Gerd Michael Straten - Obdachloser auf Koblenzer Hauptfriedhof geköpft

CaiaLia schrieb:Straten hat hier wirklich versucht, sich ein soziales, wie bürgerliches Leben zu erhalten. Allein damit grenzt er sich schon von 99% des Milieus ab.

Aber keiner romantisiert oder idealisiert Obdachlosigkeit. Es ist ein brutaler Kampf ums Überleben; jeden Tag. Und er wird immer brutaler.
Fakt ist aber: es kann jeden treffen.

Sehe ich genauso. Dem gesamten Beitrag ist nichts hinzuzufügen.

CaiaLia schrieb:Aber keiner romantisiert oder idealisiert Obdachlosigkeit.

Es geht nicht um die Obdachlosigkeit die man idealisiert, sondern dass Herr Straten hier teilweise als so eine Art intellektueller Aussteiger gesehen wird, der ja eigentlich morgen am Tag in ein "bürgerliches" Leben zurückgekonnt hätte und nur auf der Straße lebte, weil er so ein origineller Typ war der halt geistig und persönlich unabhängig sein wollte.

Und das glaube ich nicht, eben weil, wie Du ja ausdrücklich schreibst, das Leben auf der Straße kein Zuckeschlecken ist und man das freiwillig macht, weil man lieber in die Bibliothek gehen will anstatt jeden Morgen ins Büro.

Sondern dass er sich eben seine Situation schöngeredet hat, wenn er davon sprach, jetzt bald wieder einen "Kunsthandel" aufzumachen. So wie eben ein Alkoholiker davon spricht, er könne jederzeit aufhören zu trinken.

Dass er es trotz allem bewundernswerter weise geschafft hat, sich aufrecht zu halten und nicht ganz unter die Räder zu kommen steht auf einem anderen Blatt.

brigittsche schrieb:so eine Art intellektueller Aussteiger

Naja, das ist dann wohl deiner Interpretation geschuldet.

Schängel schrieb:Naja, das ist dann wohl deiner Interpretation geschuldet.

Dann lies mal weiter oben, was da so teilweise geschrieben wurde und da finde ich dann u. A. auch einen Beitrag von Dir:

Schängel schrieb am 04.12.2023:Aber wenn man sich wie Straten dieses Ziel des Wiedereinstiegs in diese Branche setzt, dann ist man niemandem etwas schuldig. Er wollte es (hat wohl darüber nachgedacht), hat es aber dann bis 2018 nicht umsetzen können, hätte aber vielleicht später doch noch irgendwas solideres an bezahlter Beschäftigung gefunden. Und es ist mehr beim "Gründen" zu beachten als beim "nicht trinken". Man will ja dann nicht gleich wieder scheitern. Die Aufenthalte in der Bibliothek sollten ihm womöglich diesen Weg erleichtern. Wir nicht, aber die Ermittler kennen vielleicht seine Ausleihkontodaten. Vielleicht Bücher über Kunst und dergleichen, und Bücher zur Gründung und Finanzierung von solchen Läden.

Ist klar: Ich lebe zehn Jahre auf der Straße, aber wenn ich nur ein paar Bücher lese und mir einen Job suche, dann bin ich ja schon wieder so gut wie ein selbständiger Kunsthändler auf der TEFAF.

Fragt sich eben nur, warum ich zehn Jahre auf der Straße lebe wenn das so einfach geht....

brigittsche schrieb:dann bin ich ja schon wieder so gut wie ein selbständiger Kunsthändler auf der TEFAF

Ich denke, deine Botschaft ist rüber gekommen.

brigittsche schrieb:Es geht nicht um die Obdachlosigkeit die man idealisiert, sondern dass Herr Straten hier teilweise als so eine Art intellektueller Aussteiger gesehen wird, der ja eigentlich morgen am Tag in ein "bürgerliches" Leben zurückgekonnt hätte und nur auf der Straße lebte, weil er so ein origineller Typ war der halt geistig und persönlich unabhängig sein wollte.

brigittsche schrieb:Sondern dass er sich eben seine Situation schöngeredet hat, wenn er davon sprach, jetzt bald wieder einen "Kunsthandel" aufzumachen. So wie eben ein Alkoholiker davon spricht, er könne jederzeit aufhören zu trinken.

Hm…ich weiß nicht, ob das hier jemand so sieht oder er sich selbst so empfunden hat. Möglich.
Zumindest hatte er „Träume“, wie realistisch oder realitätsnah die waren…who knows.

Aber natürlich hast du Recht…Jahre obdachlos zu sein und von einen auf den anderen Tag wieder Wohnung, Job usw., weil man ja könnte, wenn man wollte. Da ist Schönfärberei dabei, zweifellos.
Wobei Straten natürlich einen ihn unterstützenden Freundeskreis hatte. Ein Vorteil.
Allerdings zeugt ja die Tatsache, dass er über Jahre obdachlos war, dass es doch nicht so einfach ist, im „bürgerlichen“ Leben wieder Fuß zu fassen, sonst hätte er es wohl schon früher getan oder seine Freunde dahingehend um Hilfe gebeten.

Vielleicht prallen hier eben Illusionen auf Wirklichkeit und letztere wird relativiert und/oder ausgeblendet. Passiert ja häufig.

Wer von der Straße wegmöchte, der braucht einen langen Atem, Durchhaltevermögen und muss bereit sein, sich, ggf. über Jahre hinweg, einzuschränken, an Regeln halten usw.
Und, da bin ich ehrlich: so erschien mir Straten, in den ganzen Darstellungen über ihn und dem Mord an ihm nicht. Aber das ist nur mein persönlicher Eindruck.

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brigittsche schrieb:nur auf der Straße lebte, weil er so ein origineller Typ war der halt geistig und persönlich unabhängig sein wollte.

Wenn man seinen Weg nach der Geschäftsaufgabe und "Rettungsversuche" in Mietwohnungen verfolgt, kommt man zu anderen Schlüssen.

Finde das befremdlich, Behauptungen aufzustellen, die seiner Person nicht würdig sind und nach dem brutalen Mord an ihm jetzt wahrscheinlich ohne sich mit ihm tiefergehend beschäftigt zu haben, hier rein rotzt. Damit bist nicht hauptsächlich du gemeint.

Philipp54 schrieb:Wenn man seinen Weg nach der Geschäftsaufgabe und "Rettungsversuche" in Mietwohnungen verfolgt, kommt man zu anderen Schlüssen.

Das entspricht auch meiner Ansicht, ich teile diese Auffassung.

CaiaLia schrieb:Fakt ist aber: es kann jeden treffen

Nicht diesen Satz vergessen.

Philipp54 schrieb:Finde das befremdlich

Es zieht sich durch den ganzen thread. Es ist unerträglich.

Philipp54 schrieb:ohne sich mit ihm tiefergehend beschäftigt zu haben,

Und das ist die Voraussetzung, bevor man hier "loslegt".

Aber das ist wie dem Ochs ins Horn gesetzt.

Philipp54 schrieb:Finde das befremdlich, Behauptungen aufzustellen, die seiner Person nicht würdig sind und nach dem brutalen Mord an ihm jetzt wahrscheinlich ohne sich mit ihm tiefergehend beschäftigt zu haben, hier rein rotzt. Damit bist nicht hauptsächlich du gemeint.

Ja, dann erkläre mir doch mal warum er dann nicht wirklich wieder mit seinem Kunsthandel wieder angefangen hat? Wo Du ihn doch offensichtlich so gut gekannt hast?

Ich meine das übrigens in keiner Weise abwertend gegenüber seiner Person oder als Vorwurf. Dein Totschlagargument zieht also nicht. Da musst Du also schon echte Argumente bringen.

Ich glaube nur, dass es viele Leute gibt, die seine Situation einfach romantisieren und so tun, als hätte er das wie ein intellektueller Aussteiger gemacht, dem es einfach im bürgerlichen Leben nicht mehr gefallen hat und der jederzeit wieder zurückgekonnt hätte.

Und wenn es, wie Du schreibst,

Philipp54 schrieb:"Rettungsversuche"

gab, dann waren sie ja offensichtlich nicht erfolgreich (ganz neutral formuliert). Und das bestätigt, was ich schrieb.

brigittsche schrieb:Ja, dann erkläre mir doch mal warum er dann nicht wirklich wieder mit seinem Kunsthandel wieder angefangen hat? Wo Du ihn doch offensichtlich so gut gekannt hast?

Soweit ich mich erinnere, plante er einen Kunstkalender. Allerdings bedarf es, um mit der Kunst wieder anzufangen, auch entsprechender Investitionen und genau daran dürfte es gefehlt haben.

brigittsche schrieb:Ja, dann erkläre mir doch mal

Um das zu verstehen, wäre ein gewisses Maß an Empathie und Verständnis für solche Lebenslagen Voraussetzung. Also macht das im Grunde wenig Sinn, denke ich mal.

brigittsche schrieb:warum er dann nicht wirklich wieder mit seinem Kunsthandel wieder angefangen hat?

Weil er dort oben nachts in der Batterie von einem feigen Mörder, der wehrlose Menschen angreift und hier vermutlich sogar im Schlaf, brutal ermordet wurde.

CaiaLia schrieb:Vielleicht prallen hier eben Illusionen auf Wirklichkeit und letztere wird relativiert und/oder ausgeblendet. Passiert ja häufig.

Denke, er war sich darüber bewußt, dass es alleine aus Alters- und Gesundheitsgründen einer anderen Lösung bedurfte.
Er machte auf mich den Eindruck, dass Hilfe annehmen/ Übernachtsmöglichkeiten/ Wohnung kostengünstig für ihn bedeutete, sich abhängig zu zeigen. Ließ sein Stolz vielleicht nicht zu.

Philipp54 schrieb:Ließ sein Stolz vielleicht nicht zu.

Möglich. Auch möglich, dass er nicht von jemandem abhängig sein wollte.

Aber nur das Beispiel mit dem Kunstkalender. Damit hätte er sich auch abhängig gemacht; auch in mehrfacher Hinsicht. Das geht beim Finanziellen los.
Dazu je nach Thematik die Abhängigkeit von diesen Künstlern, die eben auch daran verdienen oder ihre Rechte vertreten sehen wollen (gemeinfrei…das würde wohl kaum besondere Einnahmen bringen, davon gibt es Tausende, weil gemeinfrei), der Druckerei und letztlich vom Vertrieb und den Käufern.

Bei seinen Jobs war er ja auch abhängig. Irgendwie wirklich unabhängig ist man auch als Obdachloser nie.
Man muss essen, man muss trinken, man möchte sich waschen, benötigt neue Kleidung und weitere Gegenstände…und das schon, auch wenn man gesund ist.
Man ist also von anderen abhängig, die, bspw. bei Straten, ihm kleine Jobs vermitteln (oder ihm die Transporter liehen)…
Kleidung, Lebens- und Hygienemittel kosten entweder Geld oder man bekommt sie bei Hilfsorganisationen…auch hier: Abhängigkeit.

Das alles hat Straten ja in gewissem Rahmen auch genutzt.

Stolz ist halt immer so eine Sache.
Und gerade bei einem Freundeskreis, wie Straten ihn wohl hatte, bzw. wie dieser medial dargestellt wurde, ist Stolz sicherlich fehl am Platze. Zudem die ja (fast?) alle wussten, dass er obdachlos ist und mi erstens einer auch, wo er schlief.

Aber ich will das nicht in Abrede stellen. Ich kenne es selbst von mir. Hilfe annehmen? Man möchte es alleine schaffen. Manchmal geht es aber nicht allein.
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Mal eine andere Frage:

Hat sich eigentlich im Laufe der Jahre an eurem „Täterbild“ oder dem vermeintlichen Motiv etwas geändert?

Ich habe mir gerade nochmal die ersten Seiten des Threads durchgelesen, da gingen die Vermutungen schon ziemlich wild durcheinander.

Von Altmetalldieben, die Straten überrascht hat, über die typischen Satanisten etc.

Hat sich bei euch da eine Theorie verfestigt oder sogar ganz verändert?

CaiaLia schrieb:Stolz ist halt immer so eine Sache.
Und gerade bei einem Freundeskreis, wie Straten ihn wohl hatte, bzw. wie dieser medial dargestellt wurde, ist Stolz sicherlich fehl am Platze. Zudem die ja (fast?) alle wussten, dass er obdachlos ist und mi erstens einer auch, wo er schlief.

Ob er immer noch auf dem Friedhof schlief, beantwortete er mit "Die Toten tun mir nichts." Er hat das geblockt und hat das wohl mehr oder weniger weg gewischt. Der Raumausstatter wußte auch wo er übernachtete, sonst hätte er ihn nicht auffinden können.
Wenn es einer aus seinem Bekanntenkreis weiß, wissen es auch viele Andere.

Die Meinung über eine mögliche Täterschaft hat sich bei mir nicht geändert.
Auch wenn das Geschäft schon lange geschlossen war, war es mehr als ein Trödelladen.

Philipp54 schrieb:Die Meinung über eine mögliche Täterschaft hat sich bei mir nicht geändert.
Auch wenn das Geschäft schon lange geschlossen war, war es mehr als ein Trödelladen.

Siehst du hier einen Zusammenhang?
Und wenn ja, welchen? Offene Konflikte?

Philipp54 schrieb:Die Meinung über eine mögliche Täterschaft hat sich bei mir nicht geändert.
Auch wenn das Geschäft schon lange geschlossen war, war es mehr als ein Trödelladen.

Ich denke einfach, dass es Dinge gab, die während seiner Zeit passierten, als er noch seinen Laden besaß.

Philipp54 schrieb:Der Raumausstatter wußte auch wo er übernachtete, sonst hätte er ihn nicht auffinden können.

Er hat ihm auch angeboten, zunächst bei ihm zu übernachten. Doch dieses Angebot hat er abgelehnt, da ihm seine persönliche Freiheit anscheinend wichtiger war.

ja @duval, sehe ich auch so.
das war auch mit "Stolz" gemeint.

Konflikte gab es sicher. Michael Straten war mehrfacher Verlierer. Auf der Beziehungsebene genau so wie in finanzieller Hinsicht.
Die Leute um ihn herum hatten eigene Interessen da raus zu kommen und jeder war sich selbst der Nächste.
Und die Dimensionen, gingen über die eines Trödelladen hinaus. Auch noch nach Schließung des Geschäfts.