AusLeipzig schrieb:Da kam ich nun selbst durcheinander... So ist es richtig:
Unser Disput besteht nicht darin dass ich B für unplausibel halte sondern darin dass du immer nur auf Option B Bezug nimmst und viele Argumente für Option C als Argumente für Option A darstellst.
Nein, unsere Diskussion beruht darauf, dass Du drei Möglichkeiten aufgeführt hast und meist, das sei eine abschließende Liste, weitere Möglichkeiten gäbe es nicht.
Und dass wir bei der Deutung, ob etwas fahrlässig ist oder schon Vorsatz wohl auch eine andere Auffassung haben. Denn "sie hatte keinen Bock auf die Verteidiger des Angeklagten und hat es deshalb vergessen" ist für mich keine Fahrlässigkeit und keine Unbefangenheit. Sie hätte nämlich dann ihre Antisympathie oder meinetwegen ihre Genervtheit von Ricks hysterischen Schreitiraden als Basis für ihre Handlungen und Entscheidungen genommen. Sie darf die Verteidiger ja durchaus unsympathisch oder nervig empfinden, aber sie kann sie deshalb nicht benachteiligen, in dem sie ihnen Infos bewusst vorenthält.
Meine Liste der Möglichkeiten ist abstrakter:
a) Frau Assbichler war befangen, fand den Angeklagten z.B. unsympathisch oder war vom ersten Tag an sicher, dass er Hannas Mörder ist. Sie war sich dessen auch bewusst und hat DESHALB seine Verteidiger nicht mit in die Kommunikation mit den StA eingebunden, weil sie sich z.B. dachte, dass sie sich dadurch elende Diskussionen mit den Verteidigern sparen kann, die eh überflüssig sind, weil sie nichts an dem von ihr geplanten Schuldspruch ändern würden. Das wäre Vorsatz. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.
b) Frau Assbichler war völlig unbefangen und bis zum Schluss des Prozesses ergebnisoffen und wollte mit dem StA nur eine verfahrenstechnische Angelegenheit klären. Als das erledigt war, hat sie den rechtlichen Hinweis erteilt und die Korrespondenz zu den Akten gelegt und war der Überzeugung, damit ihrer Pflicht, die Verteidiger umgehend über das Vorgehen und den möglicherweise auch in Frage kommenden Aklagepunkt, genüge getan zu haben. Das wäre fahrlässig, weil man von ihr als Richterin halt erwarten kann, dass sie es besser wissen muss und dass sie es richtig macht. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.
c) Frau Assbichler fand den Angeklagten und/oder seine Verteidiger unsympathisch, war sich dessen auch bewusst, ist als Richterin aber ihrer Pflicht nachgekommen, eine berufliche Distanz zu wahren und war sich bewusst, dass ihre Gefühle keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen und Handlungen im Gerichtssaal haben dürfen. Sie wollte mit dem StA nur eine verfahrenstechnische Angelegenheit klären. Als das erledigt war, hat sie den rechtlichen Hinweis erteilt und die Korrespondenz zu den Akten gelegt und war der Überzeugung, damit ihrer Pflicht, die Verteidiger umgehend über das Vorgehen und den möglicherweise auch in Frage kommenden Aklagepunkt, genüge getan zu haben. Das wäre fahrlässig, weil man von ihr als Richterin halt erwarten kann, dass sie es besser wissen muss und dass sie es richtig macht. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.
d) Frau Assbichler fand den Angeklagten und/oder seine Verteidiger unsympathisch, war sich aber nicht bewusst, dass diese Antysmpathie so stark war, dass ihr damit die für einen Richter gebotene berufliche Distanz abhanden gekommen ist. Sie hat unbewusst Entscheidungen so getroffen, dass sie dem Angeklagten benachteiligen. Z.B. die Korrespondenz abgeheftet und sich dabei trotzig gedacht, dass die Verteidiger sich gefälligst selbst durch die Akten zu wühlen haben und wenn sie von 500 Seiten jede einzelne "durchstöbern" müssen, dann ist das nicht ihr Problem. Wieso soll sie der Rick, die keine Gelegenheit auslässt, sich im Gerichtssaal schlecht zu benehmen, auch noch die Arbeit erleichtern. Die Frau ist gut genug bezahlt, das soll sie mal was tun für ihr Geld. Sie hat damit dem Angeklagten einen nachvollziehbaren Grund gegeben, sich um ihre Unparteilichkeit zu sorgen.
Das wäre in meinen Augen grenzwertig zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz. Immerhin hätte Frau Assbichler ja in diesem Beispiel gedacht, dass sie halt Pflicht nach Vorschrift macht und den Verteidigern nur keinen Gefallen tun wollte, halt eine kleine Gehässigkeit. Auch hier wäre ihr nicht bewusst gewesen, dass das gar kein Gefallen, sondern ihr Pflicht gewesen war, aber man kann sich halt auch fragen, in wie weit sie als Richterin nicht verpflichtet gewesen wäre, ihre Gefühle und ihr Verhalten noch stärker und selbstkritsicher zu hinterfragen.
Meiner Meinung nach ist das eine abschließende Liste, weitere prinzipielle Möglichkeiten gibt es nicht (wobei die konkrete Beschreibung ihrer Gedanken in d) nur ein mögliches fiktives Beispiel sein sollen, sie kann sich auch was komplett anderes gedacht haben. Es dient nur der beispielhaften Verdeutlichung wie jemand denken und handeln könnte, der befangen ist und es nicht schafft, trotzdem die gebotene richterliche Distanz zu wahren.
Es gibt denke ich einige Zwischenmöglichkeiten und/oder Mischformen, denn ein Prozess ist lang, die innere Einstellung, der Grad an Genervtheit und die persönliche Performance können von Tag zu Tag schwanken und in jedem Prozess muss ein Richter hunderte kleine Entscheidungen treffen und dabei kann es ihm an einem Tag durchaus besser gelingen, die notwendige Professionalität walten zu lassen als an einem anderen Tag.
Was bei Frau Assbichler vorlag, werden wir nicht beantworten können. So wie ich die Infos aus dem BGH-Beschluss und Fischers Kommentar deute, hat Frau Assbichler ja wohl in ihrer dienstliche Erklärung nach § 26 Abs. 3 StPO und auch in der unaufgeforderten Stellungnahmen gegenüber dem BGH dargelegt, dass sie sich nicht befangen fühlte (man kann es bei Fischer nur indirekt rauslesen, insofern wissen wir nicht genau, was sie geschrieben hat. Ich weiß auch nicht, ob Fischer diese Erklärung überhaupt konkret vorliegen hatte und auch nicht, ob er Einsicht in die Stellungnahme hatte, die sie an den BGH geschrieben hat; ich vermute mal zu beiden eher nicht.)
Es ist ja aber auch völlig egal, denn alle vier Optionen erfüllen die Vorraussetzung, dass der Angeklagte das Recht hat, die Richterin als befangen abzulehnen, weil ihr Verhalten und ihre Entscheidungen ihm aus seiner Sicht einen Grund gegeben hab, sich zu sorgen, dass sie ihm gegenüber befangen ist. Und auf mehr kommt es eben nicht an. Genau das schreibt Fischer auch in dem Kommentar.
Es ist also völlig müßig, dass hier seitenweise zu diskutieren: denn erstens ist es für uns nicht erkennbar, was vorlag und zweitens kommt es darauf auch gar nicht an. Die Konsequenz ist für alle Möglichkeiten die gleiche: sie hat T einen nachvollziehbaren Grund gegeben, an ihrer Unbefangenheit zu zweifeln und das reicht, damit er das Recht hatte, die abzulehnen.