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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

13.576 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Club, Getötet, Rosenheim ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Hanna W. tot aus der Prien geborgen

Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 11:26
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Unser Disput besteht nicht darin dass ich B für unplausibel halte sondern darin dass du immer nur auf Option B Bezug nimmst und viele Argumente für Option C als Argumente für Option B darstellst.
Da kam ich nun selbst durcheinander... So ist es richtig:
Unser Disput besteht nicht darin dass ich B für unplausibel halte sondern darin dass du immer nur auf Option B Bezug nimmst und viele Argumente für Option C als Argumente für Option A darstellst.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 12:51
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Da kam ich nun selbst durcheinander... So ist es richtig:
Unser Disput besteht nicht darin dass ich B für unplausibel halte sondern darin dass du immer nur auf Option B Bezug nimmst und viele Argumente für Option C als Argumente für Option A darstellst.
Nein, unsere Diskussion beruht darauf, dass Du drei Möglichkeiten aufgeführt hast und meist, das sei eine abschließende Liste, weitere Möglichkeiten gäbe es nicht.
Und dass wir bei der Deutung, ob etwas fahrlässig ist oder schon Vorsatz wohl auch eine andere Auffassung haben. Denn "sie hatte keinen Bock auf die Verteidiger des Angeklagten und hat es deshalb vergessen" ist für mich keine Fahrlässigkeit und keine Unbefangenheit. Sie hätte nämlich dann ihre Antisympathie oder meinetwegen ihre Genervtheit von Ricks hysterischen Schreitiraden als Basis für ihre Handlungen und Entscheidungen genommen. Sie darf die Verteidiger ja durchaus unsympathisch oder nervig empfinden, aber sie kann sie deshalb nicht benachteiligen, in dem sie ihnen Infos bewusst vorenthält.

Meine Liste der Möglichkeiten ist abstrakter:

a) Frau Assbichler war befangen, fand den Angeklagten z.B. unsympathisch oder war vom ersten Tag an sicher, dass er Hannas Mörder ist. Sie war sich dessen auch bewusst und hat DESHALB seine Verteidiger nicht mit in die Kommunikation mit den StA eingebunden, weil sie sich z.B. dachte, dass sie sich dadurch elende Diskussionen mit den Verteidigern sparen kann, die eh überflüssig sind, weil sie nichts an dem von ihr geplanten Schuldspruch ändern würden. Das wäre Vorsatz. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.

b) Frau Assbichler war völlig unbefangen und bis zum Schluss des Prozesses ergebnisoffen und wollte mit dem StA nur eine verfahrenstechnische Angelegenheit klären. Als das erledigt war, hat sie den rechtlichen Hinweis erteilt und die Korrespondenz zu den Akten gelegt und war der Überzeugung, damit ihrer Pflicht, die Verteidiger umgehend über das Vorgehen und den möglicherweise auch in Frage kommenden Aklagepunkt, genüge getan zu haben. Das wäre fahrlässig, weil man von ihr als Richterin halt erwarten kann, dass sie es besser wissen muss und dass sie es richtig macht. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.

c) Frau Assbichler fand den Angeklagten und/oder seine Verteidiger unsympathisch, war sich dessen auch bewusst, ist als Richterin aber ihrer Pflicht nachgekommen, eine berufliche Distanz zu wahren und war sich bewusst, dass ihre Gefühle keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen und Handlungen im Gerichtssaal haben dürfen. Sie wollte mit dem StA nur eine verfahrenstechnische Angelegenheit klären. Als das erledigt war, hat sie den rechtlichen Hinweis erteilt und die Korrespondenz zu den Akten gelegt und war der Überzeugung, damit ihrer Pflicht, die Verteidiger umgehend über das Vorgehen und den möglicherweise auch in Frage kommenden Aklagepunkt, genüge getan zu haben. Das wäre fahrlässig, weil man von ihr als Richterin halt erwarten kann, dass sie es besser wissen muss und dass sie es richtig macht. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.

d) Frau Assbichler fand den Angeklagten und/oder seine Verteidiger unsympathisch, war sich aber nicht bewusst, dass diese Antysmpathie so stark war, dass ihr damit die für einen Richter gebotene berufliche Distanz abhanden gekommen ist. Sie hat unbewusst Entscheidungen so getroffen, dass sie dem Angeklagten benachteiligen. Z.B. die Korrespondenz abgeheftet und sich dabei trotzig gedacht, dass die Verteidiger sich gefälligst selbst durch die Akten zu wühlen haben und wenn sie von 500 Seiten jede einzelne "durchstöbern" müssen, dann ist das nicht ihr Problem. Wieso soll sie der Rick, die keine Gelegenheit auslässt, sich im Gerichtssaal schlecht zu benehmen, auch noch die Arbeit erleichtern. Die Frau ist gut genug bezahlt, das soll sie mal was tun für ihr Geld. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.
Das wäre in meinen Augen grenzwertig zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz. Immerhin hätte Frau Assbichler ja in diesem Beispiel gedacht, dass sie halt Pflicht nach Vorschrift macht und den Verteidigern nur keinen Gefallen tun wollte, halt eine kleine Gehässigkeit. Auch hier wäre ihr nicht bewusst gewesen, dass das gar kein Gefallen, sondern ihr Pflicht gewesen war, aber man kann sich halt auch fragen, in wie weit sie als Richterin nicht verpflichtet gewesen wäre, ihre Gefühle und ihr Verhalten noch stärker und selbstkritsicher zu hinterfragen.

Meiner Meinung nach ist das eine abschließende Liste, weitere prinzipielle Möglichkeiten gibt es nicht (wobei die konkrete Beschreibung ihrer Gedanken in d) nur ein mögliches fiktives Beispiel sein sollen, sie kann sich auch was komplett anderes gedacht haben. Es dient nur der beispielhaften Verdeutlichung wie jemand denken und handeln könnte, der befangen ist und es nicht schafft, trotzdem die gebotene richterliche Distanz zu wahren.
Es gibt denke ich einige Zwischenmöglichkeiten und/oder Mischformen, denn ein Prozess ist lang, die innere Einstellung, der Grad an Genervtheit und die persönliche Performance können von Tag zu Tag schwanken und in jedem Prozess muss ein Richter hunderte kleine Entscheidungen treffen und dabei kann es ihm an einem Tag durchaus besser gelingen, die notwendige Professionalität walten zu lassen als an einem anderen Tag.

Was bei Frau Assbichler vorlag, werden wir nicht beantworten können. So wie ich die Infos aus dem BGH-Beschluss und Fischers Kommentar deute, hat Frau Assbichler ja wohl in ihrer dienstliche Erklärung nach § 26 Abs. 3 StPO und auch in der unaufgeforderten Stellungnahmen gegenüber dem BGH dargelegt, dass sie sich nicht befangen fühlte (man kann es bei Fischer nur indirekt rauslesen, insofern wissen wir nicht genau, was sie geschrieben hat. Ich weiß auch nicht, ob Fischer diese Erklärung überhaupt konkret vorliegen hatte und auch nicht, ob er Einsicht in die Stellungnahme hatte, die sie an den BGH geschrieben hat; ich vermute mal zu beiden eher nicht.)

Es ist ja aber auch völlig egal, denn alle vier Optionen erfüllen die Vorraussetzung, dass der Angeklagte das Recht hat, die Richterin als befangen abzulehnen, weil ihr Verhalten und ihre Entscheidungen ihm aus seiner Sicht einen Grund gegeben hab, sich zu sorgen, dass sie ihm gegenüber befangen ist. Und auf mehr kommt es eben nicht an. Genau das schreibt Fischer auch in dem Kommentar.

Es ist also völlig müßig, dass hier seitenweise zu diskutieren: denn erstens ist es für uns nicht erkennbar, was vorlag und zweitens kommt es darauf auch gar nicht an. Die Konsequenz ist für alle Möglichkeiten die gleiche: sie hat T einen nachvollziehbaren Grund gegeben, an ihrer Unbefangenheit zu zweifeln und das reicht, damit er das Recht hatte, die abzulehnen.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 13:03
Zitat von GrillageGrillage schrieb:a) Frau Assbichler war befangen, fand den Angeklagten z.B. unsympathisch oder war vom ersten Tag an sicher, dass er Hannas Mörder ist. Sie war sich dessen auch bewusst und hat DESHALB seine Verteidiger nicht mit in die Kommunikation mit den StA eingebunden, weil sie sich z.B. dachte, dass sie sich dadurch elende Diskussionen mit den Verteidigern sparen kann, die eh überflüssig sind, weil sie nichts an dem von ihr geplanten Schuldspruch ändern würden. Das wäre Vorsatz. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.

b) Frau Assbichler war völlig unbefangen und bis zum Schluss des Prozesses ergebnisoffen und wollte mit dem StA nur eine verfahrenstechnische Angelegenheit klären. Als das erledigt war, hat sie den rechtlichen Hinweis erteilt und die Korrespondenz zu den Akten gelegt und war der Überzeugung, damit ihrer Pflicht, die Verteidiger umgehend über das Vorgehen und den möglicherweise auch in Frage kommenden Aklagepunkt, genüge getan zu haben. Das wäre fahrlässig, weil man von ihr als Richterin halt erwarten kann, dass sie es besser wissen muss und dass sie es richtig macht. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.

c) Frau Assbichler fand den Angeklagten und/oder seine Verteidiger unsympathisch, war sich dessen auch bewusst, ist als Richterin aber ihrer Pflicht nachgekommen, eine berufliche Distanz zu wahren und war sich bewusst, dass ihre Gefühle keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen und Handlungen im Gerichtssaal haben dürfen. Sie wollte mit dem StA nur eine verfahrenstechnische Angelegenheit klären. Als das erledigt war, hat sie den rechtlichen Hinweis erteilt und die Korrespondenz zu den Akten gelegt und war der Überzeugung, damit ihrer Pflicht, die Verteidiger umgehend über das Vorgehen und den möglicherweise auch in Frage kommenden Aklagepunkt, genüge getan zu haben. Das wäre fahrlässig, weil man von ihr als Richterin halt erwarten kann, dass sie es besser wissen muss und dass sie es richtig macht. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.

d) Frau Assbichler fand den Angeklagten und/oder seine Verteidiger unsympathisch, war sich aber nicht bewusst, dass diese Antysmpathie so stark war, dass ihr damit die für einen Richter gebotene berufliche Distanz abhanden gekommen ist. Sie hat unbewusst Entscheidungen so getroffen, dass sie dem Angeklagten benachteiligen. Z.B. die Korrespondenz abgeheftet und sich dabei trotzig gedacht, dass die Verteidiger sich gefälligst selbst durch die Akten zu wühlen haben und wenn sie von 500 Seiten jede einzelne "durchstöbern" müssen, dann ist das nicht ihr Problem. Wieso soll sie der Rick, die keine Gelegenheit auslässt, sich im Gerichtssaal schlecht zu benehmen, auch noch die Arbeit erleichtern. Die Frau ist gut genug bezahlt, das soll sie mal was tun für ihr Geld. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen
Vielen Dank, das finde ich für die Diskussion extrem hilfreich!
Zum Verständnis nochmal vier Nachfragen:
1. Sind folgende Charakterisierungen deiner Einschätzungen zutreffend:
In a ist sie befangen und handelt mit Vorsatz
In b ist sie völlig unbefangen und handelt fahrlässig
In c hat sie sich soweit unter Kontrolle, dass sie doch unbefangen bleibt und handelt fahrlässig
In d ist sie zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz
2. Ist sie bei d befangen oder unbefangen oder Rist das auch zwischen befangen und unbefangen?
3. Du siehst also nicht die Möglichkeit, die ich auch noch ins Auge gefasst habe, nämlich, dass sie schlicht eindeutig befangen und eindeutig ohne Vorsatz handelt?
4. Welche dieser Optionen hältat du für plausibel bzw. wahrscheinlich? Ich habe herausgelesen, dass du es zumindest für unverschämt hältst a anzunehmen. Denn das wäre doch auch Rechtebeugung, oder? Vermutlich hältst du a dann auch nicht für plausibel.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 13:25
Nochmal eine Ergänzung. In deiner ersten Antwort hast du nur eine einzige Option geschildert:
Zitat von GrillageGrillage schrieb:Meiner Meinung nach war Frau Assbichler einfach nicht bewusst, dass der rechtliche Hinweis, den sie während des nächsten Prozesstage öffentlich gegeben hat und die Ablage der Korrespondenz in der Nebenakte, nicht ausreichen, damit die Prozessbeteiligten angemessen über das geschehen informiert sind. Sie hat gedacht, sie hat ihre Pflichten der Offenlegung erfüllt, die Korrespondenz war für alle Beteiligten einsehbar.
Man muss sich diese "Nebenakte" ja wohl kaum wie einen dieser braunen Behörden-Pappdeckeordner mit Laufliste auf dem Deckel vorstellen. Sondern solche Akten sind werden meist digital geführt und laufend ergänzt. D.h. in den Kanzleien der Verteidiger sind irgendwann entweder neue Dokumentendateien oder neue Papiere angekommen, die einen Vermerk trugen, welche Seite sie in welcher Akte darstellen. Sowas wird in den Kanzleien nicht vom Anwalt selber angelegt/abgeheftet, sondern meist von seinen Assistentinnen. Diese sortieren vor und entscheiden, welche Aktenbestandteile dabei erstmal auf dem Tisch des Anwalts landen, vielleicht mit einem roten Bapperl: "Wichtig!" und welche sie direkt in der Akte ablegen. Leteres dürften die weit überwiegenden eintreffenden Ergänzungen sein, weil es sich halt oft einfach um allgemeine Infos zum Verfahrensablauf etc. handelt.
Frau Assbichler durfte also durchaus annehmen, dass die Info zu der Korrespondenz in den Kanzleien der Verteidiger eingetroffen wurden, konnte aber nicht einschätzen und hatte auch keinen Einfluss darauf, wie damit dort verfahren wird. Hätte auch sein können, Frau Ricks Assi ordnet es korrekt als wichtige Info ein, Frau Rick guckt es sich direkt an, zieht die Augenbrauen hoch und ist damit informiert.

Die Kammer die den Antrag auf ablehnung wegen Befangenheit abgelehnt hat, war offenbar Frau Assbichlers Meinung und hat es so eingeschäzt, dass Frau Assbichler richtig gehandelt hat. Das gleich scheint der GBA gedacht zu haben, denn die im Revisionsantrag aufgeführten Begründungen ja als "nicht ausreichend gewichtig an". Das zeigt doch, dass das ganze offenbar schwer einzuschätzen war, selbst für andere erfahrene Juristen, die ja sogar per Antrag inkl. Begründung auf den Fehler hingewiesen werden.

Es liegt damit doch wohl absolut nahe, dass Frau Assbichler weder etwas vergessen hat, noch dass sie so gehandelt hat, weil sie "keinen Bock" auf den Angeklagten oder seine Verteidiger hatte, sondern dass sie einfach nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.
Das erfüllt den Tatbestand einer Fahrlässigkeit. Als ausgebildete Juristin und erfahrene Richterin hätte sie wissen können und müssen, dass das so nicht in Ordnung ist.
Das entspricht deiner Option B, oder?


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 13:35
@Grillage, danke für die Zusammenfassung.

Wenn ich jetzt folgende Aussage von A, die auch der BGH bemängelt hat, nämlich:
weitere Rechtsgespräche mit der Verteidigung seien hinfällig gewesen, weil diese ohnehin auf Freispruch auf der Grundlage eines angenommenen Unfallgeschehens beharren würde. Anfragen zu rechtlichen Hinweisen seien damit in diese Richtung „obsolet“ gewesen.
in Deine 4 Möglichkeiten einordnen müsste, würde ich sagen, da passt nur a)
(klingt eigentlich fast identisch).


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 15:35
Der zitierte Beitrag von AusLeipzig wurde gelöscht. Begründung: Antwort auf gelöschten Beitrag
Sehr unterschiedlich würde ich nicht per se sagen, die Grenzen zwischen einfacher, mittlerer und grober Fahrlässigkeit sind fließend und lassen sich schwer schematisch festmachen. Wobei der Begriff "grobe Fahrlässigkeit" ohnehin eher aus dem Zivilrecht kommt. Dafür verwendet das Strafrecht oftmals den Begriff der "Leichtfertigkeit" (z.B. beim Raub mit Todesfolge nach § 251 StGB). Die Begriffe dürften weitgehend deckungsgleich sein, aber Strafrecht ist natürlich immer ein anderer Kontext als zivilrechtliche Haftung.

Allerdings: Bei einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB ist es - anders als bei einem Raub mit Todesfolge beispielsweise - nicht erforderlich, dass der Tod leichtfertig verursacht wird. Die abstrakte Gefährlichkeit einer (vorsätzlichen) Körperverletzungshandlung, die grundsätzlich geeignet ist, tödliche Verletzungen hervorzurufen, reicht meist aus (z.B. wuchtiger Faustschlag auf den Schädel). Die Abgrenzung zum bedingten Tötungsvorsatz ist allerdings sehr fließend.

Bzgl. des konkreten Verfahrensrechts: Ob die Richterin (grob) fahrlässig, bedingt vorsätzlich oder wie auch immer handelte, ist für die vom Bundesgerichtshof entschiedene Frage über die "Besorgnis der Befangenheit" völlig unerheblich. Das wird allein an objektiven Kriterien festgemacht, der subjektive Tatbestand ist unerheblich. Theoretisch könnte die Frage mal im Rahmen einer möglichen Amtshaftung aufkommen (§ 839 BGB), wofür aber auch einfache Fahrlässigkeit ausreichen würde. Allerdings: Es gibt in Abs. 3 das sog. Richterprivileg. Solange die Richterin mit ihrem Vorgehen selbst keine Straftat beginge, wäre sie auch unter Amtshaftungsgrundsätzen nicht zu belangen, selbst bei grober Fahrlässigkeit. Davon wiederum zu unterscheiden sind disziplinarrechtliche Folgen für sie. Spannend wäre, ob irgendwann nach dem Bayerischen Disziplinargesetz - findet für Richter*innen entsprechende Anwendung - wegen eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet wird. Dafür müsste sie "schuldhaft" (also mit mindestens leichter Fahrlässigkeit") eine dienstliche Verpflichtung verletzt haben. Die Frage, ob sie grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt haben mag, wäre dann im Rahmen der möglichen beamtenrechtlichen Sanktionen zu prüfen. Aber erstmal müsste sie überhaupt ihre dienstlichen Pflichten objektiv verletzt haben. Dazu habe ich in Anbetracht der Kommunikation mit dem Staatsanwalt und ihrem Versuch das zu verbergen sowie der völlig unnötigen Stellungnahme eine klare Meinung.

Aber auch für den Angeklagten könnte es genau im Hinblick auf den "subjektiven" Tatbestand noch ankommen. Kann ein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden? Dafür reicht dann in der Tat der berühmte Eventualvorsatz...und selbst mit dieser niedrigsten Form des Vorsatz kann das Mordmerkmal der "Verdeckungsabsicht" begangen werden. Bis Mitte der 90er sah der Bundesgerichtshof hier noch einen Widerspruch, hält aber eine "Verdeckungsabsicht" auch bei "nur" bedingtem Vorsatz heute grundsätzlich für möglich.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

05.05.2025 um 16:50
Zitat von RedRalphRedRalph schrieb:sowie der völlig unnötigen Stellungnahme
Erstmal vielen Dank für Deine Ausführungen, diese sind doch mal sehr hilfreich.

Für mich stellt sich seit Veröffentlichung des BGH-Beschlusses die Frage, warum die Richterin diese Stellungnahme in dieser Form überhaupt abgegeben hat.

Ich meine, sogar für Nicht-Juristen ist doch auf Anhieb erkennbar, dass diese Aussage gegenüber dem BGH:
weitere Rechtsgespräche mit der Verteidigung seien hinfällig gewesen, weil diese ohnehin auf Freispruch auf der Grundlage eines angenommenen Unfallgeschehens beharren würde. Anfragen zu rechtlichen Hinweisen seien damit in diese Richtung „obsolet“ gewesen.
das Ganze nochmal deutlich verschlimmert, weil sie ja damit fast schon selbst sagt, dass sie voreingenommen oder zumindest nicht mehr neutral ist.

Die vorzeitige Stellungnahme an sich ist das eine - aber das andere ist ja, dass sie inhaltlich dem BGH geradezu eine Steilvorlage geliefert hat mit dieser doch sehr parteilichen Aussage. Und das von einer nicht gerade unerfahrenen Richterin.
Für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.


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05.05.2025 um 17:09
Zitat von RedRalphRedRalph schrieb:Kann ein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden?
Wenn man ohne echte Beweise eine Tötung nachweisen kann, kann man wahrscheinlich auch den Tötungsvorsatz nachweisen ...


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05.05.2025 um 17:17
Zitat von XluXXluX schrieb:das Ganze nochmal deutlich verschlimmert, weil sie ja damit fast schon selbst sagt, dass sie voreingenommen oder zumindest nicht mehr neutral ist.
Dazu muss man aber auch sagen, dass es nicht unüblich ist einen Angeklagten auf eine bevorstehende Verurteilung der Kammer hinzuweisen in der Hoffnung, dass dieser ggf. für ihn positiv auswirkend noch an der Aufklärung mitwirkt.


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05.05.2025 um 17:27
Zitat von mjk-17mjk-17 schrieb:Dazu muss man aber auch sagen, dass es nicht unüblich ist einen Angeklagten auf eine bevorstehende Verurteilung der Kammer hinzuweisen in der Hoffnung, dass dieser ggf. für ihn positiv auswirkend noch an der Aufklärung mitwirkt.
Ja, nur abgesehen davon, dass sie das ja gerade nicht gemacht hat (ihn oder die Verteidigung darauf hinzuweisen, wie das Urteil aussehen soll), ging es mir um die Stellungnahme gegenüber dem BGH. Dort sagt sie ja nun mal (vereinfacht ausgedrückt), dass sie gar keinen Grund sieht, überhaupt noch mit der Verteidigung zu sprechen.


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05.05.2025 um 17:58
Zitat von mjk-17mjk-17 schrieb:Dazu muss man aber auch sagen, dass es nicht unüblich ist einen Angeklagten auf eine bevorstehende Verurteilung der Kammer hinzuweisen in der Hoffnung, dass dieser ggf. für ihn positiv auswirkend noch an der Aufklärung mitwirkt.
darum geht es doch gar nicht! Es geht darum, dass die Richterin "Privatgespräche" mit der Staatsanwaltschaft führt, und schreibt:
weitere Rechtsgespräche mit der Verteidigung seien hinfällig gewesen, weil diese ohnehin auf Freispruch auf der Grundlage eines angenommenen Unfallgeschehens beharren würde. Anfragen zu rechtlichen Hinweisen seien damit in diese Richtung „obsolet“ gewesen.
ich würde daraus auch weit mehr als nur die "Besorgnis einer Befangenheit" erkennen, sondern vielmehr auf eine tatsächliche mangelnde Distanz, mangelnde Professionalität schliessen!
Ob die Richterin dem Angeklagten gegenüber befangen ist, kann man daraus nicht sicher sagen, aber man kann ziemlich sicher sagen, dass sie der Verteidigerin gegenüber voreingenommen, befangen ist, und dies ihr Handeln im Prozess real beeinflusst hat, was zum Nachteil des Angeklagten gewirkt hat!
Man muss Frau Rick ja nicht unbedingt zujubeln, man kann ihre Art der Litigation-PR durchaus sehr kritisch sehen, aber als Richterin sollte man dennoch immer professionell bleiben und sich dadurch nicht beeinflussen lassen und auch einen persönlichen "Beef" mit der Verteidigerin nicht zu Handlungen führen lassen, die dem Angeklagten zu einem Nachteil reichen können!
Zitat von XluXXluX schrieb:Für mich stellt sich seit Veröffentlichung des BGH-Beschlusses die Frage, warum die Richterin diese Stellungnahme in dieser Form überhaupt abgegeben hat.
ich kann es mir wie gesagt nur so erklären, dass die Richterin zuvor schon öfter so gehandelt hat, ohne dass das negative Konsequenzen hatte und inzwischen irrig annahm, dass das seine Richtigkeit habe, also wie oben geschrieben "Wurschtigkeit"... Vielleicht ist gerade ihre "langjährige Erfahrung" das Problem, man kennt es aus anderen Berufen, Branchen, Tätigkeiten, gerade die "old-timer" machen manches nicht mehr nach "text-book", sondern haben sich mit der Zeit Dinge angewöhnt, die nicht den Vorschriften entsprechen, aber immer gutgegangen sind... Bis es mal nicht gutgeht, weil zB. eine Sicherheitsebene umgangen wurde...


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05.05.2025 um 18:35
Zitat von bla_blabla_bla schrieb:ich kann es mir wie gesagt nur so erklären, dass die Richterin zuvor schon öfter so gehandelt hat, ohne dass das negative Konsequenzen hatte und inzwischen irrig annahm, dass das seine Richtigkeit habe, also wie oben geschrieben "Wurschtigkeit"... Vielleicht ist gerade ihre "langjährige Erfahrung" das Problem, man kennt es aus anderen Berufen, Branchen, Tätigkeiten, gerade die "old-timer" machen manches nicht mehr nach "text-book", sondern haben sich mit der Zeit Dinge angewöhnt, die nicht den Vorschriften entsprechen, aber immer gutgegangen sind... Bis es mal nicht gutgeht, weil zB. eine Sicherheitsebene umgangen wurde...
Ok, in einem Prozess vielleicht. Aber hier ging es um die Revision, da schreibt man doch nicht an den BGH, dsss es sich nicht lohnt, mit der Verteidigung zu sprechen, weil diese die Mordthese eh nicht vertritt.
Obwohl, anscheinend doch ...


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06.05.2025 um 03:10
Zitat von GrillageGrillage schrieb:Du schaffst es einfach nicht, die Handlungen die aus Sicht eines Angeklagten eine "Besorgnis der Befangenheit" begründen von dem tatsächlichen Vorliegen eines Befangenheit zu trennen.

Die Handlung eines Richters kann falsch sein, ohne dass er sie so ausgeführt hat, weil er befangen ist. Sondern einfach, weil er gedacht hat, dass er "das so machen muss und dass das so ausreichend ist". Das kann aber trotzdem beim Angeklagten die begründete und nachvollziebare Sorge hervorrufen, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen. Und nur auf die kommt es ja an.
Ich zähle die Seiten dieser müssigen und überflüssigen Diskussion schon lange nicht mehr, empfinde es aber langsam als nervig, mich in dem grundsätzlich interessanten Thread ewig durch diese Diskussion kämpfen zu müssen. Wenn ich in einem meiner Vorträge, Anträge usw. die ich täglich vor Gericht einbringen muss so auf einem solchen Punkt herumreiten würde, bekäme ich eine gewaltige Standpauke des Richters oder der Kammer. "Relevanz?" würde man berechtigt fragen. Die Sache ist vorbei, Schluss. Richterin A. hat in diesem Verfahren keine Funktion mehr, es geht in eine neue Runde, also kann man hier doch mal Schluss machen?

Inhaltlich stimme ich @Grillage weitgehend zu, aber das ist auch egal.
Zitat von mjk-17mjk-17 schrieb:Dazu muss man aber auch sagen, dass es nicht unüblich ist einen Angeklagten auf eine bevorstehende Verurteilung der Kammer hinzuweisen in der Hoffnung, dass dieser ggf. für ihn positiv auswirkend noch an der Aufklärung mitwirkt.
Allerdings, das ist tägliches Brot. Und nicht nur vor Kammern, ganz besonders auch vor Einzelrichtern am AG, und zwar ohne dass jemand sofort "Befangen!" rufen muss. Im Referendariat am oberfränkischen AG Hof begann mein erstes Verfahren, das ich miterlebte, nach der Vernehmung des Polizeibeamten mit den Worten des Richters: "Herr Verteidiger, ich gebe Ihnen und Ihrem Mandanten jetzt 10 Minuten Pause und Bedenkzeit, ob Sie wirklich den Einspruch gegen den Bussgeldbescheid Aufrecht erhalten wollen, denn ich sehe hier eine Straftat im Raum stehen... " Der Einspruch wurde zurückgezogen, aber der Beschuldigte murmelte auf dem Gang des Gerichts auch was von Befangenheit... Sein Verteidiger hatte die Sachlage aber begriffen, denn aus dem "unzureichenden Sicherheitsabstand und dem Einsatz der Lichthupe " liess sich ganz leicht eine Nötigung im Strassenverkehr sehen... Das Bussgeld wurde nur wegen dem Abstand verhängt.

Wenn man schon den guten und omnipräsenten Herrn Fischer zitiert, sollte man ihn auch mal ernst nehmen: ob Richterin Assbichler befangen war oder nicht weiss niemand, und braucht es auch nicht zu wissen.


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06.05.2025 um 07:18
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Die Sache ist vorbei, Schluss. Richterin A. hat in diesem Verfahren keine Funktion mehr, es geht in eine neue Runde, also kann man hier doch mal Schluss machen?
Das ist wohl war. Zu einem Thema will ich doch nochmal etwas nachfragen (ist auch nur @RickBlaine gerichtet) und dann war's das von mir auch dazu.
Es gab ja jetzt viele Diskussionen hier über die Aussage im Urteil, dass sich an einer bestimmten Handlung der Vorsitzenden das Fehlen ihrer Distanz erkennen lasse.
Bei Besorgnis der Befangenheit geht es ja um Hinweise, die für vernünftige Prozessbeteiligte auf Befangenheit hindeuten. Wenn ich das richtig verstehe ist "fehlende Distanz" aber kein solcher Hinweis aber wäre tatsächlich ein Aspekt von Befangenheit. Befangenheit ist Voreingenommenheit, Neutralität, Distanz.
Wenn der BGH jetzt tatsächlich so etwas geschrieben hätte wie: "Ihr fehlte die Distanz" - dann könnte man sagen, dass der BGH sie tatsächlich für befangen hält, korrekt?

Die Formulierung mit "erkennen" kann sich aber sehr gut auch auf einfach darauf beziehen, dass es hier einen äußerlichen Hinweis auf Befangenheit gibt, also die Besorgnis der Befangenheit gegeben ist.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:ob Richterin Assbichler befangen war oder nicht weiss niemand
Nochmal ganz weg von diesem Fall. Wie unterscheidet sich Befangenheit eigentlich von den ganzen anderen Fragen in denen ja schon geguckt wird, was ein Angeklagter für Ziele hatte und was für Motive und was er vorhatte? Ob bspw. auch sexuelle Motive vorhanden waren etc. Auch da schlussfolgert man ja von äußeren Anzeichen aufs Innere, während man bei Befangenheit sagt, dass sich nur aufs äußere schlussfolgern lässt.


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06.05.2025 um 08:15
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:mjk-17 schrieb:
Dazu muss man aber auch sagen, dass es nicht unüblich ist einen Angeklagten auf eine bevorstehende Verurteilung der Kammer hinzuweisen in der Hoffnung, dass dieser ggf. für ihn positiv auswirkend noch an der Aufklärung mitwirkt.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Allerdings, das ist tägliches Brot. Und nicht nur vor Kammern, ganz besonders auch vor Einzelrichtern am AG, und zwar ohne dass jemand sofort "Befangen!" rufen muss. Im Referendariat am oberfränkischen AG Hof begann mein erstes Verfahren, das ich miterlebte, nach der Vernehmung des Polizeibeamten mit den Worten des Richters: "Herr Verteidiger, ich gebe Ihnen und Ihrem Mandanten jetzt 10 Minuten Pause und Bedenkzeit, ob Sie wirklich den Einspruch gegen den Bussgeldbescheid Aufrecht erhalten wollen, denn ich sehe hier eine Straftat im Raum stehen... "
Naja auf einen Beschuldigten einzuwirken der nachweislich eine Tat begangen hat und jemanden der zumindest auch unschuldig sein könnte zu einem Geständnis aufzufordern ist m.E. schon ein Unterschied. Während das eine ( wie beim o.g. zitierten Beispiel ) nachvollziehbar und sogar naja man könnte sagend "handreichend" oder wohlwollend war, betrachte ich die Aufforderung an den Angeklagten hier im Fall zu gestehen als ausgesprochen zynisch, weshalb man hier auch eine andere Sicht auf das Thema Befangenheit haben kann.


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06.05.2025 um 09:22
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Es gab ja jetzt viele Diskussionen hier über die Aussage im Urteil, dass sich an einer bestimmten Handlung der Vorsitzenden das Fehlen ihrer Distanz erkennen lasse.
Bei Besorgnis der Befangenheit geht es ja um Hinweise, die für vernünftige Prozessbeteiligte auf Befangenheit hindeuten. Wenn ich das richtig verstehe ist "fehlende Distanz" aber kein solcher Hinweis aber wäre tatsächlich ein Aspekt von Befangenheit. Befangenheit ist Voreingenommenheit, Neutralität, Distanz.
Wenn der BGH jetzt tatsächlich so etwas geschrieben hätte wie: "Ihr fehlte die Distanz" - dann könnte man sagen, dass der BGH sie tatsächlich für befangen hält, korrekt?

Die Formulierung mit "erkennen" kann sich aber sehr gut auch auf einfach darauf beziehen, dass es hier einen äußerlichen Hinweis auf Befangenheit gibt, also die Besorgnis der Befangenheit gegeben ist.
Der Gesetzgeber, vor allem die vielen Juristen, die an einem Gesetzentwurf arbeiten, bevor er verabschiedet wird und die vielen Richter in der Geschichte des BGH haben sich ja etwas dabei gedacht, wenn nirgends in den Urteilen oder Gesetzen von einer tatsächlich vorhandenen Befangenheit die Rede ist. Es wird immer nur von einer vernünftigen Besorgnis der Befangenheit gesprochen.

Man kann Befangenheit nicht wissenschaftlich korrekt und objektiv feststellen, ausser ein Richter würde klar sagen, "ja, ich war befangen, weil..."

Daher ist diese Diskussion müssig. In irgendeinem Lexikon taucht der Begriff "Distanz" auf, aber das hilft ja bei der Frage nicht weiter. Denn jetzt müsste man definieren, wann eine angebliche Distanz denn nun eine Befangenheit deutlich zeigt und wann nicht. Und da endet man bei dem gleichen Problem: wer kann denn "Distanz" so eindeutig definieren?

Es geht hier letztlich um psychologische Prozesse, die sich im Gehirn des Richters abspielen, und die kann man nun mal nicht objektiv nachweisen.

Daher kann man den BGH hier auch nicht so apodiktisch lesen.

Klar ist, und das hat ja zu dem Beschluss geführt, dass die Richter des BGH bejahen, dass ein vernünftiger Angeklagter berechtigt war, hier besorgt zu sein, dass Befangenheit vorgelegen haben kann. Und das muss reichen, denn sonst würde eine solche Diskussion, wie man hier im Forum ja auch sehen kann, endlos sein.

Es bleibt dabei, auch wenn das für den einen oder anderen Beobachter unbefriedigend sein mag, dass die hier massgeblichen Juristen aus guten Gründen sich weigern, der Richterin objektiv Befangenheit vorzuwerfen.

On die Richter des BGH nun selbst meinen, die Richterin war hier eindeutig "befangen" oder nicht, ist ebenfalls nicht und schon gar nicht aus ihrem schriftlichen Beschluss festzustellen, denn das ist ebenfalls wieder ein Punkt, wo man in die Köpfe der Richter schauen müsste.

Es gibt keine juristische Antwort auf die Frage. Die Besorgnis ist vernünftig und begründbar und das ist, wonach das Gesetz fragt. Eine bessere Antwort gibt es nun mal nicht.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

06.05.2025 um 09:58
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Es wird immer nur von einer vernünftigen Besorgnis der Befangenheit gesprochen.
Okay verstehe. Es ist einfach so eindeutig, dass man sowieso nur mit Besorgnis operiert, dass es einfach unangebracht ist da irgendwelche Wörter auf die Goldwaage zu legen. Damit führt man sich nur selbst in die Irre.
Vernünftige Besorgnis impliziert dann vermutlich schon, dass es eine zumindest einigermaßen plausible bzw. eben auch "vernünftige" Option ist, dass sie befangen war, aber es ist ebenso plausibel, dass sie es nicht war, richtig?

Es würde mich trotzdem nochmal interessieren was du hierzu sagst:
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Nochmal ganz weg von diesem Fall. Wie unterscheidet sich Befangenheit eigentlich von den ganzen anderen Fragen in denen ja schon geguckt wird, was ein Angeklagter für Ziele hatte und was für Motive und was er vorhatte? Ob bspw. auch sexuelle Motive vorhanden waren etc. Auch da schlussfolgert man ja von äußeren Anzeichen aufs Innere, während man bei Befangenheit sagt, dass sich nur aufs äußere schlussfolgern lässt.
Sind diese anderen Fragen einfach weniger "psychologisch"? Oder liegt es mehr daran, dass man bei denen halt in einem Prozess Unmengen an Indizien sammelt, um dann zu einer Bewertung zu kommen, während es hier ja überhaupt nicht darum geht, die Vorsitzende anzuklagen.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

06.05.2025 um 10:18
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Vernünftige Besorgnis impliziert dann vermutlich schon, dass es eine zumindest einigermaßen plausible bzw. eben auch "vernünftige" Option ist, dass sie befangen war, aber es ist ebenso plausibel, dass sie es nicht war, richtig?
Wenn Juristen von "vernünftig" reden, gehen sie auch von einer "Kunstfigur" aus, dem berühmten Idealmenschen, der früher einmal als "billig und gerecht denkender Bürger" beschrieben wurde. Es soll hier also eine Besorgnis sein, die einem solchen "Idealmenschen" kommen würde. Es soll also verhindert werden, dass jemand sagt: "die Vorsitzende hat mich in der Verhandlung immer mit so einem feindseligen Blick angeschaut," oder so etwas, "und deshalb bin ich besorgt, dass sie befangen ist. "
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Sind diese anderen Fragen einfach weniger "psychologisch"? Oder liegt es mehr daran, dass man bei denen halt in einem Prozess Unmengen an Indizien sammelt, um dann zu einer Bewertung zu kommen, während es hier ja überhaupt nicht darum geht, die Vorsitzende anzuklagen.
All diese Punkte zeigen eben die Grenzen menschlicher Justiz auf: denn auch da gilt freilich, dass man dem Angeklagten nicht in den Kopf schauen kann. Verlangt werden hier Indizien, die dem "vernünftigen" Richter erlauben, Schlüsse hinsichtlich der Motivation etc. zu ziehen.

Auch da gibt es freilich am Ende keine absolute Sicherheit. Ein vermutlich sexuell frustrierter Täter, der noch nie einen Kontakt zu Frauen hatte, überfällt eine gutaussehende attraktive junge Frau, reisst ihr die Klamotten vom Leib und ...

Man nimmt dann eine sexuelle Motivation und Tat an. Vielleicht hat der Täter aber gedacht, so eine äusserlich perfekte Frau kann kein Mensch sein, sie ist ein gefährlicher alien vom Mars, der sich verkleidet hat und vor dem ich die Menschheit retten musste. Wenn sich der Täter in der Hinsicht nie geäussert hat, wird ein Gericht das nie wissen. Es nimmt das Naheliegendere an. Auch hier ist eben eine Grenze menschenmöglicher Justiz. Und das ist gut so, denn ob wir eine Gesellschaft sein wollen, in der die Justiz die technischen Möglichkeiten hat, im Gehirn eines Menschen nach allen Gedanken zu schauen, ist auch fraglich. Das Thema ist aber schon interessant im Hinblick auf den deutschen Sonderweg beim Mordparagraphen, bei dem "Beweggründe" eine Rolle spielen.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

06.05.2025 um 11:44
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Klar ist, und das hat ja zu dem Beschluss geführt, dass die Richter des BGH bejahen, dass ein vernünftiger Angeklagter berechtigt war, hier besorgt zu sein, dass Befangenheit vorgelegen haben kann. Und das muss reichen, denn sonst würde eine solche Diskussion, wie man hier im Forum ja auch sehen kann, endlos sein.
Sehr richtig gesagt. Mittlerweile stelle ich mir eher eine andere Frage: Besteht bei Strafverfahren in Bayern (oder Bundesländern, die ein ähnliches Einstellungssystem in der Justiz haben) nicht bei jeder/jedem Strafrichter/in, die/der früher jahrelang als Staatsanwältin/Staatsanwalt gearbeitet hat, die strukturelle Besorgnis der Befangenheit, dass sie/er sich nicht viel eher mit der Seite der Staatsanwaltschaft identifiziert und dadurch eben die Sorge besteht, dass die Neutralität bzw. Unparteilichkeit, die das Gesetz fordert, untergraben wird?

Der kumpelhafte Ton zwischen Richterin und Staatsanwaltschaft - in diesem Fall in einer E-Mail mal schön dokumentiert - dürfte ja eher die Regel als die Ausnahme sein, weil in vielen Fällen die Staatsanwält*innen ehemalige vielleicht langjährige Kolleg*innen der Richter*innen sind. Das ist der richterlichen Neutralität nicht wirklich förderlich. Ich habe das Gefühl, dass in Bayern Strafkammern öfter fast schon blindlings geneigt sind, der Argumentation der Staatsanwaltschaft zu folgen, auch bei Fällen, in denen sich der Grundsatz von "Im Zweifel für den Angeklagten" geradezu aufdrängt. Neben dem Fall Peggy kommt einem da sofort der "Badewannenmord" in den Sinn: Es ist schon mehr als heftig jemanden lebenslänglich ins Gefängnis zu schicken, obwohl die Obduktion keine Hinweise auf ein Kapitalverbrechen sah und die Leiche danach sofort eingeäschert wurde. Die Staatsanwaltschaft änderte ihre "Story", nachdem der Angeklagte beweisen konnte, dass er Geld aus anderen Quellen hatte, noch in der Hauptverhandlung und das Gericht winkte das dennoch durch, auch im zweiten Prozess.

Was ich in unserem Rechtsmittelsystem im Strafrecht ganz schlimm finde, ist folgender Punkt: In der Revision kann praktisch nicht überprüft werden, ob der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" richtig angewandt worden ist. Wenn ein Gericht sagt, es hat keine Zweifel, obwohl sich mit gesundem Menschenverstand gewisse Zweifel aufdrängen könnten, ist das nicht revisibel. Nur wenn das Gericht tatsächlich selbst Zweifel in der Urteilsbegründung erwähnt und dann doch verurteilt, wäre es ein Grund für eine Revision.

Auch der langjährige Cold Case "Ammerseekiste" ist ein Fall, bei dem viele Menschen Zweifel an der Schuld des Angeklagten haben. Dazu gibt es auch eine umfassende Dokumentation des BR. Er ist aber wohl ein empathieloser Einzelgänger und schien ins Täterschema zu passen. Eine andere durchaus plausible Spur wurde in diesem Fall von der Polizei aus welchen Gründen auch immer nie ernsthaft verfolgt.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

06.05.2025 um 11:52
Zitat von christian01christian01 schrieb:betrachte ich die Aufforderung an den Angeklagten hier im Fall zu gestehen als ausgesprochen zynisch,
Noch zynischer fand ich fast noch diese Aussagen:
Zitat von fassbinder1925fassbinder1925 schrieb am 20.03.2024:„Es musste einfach raus! Sie sind nicht gut im Verdrängen, die Bilder werden sie irgendwann einholen.“, sagte die Richterin zum Angeklagten gewandt.
Zitat von fassbinder1925fassbinder1925 schrieb am 20.03.2024:„Die Tat wird aufgearbeitet werden. Er kann nicht verdrängen.“
Das ist nicht weniger skurril als das, was Herr Fischer in seinem Beispiel nennt:
In einer einst von mir geführten Hauptverhandlung fragte ein Schöffe den – seine Unschuld beteuernden – Angeklagten: "Tut es Ihnen denn überhaupt nicht leid?"
Quelle: https://www.lto.de/recht/meinung/m/frage-an-thomas-fischer-befangenheit-im-strafprozess


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