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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

01.10.2019 um 17:21
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es ist also nicht so, dass innerhalb der Verjährungsfrist auch ein (rechtskräftiges Urteil vorliegen muss. Entscheidend ist, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Unterbrechung der Verjährung eintritt, was eben u.a. durch die in § 78 c Abs. 1 StGB genannten Tatbestände eintritt.
Das heißt also, dass 2007 gar nicht höchste Eisenbahn war? Sondern erst 2011?
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Warum hat dann das Gericht das Folgende gesagt, könnte das bezogen auf die Nebenklage geäußert worden sein?
JosephConrad schrieb:
Der Fall sei aber "sehr, sehr nahe am Mordvorwurf", so das Augsburger Landgericht, der Täter habe den Tod des Mädchens leichtfertig in Kauf genommen.
Das könnte schon sein, dass es mit ein Anlass war. Aber das Gericht hat bei dieser Aussage keinen bewussten Bezug zum Plädoyer der Nebenklage hergestellt.

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

01.10.2019 um 22:43
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Das heißt also, dass 2007 gar nicht höchste Eisenbahn war? Sondern erst 2011?
Ja, das heißt es. Wie gesagt wird gemäß § 78 c Abs. (1), Abs. (3) und Abs. (4) StGB in Bezug auf jeden Tatverdächtigen die Verjährung unterbrochen, sofern gegen ihn Ermittlungen aufgenommen werden, gegen ihn Anklage erhoben, die Hauptverhandlung eröffnet etc. ist. Nach Maßgabe von Abs. (3) beginnt in diesem Fall die Verjährung von neuem zu laufen.

Das Gericht kann sich also in so einem Fall Zeit lassen. Es muss nicht zusehen, dass es vor Ablauf der Verjährung auch zu einem Urteil kommt, sofern die Anklage rechtzeitig erhoben wurde. Das ist ja auch sinnvoll, weil natürlich erst dann ein Urteil gefällt werden kann, wenn nach Auffassung des Gerichts die Sache ausermittelt ist, was von vielen Zufällen abhängt (ob etwa ein Gutachter rechtzeitig sein Gutachten abliefert, ein Zeuge auffindbar ist, der Angeklagte aus irgendwelchen Gründen einen neuen Verteidiger braucht usf.)

Druck hat eher die StA. Die muss zusehen, dass sie rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung einen Tatbestand schafft, der die Verjährung unterbricht. Im Fall Mazurek scheint das nicht unbedingt der Fall gewesen zu sein, wenn schon 2007 mit Ermittlungen gegen ihn begonnen und er da schon zB als Beschuldigter verommen worden ist oder sonst etwas im Sinne von § 78 c Abs. 1 StGB in Bezug auf ihn passiert ist.



SpoilerStrafgesetzbuch (StGB)
§ 78c Unterbrechung

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch
1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.
(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung unterzeichnet wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Unterzeichnung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.
(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.
(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.
(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.



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2r2n ehemaliges Mitglied

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01.10.2019 um 22:52
Zitat von AndanteAndante schrieb:Druck hat eher die StA. Die muss zusehen, dass sie rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung einen Tatbestand schafft, der die Verjährung unterbricht. Im Fall Mazurek scheint das nicht unbedingt der Fall gewesen zu sein
Dann war 2008, als Mazurek verhaftet wurde, also kein Druck da, irgendetwas vor der Verjährung hinzubiegen. Dieses Argument ist also dann vom Tisch, denn das hätte 2011 auch noch gereicht.
Sie waren offenbar überzeugt, dass Mazurek Teil der Konspiration ist, die das Verbrechen geplant hat. Sie hatten J. ja auch im Visier, mussten aber dann feststellen, dass er als Mittäter nicht taugt. Trotzdem haben sie das Telefonat mit dem Betriebsunfall als konspirativ gewertet.
Da haben sie sich schon ein wenig widersprochen...


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

01.10.2019 um 23:04
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Warum hat dann das Gericht das Folgende gesagt, könnte das bezogen auf die Nebenklage geäußert worden sein?
JosephConrad schrieb:
Der Fall sei aber "sehr, sehr nahe am Mordvorwurf", so das Augsburger Landgericht, der Täter habe den Tod des Mädchens leichtfertig in Kauf genommen.
Das habe ich schon mal versucht zu erklären. Das Gericht musste eben entscheiden, ob genug Anhaltspunkte dafür vorliegen, Mazurek wegen vorsätzlichen Mordes nach § 211 StGB zu verurteilen oder ob nach § 239 a StGB zu verurteilen ist, wo zwar der erpresserische Menschenraub selbst (Abs. (1) vorsätzlich sein muss, der dadurch eingetretene Tod des Opfers aber dann nicht vorsätzlich, sondern (nur) „leichtfertig“ (als gesteigerte Form von Fahrlässigkeit) verursacht worden sein muss (Abs. 3).
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 239a Erpresserischer Menschenraub

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.


Das Gericht hatte hier also in Bezug auf Usulas Tod Vorsatz gegen leichtfertige Verursachung (ohne Vorsatz) abzuwägen und dies auch so zum Ausdruck gebracht. Im Ergebnis hat es nicht genug Beweise für Vorsatz gefunden, weswegen es dann „nur“ zur Verurteilung nach § 239 a StGB und nicht zu einer Verurteilung wegen Mordes kam.


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01.10.2019 um 23:12
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Dann war 2008, als Mazurek verhaftet wurde, also kein Druck da, irgendetwas vor der Verjährung hinzubiegen. Dieses Argument ist also dann vom Tisch, denn das hätte 2011 auch noch gereicht.
Ich weiß ja nicht, wer warum in welchem Zusammenhang das „Argument“ mit der Verjährung gebraucht hat, aber jedenfalls ist die StA hier nicht auf den letzten Drücker tätig geworden, sondern doch schon noch einige Zeit vor Ablauf der Verjährungsfrist.


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01.10.2019 um 23:26
@Andante
Was bedeutet das konkret in diesem Fall ?
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nach Maßgabe von Abs. (3) beginnt in diesem Fall die Verjährung von neuem zu laufen.
Trat mit der Klageerhebung 2008 eine Untbrechung ein, die bis zur Verurteilung 2011 anhielt d.h. die Verjährung war dann auch 3 später erst im Jahre 2014 ?
Oder beginnt aufgrund der Unterbrechung die Verjährung von 30 Jahren ab 2008 dann tatsächlich von neuem ohne Rücksicht auf ein Urteil ?


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02.10.2019 um 00:13
@Skupin

Im Gesetzestext heißt es:
Zitat von AndanteAndante schrieb:(3)Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind.
Also verjährt danach eine Tat ohne Rücksicht auf einen wegen Unterbrechung eingetretenen Neubeginn der Verjährung spätestens dann, wenn seit Beginn der Verjährungsfrist, also nach Tatbeendigung/Eintreten des Taterfolges, die doppelte Verjährungsfrist verstrichen ist, hier also 60 Jahre nach Ursulas Tod.

Das ist hier natürlich eine sehr lange Frist. Die reguläre Verjährungsfrist der meisten Straftaten ist sehr viel kürzer als dreißig Jahre. Da stellt sich schon mal die Frage, ob die doppelte Frist nach Unterbrechung ausreicht, wenn innerhalb dieser doppelten Frist kein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Da greift dann § 78 b Abs. 3 StGB wonach dann, wenn vor Ablauf der (doppelten) Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen ist, die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt abläuft, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Aber das führt jetzt zu weit vom Fall Mazurek weg, da diese Konstellation dort nicht vorliegt.


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2r2n ehemaliges Mitglied

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02.10.2019 um 06:48
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich weiß ja nicht, wer warum in welchem Zusammenhang das „Argument“ mit der Verjährung gebraucht hat
Das kam regelmäßig in der Presse. Vermutlich aus Unkenntnis, wie so vieles in der Medienlandschaft.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem.
Ist die Definition von "Unterbrechung" festgelegt?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 08:25
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das habe ich schon mal versucht zu erklären. Das Gericht musste eben entscheiden, ob genug Anhaltspunkte dafür vorliegen, Mazurek wegen vorsätzlichen Mordes nach § 211 StGB zu verurteilen oder ob nach § 239 a StGB zu verurteilen ist, wo zwar der erpresserische Menschenraub selbst (Abs. (1) vorsätzlich sein muss, der dadurch eingetretene Tod des Opfers aber dann nicht vorsätzlich, sondern (nur) „leichtfertig“ (als gesteigerte Form von Fahrlässigkeit) verursacht worden sein muss (Abs. 3).
Daher zwei Fragen:

1. Herr Mazurek wurde von der StA nicht wegen Mordes Angeklagt. Gilt die Forderung der Nebenklage auch als Anklage?

2. Hätte das Gericht Herrn Mazurek auch wegen Mordes verurteilen können, auch wenn er nur wg. erpr. Menschenraub m. Todesfolge angeklagt ist?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 10:01
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:2. Hätte das Gericht Herrn Mazurek auch wegen Mordes verurteilen können, auch wenn er nur wg. erpr. Menschenraub m. Todesfolge angeklagt ist?
Ja, das hätte es können. Nicht selten ergibt sich ja erst aus dem Verlauf der Hauptverhandlung, dass statt aufgrund desselben Lebenssachverhalts statt des angeklagten Delikts ein anderer Straftatbestand in Betracht kommt. Dann muss das Gericht aber den Angeklagten auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts natürlich hinweisen, damit er sich weiter angemessen verteidigen kann, § 265 StPO.

SpoilerStrafprozeßordnung (StPO)
§ 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage (Auszug).

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:1. Herr Mazurek wurde von der StA nicht wegen Mordes Angeklagt. Gilt die Forderung der Nebenklage auch als Anklage?
Der Nebenkläger kann sich der Anklage der StA nur anschließen, selber anklagen kann er nicht. Er kann aber natürlich im Prozess seine Meinung vertreten, dass das Gericht die Sache als Mord anstatt, wie angeklagt, als Menschenraub mit Todesfolge ansehen müsse. Schließt sich das Gericht dieser Meinung an, muss es halt den Hinweis nach § 265 StPO erteilen. Was der Nebenkläger alles darf und was nicht, ist im einzelnen in §§ 395 bis 402 StPO geregelt.


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02.10.2019 um 10:21
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Ist die Definition von "Unterbrechung" festgelegt?
In https://dejure.org/gesetze/StGB/78c.html ist ein Katalog von 12 möglichen Handlungen festgelegt, jede dieser Handlung führt zur Unterbrechung der Verjährung.

Es gibt ausserdem noch § 78 (4) StPO, der festlegt
(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht
Der BGH hat dazu ausgeführt, dass eine solche Handlung nicht für andere Personen gilt, zB "unbekannte Täter". Im konkreten Fall nur für Mazurek.
a) Die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung wirkt gemäß § 78c Abs. 4 StGB nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht. Daraus folgt, dass nur eine gegen eine bestimmte Person gerichtete, nicht aber eine die Ermittlung des noch unbekannten Täters bezweckende Untersuchungshandlung geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen (vgl. BGHSt 42, 283, 287 mwN). Der Täter muss im Zeitpunkt der Unterbrechungs-handlung "der Person nach" bekannt sein, d. h. er muss - wenn auch nicht unter zutreffenden Namen - als Tatverdächtiger in den Akten genannt sein (vgl. BGH GA 1961, 239, 240; BGHR StGB § 78c Abs. 1 Beschuldigter 1; BGHSt 24, 321, 323; 42, 283, 290; BGH, Beschluss vom 6. März 2007 - KRB 1/07, NStZ 2008, 158, 159). Eine Untersuchungshandlung in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt genügt dagegen zur Verjährungsunterbrechung nicht (vgl. RGSt 6, 212, 214; BGHSt 2, 54, 55; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 78c Rn. 4; Rosenau in Satz-ger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 78c Rn. 5; Rudolphi/Wolter in SK-StGB, 8. Aufl., § 78c Rn. 6; Schmid in LK, StGB, 12. Aufl., § 78c Rn. 3).
BGH, Beschl. v. 29.01.2013 – 2 StR 510/12 - NJW 2013, 1174 – StV 2013, 508

Gruß EK


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02.10.2019 um 10:23
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Ist die Definition von "Unterbrechung" festgelegt?
Die Definition der Unterbrechungswirkung ergibt sich aus dem Gesetzestext, wonach nach jedem Unterbechungstatbestand in Bezug auf den konkreten Beschuldigten die Verjährung ganz neu zu laufen beginnt.

Es gibt auch noch das Ruhen der Verjährung nach § 78 b StPO. Ruhen bedeutet dort, dass die Verjährungsfrist durch einen meist länger andauernden Ruhenstatbestand gestoppt wird und der Rest der Verjährungsfrist erst weiter abläuft, wenn das Ruhen beendet ist. Hier führt das Ruhen also nicht dazu, dass danach die Verjährung wieder neu zu laufen beginnt.


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02.10.2019 um 10:31
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Der BGH hat dazu ausgeführt, dass eine solche Handlung nicht für andere Personen gilt, zB "unbekannte Täter". Im konkreten Fall nur für Mazurek.
Genau. Der BGH hat nur weiter ausgeführt, was ohnehin im Gesetz, hier in § 78 c Abs. 4 StPO, steht.

Da in bezug auf unbekannte Täter keine Maßnahmen ergriffen wurden, die gesetzlich zu einer Unterbrechung der Verjährung ihnen gegenüber geführt haben, ist für diese unbekannten Personen die normale dreißigjährige Verjährungsfrist im Jahre 2011 abgelaufen.

Unterbrechungswirkung ist hier nur in Bezug auf Mazurek eingetreten, weil innerhalb der dreißigjährigen Verjährungsfrist gegen ihn ermittelt und er angeklagt wurde.


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02.10.2019 um 10:37
Edit:
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich weiß ja nicht, wer warum in welchem Zusammenhang das „Argument“ mit der Verjährung gebraucht hat
Das waren meines Wissens Mazurek und J. bei ihrem abgehörten Telefongespräch. J. behauptete die Tat wäre nicht verjährt, Mazurek "doch, doch, nach 30 Jahren ist Schicht." Kein Wunder. Die verschachtelten Verjährungsvorschriften gehören zu den komplizierteren Materien im Strafrecht.


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02.10.2019 um 11:00
@ErwinKöster
@Andante
Habe ich das richtig verstanden: Wenn Ermittlungen aufgenommen werden in Bezug auf einen schon zuvor einmal in den Akten aufgeführten Tatverdächtigen, führt das zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist. Nach der Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Also hier: WM war schon in den Akten, 2007 (erneute) Ermittlung, daher Unterbrechung der Frist. Beginnt dann die neue Frist, egal ob die Ermittlungen erfolgreich sind? Also galt für WM ab 2007 eine Verjährungsfrist bis 2037 und das auch, wenn keine Anklage gegen ihn erhoben worden wäre?
Ich finde das schon einen wichtigen Punkt, denn nicht nur WM hat in seinem unglückseligen „Betriebsunfall“-Telefonat darüber gerätselt, warum plötzlich so viel Ermittlungsdruck aufkam. Aber was ich nicht verstehe: wenn die Fristunterbrechung nur für den jeweiligen TV gilt, war es ja doch notwendig, einen bereits aufgeführten TV erneut hervorzukramen um die Verjährung zu stoppen. D.h. die StA hatte viel Zeit bei WM, aber vier Jahre Zeit, bis die Tat endgültig verjährte.


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02.10.2019 um 13:14
Zitat von panta_rheipanta_rhei schrieb:Habe ich das richtig verstanden: Wenn Ermittlungen aufgenommen werden in Bezug auf einen schon zuvor einmal in den Akten aufgeführten Tatverdächtigen, führt das zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist.
Da muss man ganz präzise sein: Nur die abschließend in § 78 c Abs. 1 StGB genannten insgesamt zwölf Tatbestände führen zur Unterbrechung der Verjährung gegenüber einem konkreten Verdächtigen/Beschuldigten. Darüber hinaus gehende Unterbrechungstatbestände sind gesetzlich nicht vorgesehen. Im Gesetz steht auch nicht, dass Ermittlungen gegen den Beschuldigten erfolgreich sein müssen, um zu einer Unterbrechung zu führen.

Wann was von diesen zwölf Unterbrechungstatbeständen bei Mazurek wann genau war, ergibt sich aus den Akten. Jedenfalls ist schon länger vor Ablauf der Verjährungsfrist in 2011 im Fall Mazurek mindestens ein Unterbrechungstatbestand vorhanden gewesen.
Zitat von panta_rheipanta_rhei schrieb:Beginnt dann die neue Frist, egal ob die Ermittlungen erfolgreich sind? Also galt für WM ab 2007 eine Verjährungsfrist bis 2037 und das auch, wenn keine Anklage gegen ihn erhoben worden wäre?
Wie @ErwinKöster schon schrieb, stellen Verjährungsfragen im Strafrecht eine komplizierte Materie dar. Wer sich davon einen kleinen Eindruck verschaffen will, muss nur mal einen Blick in die Entscheidung des BGH vom 10.11.2016 (4 StR 86/16) werfen.
Ohne Gewähr für die absolute Richtigkeit möchten ich deine Frage daher wie folgt beantworten: Der zeitlich erste Unterbrechungstatbestand hätte, wenn er in 2007 war, zunächst zur Unterbrechung der 30jährigen Verjährungsfrist und zum Neubeginn der Verjährung geführt, so dass richtig die Verjährung 2037 enden würde. Nun können aber später weitere Unterbrechungstatbestände eingetreten sein, etwa die Erhebung der öffentlichen Klage (also die Anklage) nach § 78 c A.s. 1 Nr. 6 StGB oder jede Anberaumung einer Hauptverhandlung (§78 c Abs. 1 Nr. 8 StGB). Wären diese neuen Unterbrechungen erst in 2008 oder später eingetreten, würde die Verjährungsfrist ab da dann eben neu begonnen haben und folglich erst in bis 2038 bzw. später abgelaufen sein. Theoretisch hätte das immer so weitergehen können.

Allerdings ist in § 78 c Abs. 3 Satz 2 StPO eine absolute Höchstgrenze der Verfolgungsverjährung (nicht zu verwechseln mit der auch existierenden Strafvollstreckungsverjährung) vorgesehen, die das Doppelte der Verjährungsfrist beträgt und mit der Tatbegehung/dem Eintritt des Taterfolges beginnt. Ab Tatbegehung in 1981 wäre also die doppelte 30jährige Verjährungsfrist hier allerspätestens in 2041 abgelaufen ohne Rücksicht darauf, ob etwaige Unterbrechungstatbestände zu einem Ablaufen der Verjährung erst nach 2041 geführt hätten.


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02.10.2019 um 14:32
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das habe ich schon mal versucht zu erklären. Das Gericht musste eben entscheiden, ob genug Anhaltspunkte dafür vorliegen, Mazurek wegen vorsätzlichen Mordes nach § 211 StGB zu verurteilen oder ob nach § 239 a StGB zu verurteilen ist, wo zwar der erpresserische Menschenraub selbst (Abs. (1) vorsätzlich sein muss, der dadurch eingetretene Tod des Opfers aber dann nicht vorsätzlich, sondern (nur) „leichtfertig“ (als gesteigerte Form von Fahrlässigkeit) verursacht worden sein muss (Abs. 3).
Wie folgender Fall zeigt, ist es eben auch Mord, wenn man den Tod billigend in Kauf nimmt. "Vorsätzlich" ist eben gerade nicht erforderlich, dass versucht man Dir hier schon über Seiten beizubringen.

https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/bgh-urteil-wegen-mordes-durch-unterlassen-im-fall-carrie-rechtskraeftig

In diesem Fall war wohl ursächlich nur ein Unfall (wobei unter den weiteren Umständen in Wirklichkeit etwas anders gewesen sein könnte). Die alternative Tat zu Mord wäre hier ein Unterlassungsdelikt gewesen.

Im vorliegenden Fall haben die Täter sogar vorsätzlich den gefährlichen Zustand des Opfers herbei geführt (wie ist unklar geblieben). Ein Garantenstellung bestand daher ohne Zweifel. Sie haben die Gefahr auch erkannt, das zeigt das überstreckte Genick. Das einzige Problem, das besteht, ob nun das Opfer der Tod durch Ersticken in der Kiste oder durch den von den Tätern vorher bewusst verursachte gefährlichen Zustand ursächlich war. Im Verfahren gegen M ist hier eben wegen "In dubio pro reo" nach der Beweisaufnahme zugunsten Ms entschieden worden, dass die Mordmerkmale nicht erfüllt gewesen waren. Zu bedenken ist aber, dass das Opfer sich nicht mehr bewegt hatte, die Tüte lag noch auf den Knien.

Es ist daher nicht wirklich verwunderlich, dass damals das Landgericht von "sehr, sehr nahe am Mordvorwurf" gesprochen hat. Der Mordvorwurf war eben offensichtlich nicht eine rein theoretische Möglichkeit. Bei einer neutralen Sichtweise der StA hätte diese hier niemals die Verjährungseinrede bzgl. neuer Ermittlungen vorbringen dürfen, das widerspricht auch der damaligen Bemerkung des Vorsitzenden des Landesgerichts.

Die Diskussion bzgl. Verjährungsfristen führt hier daher nicht weiter. Für neue Ermittlungen und evtl. einem neuen Verfahren steht - entgegen der Behauptung der StA - die Verjährung höchstwahrscheinlich nicht entgegen. In einem neuen Verfahren könnte ein anderes Gericht unter Nutzung weitere Ermittlungsergebnisse (z.B. Zeugenaussagen o.ä.) auch die Mordmerkmale als erfüllt ansehen.

Bei der Frage, ob die StA das ursprüngliche Urteil durch die neuen Erkenntnisse als erschüttert angesehen hätte, hätte sicherlich die StA einen - wie schon @monstra sagte - einen Ermessensspielraum gehabt. Bei der Verjährungsfrage jedoch kaum, daher bleibt bei dieser "Einstellungsbegründung" ein bitterer Beigeschmack.


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02.10.2019 um 14:59
@JosefK1914-2:

Du drehst Dich im Kreis. Nochmals: Gäbe es neue Erkenntnisse, die den Tatvorwurf des Mordes begründen könnten (im Sinne eines Anfangsverdachts), könnte die Staatsanwaltschaft neu ermitteln. So lange Du nicht beispielsweise ein Geständnis eines Tatbeteiligten bringst, der zugibt, Ursula ermordet zu haben, wird es schwierig. Es reicht auch nicht, etwaige Mittäter oder Tatbeteiligte zu benennen.

Wenn a) die Staatsanwaltschaft diese Erkenntnisse nicht sieht, muss sie b) Verjährung annehmen.

Das ist so. Das mag man für ungerecht oder doof halten. Doch hinsichtlich der Tatumstände (Tod Ursulas in der Kiste) gibt es keine neuen Erkenntnisse, sondern lediglich von Anklage und Urteil abweichende Interpretationen des Tatgeschehens. Das reicht nicht.

Die Staatsanwalt müsste schon erklären, warum sie nunmehr den Tod Ursulas anders bewertet und Ermittlungen wieder aufnimmt, sonst kommt sie in arge Erklärungsnot. Ermessen bedeutet nämlich nicht Willkür. Wenn eine fahrlässige Tötung angeklagt und verurteilt wurde, kann man nicht einfach sagen, Bätschi, nun doch Mord. Ohne a) aber kein b). Punkt.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 15:05
@monstra

Ich denke, dass ich mich nicht im Kreis drehe. Ich sehe nur Behauptungen von StA nicht als unumstößlich an. Obrigkeitsglaube liegt mir fern, das sollte Dir bekannt sein. Ich habe von Dir bisher auch nicht im Ansatz eine Erklärung gehört, warum der Vorwurf nur rein theoretisch sein soll.

Ich denke, ich habe hier ausreichende Hinweise für einen Mordvorwurf genannt, nun wäre es an Dir zu begründen, warum diese nur als rein theoretisch anzusehen sind. Hier geht es nicht um die Urteilsfrage, wo "in dubio pro reo" mit entscheidend war, hier geht es um die Ermittlungen als solche, wo eben eine geringe Wahrscheinlichkeit ausreichend ist.

Ich habe leider bisher weder von Dir noch @Andante irgend welche Argumente gehört, dass der Mordvorwurf nur rein eine theoretische Möglichkeit ist.

Eine zusätzliche Frage, um der Sache vielleicht näher zu kommen: Was wäre, wenn es das Urteil gegen M nicht gäbe?


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02.10.2019 um 15:14
PS:
Zitat von monstramonstra schrieb:Die Staatsanwalt müsste schon erklären, warum sie nunmehr den Tod Ursulas anders bewertet und Ermittlungen wieder aufnimmt, sonst kommt sie in arge Erklärungsnot. Ermessen bedeutet nämlich nicht Willkür. Wenn eine fahrlässige Tötung angeklagt und verurteilt wurde, kann man nicht einfach sagen, Bätschi, nun doch Mord. Ohne a) aber kein b). Punkt.
Eine Anklage ist etwas anderes als die Aufnahme von Ermittlungen, dort muss der Grundsatz "in dubio pro reo" berücksichtigt werden. Bei der Aufnahme von Ermittlungen eben gerade nicht, denn andernfalls würde man nie Ermittlungen aufnehmen können, denn zum Zeit der Ermittlungsaufnahme gibt es in der Regel zu wenig Anhaltspunkte und man müsste die Ermittlungen dann in der Regel gleich zu Beginn wieder einstellen. Das würde jegliche Ermittlung die Grundlage entziehen.


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