ein Dirndl ausfüllen?
Und hier muss ich sagen, dass auch ich mit der Argumentation größte Schwierigkeiten habe. Den Wortlaut der Reaktion muss ich hier nicht ändern.

Meine Hoffnung ist, dass die Diskussion zu einem sensibleren Umgang zwischen Männern und Frauen führt.