Rick_Blaine
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Und er sollte den Unterschied zwischen einer Haftstrafe und derUnterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kennen.Sean300 schrieb:Aber ein(e) GerichtreporterIn sollte beispielsweise den Unterschied zwischen Berufung und Revision kennen, die Anwendung der "Schwere der Schuld" erklären können und auch wissen, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht automatisch 15 Jahre bedeutet.
Strafgesetzbuch (StGB)Frau Friedrichsen etwa schrieb gerne, dass der zunächst wegen Mordes an Peggy Knobloch verurteilte und später nach einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochene Ulvi K. jahrelang „unschuldig im Gefängnis gesessen“ habe,
§ 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Nicht das Gericht hat einen Sturz in die Wanne als Wahrscheinlichkeit genannt, sondern das Gutachten. Gleiches gilt für das Thermodynamikgutachten zum Todeszeitpunkt. Die Gutachten können also nicht sicher nachweisen, dass es so wahr, sondern nur als "Wahrscheinlichkeit".Palio schrieb:Nicht ganz nachvollziehbar finde ich die sinngemäße Aussage, das Gericht habe den computersimulierten Sturz für wahrscheinlich gehalten, was aber nicht ausreiche. Das kann eigentlich nicht die Argumentation des Gerichts gewesen sein. Ein wahrscheinlicher Sturz würde das Urteil kippen können, das ja gerade mit einem Sturzausschluss argumentiert.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten (...) zu begründen geeignet sindVielleicht können da ja unsere StPO-Spezialisten, @Andante , etwas dazu erläutern.
Man muss hinsichtlich der Beweismittel unterscheiden:monstra schrieb:Nicht das Gericht hat einen Sturz in die Wanne als Wahrscheinlichkeit genannt, sondern das Gutachten. Gleiches gilt für das Thermodynamikgutachten zum Todeszeitpunkt. Die Gutachten können also nicht sicher nachweisen, dass es so wahr, sondern nur als "Wahrscheinlichkeit".
Das Gutachten zum Todeszeitpunkt, heißt es in der Entscheidungsbegründung, könne nur Wahrscheinlichkeiten feststellen. Dies reiche aber nicht aus, um das Urteil in Frage zu stellen, zumal auch das damals urteilende Gericht davon ausgegangen sei, dass ein exakter Todeszeitpunkt nicht feststellbar sei.
Gleiches gelte für die Computersimulation zum Sturzgeschehen. Auch hier handele es sich nur um Wahrscheinlichkeiten, nicht um Tatsachen, die das Urteil erschüttern könnten.Hier liegt die Beweislage anders. Das Gericht hat kein positives Indiz herangezogen, dass widerlegt werden müsste, sondern eine Negativfeststellung getroffen. Daher müsste der Verurteilte nur eine einzige Sturzmöglichkeit, die auch das Gericht für plausibel (und nicht völlig lebensfern) hält, nachweisen. Die Frage ist, was sagt das Gericht zum simulierten Sturz? Hat es diesen geprüft? Hält es ihn für wahrscheinlich? Das würde mich interessieren.
Wie immer ist die Originalquelle am besten. Ich denke aber nicht, dass der Beschluss komplett veröffentlicht werden wird, jedenfalls nicht vom Gericht. Aber vielleicht gibt es Anfang der Woche eine Pressemitteilung.Palio schrieb:Hierzu wäre der Originaltext im Beschluss interessant.
Ja, so verstehe ich das auch. Das im Rahmen des Wiederaufnahmeantrages von Frau Rick eingereichte Thermodynamikgutachten und die ebenfalls vorgelegte Computersimulation gehen von „Wahrscheinlichkeiten“ aus, und das reicht nach Meinung des Wiederaufnahmegerichts anscheinend nicht aus.monstra schrieb:Gleiches gilt für das Thermodynamikgutachten zum Todeszeitpunkt. Die Gutachten können also nicht sicher nachweisen, dass es so wahr, sondern nur als "Wahrscheinlichkeit".
So verstehe ich den SZ-Bericht.
Ein definitiver Unschuldsbeweis ist sicher nicht erforderlich, kann auch kaum erbracht werden. Aber das Wiederaufnahmegericht muss halt aus der Perspektive des im Fall der Wiederaufnahme zuständige Tatsachengerichts prüfen, ob die neuen Gutachten „geeignet“ sind, allein oder mit den früher erhobenen Beweisen zu einem Freispruch zu führen. Und neue Gutachten, die einen anderen Geschehensablauf als möglich, selbst als „wahrscheinlich“ erscheinen lassen, sind kaum „geeignet“ in diesem Sinne.monstra schrieb:Zwei Fragen stellen sich mir:
"Wahrscheinlichkeit" gibt es sehr unterschiedlichen Graden: Ob das Gericht auch so entschieden hätte, wenn der Gutachter "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" von einem Sturz ausgegangen wäre?
Bedarf es für ein Wiederaufnahmeverfahren tatsächlich "sichere" Beweise, quasi einen Unschuldsbeweis?
In § 359 Nr. 5 StPO ist ja nur von einer "Geeignetheit" neuer Tatsachen oder Beweismittel die Rede.
Laut SZ scheint das LG die Neuigkeit der Methode anerkannt zu haben. Aber ohne Entscheidungstext kann man fundiert wohl nicht mehr sagen.Andante schrieb:Hat es sich dazu geäußert, ob das eine neue bahnbrechenden biomechanische Beweismethode für die gerichtliche Praxis sein kann? Denn das war ja die Hoffnung, die das Stuttgarter Institut mit der Simulation verknüpft hat.
So ist es leider. Ich muss sagen, ich bin enttäuscht von dieser Entscheidung, habe sie aber erwartet. Man wird sehen, wie die weiteren Instanzen das beurteilen. Inhaltlich lässt sich leider nicht sinnvoll Stellung nehmen, ohne die Entscheidung komplett und im Original zu kennen.monstra schrieb:Ansonsten noch: Die bayerische Justiz irrt sich nicht. Nie. Fast nie. Also nur auf Anweisung des Ministerpräsidenten.
Das stimmt natürlich, aber ich meine, man kann nach dem bekannten Urteil feststellen, dass die von HH zusammengefasste Begründung, warum das Gericht die Computersimulation als ungeeignet bewertet, nicht hinhaut.monstra schrieb:Aber ohne Entscheidungstext kann man fundiert wohl nicht mehr sagen.
Die Bekanntschaft der Zeugin mit dem Opfer liege viele Jahre zurück; "ein Erfahrungssatz, dass bestimmte Gewohnheiten im Zusammenhang mit der Behandlung von Wäsche im Lauf von Jahrzehnten keiner Veränderung unterliegen, existiert offenkundig nicht".
Auch hier handele es sich nur um Wahrscheinlichkeiten, nicht um Tatsachen, die das Urteil erschüttern könnten.
@sep hat in einer ganze Reihe von Beiträgen dargelegt, dass ein Sturz so wie er in dem neuen Gutachten simuliert wurde zwar theoretisch möglich ist, aber eine ganze Reihe von unrealistischen, bzw. unwahrscheinlichen Annahmen voraussetzt.Palio schrieb:Ich vermute, HH gibt die Begründung nicht korrekt oder nicht vollständig wieder. Sie müsste lauten, dass die Simulation nach Einschätzung des Wiederaufnahmegerichts einen lebensfremden Sturz zeigt, den das Gericht damals außer Betracht gelassen hätte und somit zum gleichen Ergebnis gekommen wäre. Ein lebensfremder Sturz wäre aber gerade nicht "wahrscheinlich" und "Tatsachen" kann man an dieser Stelle schon gar nicht fordern:
Das allein, also die hier sattsam diskutierte Frage nach der möglichen oder fehlenden Motivation der Frau K., Wasser einzulassen etc., hätte für eine Verurteilung wohl kaum ausgereicht. Schon der damalige Gutachter Prof. Keil hatte aber ja einen Sturz mit der Endlage, in der das Opfer vorgefunden wurde nicht kategorisch ausgeschlossen, aber erklärt, dass so ein Sturz nur unter bestimmten Voraussetzungen hätte geschehen sein können, die eben das Gericht als lebensfremd betrachtete: Standposition ganz rechts vor der Wanne, wo weder die Armatur noch sonst etwas sitzt, wo das Opfer hätte herankommen wollen, Badezimmertür beim Auffinden nicht zu, was sie aber hätte sein müssen, wenn das Opfer von ganz rechts in die Wanne gestürzt wäre, denn dann hätte es im Stürzen mit dem Fuß die Tür zustoßen müssen etc.falstaff schrieb:Das Gericht musste in der ersten Verhandlung bewerten wie wahrscheinlich es ist, dass Frau Kortüm überhaupt aus eigenem Antrieb in eine Situation kam in der ein selbstverschuldeter Sturz möglich war und hielt es wohl für sehr unwahrscheinlich, dass die Frau selbstständig Badewasser eingelassen hatte. Das WA-Gericht scheint diesen Überlegungen gefolgt zu sein und das erklärt, warum das Gutachten zwar als neu und wissenschaftlich interessant, aber letztendlich für nicht ausreichend relevant erklärt wurde.
Da Entscheidungen über die Zulässigkeit und ggf. Begründetheit eines Wiederaufnahmeantrages ohne mündliche Verhandlung erfolgt, der Beschluss des Gerichts also nicht öffentlich verkündet wird, kann Herr Holzhaider bei einer Verkündung nicht dabeigewesen sein.Palio schrieb:Ich vermute, HH gibt die Begründung nicht korrekt oder nicht vollständig wieder.
So verstehe ich das und kann es auch nachvollziehen.Andante schrieb:Sollte das Wiederaufnehmegericht nun die Computersimulation (nur) als (weitere) Darstellung eines zwar theoretisch möglichen, unter den gegebenen weiteren Umständen des Falles aber auszuschließenden Sturzes aus dieser Position heraus qualifiziert haben, ist klar, warum es die Simulation als nicht geeignet ansieht, zu einem Freispruch zu führen.
Das bekräftigt meine Aussage noch stärker, als meine eigenen Argumente: Das Gutachten der Verteidigung konnte mithilfe neuester wissenschaftlicher Methoden einwandfrei nachweisen, dass ein Sturzgeschehen theoretisch möglich gewesen wären. Allerdings beruhte dieser Nachweis auf der Annahme einer ganzen Reihe von Randbedingungen, die vom Gericht als eher unwahrscheinlich bewertet wurden.Andante schrieb:Schon der damalige Gutachter Prof. Keil hatte aber ja einen Sturz mit der Endlage, in der das Opfer vorgefunden wurde nicht kategorisch ausgeschlossen, aber erklärt, dass so ein Sturz nur unter bestimmten Voraussetzungen hätte geschehen sein können, die eben das Gericht als lebensfremd betrachtete
Stimmt.Andante schrieb:Sollte das Wiederaufnehmegericht nun die Computersimulation (nur) als (weitere) Darstellung eines zwar theoretisch möglichen, unter den gegebenen weiteren Umständen des Falles aber auszuschließenden Sturzes aus dieser Position heraus qualifiziert haben, ist klar, warum es die Simulation als nicht geeignet ansieht, zu einem Freispruch zu führen.
Das Landgericht München I verweist in der Begründung explizit darauf, dass zum Wohle der Rechtssicherheit nur in ganz begrenztem Umfang und aufgrund von neuer Argumentation und neuen Beweismitteln das Infragestellen einer einmal beschlossenen Verurteilung überhaupt zulässig ist.https://www.openpetition.de/petition/blog/lebenslang-unschuldig-eingesperrt-ihr-appell-an-den-bayerischen-justizminister
Weiter argumentiert das Gericht, dass, wenn die Verurteilung allein auf Indizien beruht, das Gericht neue Beweismittel oder Tatsachen, die die Begründung des Urteils in Frage stellen, als gering erachten kann.