Lucien Scherer (26) tot in Ostsee gefunden. Verbrechen?

emz schrieb:digitale Spuren

Okay, digitale Spuren entstehen vor allem wann immer man sein Handy resp. Smartphone gebraucht und dabei digitale Services nutzt. Das gleiche gilt für die Nutzung eines PCs oder Laptops im LAN und bei der bargeldlosen Bezahlung. Das wären wohl die häufigsten Arten von digitalen Daten.

Ich finde es wenig überraschend, dass diese Daten nach HH hier nicht vorliegen, vor allem vor dem Hintergrund, dass man nicht weiß, wie lange der Tote noch gelebt hat. Außerdem ist es gut möglich von HH zum Leichenfundort zu gelangen, ohne in der Zwischenzeit sein Handy, sein Laptop oder seine Geldkarte zu benutzen.

DocWatson schrieb:Naja, vielleicht hat er überhaupt nicht mehr digital kommuniziert, oder? Wir wissen ja nicht einmal, wie lange er noch lebte, nachdem er Hamburg verlassen hat.

Für den eigentlichen Aufenthalt in Sierksdorf mag das sein, aber er muss doch seinen Urlaub auch vorbereitet haben, z.B. wenigstens eine Unterkunft gesucht und gebucht haben. Wie ist das denn vom Allgäu aus vonstattengegangen, wenn nicht digital? Oder er müsste dann wirklich einfach mal so nach Hamburg bzw. Sierksdorf gereist sein und sich vor Ort eine Unterkunft gesucht haben. Das kann ich mir kaum vorstellen. Lucien wirkt auf mich auch eher wie jemand, der überlegt handelt und plant und nicht einfach spontan losfährt, 800 km weit.

Ich selbst verstehe leider nicht so viel von IT, aber dieser Mangel an konkreten Informationen im Fall Lucien erscheint mir schon ungewöhnlich.

rattich schrieb:Wie ist das denn vom Allgäu aus vonstattengegangen, wenn nicht digital?

Das stimmt, aber - soweit man das bei der dünnen Informationslage sagen kann - bis HH ist seine Reise wohl weniger rätselhaft. Die Mutter hat ja auch bestätigt, dass er sich im Urlaub befand.

rattich schrieb:Ich gehe davon aus, dass die Polizei auch im Fall von Lucien versucht hat, diese Daten zu ermitteln, und dabei eben nicht erfolgreich war, wenn sie jetzt öffentlich nach so grundlegenden Informationen wie Luciens genauem Aufenthaltsort in Sierksdorf, seinen Kontakten und Bewegungen fragt.

Wie kann das sein? Meiner Vermutung nach deshalb, weil Lucien anscheinend so vorsichtig kommuniziert/agiert hat, dass auch die Polizei seine Kontakte heute nicht nachvollziehen kann.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Daten inzwischen einfach gelöscht sind. Zwischen Auffinden am 19.6. und öffentlichem Aufruf am 23.7. sind mehr als 4 Wochen vergangen. Es ist unklar, wie lang die Identifizierung gedauert hat. Man weiß nicht, ob der Tote Ausweispapiere o.ä. in der Tasche hatte, aber es erscheint schon vorstellbar, dass es eine Weile gedauert hat. Telefon-Standort-Daten werden bei den Providern nach einigen Tagen gelöscht. Wenn die Leiche erst nicht identifiziert war, war zunächst auch nicht die Handy-Nr. bekannt, deren Standortdaten von Interesse wären. Außerdem können zwischen Tod (d.h. letzten relevanten Standortdaten) und Auffinden noch Tage vergangen sein. Auf die Weise ist es schon möglich, dass diese Daten einfach schon gelöscht waren, als die Polizei versucht hat, sie zu bekommen. Man wird nicht wegen einer aufgefundenen Wasserleiche pauschal bei allen Mobilfunk-Betreibern alle Daten aller in den Tagen zuvor in der Nähe des Auffindeorts eingebuchten Handies sichern lassen. Bei einem klaren Tötungsdelikt vielleicht schon, aber nicht bei einer unbekannten Wasserleiche.

Abgesehen davon kann es sein, dass die Polizei Standortdaten hat, aber trotzdem allgemein fragt, wer ihn "irgendwo" gesehen hat.

@rattich
Ich finde immer noch, dass die interessanteste Frage von Dir schon zweimal gestellt wurde:

DocWatson schrieb:Wieso lässt sich in einem so überschaubaren Gebiet und vor dem Hintergrund der geltenden Reiseerschwernisse etc. nicht feststellen, wo L. übernachtet hat?

Das heißt für mich bislang, dass er gar keine Unterkunft hatte.

Badehose schrieb:Telefon-Standort-Daten werden bei den Providern nach einigen Tagen gelöscht.

Ich glaube, die gesetzlichen Vorgaben sind: Standortdaten müssen vier, restliche Telefondaten 10 Wochen vorgehalten werden.

@Badehose

Danke für Deine Erklärung. Gut, das könnte natürlich sein. Hinzu käme, dass Lucien auch seiner Familie oder Freunden offenbar keine Einzelheiten mitgeteilt hat (oder evtl. keine Gelegenheit mehr dazu hatte). Dann wären in diesem Fall wirklich eine ganze Menge unglücklicher Umstände zusammengekommen.

Badehose schrieb:Abgesehen davon kann es sein, dass die Polizei Standortdaten hat, aber trotzdem allgemein fragt, wer ihn "irgendwo" gesehen hat.

Das könnte zu der nachfolgenden Aussage passen:

Die Ermittler nehmen an, dass er sich während der gesamten Zeit ab dem 12. Juni in Sierksdorf aufgehalten hat

https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article232869515/leiche-ostsee-sierksdorf-offene-fragen-zeugen-aufruf-polizei.html

DocWatson schrieb:Ich glaube, die gesetzlichen Vorgaben sind: Standortdaten müssen vier, restliche Telefondaten 10 Wochen vorgehalten werden.

Nein. Das war so mal geplant (2017). Die Umsetzung des entsprechenden Gesetzes ist in Deutschland aber weiterhin ausgesetzt, weil der Europäische Gerichtshof dazu angerufen worden ist, aber sich bisher nicht abschließend geäußert hat.

Badehose schrieb:Nein. Das war so mal geplant (2017).

Vielen Dank für den Hinweis. Ich weiß um die Aussetzung, ich glaube aber, dass die Regelung durch andere Gesetze trotzdem Anwendung findet. Allerdings bin ich gerade mobil im Netz und kann nicht so gut nachsehen, wie zu Hause am Rechner.

DocWatson schrieb:Okay, digitale Spuren entstehen, vor allem wann immer man sein Handy resp. Smartphone gebraucht und dabei digitale Services nutzt. Das gleiche gilt für die Nutzung eines PCs oder Laptops im LAN und bei der bargeldlosen Bezahlung. Das wären wohl die häufigsten Arten von digitalen Daten.

Ich finde es wenig überraschend, dass diese Daten nach HH hier nicht vorliegen, vor allem vor dem Hintergrund, dass man nicht weiß, wie lange der Tote noch gelebt hat. Außerdem ist es gut möglich von HH zum Leichenfundort zu gelangen, ohne in der Zwischenzeit sein Handy, sein Laptop oder Deine Geldkarte zu benutzen.

Tu mir bitte einen Gefallen und binde mich nicht in eine Diskussion über irgendwelche Digitalen Spuren ein.
Ich werde mir keine Gedanken darüber machen, warum derartige Spuren nicht vorliegen und was man daraus schließen kann.

Also, ich habe noch einmal nachgeschaut. Das ist eine komplizierte Sache mit der Speicherung von Verkehrsdaten in der Kommunikation. Relevant ist aktuell tatsächlich nicht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Anbieter sind nicht verpflichtet, Daten für den bestimmten Zweck vorzuhalten, dass sie evtl. für spätere Ermittlungen relevant sein könnten. Allerdings müssen sie gespeicherte Daten auf richterlichen Beschluss hin freigeben. Die Speicherdauer richtet sich nach dem Abrechnungszweck. Vor Rechnungsstellung müssen erbrachte Leistungen nachweisbar sein, sodass Anbieter Verkehrsdaten bis zu einem gewissen Zeitraum (idR 7-90 Tage nach Rechnungslegung) vorhalten müssen. In dieser Zeit können die Daten von Ermittlungsbehörden eingesehen und ausgewertet werden.

@emz Klar, den Gefallen tue ich Dir gerne. Eigentlich hatte ich das auch gar nicht vor, sorry.

rattich schrieb:So gut Bescheid zu wissen scheint die Familie über das Reisegepäck also nicht.

Diese Unklarheit kann man noch weiter interpretieren. Es fehlen definitiv zwei Rucksäcke, die erinnerlich sind. Wäre einer von den erinnerten Rucksäcken in seiner Wohnung gefunden worden, würde man (logischerweise) nicht davon ausgehen können, dass er ihn mitgenommen hat.

Die Person, die ihm am nächsten stand und Angaben zu ihm machte, war seine Mutter, auf die in den Berichten Bezug genommen wird. Zwei Rucksäcke aus seinem Besitz, an die sich die Mutter erinnern kann, fehlen also. Reisetasche oder Koffer besaß er entweder nicht oder Entsprechendes wurde in seiner Wohnung gefunden.

Es kann aber nicht sicher gesagt werden, ob er beide Rucksäcke mitnahm.

Ein zweiter voller Rucksack ist zum Tragen nicht gerade praktisch, entweder trägt man ihn in der Hand oder vorm Bauch, das könnte ein Grund für die Überlegung gewesen sein, ob er wirklich beide dabei hatte oder einer davon anderweitig abhanden gekommen ist.

Ein anderer Grund könnte sein, dass zwar beide Rucksäcke weg sind, er aber bei der Abfahrt, unterwegs oder in der Unterkunft in Hamburg nur mit einem gesehen wurde, wobei er den anderen (leer) aber auch in den Größeren gesteckt haben könnte.

Die Angabe:
"Als Reisegepäck soll Lucien Scherer ein oder zwei Rucksäcke mit sich geführt haben."

erklärt sich für mich daher nur so, dass zwei Rucksäcke auf jeden Fall fehlen, aber trotzdem ein Anlass zur Unsicherheit besteht, ob er beide mitnahm.

Nun kann man, falls er wirklich unterwegs nur mit einem Rucksack gesehen wurde, weiter spekulieren, wo dann der andere war. Wollte er etwas kaufen und hatte dafür den zweiten Rucksack leer eingepackt? Oder hat er ihn gar nicht mitgenommen?

Ich vermute, er hatte die zwei fehlenden Rucksäcke dabei, um a) seinen Rechner zu verstauen und b) um ein paar Wechselkleider dabei zu haben.

Viele junge Leute, gerade wenn sie keine Erfahrung mit vielen Reisen haben, besitzen (noch) gar keine Reisetaschen oder gar Koffer.

Wenn dem so wäre, dann würde es eher auf eine improvisierte Reise hindeuten, denn sonst hätte er sich evtl. etwas geliehen oder gekauft.

DocWatson schrieb:Das heißt für mich bislang, dass er gar keine Unterkunft hatte.

Oder er hat privat bei jemandem übernachtet und dieser jemand meldet sich aus bestimmten Gründen nicht.

Ansel schrieb:Oder er hat privat bei jemandem übernachtet und dieser jemand meldet sich aus bestimmten Gründen nicht.

Das stimmt, aber das wäre schon sehr verdächtig, unter den gegebenen Umständen.

Ich frage mich, ob es möglich wäre, mit einem Mantrailer-Hund vielleicht vom Bahnhof ausgehend oder im Ort Spuren von Lucien aufzunehmen?

mitH2CO3 schrieb:Badehose schrieb:
Abgesehen davon kann es sein, dass die Polizei Standortdaten hat, aber trotzdem allgemein fragt, wer ihn "irgendwo" gesehen hat.

Das könnte zu der nachfolgenden Aussage passen:

Die Ermittler nehmen an, dass er sich während der gesamten Zeit ab dem 12. Juni in Sierksdorf aufgehalten hat

Eine absolut logische Erklärung. Das würde tatsächlich erklären, warum man davon ausgeht, dass er den Ort nicht verlassen hat.

Ansel schrieb:Ich frage mich, ob es möglich wäre, mit einem Mantrailer-Hund vielleicht vom Bahnhof ausgehend oder im Ort Spuren von Lucien aufzunehmen?

Wer weiß, vielleicht hat man das sogar schon versucht, aber ohne Erfolg.

https://presse-augsburg.de/26-jaehriger-allgaeuer-tot-in-ostsee-gefunden-polizei-bittet-um-hinweise/740166/

Er reise offenbar nach Hamburg und nächtigte dort? Wurde eigentlich festgestellt, wo er in Hamburg genächtigt haben soll und ob er dort mit jemandem gesprochen hatte, z.B. über seine weiteren Reisepläne?

Er muss ja eine Fahrkarte gelöst haben, evtl. mit Karte bezahlt. Dann müsste man doch feststellen können, ob er diese Fahrkarte gleich bis nach Sierksdorf gelöst hat oder zunächst nur bis nach Hamburg. Aber Hamburg ist auf jeden Fall eine Zwischenstation, wenn er von Memmingen - Sierksdorf mit der Bahn fährt.