@Grillage @Tiergarten ich muss sagen ich fand die Texte tatsächlich ganz witzig, auch wenn sie zumindest teilweise ja auch gegen mich gerichtet waren. Aber sie haben mich jetzt dazu animiert es nochmal anders zu versuchen. Man merkt schon, dass da zwei Leute genauso genervt von den Missverständnissen und Nickkichkeiten dieser Diskussion sind wie ich auch.
Tiergarten schrieb:Wer hingegen kategorisch bestreitet, dass das Handeln in diesem Fall von Fahrlässigkeit geprägt gewesen sein könnte, der muss ja zwangsläufig von einer böswilligen Motivation ausgehen, von einem gezielten Versuch, den Prozess unzulässig zu beeinflussen.
Das ist jetzt vermutlich wieder ein Fall wo du gar nicht meinst, dass ich das kategorisch bestreite. Ich möchte aber trotzdem zum Verständnis für alle anderen darauf hinweisen, dass ich es nicht kategorisch bestreitet, von Anfang an ging es mir nur darum, dass es hier mehrere plausible Optionen gibt. Vielleicht ist das ganze hier aber auch mehr ein Missverständnis.
Und jetzt Versuche ich es mal aus einer anderen Perspektive.
Tiergarten schrieb:Nein, lassen wir nicht beiseite, weil ich Dir nie unterstellt habe, dass Du von Bösartigkeit gesprochen hättest.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass du mir das unterstellst. Ich habe geschrieben, dass ich es beiseite lasse, weil ich es nicht vertreten habe. Ich habe es ignoriert, weil ich nicht so richtig wusste, warum du davon geschrieben hast.
Tatsächlich habe ich jetzt aber glaube ich verstanden, wie du es gemeint hast: du hast Fahrlässigkeit (inklusive Fahrlässigkeit+Befangenheit) einer bösartigen also nicht fahrlässigen Befangenheit gegenüberstellt, oder? Keineswegs wolltest du damit implizieren, Befangenheit wäre immer bösartig oder nie fahrlässig. Und Fahrlässigkeit schließt dann quasi Fahrlässigkeit ohne und Fahrlässigkeit mit Befangenheit ein, oder? Es ging dir also um diese Gegnüberstellung:
Handlung aus Fahrlässigkeit und Befangenheit + aus Fahrlässigkeit
vs
Handlung aus bösartiger Befangenheit
Dann war mein Zitat natürlich wirklich verzerrend, das tut mir leid!
Ich glaube auf der Sachebene sind wir dann vielleicht sogar ziemlich einer Meinung.
A Die Option, dass sie befangen war und dann mit bösartiger Absicht die Mail vorenthalten hat scheint uns beiden absurd.
Dann gibt es zwei weitere Optionen.
B Sie hat entweder aus Versehen vergessen, die Verteidigung einzuweihen, weil sie schlicht nicht nachgedacht hat.
C Oder sie hat deswegen vergessen, die Verteidigung einzuweihen, weil sie schlicht keinen Bock auf die Anwälte und den Angeklagten hatte, der für sie sowieso schuldig war. Auch hier gibt es dann ein Versehen: sie hat aus Versehen ihre Befangenheit bzw. Voreingenommenheit sichtbar werden lassen.
Mir scheint der Beschluss des BGH zeigt, dass es zumindest eine ähnliche Option wie C geben muss, die vernünftig ist. Es muss eine vernünftige Alternative zu B geben. Denn bei B wäre sie nicht befangen und allein der Beschluss dass es eine Besorgnis der Befangenheit gab zeigt ja, dass Befangenheit sich hier vernünftig annehmen lässt. Denn bei Besorgnis der Befangenheit geht es ja um die
Beurteilung, ob aus Sicht eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten die Besorgnis der Befangenheit besteht,
Quelle:
https://www.lto.de/recht/meinung/m/frage-an-thomas-fischer-befangenheit-im-strafprozessIch würde mal davon ausgehen, dass wir zumindest in Bezug auf diese drei Optionen grundlegend übereinstimmen, oder? (wäre nett wenn du das kurz bestätigen oder verneinen könntest)
Wenn du eine bessere Alternative für C hast, gerne her damit, aber irgendwie muss Befangenheit halt in einer plausiblen Option vorkommen.
Mein Problem ist ein bisschen, dass sowohl Befangenheit als auch Fahrlässigkeit ja eigentlich innere Zustände beschrieben. Befangenheit ist ja auch kein Begriff aus dem Strafrecht und es ist vor allem keine Tat, während Fahrlässigkeit sich ja auf Taten bezieht. Man kann ja nicht sagen es war eine fahrlässige Befangenheit.
Ich habe den Eindruck dass Fahrlässigkeit auf einer ähnlichen Ebene liegt wie Befangenheit. Befangenheit ist kein Vorsatz und es ist keine Fahrlässigkeit, aber es beschreibt warum jemand so handelt, nur dass es halt in Strafrechtsprozessen nicht um Befangenheit geht weil das da schlicht keine Rolle spielen kann. Ich habe bis jetzt noch nie irgendwas gefunden wo Fahrlässigkeit und Vorsatz bei Befangenheit erläutert wurden. Insofern bin ich da skeptisch, ob diese Begriffe sich sinnvoll kombinieren lassen. Auch im Beschluss werden weder Fahrlässigkeit noch Befangenheit erwähnt. Deswegen sah ich beide Begriffe als Alternativen und ich habe den Eindruck, dass das auch vielen anderen so ging. Das ist vielleicht ein wesentlicher Punkt, der hier bis jetzt etwas unterging.
Vielleicht ist es aber auch völlig legitim von einer fahrlässigen Handlung aus Befangenheit zu sprechen. Selbst dann scheint es mir aber dass es einen gewaltigen Unterschied macht ob die Fahrlässigkeit darin besteht einen kleinen Fehler zu machen oder die eigene Voreingenommenheit sichtbar werden zu lassen.
Aber vielleicht kommen wir so zumindest über die semantische Hürde hinweg und vielleicht stimmst du mir sogar in dem letzten Punkt inhaltlich zu. Dann war das Problem ein semantisches, dass vielleicht durch Dummheit meinerseits, unpräzise Formulierungen oder einfach eine rechtliche komplizierte Gemengelage.
Allgemein frage ich mich an dieser Stelle ob hier nicht immer wieder zwei Seiten sagen: beides wäre möglich. Wobei die eine Seite betont, dass es sehr wohl gut möglich wäre, dass die Vorsitzende befangen war. Und die andere Seite, dass es sehr möglich wäre, das sie nicht begangen ist. Beide betonen immer wieder, dass sie beides für möglich halten und beide lassen sich im "Eifer des Gefechts" immer wieder dazu hinreißen, so zu schreiben, als wäre nur eine Option richtig oder beim anderen zu überlesen, dass der/die genauso beide Optionen für möglich erklärt hat. Inhaltlich ist der Unterschied aber vielleicht an dieser Stelle wirklich gar nicht so groß.
Natürlich ist die Frage mit der Distanz dann noch keineswegs geklärt, aber vielleicht kommt man da ja auch noch voran. Ich werde mich nochmal an einer besserer Analogie versuchen und wäre sehr erfreut, wenn Leute mir dann schreiben, wieso meine Analogie nicht passt oder was sie nicht verständlich finden. Ich glaube wenn wir eine passende Analogie finden, können zumindest alle verstehen, was alle jeweils meinen.