Coscoroba schrieb:Ich glaube zwar nicht daran, dass absolut jeder zum Mörder werden kann, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass weit mehr Menschen in Extremsituationen zu Mördern werden können, als man es gemeinhin so annimmt.
dots schrieb:Das irre ist ja, dass AD sich in keiner Extremsituation befunden hat.
Klar, die Situation mit den Nachbarn war bestimmt anstrengend und ich persönlich hätte da auch gelitten, aber eine Extremsituation ist was völlig anderes.
Ich denke schon, dass Darsow selbst die Situation als "extrem" erlebt hat. Nicht so sehr als akut extrem, also in dem Sinne, dass bihm plötzlich die Sicherungen durchgebrannt sind und er sich quasi bis aufs Blut gereizt eine Waffe geschnappt hat und wie im Tunnel zum Nachbarhaus rüber ist und losgeballert hat.
Das Gegenteil war ja der Fall, er hat die Tat mittel- bis langfristig geplant und vorbereitet und hat geduldig den richtigen Zeitpunkt abgewartet, zu dem der Rest der Familie abwesend war. Die Opfer drohten ihm ja schließlich nicht anhanden zu kommen, im Gegenteil, sein Problem war ja gerade, dass sie nicht wegziehen wollten und immer da und laut waren....
Aber ich denke schon, dass er für sich und auch mit der Ehefrau in den Jahren der Lärmbelästigung verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchgespielt und ausprobiert hat. Mehrere sind ja dokumentiert: Polizei bei akutem Lärm rufen, Vermieter der Tolls kontaktieren und um Kündigung bitte, Haus verkaufen und umziehen, mit Ohrstöpseln schlafen. Das sind ja alles bereits Stufen der Eskalation des Konflikts, ich kann mir also vorstellen, dass er zunächst auch versucht hatte, mit den Tolls zu sprechen und um Ruhe zu bitten, dass er versucht hat, den Lärm einfach zu irgnorieren, sich gedacht hat, dass ist nur eine Phase etc.
Es hat halt alles nichte gebracht: alle Versuche haben entweder keine Veränderung gebracht (Polizei, Vermieter) oder brachten Einschränkungen für ihn und seine Familie (Ohrstöpsel, Hausverkauf nur mit großem finanziellen Verlust). Hinzu kommt eben, dass dieses Einfamilienhaus wohl extrem wichtig für sein Selbstbild war: seht her, was ich meiner Familie bieten kann! Laut Urteil haben sie sich dafür schon ziemlich krumm gemacht, sparsam gelebt, zwei Jobs gearbeitet und hatten als langfristiges Ziel sogar ein freistehendes Einfamilienhaus im Auge. Ein Hausverkauf mit finanziellen Einbussen wäre da eben ein arger Schritt zurück gewesen.
Insofen kann ich mir schon vorstellen, dass er sich subjektiv in einer Extremsituation empfunden hat. Ich kann schon nachvollziehen, dass so eine ständige Lärmbelästigung die Nerven blank macht, es hat es ja gerade in sich, dass mann immer, jeden Tag dran erinnert und aufs Neue provoziert wird. Kombiniert mit der Auffassung, dass das ganze himmelschreiend ungerecht ist, wenn man selber arg zurückstecken muss, obwohl man sich absolut im Recht und als Opfer fühlt, dass man aber ja nicht sein möchte, dann ist das für mich nachvollziehbar, dass das schon jede Menge Hass in einem hoch kochen lassen kann.
christian01 schrieb:Was an dieser Regelung aber definitiv absolut perfide ist, einerseits möchte man das ein Täter (noch ) gesteht, sich mit seiner Tat auseinandersetzt und "bereut", dann kann es auch eine vorzeitige Entlassung geben, andererseits nötigt man dadurch quasi einen potentiell unschuldig einsitzenden Täter ( wenn er denn in den Genuss einer vorzeitigen Entlassung kommen will ) zu gestehen.
Na ja, das stellst Du aber jetzt sehr schwarz-weiß dar. Es geht doch nicht darum, dass ein Täter sagt: "Ja, ich wars, ich bereue, was ich getan habe, die Opfer tun mir leid und ich wünschte, dass ich das nie getan hätte." Es ist doch nich so, dass wenn ein Verurteilter den Satz erst mal endlich einmal gesagt hat, alles gut ist.l
Sondern darum, dass ein Täter sich im Rahmen einer Therapie und von Gewaltpräventionsprogrammen damit auseinandersetzt, wie er mit Konflikten umgeht, ob er lernt, für solche Lösungen zu entwickeln und ob erkennbar ist, dass er auch die Rechte und Interessen anderer Menschen wahrnehmen und respektieren kann.