AusLeipzig schrieb:Dann gibt es zwei weitere Optionen.
B Sie hat entweder aus Versehen vergessen, die Verteidigung einzuweihen, weil sie schlicht nicht nachgedacht hat.
C Oder sie hat deswegen vergessen, die Verteidigung einzuweihen, weil sie schlicht keinen Bock auf die Anwälte und den Angeklagten hatte, der für sie sowieso schuldig war. Auch hier gibt es dann ein Versehen: sie hat aus Versehen ihre Befangenheit bzw. Voreingenommenheit sichtbar werden lassen.
Option A, die Bösartigkeit, hast Du selber ja schon für sehr unwahrscheinlich ausgeschlossen.
Option B stellt die Richterin als jemanden dar, der "nicht nachgedacht" hat. Worüber hätte sie denn Deiner Meinung nach nachdenken sollen und hat es nicht getan?! Bedeutet die Option B für Dich, dass sie "vergesslich" ist oder dass sie eine "Scheißegal-Einstellung" hat?
Option C: eine Information einer der Prozessparteien vorzuenthalten weil man "schlicht keinen Bock" auf sie hat, ist mit Sicherheit kein Versehen, auch keine Fahrlässigkeit, sondern Amtsmissbrauch und Rechtsbeugung. Und nochmal für Dich: das ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf gegen eine Richter. Damit sollte man nicht einfach so um sich werfen, nur weil einem ein Angeklagter vielleicht sympatischer ist als der Richter.
Meiner Meinung nach war Frau Assbichler einfach nicht bewusst, dass der rechtliche Hinweis, den sie während des nächsten Prozesstage öffentlich gegeben hat und die Ablage der Korrespondenz in der Nebenakte, nicht ausreichen, damit die Prozessbeteiligten angemessen über das geschehen informiert sind. Sie hat gedacht, sie hat ihre Pflichten der Offenlegung erfüllt, die Korrespondenz war für alle Beteiligten einsehbar.
Man muss sich diese "Nebenakte" ja wohl kaum wie einen dieser braunen Behörden-Pappdeckeordner mit Laufliste auf dem Deckel vorstellen. Sondern solche Akten sind werden meist digital geführt und laufend ergänzt. D.h. in den Kanzleien der Verteidiger sind irgendwann entweder neue Dokumentendateien oder neue Papiere angekommen, die einen Vermerk trugen, welche Seite sie in welcher Akte darstellen. Sowas wird in den Kanzleien nicht vom Anwalt selber angelegt/abgeheftet, sondern meist von seinen Assistentinnen. Diese sortieren vor und entscheiden, welche Aktenbestandteile dabei erstmal auf dem Tisch des Anwalts landen, vielleicht mit einem roten Bapperl: "Wichtig!" und welche sie direkt in der Akte ablegen. Leteres dürften die weit überwiegenden eintreffenden Ergänzungen sein, weil es sich halt oft einfach um allgemeine Infos zum Verfahrensablauf etc. handelt.
Frau Assbichler durfte also durchaus annehmen, dass die Info zu der Korrespondenz in den Kanzleien der Verteidiger eingetroffen wurden, konnte aber nicht einschätzen und hatte auch keinen Einfluss darauf, wie damit dort verfahren wird. Hätte auch sein können, Frau Ricks Assi ordnet es korrekt als wichtige Info ein, Frau Rick guckt es sich direkt an, zieht die Augenbrauen hoch und ist damit informiert.
Die Kammer die den Antrag auf ablehnung wegen Befangenheit abgelehnt hat, war offenbar Frau Assbichlers Meinung und hat es so eingeschäzt, dass Frau Assbichler richtig gehandelt hat. Das gleich scheint der GBA gedacht zu haben, denn die im Revisionsantrag aufgeführten Begründungen ja als "nicht ausreichend gewichtig an". Das zeigt doch, dass das ganze offenbar schwer einzuschätzen war, selbst für andere erfahrene Juristen, die ja sogar per Antrag inkl. Begründung auf den Fehler hingewiesen werden.
Es liegt damit doch wohl absolut nahe, dass Frau Assbichler weder etwas vergessen hat, noch dass sie so gehandelt hat, weil sie "keinen Bock" auf den Angeklagten oder seine Verteidiger hatte, sondern dass sie einfach nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.
Das erfüllt den Tatbestand einer Fahrlässigkeit. Als ausgebildete Juristin und erfahrene Richterin hätte sie wissen können und müssen, dass das so nicht in Ordnung ist.
Auch wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat, also gar nicht befangen war, führt das aber trotzdem dazu, dass der Angeklagte Grund hat, eine Befangenheit zu befürchten. Das ist das, was Fischer sehr ausführlich und wie ich finde sehr gut nachvollziehbar in dem Artikel darlegt.
Es braucht also keine Deiner Optionen A, B oder C, damit die Revision ausreichend begründet war.