Slaterator schrieb:Dazu gehören möglicherweise auch Hinterhöfe. Allerdings keine Keller, Dachböden und Wohnungen die nicht frei zugänglich sind und deshalb auch nicht ohne Einverständnis der Eigentümer/Mieter durchsucht werden können.
Nightrider64 schrieb:Und zu Durchsuchungen aufgrund " Gefahr im Verzuge" hat sich hier jemand geäußert, der davon mehr Ahnung davon hatte als ich.
Ihr müsst ganz grundsätzlich zwischen strafprozessualen Maßnahmen zur Aufklärung einer Straftat einerseits und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr andererseits unterscheiden.
Wenn ich gerade mit dem Messer aushole um jemanden zu erstechen, darf die Polizei mich zur Gefahrenbwehr notfalls erschießen. Liegt mein Opfer erst tot auf dem Boden, dürfen sie mich zur Aufklärung der Tat keineswegs erschießen.
Oder weniger flapsig:
§ 105, Abs. 1, Satz 1 StPO, also zur Aufklärung einer Straftat:
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden.
Quelle:
https://dejure.org/gesetze/StPO/105.html"Gefahr im Verzug" meint hier
nicht eine allgemeine Gefahr für irgendwen oder irgendwas, sondern z.B. die Gefahr, dass die Beweismittel sonst verloren gehen könnten. Also z.B. wenn Grund zu der Annahme besteht, der Eiszapfen, mit dem ein Beschuldigter möglicherweise sein Opfer erstochen hat, schmilzt gerade auf der Heizung in der Wohnng des Tatverdächigen dahin.
Besteht eine allgemeine Gefahr, die es abzuwenden gilt, gelten in der Regel das jeweilige Landesgesetz um Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Hier am Beipiel Hamburg:
§ 16
Betreten und Durchsuchen von Wohnungen
(1) Wohnungen im Sinne dieser Vorschrift sind Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum, das mit diesen Räumen im Zusammenhang steht.
(2) Eine Wohnung darf ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsucht werden, wenn
...
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ... das zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist.
Quelle:
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-SOGHAV5P16Und was sind nun "Tatsachen die eine Annahme rechtfertigen"? Das muss man nicht übermäßig verkopfen: Einigermaßen gesunder Menschenverstand reicht. Wenn ein Kind gesucht wird, dessen Leib, Leben oder Freiheit möglicherweise in Gefahr ist, geht es um ein so überragendes Rechtsgut im Vergleich zur Unverletzlichkeit der Wohung, dass die Anforderung an die Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, zur Gefahrenabwehr sei ein Betreten oder Durchsuchen einer Wohnung notwendig, nicht sehr hoch sein müssen.
Wenn ein Anwohner berichtet, er habe in der Nacht Schreie, Hilferufe oder sonstwie Beunruhigendes aus der Nachbarwohnung gehört, dann heißt es klopfen, sturmklingeln und ggf. eben auch die Tür eintreten. Oder ein Anwohner berichtet, sein Nachbar wäre mit einem Kind nach Hause gekommen, was seltsam sei, da der Nachbar gar keine Kinder habe. Und wenn ein Suchhund die Beamten zielstrebig zu einer Wohnung führt, sollte das auch reichen. Und für verschlossene Keller- oder Dachbodentüren gilt das erst Recht, da ist der Eingriff in die Grundrechte - im Vergleich zur Wohnung - ja nochmals geringer.
Konkretes Beispiel aus meinem beruflichen Umfeld: Eine Person hatte per SMS ihren Suizid einer Bekannten angekündigt. Die Polizei fuhr mit Sonderzeichen zur Wohnung des Betroffenen und trat die Tür ein, nachdem er auf klopfen und klingeln nicht reagiert hatte. Das konnte er auch nicht, er war nämlich gar nicht zu Hause. Vorher groß etwas geprüft - z.B. die Echtheit der SMS - hat die Polizei nicht. In solchen Situationen verdaddelt man keine Zeit (Die SMS war übrigens echt, aber die Person lebt glücklicherweise auch heute noch)
Ich habe jetzt grad' keine Lust nach der Version des Gesetzes von Berlin (West) aus dem Jahre 1973 zu suchen, aber seit versichert, dass da nichts sinngemäß anderes drinstand.