Der mysteriöse Fall der Evi Rauter aus Lana

Mich beschäftigt der "Fall" auch sehr - zumal ich in der Zeit ziemlich oft in der Gegend war.
Zu Pfingsten immer da auf der franz. Seite zum Surfen und im Sommer in Roses auch zum Surfen :)
Damals zumindest war Empuriabrava auch ein Ort an dem sehr viele Diskotheken etc. waren und sehr viele Busse aus Deutschland / Österreich etc. mit jungen Leuten kamen die da feiern wollten. Im Grund das war heute Malle oder Bulgarien ist. Da gab es auch noch mehr Orte weiter südlich - und gibt es heute noch.
Bez. der Diskussion wie Sie da hingekommen ist - also ich denke schon das sie in Portbou mi dem Zug ankam - einfach weil das nicht auf irgendeiner Strecke mit dem Auto liegt - geschweige denn mit dem Boot.
Ich denke aber auch das Sie in Florenz u.U. anders gestartet ist - mit dem Auto / Bus wie auch immer und sich dann hat treiben lassen.
Ich selbst habe in dem Alter einmal morgens auf dem Weg zur Arbeit im Zug beschlossen das ich keine Lust mehr habe und bin dann weiter gefahren bis Frankfurt - auch ohne Geld - Klamotten etc. Dort habe ich geschaut wo der nächste Zug weiter weg hingeht - und es war Wien. okay das Ticket habe ich mit EC Scheck bezahlt - und auf nach Wien. Einen Plan hatte ich nicht wirklich - war dann 3 Tage in Wien - und bin wieder heim gefahren ;)
Was ich damit sagen will - ich denke schon das es am ehesten Suizid war und das der Ort eher Zufall war.

darkstar69 schrieb:Wie weit ist es vom Bahnhof zum Hafen und dann zum Baum, den Hügel hinauf?

5 bis maximal 10 Minuten.

Nach Lesen einiger katalanischer Zeitungsartikel wurde Evi von der Straße Pujada del Mirador aus an der höchsten Pinie neben dem Friedhof gefunden (GELBER Bereich).
Friedhof (ROTER Bereich).
Die Camper sollen auf dem Mirador de Dalt geschlafen haben. Mirador ist ein Aussichtspunkt, von dem man eine schöne Aussicht hat. Das müsste der BLAUE Bereich sein.
Original anzeigen (0,5 MB)

Quelle mit eigenen Markierungen:
https://www.openstreetmap.de/karte/#

seli schrieb:Welche Leute ziehe ich bitte in irgend etwas hinein ?

Das wollte ich Dir persönlich nicht unterstellen. Die jetzige Berichterstattung führt jedoch zwangsläufig dazu, dass - bezweifelt man einen Suizid - die österreichische Gruppe von Campern als potentiell involviert in den Fokus rückt. Der österreichische Fernsehsender hat sich ja auch prompt auf die Suche nach diesen Campern gemacht, um sie dann wenn möglich zu interviewen.

helwa schrieb:Nach Lesen einiger katalanischer Zeitungsartikel wurde Evi von der Straße Pujada del Mirador aus an der höchsten Pinie neben dem Friedhof gefunden (GELBER Bereich).

Interessant, auf diesem Friedhof liegt auch der Gedenkstein für Walter Benjamin, der sich in Portbou auf der Flucht vor dem NS-Regime das Leben nahm. Mittlerweile befindet sich dort auch das Memorial "Passagen", das an den Suizid von Benjamin erinnert. Dieses wurde jedoch erst 1994, also nach dem Tod von Evi Rauter, erstellt.

seli schrieb:Also die Jugendlichen kamen ca 3 Uhr an, sicher dauerte es eine Weile, bis sie Zelt aufgebaut und zur Ruhe gekommen sind. Evi kam 5.15 Uhr am Bahnhof an, ging eventuell zum Bootshafen suchte sich ein Seil und ging dann zum Friedhof.
Gefunden wurde sie bereits um 7 Uhr, ich finde ja schon, dass da einiges los war, wenn diese Angaben alle so stimmen.

seli schrieb:wollte nur darlegen, dass ich den Zeitrahmen ( nicht einmal 5 Stunden) für sehr eng ansehe, in dem doch so einiges da passiert ist

Gehen wir mal davon aus, dass die von Dir angenommenen Zeiten korrekt sind und die österreichische Gruppe um ca. 3 Uhr nachts in Portbou bzw. auf ihrem Zeltplatz Mirador de Dalt ankam. Es waren sechs junge Leute bis Mitte 20, die wahrscheinlich nicht alle zusammen in einem großen Familienzelt schliefen, sondern sie werden kleine 1- oder 2-Personen-Zelte dabeigehabt haben. Der Aufbau eines solchen Zeltes dauert 30 bis 45 Minuten. (Es gibt auch sog. Schnellaufbauzelte, die sich praktisch von selbst entfalten und in wenigen Minuten stehen, aber wir gehen mal von einem normalen Zelt aus.) Dann wären die Österreicher bis ca. 4 Uhr (oder wenn sie sich Zeit gelassen hätten, vielleicht bis 4:30 Uhr) nachts mit dem Zeltaufbau fertig gewesen. Sicher waren sie nach der langen Fahrt müde und sind schnell eingeschlafen.

Als Evi dann (vermutlich) etwa gegen 5:30 Uhr am Friedhof ankam, hätten die Österreicher bereits tief geschlafen. Wenn Evi entschlossen war, sich das Leben zu nehmen, hat sie sicher jeden Lärm und anderes vermieden, was die Aufmerksamkeit auf sie hätte lenken können, so dass ihr Vorhaben womöglich verhindert worden wäre. Selbst wenn die Österreicher zu diesem Zeitpunkt noch wach gewesen wären, wäre Evi ihnen daher aus dem Weg gegangen und gar nicht erst ins Blickfeld der Gruppe gekommen.

Wahrscheinlich war am ganz frühen Morgen auch niemand sonst in der Nähe des Friedhofs unterwegs. Evi hätte also genügend Zeit gehabt, einen geeigneten Baum auszusuchen und dort das Seil zu befestigen.

Eine Frau fand Evi dann gegen 8 Uhr (demnach nicht schon um 7 Uhr) und rief die Polizei (1), die dann auch die Österreicher (in ca. 50 m Entfernung) weckte. Sie sagten aus, dass sie die Tote nicht kannten und auch nichts Verdächtiges bemerkt hätten. (2)

Dieser Ablauf der Ereignisse erscheint mir plausibel, ich finde nichts Merkwürdiges daran.
_____________________

(1) https://germanmissing.blogspot.com/2022/05/sudtirolspanien-der-tod-von-evi-rauter.html?m=1

(2) https://www.oesterreichfindeteuch.at/das-wunder/

rattich schrieb:Gehen wir mal davon aus, dass die von Dir angenommenen Zeiten korrekt sind und die österreichische Gruppe um ca. 3 Uhr nachts in Portbou bzw. auf ihrem Zeltplatz Mirador de Dalt ankam. Es waren sechs junge Leute bis Mitte 20, die wahrscheinlich nicht alle zusammen in einem großen Familienzelt schliefen, sondern sie werden kleine 1- oder 2-Personen-Zelte dabeigehabt haben.

Ob sie da richtig gezeltet haben, glaube ich eher nicht. Der Aussichtspunkt ist ja eher so eine Ausbuchtung am Straßenrand, evtl. mit kleinem Weg. Sie waren ja mit einem Büschen unterwegs, vielleicht haben einige auch darin geschlafen oder einfach mit Schlafsack draußen im Gelände. Ich guck mal, ob ich mehr dazu finde.

helwa schrieb:Sie waren ja mit einem Büschen unterwegs, vielleicht haben einige auch darin geschlafen oder einfach mit Schlafsack draußen im Gelände.

Ah so, ich war jetzt vom Zelt-Szenario von @seli ausgegangen, das ich oben zitiert hatte. Aber wenn die Österreicher sich vielleicht einfach in den Bus oder draußen in Schlafsäcke gelegt haben, wäre die Vorbereitungszeit zum Schlafen ja noch viel kürzer gewesen.

Hier gibt es ein wunderschönes, tolles Video von oben von Portbou. Es fängt direkt mit dem Friedhof an und man sieht auch einen kurzen Moment den Mirador, wo sich die Österreicher aufgehalten haben oder gecampt haben. Ganz im Hintergrund der Friedhof
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&feature=youtu.be&v=lQf032CsQk4&fbclid=IwAR0HLbFmOlm49tNS_yhdNwRfq7xOOPh6aoUPtuu-KkamLdTULiR8M5SdyM8 Bahnhof.

Danke, ja, ein schönes Video von einem schönen Fleckchen Erde. Portbou wird wohl nicht umsonst im Untertitel „un paradís“ genannt.

Es ist sicher nicht bekannt, woher Evi von Portbou wusste. Vielleicht hatte sie im Zusammenhang mit Walter Benjamin davon gehört, oder evtl. kannte sie jemanden, der schon dort gewesen war und ihr davon erzählte? Auch das wird man wohl nicht mehr erfahren. Für Zufall halte ich es aber nicht, dass sie gerade nach Portbou fuhr.

@rattich

Bei einem geplanten Suizid kann das durchaus Zufall gewesen sein, wenn sie nicht identifiziert werden wollte zB. Einfach mal schauen welcher Zug gerade kommt der möglichst weit wegfährt. Nach der zweiten Grenze fühlte sie sich vielleicht sicher genug auszusteigen und den Plan in die Tat umzusetzen.

Keine Ahnung ob sie von diesem Benjamin wissen konnte. Unwahrscheinlich dass man sowas im Geschichtsunterricht lernt, Internet gab es nicht, und ob sie Bücher gelesen hat aus denen es hervorging werden wir nie erfahren.

Garza schrieb:Interessant, auf diesem Friedhof liegt auch der Gedenkstein für Walter Benjamin, der sich in Portbou auf der Flucht vor dem NS-Regime das Leben nahm. Mittlerweile befindet sich dort auch das Memorial "Passagen", das an den Suizid von Benjamin erinnert. Dieses wurde jedoch erst 1994, also nach dem Tod von Evi Rauter, erstellt.

rattich schrieb:Es ist sicher nicht bekannt, woher Evi von Portbou wusste. Vielleicht hatte sie im Zusammenhang mit Walter Benjamin davon gehört, oder evtl. kannte sie jemanden, der schon dort gewesen war und ihr davon erzählte? Auch das wird man wohl nicht mehr erfahren. Für Zufall halte ich es aber nicht, dass sie gerade nach Portbou fuhr.

Den möglichen Zusammenhang mit Walter Benjamin finde ich wirklich interessant. Auch wenn damals noch kein Gedenkstein da war, kann Evi von dem Suizid Benjamins gewusst haben. Weiß man, was sie studieren wollte?
Es ist in diesem Alter nicht selten, dass man einer (idealisierten) Persönlichkeit aus der Vergangenheit nacheifert. Schriftsteller eignen sich dafür besonders gut... Man denke nur an die Suizidwelle, die das Erscheinen der "Leiden des jungen Werther" auslöste.

Interessant ist vielleicht auch noch, dass es schon verschiedene fiktive Bücher/Erzählungen zu dem Fall gibt:

"La núvia morta al país del vent" (2017) vom Inspektor der Nationalpolizei Rafael Jiménez, der bereits mehrere fiktive Kriminalromane geschrieben hat und Co-Autor zweier Anthologien interessanter spanischer Kriminalfälle ist.

la novel·la de ficció La núvia morta al país del vent, de l’inspector de la Policía Nacional Rafael Jiménez

"Pell de gallina" ist eine fiktive Erzählung der Journalistin Tura Soler, die immer wieder in der Zeitung El Punt Avui über das "Mädchen" geschrieben hat (die Schwester von Evi hat sich dafür auch bei ihr bedankt). Die Erzählung erscheint im Sammelband "Terra de Crims" (Land der Verbrechen) und in dieser Erzählung ist die Tote aus Portbou eine sizilianische Studentin.

La misteriosa noia de Portbou també va ser personatge del relat de ficció Pell de gallina inclòs al compendi Terra de crims, on l’autora (Tura Soler) justament convertia la jove misteriosa en una estudiant italiana, tot i que siciliana.

Quelle: https://www.elpuntavui.cat/punt-divers/article/4-divers/2140737-evi-anna-es-la-noia-de-portbou.html

Auch soll es am 13. und 20. Juni im katalanischen TV-Sender TV3 im Rahmen der Serie "Crims" (Verbrechen) Reportagen zur kompletten Geschichte geben.

"Crims" emetrà, el 13 i 20 de juny, dos capítols amb la història completa

Quelle: https://www.ccma.cat/tv3/crims/identificada-una-victima-despres-de-32-anys-en-un-nou-cas-de-crims/noticia/3164422/

@helwa

Das klingt sehr interessant, vor allem die beiden katalanischen Reportagen am 13. und 20. Juni. Sprichst Du evtl. Spanisch und kannst diesen Sender TV3 empfangen? Dann wäre es sicher eine Bereicherung für die Diskussion hier, wenn Du den Inhalt für uns vielleicht kurz zusammenfassen könntest? Ist aber natürlich nur eine Frage, es soll keine Nötigung sein.


Einen Satz aus der Vorankündigung der beiden Reportagen (Link von @helwa siehe oben) möchte ich noch zitieren:

"Evis Schwester hat das "Crimes"-Team gebeten, den restlichen Medien ihren Wunsch mitzuteilen, keine weiteren Aussagen zu machen und vor allem nicht nach ihren alten und sehr betroffenen Eltern zu suchen."

Demnach wird nach Evis Identifizierung ihre Familie von den Medien belagert oder schon regelrecht verfolgt. Vielleicht sollte man auch daran denken, bevor man über die Hintergründe von Evis Tod spekuliert.

rattich schrieb:Sprichst Du evtl. Spanisch und kannst diesen Sender TV3 empfangen? Dann wäre es sicher eine Bereicherung für die Diskussion hier, wenn Du den Inhalt für uns vielleicht kurz zusammenfassen könntest? Ist aber natürlich nur eine Frage, es soll keine Nötigung sein.

Ja, auch Katalanisch. Ich werde versuchen, die Sendungen zu sehen und zu berichten.

rattich schrieb:Demnach wird nach Evis Identifizierung ihre Familie von den Medien belagert oder schon regelrecht verfolgt. Vielleicht sollte man auch daran denken, bevor man über die Hintergründe von Evis Tod spekuliert.

Es ist schon grauslich, und das alles für die Clicks und damit man irgendein Schundblatt ein paar mal öfter verkauft weil man Fotos von gestalkten Familienangehörigen inklusive reisserischen Headlines gleich am Titelblatt präsentiert. Ich wünsche solchen Journalisten von Herzen dass sie das irgendwann bei einem falschen versuchen.

@rattich

Gar nicht so einfach da es offensichtlich Unterschiede zwischen der spanischen und katalanischen Sprache gibt. Ich selbst lerne seit einem halben Jahr spanisch, will keinesfalls behaupten dass ich es schon gut kann, aber bei manchen der katalanischen Artikel hab ich überhaupt nichts verstanden und war sehr verwirrt. Entweder sind meine Skills noch immer so miserabel, was ich nicht hoffen möchte, oder es gibt da wirklich teils erhebliche Unterschiede.

rattich schrieb:Es ist sicher nicht bekannt, woher Evi von Portbou wusste.

Sollte Evi mit dem Zug gefahren sein, musste man damals dort umsteigen. Alle Züge aus "Europa" bzw Frankreich endeten dort, weil Spanien ein anderes Schienensystem hatte. Kann man auch bei Wikipedia nachlesen. Die Frage wäre eher, weshalb nahm sie diesen (Nacht-)Zug und stieg dann nicht um und fuhr weiter?

Sollte sie zB mit Auto dorthin gelangt sein, uU mit dem verwaisten italienischen VW, dann wäre es wohl halbwegs zufällig, eben weil es der Ort nach der Grenzkontrolle war. Wo hat der VW konkret geparkt und wie war er auffällig geworden?

Ich denke, das der VW mit dem italienischen Kennzeichen ein Schlüsselpunkt wäre. Das Kennzeichen wird wohl irgendwo vermerkt worden sein, damit der damalige Halter ermittelt werden könnte. Wenn damit eine Verbindung nach Florenz oder sonst wo hergestellt werden kann, käme man der Sache schon näher.

Geht aus einem Bericht hervor wo genau die Schuhe gefunden worden sind?
Lagen sie so, dass die Schuhe Evi herabgefallen sein könnten, oder lagen sie oberhalb des Fundortes?

eselka schrieb:Geht aus einem Bericht hervor wo genau die Schuhe gefunden worden sind?

In einem Bericht heißt es, dass "die Sandalen gut neben der Kiefer platziert waren (typische Haltung von Selbstmördern)".

Demnach ist Evi wohl in den Sandalen bis zur Kiefer gelaufen, hat die Schuhe dann am Baum ausgezogen und sie ordentlich neben dem Stamm abgestellt, bevor sie auf den Baum stieg.

https://www.elpuntavui.cat/punt-divers/article/4-divers/2142916-encerts-errors-i-dubtes-en-el-misterios-cas-d-evi-anna.html

Tritonus schrieb:Auch wenn damals noch kein Gedenkstein da war, kann Evi von dem Suizid Benjamins gewusst haben.

Der Gedenkstein war evtl. schon dort, auch begraben wurde er auf dem Friedhof. Nur das grosse Memorial hinunter zum Meer bestand damals noch nicht.