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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 15:14
Zitat von roberndrobernd schrieb:Unabhängig vom Gutachten hätte der Täter folgende Kombinationsmöglichkeiten gehabt:

9,5 cm/s, Mono
9,5 cm/s, Stereo
19 cm/s, Mono
19 cm/s, Stereo

Das sind 4 Kombinationen, von denen nur eine funktioniert. Es besteht also eine Wahrscheinlichkeit von 1/4 = 25 %, dass die Täter genau diese eine Möglichkeit ausgewählt hätten.
Hier über alle Faktoren eine bedingte Wahrscheinlichkeit zu rechnen halte ich aber nicht zur Entlastung geeignet. Fakt ist, dass das Tonband diese Option anbietet und ich - auch wenn ich die goldene Zeit der Tonbandgeräte nicht bewusst erlebt habe - halte 9.5 cm/s Stereo für einen gebräuchlichen Modus,. Damit kann die Einschätzung, dass das TK248 auch weitere Modi anbietet, in denen die Tätertonfolge nicht reproduzierbar wäre, nicht als weitere Variable in eine Multiplikatorenkette einbezogen werden, um den Begriff wahrscheinlich abzuschwächen.

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21.12.2020 um 15:58
Zitat von julina32julina32 schrieb:Über die Wirksamkeit einer Anklage entscheidet demnach nur das Gericht.
Ja sicher, das tut es. Aber über die Frage, OB ÜBERHAUPT Anklage erhoben oder ob vorher das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wird, entscheidet allein die StA.

Es ging hier ja auch nicht im die Anklage insgesamt, sondern um die Frage, welche Bedeutung das Tondbandgerät für die Anklage hatte, welche Bedeutung also die Ankläger speziell dieser Frage für die Beweisführung zugemessen hatten, ob sie also von einer Anklage abgesehen hätten, wenn das Tonbandgerät nicht bei M gefunden worden und wenn es das Gutachten der Frau Dr. Boss nicht gegeben hätte, wie anscheinend der da schon pensionierte Vorsitzende Richter nach Ende des Prozesses in einem Interview vermutet hat. Was beiden weiteren Berufsrichter der Strafkammer bezüglich der Motivation der StA vermuten, wissen wir nicht, sie haben sich in Interviews bisher zu dem Prozess nicht geäußert.

Inwieweit bereits im Ermittlungsverfahren von der StA Zeugen vom Flohmarkt in Beverungen befragt worden sind und inwieweit das für die Entscheidung, ob Anklage erhoben werden soll, für die StA eine Rolle gespielt hat, ist die weitere Frage, die man nur beantworten kann, wenn man die Ermittlungsakten kennt.

Richtig ist, dass dann, wenn die StA sich zur Anklage entschlossen hat und die Anklageschrift dann beim zuständigen Gericht einreicht, im sog. Zwischenverfahren das Gericht über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung entscheiden muss. Wenn hinreichender (nicht „dringender“, der wird nur beim Haftbefehl benötigt) Tatverdacht besteht, muss das Gericht die Anklage zulassen, verneint es hinreichenden Tatverdacht, muss es das Verfahren vorläufig einstellen. Dabei darf das Gericht die Hauptverhandlung natürlich nicht vorwegnehmen,

Wenn der pensionierte Vorsitzende Richter nun also in einem Interview sagt, dass es ohne die Tonbandgeschichte „vermurlich“ nicht zu einem Verfahren gekommen wäre, meint er damit nicht die Entscheidung des Gerichts über die Zulassung der Anklage. Denn erstens darf er darüber wegen des Beratungsgeheimnisses gar nichts sagen, und zweitens braucht e nicht zu „vermuten“, denn er kennt ja die Gründe, warum das Gericht die Anklage zugelassen hat. Wenn er „vermutet“, meint er also die Anklage.


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21.12.2020 um 16:30
Zitat von AndanteAndante schrieb:Der Interpretation des Betrachters unterliegen natürlich die Äußerungen von M in den abgehörten Telefonaten. Wobei für mich nicht die Verwendung des Wortes „Betriebsunfall“ maßgebend wäre, wenngleich es für eine große Kaltschnäuzigkeit spricht, so etwas im Zusammenhang mit dem toten Kind zu erwähnen. Aber dafür wird keiner bestraft. Es ist vielmehr einerseits die sofortige Verjährungsdiskussion, gepaart mit jeder fehlenden Erwähnung, dass man zu Unrecht verdächtigt werde und doch gar nichts mit der Tat zu tun habe, die für mich ein schwerwiegendes Indiz für die Schuld von M darstellen.
Bezüglich des Aspekts der beliebigen (Um-)Deutbarkeit von Äußerungen, über den wir in den letzten Tagen sprachen: Quod erad demonstrandum. Meiner Auffassung nach ist es das Naheliegendste der Welt, dass jemand, gegen den vor fast einem Vierteljahrhundert ermittelt wurde und der nun erfährt, dass die Ermittlungen wiederaufgenommen worden sind, mit einem Bekannten über Verjährungsfristen spricht. Das ist sogar so dermaßen naheliegend, dass ich schon die Idee, daraus etwas Belastendes konstruieren zu wollen, absurd finde. Und du hältst es obendrein noch für ein schwerwiegendes (!) Indiz, dass er dabei nicht ausdrücklich seine Unschuld erwähnt? Er kann sich nach deiner Logik also nur dadurch nicht belasten, dass er sinngemäß sagt: "Ach, übrigens, damit wir es nochmal unter uns klar festgehalten haben: Ich war es nicht." Das kann doch nicht dein Ernst sein. Das wäre eine völlig unverhältnismäßige Maximalforderung gegenüber dem Abgehörten. (Übrigens gibt es Interpretationstheorien, denen zufolge gerade das Unausgesprochene das als selbstverständlich Vorausgesetzte ist, das man nicht mehr eigens erwähnen muss.)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 16:48
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Meiner Auffassung nach ist es das Naheliegendste der Welt, dass jemand, gegen den vor fast einem Vierteljahrhundert ermittelt wurde und der nun erfährt, dass die Ermittlungen wiederaufgenommen worden sind, mit einem Bekannten über Verjährungsfristen spricht. Das ist sogar so dermaßen naheliegend, dass ich schon die Idee, daraus etwas Belastendes konstruieren zu wollen, absurd finde.
Noch absurder, wenn der Beschuldigte dann davon spricht, sie, die Ermittlungsbehörden [nicht er!], würden nun nervös werden, weil Verjährung droht.

n71dpxld0xev e34156109473 Telefon S260

Und mit "Betriebsunfall" stellt M. relativ klar auf die fahrlässige Tötung und damit die Todesursache ab. Quasi fahrlässig wie ein Betriebsunfall. Da mag es den mitteleuropäischen Bildungsbürger schütteln, ein Indiz für die Schuld des M. ist das nicht.

Beitrag von monstra (Seite 375)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 16:56
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Sie richten sich mindestens ebenso sehr auf die eigenwillige Interpretation der P-Aussagen und der abgehörten Telefonate.
So ist das nun mal mit Interpretationen. Das Gericht hat im Urteil seitenlang erklärt, wie es zu den seinigen gekommen ist. Bisher lese ich als „Gegenargumente“ hier immer nur, dass „alles“ zu Lasten des armen M gewürdigt worden sei. Eine sachliche Auseinandersetzung damit, warum die Interpretationen des Gerichts haltlos sein sollen, findet nicht statt.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Die Kritiker stellen nicht in Frage, dass ein Tannenwald vorliegt, wenn nur ein paar Laubbäume da sind.
Doch. Nehmen wir etwa die Fichte mit dem angespitzten Stamm am Beobachtungsposten. Da wird erklärt, diese Fichte könne keinesfalls zu dem Zeitpunkt in den Boden gesteckt worden sein, wie das Gericht angenommen hat, da sie zum Tatzeitpunkt schon vertrocknet gewesen sein müsste.

Schön, und was soll das nun besagen? Das die Tat nicht stattgefunden hat? Dass dort kein Beobachtungsposten war?
Das Mazurek als Täter auszuschließen ist? Dass nicht eine zweite frische Fichte angespitzt und eingesteckt worden sein kann? Dass die erste und einzige Fichte etwas später als vom Gericht angenommen eingesteckt worden ist?

Es ist genau diese Art von, sorry, Korinthenkackerei, mit der versucht wird, aus Urteilsmücken Elefanten zu machen. Das Urteil wird im Ergebnis nicht falsch dadurch, dass, wie es in Indizienfällen normal ist, nicht jede Einzelheit voll aufgeklärt werden konnte. Und Mazurek scheidet als Täter nicht deshalb aus und das Urteil ist nicht deshalb falsch, weil wahrscheinlich vorhandene Mittäter nicht zu ermitteln bzw. nicht dingfest zu machen waren.

Es gibt bisher nicht ein einziges durchschlagendes Argument, das gegen M als Täter spricht, in der Gesamtschau allerdings sehr viel, das auf ihn hinweist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 17:22
Zitat von PalioPalio schrieb:Weißt du, wo Pfaffingers alte Wohnung in Schondorf war? Vielleicht hat P. die Tüte auf dem Weg zu seinem Mofa dort hinterlassen?
@ErwinKöster: Wäre das rein von den örtlichen Gegebenheiten eine Erklärung? Könnte P. auf dem Weg zu seinem Mofa die Tütenmaske dort deponiert haben? Ich nehme an, er hat irgendwo am nördlichen Rand von Schondorf gewohnt?


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21.12.2020 um 17:25
@Rationalheld

Dass man darüber spricht, zu wieviel Jahren „wir“ möglicherweise „für den „Scheiß“ verurteilt werden, ob „wir“ da zu Guillotine verurteilt werden oder vielleicht auch nur wegen Dummheit, und dass man das wegen der Verjährung „in unserem Fall“ wissen sollte, hältst du also für völlig normal, wenn ein Unschuldiger beteiligt ist?
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Das wäre eine völlig unverhältnismäßige Maximalforderung gegenüber dem Abgehörten
Ich rede nicht von Maximalforderungen. nicht mal von Forderungen. Ich rede darüber, wie das, was im Urteil an wörtlicher Rede zwischen den Beteiligten wiedergegeben ist, bei lebensnaher Betrachtung zu bewerten ist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 17:47
Ich sehe hier schon einen belastenden Wir-Bezug: "... für den der Scheiß, .. noch dazu in unserem Fall, ... verurteilt wg. Dummheit" Das kann jeder anders sehen z.B. "die machen sich doch nur Gedanken, weil sie unschuldig beschuldigt werden". Ist Interpretationssache.
Nachdem der Mitangeklagten im weiteren Verlauf dieses Gesprächs auch noch die Vollstreckungsverjährung erörtert hat, entwickelt sich folgender Dialog:

"Wir sind ja aber nicht verurteilt, verstehst du.

“I; „Mmh!.“„Also würde für uns ... die Verfolgungsverjährungsfrist, der Paragraph 78 eintreten."

.|zitiert sodann nochmals die Verjährungsfristen und die Vorschrift des erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge:
Und dann kommt der Absatz 3. Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafel ebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren.

„Also 30 Jahre.“„ Also des heißt, die Verfolgungsverjährung bedeutet hier, da man ja nicht weiß, für was ist man nun verurteilt worden, über 10 oder lebenslang, beträgt die also, äh, äh, 30 Jahre.

“„Gut, gut!“

|; „Gut, wir wissen Bescheid. Mmh!“

I* „Wir wissen Bescheid, ja !“

\: „Alles klar. Sollte man natürlich vorab wissen, für was man verurteilt wird', krieg ma also nur 15 Jahre für den Scheiß, äh, wär es nach 20 Jahren verjährt.“

|; „Ja, da wir aber nicht wissen, zu was man eigentlich verurteilt wird, noch dazu in unserem Fall, verstehst du?“

Jal“

\: „Werden wir höchstwahrscheinlich, was weiß ich, zur Guillotine verurteilt oder nö, du weißt ja wie des ist.

“„Vielleicht werma ja auch nur für Dummheit verurteilt.
Quelle: Urteil S.259


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 18:26
Zitat von AndanteAndante schrieb:Rationalheld schrieb:
Sie richten sich mindestens ebenso sehr auf die eigenwillige Interpretation der P-Aussagen und der abgehörten Telefonate.

So ist das nun mal mit Interpretationen. Das Gericht hat im Urteil seitenlang erklärt, wie es zu den seinigen gekommen ist. Bisher lese ich als „Gegenargumente“ hier immer nur, dass „alles“ zu Lasten des armen M gewürdigt worden sei. Eine sachliche Auseinandersetzung damit, warum die Interpretationen des Gerichts haltlos sein sollen, findet nicht statt.
Ich habe gerade eine solche sachliche Auseinandersetzung in Bezug auf die Abhöraktion versucht. Dass das Gericht seine Interpretationen seitenlang begründet, ist doch kein Qualitätsmerkmal. Oder was willst du uns mit dem Adjektiv sagen?

Die Gegenargumente richten sich sehr wohl in der Sache auf bestimmte Details und nicht nur darauf, dass "alles zu Lasten von Mazurek" gelaufen sei. Aber gerade diese Detailkritik lässt du ja auch nicht gelten (s.u.).
Zitat von AndanteAndante schrieb:Rationalheld schrieb:
Die Kritiker stellen nicht in Frage, dass ein Tannenwald vorliegt, wenn nur ein paar Laubbäume da sind.

Doch. Nehmen wir etwa die Fichte mit dem angespitzten Stamm am Beobachtungsposten. Da wird erklärt, diese Fichte könne keinesfalls zu dem Zeitpunkt in den Boden gesteckt worden sein, wie das Gericht angenommen hat, da sie zum Tatzeitpunkt schon vertrocknet gewesen sein müsste.

Schön, und was soll das nun besagen? Das die Tat nicht stattgefunden hat? Dass dort kein Beobachtungsposten war?
Das Mazurek als Täter auszuschließen ist? Dass nicht eine zweite frische Fichte angespitzt und eingesteckt worden sein kann? Dass die erste und einzige Fichte etwas später als vom Gericht angenommen eingesteckt worden ist?
Dass eine Annahme des Gerichts nicht stimmt. Nur das. (Vorbehalt: Ich selbst habe dieses Argument noch nicht geprüft.) So wie andere Annahmen des Gerichts ebenfalls nicht stimmen. Du drehst den anderen immer einen Strick daraus, dass sie einzelne Indizien zerlegen, und weist darauf hin, dass das die Gesamtschau nicht verändern muss. Du forderst implizit ein Einzelindizdiskussionsverbot. Das ist nicht fair, denn man kann ja nur Indiz für Indiz durchgehen und nie alle gleichzeitig besprechen. Und wenn (ich betone: wenn) man viele falsche Annahmen (nicht bloß Unstimmigkeiten o.Ä.) entdeckt, taucht doch logischerweise irgendwann die schon von @robernd gestellte Frage auf, was dies wiederum für die ominöse Gesamtschau eigentlich bedeutet. Du drehst es um: Da ja schon eine Gesamtschau existiert, aus der die Schuld Mazureks hervorgeht, ist es irrelevant, dass dieses oder jenes Indiz wacklig ist. Die Gesamtschau selbst gerät nie ins Wanken, egal wie viele Indizien es vielleicht tun. Du darfst dich nicht wundern, wenn Menschen hierin ein logisches Problem sehen.

Das mit den Tannen und Laubbäumen war übrigens eine von dem zitierten Nutzer ins Spiel gebrachte Metapher. Du hättest also nicht unbedingt auf Fichten zu sprechen kommen müssen. ;-)

Des Weiteren entgegnest du immer wieder, dieses oder jenes sei kein Beweis für Mazureks Unschuld. Ich vermute, du tust dies vor dem Hintergrund irgendwelcher Wiederaufnahmebedingungen. Ich weiß es nicht. Ich kann nur für mich sprechen: Als nicht-juristischer Erkenntnissuchender geht es mir allein um die Frage, ob es angesichts des vorliegenden Materials rational vertretbar ist, Mazurek für den Täter zu halten. Dass seine Unschuld irgendwie erwiesen werden könnte, halte ich für nahezu ausgeschlossen und - erkenntnismäßig - irrelevant. Mir genügt, dass ich nicht genügend Belastendes sehe. Ich muss auch keineswegs dogmatisch an seiner Unschuld (im Sinne von: nicht erwiesener Schuld) festhalten. Ich lasse mich jederzeit gerne eines Besseren belehren. Aber dazu brauche ich Sachargumente. Keine Pseudo-Argumente wie: das Gericht hat aber alles ausgiebig betrachtet, seitenlang begründet, alles ist formal korrekt abgelaufen und so fort. Mich interessiert, ob das, was auf formal korrektem Wege festgestellt wurde und juristisch möglicherweise irreversibel ist, der Realität entspricht. Und das ist eine empirische Frage, keine juristische. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Urteilskritiker hier im Thread eine ähnliche Motivation haben (statt der von dir oft unterstellten allgemeinen Justizirrtumslüsternheit).


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 18:33
Zitat von monstramonstra schrieb:Und mit "Betriebsunfall" stellt M. relativ klar auf die fahrlässige Tötung und damit die Todesursache ab. Quasi fahrlässig wie ein Betriebsunfall. Da mag es den mitteleuropäischen Bildungsbürger schütteln, ein Indiz für die Schuld des M. ist das nicht.
Das finde ich auch. Zumal WM mit der Wertung "brutal gesagt" seine eigene Meinung zu dem Vorfall mit einfließen lässt, was den Glauben an einen völlig gefühlskalten WM schon wieder um einiges mindert. Das reißt die Anekdote um den erfrorenen Hund auch nicht mehr heraus.
In dem 6 teiligen Podcast auf Youtube wird WM dazu befragt, und er verteidigt begründend trotzig die Einschätzung "Betriebsunfall". Dafür gäbe es 2 mögliche Erklärungen. Die Einschätzung eines rechthaberischen Außenstehenden, der falschen staatlichen Bewertung seines Falles trotzend, oder jemand der zurecht verurteilt wurde, und dem man vorhandene Empathie im Hinblick auf mildernde Umstände in seinem Strafmaß aberkannt hätte.

Erstere ist für mich dabei näherliegend.


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21.12.2020 um 18:48
Zitat von AndanteAndante schrieb:Rationalheld schrieb:
Das wäre eine völlig unverhältnismäßige Maximalforderung gegenüber dem Abgehörten

Ich rede nicht von Maximalforderungen. nicht mal von Forderungen. Ich rede darüber, wie das, was im Urteil an wörtlicher Rede zwischen den Beteiligten wiedergegeben ist, bei lebensnaher Betrachtung zu bewerten ist.
Du hältst deine Betrachtungsweise für lebensnah, ich die meine. Wir führen aber offenbar sehr unterschiedliche Leben. Ich habe diese Verjährungsfrist-Sache auch nur noch einmal gebracht, um auf das leidige Interpretationsabhängigkeitsproblem hinzuweisen sowie darauf, dass ich es bedauerlich finde, dass dieses im vorliegenden Fall so häufig und zentral ist und mithin jemand aufgrund lebensnaher Betrachtungsweisen lebenslang in den Knast muss.

Mit dem "zu bewerten ist" erhebst du deine subjektive Deutung übrigens ganz beiläufig wieder in den Stand der Objektivität.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 18:56
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Du hältst deine Betrachtungsweise für lebensnah, ich die meine. Wir führen aber offenbar sehr unterschiedliche Leben. Ich habe diese Verjährungsfrist-Sache auch nur noch einmal gebracht, um auf das leidige Interpretationsabhängigkeitsproblem hinzuweisen sowie darauf, dass ich es bedauerlich finde, dass dieses im vorliegenden Fall so häufig und zentral ist und mithin jemand aufgrund lebensnaher Betrachtungsweisen lebenslang in den Knast muss.
Ich glaube die Juristen hier setzen vielmehr auf die Gesetzmäßigkeit im Einklang mit der eigenen Ratio, dass sich vier Richter bei ihrer
persönlichen Interpretation, Bewertung innerhalb ihrer Gesamtschau gar nicht dermaßen irren (in Richtung eines Fehlurteils) können.
Zumindest war doch ein Richter da anderer Auffassung, oder irre ich mich da?

Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher dass sich gegen den "anfangsverdächtigen" HW eine ebenfalls ähnlich überzeugende Indizienkette hätte ergeben können, die ja laut KHK E schon in der Mache war.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 19:02
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Als nicht-juristischer Erkenntnissuchender geht es mir allein um die Frage, ob es angesichts des vorliegenden Materials rational vertretbar ist, Mazurek für den Täter zu halten. Dass seine Unschuld irgendwie erwiesen werden könnte, halte ich für nahezu ausgeschlossen und - erkenntnismäßig - irrelevant. Mir genügt, dass ich nicht genügend Belastendes sehe.
Das sind dann eben die Unterschiede. Ich halte es rational für sehr vertretbar, M für den Täter zu halten. Du siehst dafür nicht genügend Belastendes. Damit muss es dann gut sein. Es muss ja auch nicht jeder Diskutant der gleichen Meinung sein.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Mich interessiert, ob das, was auf formal korrektem Wege festgestellt wurde und juristisch möglicherweise irreversibel ist, der Realität entspricht. Und das ist eine empirische Frage, keine juristische.
Das ist, jedenfalls im ersten Schritt, keineswegs eine juristische Frage. Die juristische Bewertung kann nur und erst dann erfolgen, wenn der Sachverhalt als solcher festgestellt ist. Und zur Sachverhaltsfeststellung gehört nicht nur die Beweiserhebung als solche, also die Anhörung von Sachverständigen und Zeugen etwa, sondern auch die Beweiswürdigung, also was man durch diese Anhörungen als bewiesen ansehen will und kann und was nicht. Das ist immer Interpretation.

Und das hat noch gar nichts mit irgendwelchen juristischen Fragen zu tun, sondern bloß damit, was als festgestellter Sachverhalt gelten kann und was nicht. ZB ob M ein Alibi hat oder nicht, ob er Schulden hatte, ob er P beauftragt hat, das Loch zu graben, ob er Ursula als Opfer ausgesucht hat, ob das Klebeband am Klingeldraht mit dem in der Kiste identisch ist, ob das aufgefundene Fernglas M gehörte. ob er Ursulas Wege ausgekundschaftet hat etc. pp.

Und ob und was man davon als bewiesen ansehen will: da scheiden sich hier halt die Geister.


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21.12.2020 um 19:03
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es gibt bisher nicht ein einziges durchschlagendes Argument, das gegen M als Täter spricht
Es muss ja nun auch niemand vor Gericht seine Unschuld beweisen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:in der Gesamtschau allerdings sehr viel, das auf ihn hinweist.
Was sollen denn dieses "sehr viel" sein? Wir haben die Konfabulation eines schwer Suchtkranken und ein offenbar falsches Tonbandgutachten.

Und einen Angeklagten, mit dem offenbar nicht viele hier gerne mal ein Bier trinken gehen würden. Aber die Frage einer Verurteilung darf nicht - so menschlich das auch sein mag - vom A...-Faktor eines Angeklagten abhängen.


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21.12.2020 um 19:07
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Was sollen denn dieses "sehr viel" sein? Wir haben die Konfabulation eines schwer Suchtkranken und ein offenbar falsches Tonbandgutachten.
So leicht darf man es sich halt nicht machen und den Komplex P von vornherein als Fabulation bezeichnen. Zugegeben, Alibi und Komplex P sind im Urteil umfangreich dargestellt, und die Auseinandersetzung damit ist mühsam, allein weil dazu viele Zeugen vernommen wurden, mit deren Aussagen man sich halt AUCH befassen muss. Ich sehe nicht, dass das hier in irgendeiner Weise stattfindet bzw. daran Interesse besteht. Ich möchte wetten, dass die meisten die Passagen zum Alibi und zu P gar nicht vollständig gelesen haben.


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21.12.2020 um 19:08
Zitat von AndanteAndante schrieb:Eine sachliche Auseinandersetzung damit, warum die Interpretationen des Gerichts haltlos sein sollen, findet nicht statt.
Jetzt komm. Hier setzt man sich sehr wohl sachlich damit auseinander. Wenn Du anderer Auffassung bist, kannst Du die Sachlichkeit den hier recht ernsthaft vorgebrachten Argumenten nicht absprechen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es gibt bisher nicht ein einziges durchschlagendes Argument, das gegen M als Täter spricht, in der Gesamtschau allerdings sehr viel, das auf ihn hinweist.
Gut, das ist jetzt die Sicht eines Wiederaufnahmegerichts. Wenn es aber eine Gesamtschau des Gerichts war, die zur Verurteilung geführt hat, kann diese bei genauerer Betrachtung durchaus Risse bekommen. Und wenn sogar Ermittler ihre Zweifel hatten, was ja nicht so oft vorkommt, dann stand diese Verurteilung - vielleicht, ich bin da vorsichtig, weil ich nur das Urteil und ein paar Aktenauszüge kenne - auf wackeligen Beinen.

Viel ist, da gebe ich Dir Recht, eher unwesentlich, aber die Aussage des verstorbenen P., das Tonband-Gutachten und die Abhörprotokolle, die waren wesentlich. Und wenn ich mir die näher ansehe, möchte ich niemanden verurteilen, weil ich sonst schlecht schlafen würde.

Das interessiert für eine Wiederaufnahme nicht, § 359 Nr. 5 StPO ist wie er ist. Aber weil er so ist, muss das Urteil nun mal nicht in Stein gemeißelt sein, was den historischen Sachverhalt anbelangt.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich rede darüber, wie das, was im Urteil an wörtlicher Rede zwischen den Beteiligten wiedergegeben ist, bei lebensnaher Betrachtung zu bewerten ist.
Wie bewertest Du es also die folgenden Aussagen?
Zitat von monstramonstra schrieb am 17.12.2020:Auf S. 258 spricht M. vom Täter in der dritten Person und weiß nicht, warum die Entführung gescheitert ist:

Mazurek W.: „Sonst hätt' er sich nicht so ‘ne Mühe gegeben, dann is‘ halt irgendwas anderes schiefgegangen, also...“.
Oder: "Ja, die wern jetzt nervös, die 30 Jahre sind bald rum"

Das lässt mich schon sehr zweifeln. Und wenn ich dann noch um den für Bayern typischen Verurteilungswillen weiß (deshalb war das auch Thema), dann zweifle ich halt noch ein bisschen mehr. Das reicht nicht für ein "Fehlurteil", dafür bräuchten wir dann schon ein durchschlagendes Argument.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 19:10
Zitat von julina32julina32 schrieb:Ich glaube die Juristen hier setzen vielmehr auf die Gesetzmäßigkeit im Einklang mit der eigenen Ratio, dass sich vier Richter bei ihrer persönlichen Interpretation, Bewertung innerhalb ihrer Gesamtschau gar nicht dermaßen irren (in Richtung eines Fehlurteils) können.
Vor allem irrt sich die bayerisch Justiz nie. Niemals.


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21.12.2020 um 19:13
Zitat von julina32julina32 schrieb:Zumindest war doch ein Richter da anderer Auffassung, oder irre ich mich da?
Die Abstimmumg ist geheim. Er wurde verurteilt also haben mindestens 4 der 5 Richter mit "schuldig" gestimmt. Wie der 5. Tichter entschieden hat, weiß man nicht.
Zitat von monstramonstra schrieb:Wie bewertest Du es also die folgenden Aussagen?
Aber eben auch:

„Ja, da wir aber nicht wissen, zu was man eigentlich verurteilt wird, noch dazu in unserem Fall, verstehst du?“

...

„Vielleicht werma ja auch nur für Dummheit verurteilt".


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

21.12.2020 um 19:20
Zitat von monstramonstra schrieb:Vor allem irrt sich die bayerisch Justiz nie. Niemals.
Hatte die entsprechende Justizministerin zum Fall Mollath in einem Interview etwa auch den Begriff "Betriebsunfall" verwendet?
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Die Abstimmumg ist geheim. Er wurde verurteilt also haben mindestens 4 der 5 Richter mit "schuldig" gestimmt. Wie der 5. Tichter entschieden hat, weiß man nicht.
Stimmt.


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21.12.2020 um 19:22
Zitat von monstramonstra schrieb:Gut, das ist jetzt die Sicht eines Wiederaufnahmegerichts.
Nein, das ist schon die Sicht eines Tatsachengerichts. Und ich kann dem Urteil durchaus folgen.
Zitat von monstramonstra schrieb:Vor allem irrt sich die bayerisch Justiz nie. Niemals.
Ein sehr sachliches Argument, was natürlich voll geeignet ist, die Unschuld von M zu beweisen.
Zitat von monstramonstra schrieb:Wie bewertest Du es also die folgenden Aussagen?
monstra schrieb am 17.12.2020:
Auf S. 258 spricht M. vom Täter in der dritten Person und weiß nicht, warum die Entführung gescheitert ist:

Mazurek W.: „Sonst hätt' er sich nicht so ‘ne Mühe gegeben, dann is‘ halt irgendwas anderes schiefgegangen, also...“.
Oder: "Ja, die wern jetzt nervös, die 30 Jahre sind bald rum"
Möglich ist, dass da von dem Mittäter die Rede ist. Und dass er seine Einschätzung darüber kundtut, warum sich die Ermittler wieder bei ihm gemeldet haben, halte ich für nicht weiter relevant.
Zitat von monstramonstra schrieb:nd wenn ich dann noch um den für Bayern typischen Verurteilungswillen weiß
Was du alles welßt...


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