Nightrider64 schrieb:Der Täter wollte, das alle Sachen möglichst schnell aufgefunden werden.
Er hätte die Sachen von Reiner viel besser in einer oder mehreren Mülltonne entsorgt. Die wären wahrscheinlich nie gefunden worden.
Die wahrscheinlich beste Lösung die Klamotten auf nimmer Wiedersehen verschwinden zu lassen wäre in meinen Augen wohl ein Altkleidercontainer. Die gab es in Deutschland soweit ich weiß schon seit den 50er Jahren und dort wären sie mutmaßlich nie aufgefallen. Aber mehrere Mülltonnen hätten es sicherlich auch getan. Davon abgesehen bestand ja auch die Möglichkeit, die Kleidung z.B. durch Verbrennung zu vernichten. Von daher gehe ich auch klar von der Absicht des Täters aus, dass die Kleidung gefunden wird. Einzig bei dem Grund dafür bin ich mir bekanntermaßen nicht so sicher wie du es dir scheinbar bist.
Nightrider64 schrieb:Ich bin der Meinung der Täter wollte das Reiners Leiche und auch alle Sachen die ihn mit Reiner in Verbindung bringen könnten, schnellstens loswerden aber auch eine weitere Suche im Umkreis nach dem Jungen oder seinen Sachen unterbinden.
Er muss befürchtet haben, die Ermittler seien ihm dicht auf den Fersen.
Wie ich schon geschrieben habe, konzentriert sich eine Suche erstmal auf die Umgebung, wo eine Person verschwand. Das alles dann im Außenbereich, um ein Unfallgeschehen weitgehend auszuschließen. Das Reiner in einem Kohlenkeller oder auf einem Dachboden verunfallt sein könnte, erscheint mir in diesem vorliegenden Fall ziemlich unlogisch. Funkstreifen die ohnehin in der Stadt unterwegs sind bekommen per Funk eine Personenbeschreibung und den Ort des Verschwindens mitgeteilt um die Augen offen zu halten. Möglicherweise durchstreifen die Fahrzeuge dann die Umgebung, wo die Person verschwand. Heute würde man noch zusätzlich einen Hubschrauber mit Wärmebildkamera einsetzen, damals gab es das in Westberlin aber nicht. Der Einsatz von Suchhund(en) erbrachte auch scheinbar keine Spur, sonst hätte man aufgrund des kurzen Heimweges von Reiner sicher schnell eine Fährte finden können, die zum Tatort führt noch bevor die Leiche entsorgt wurde.
Schließlich wurden noch Durchsagen mit Lautsprecherwagen gemacht und Plakate erstellt, der Wagen mit der Puppe eingesetzt. Das alles dann wohl am Folgetag.
Warum sollte sich der Täter daher vor Entdeckung fürchten? Eine offene Ablage in einer anderen Gegend konnte ihn mMn nicht davor schützen, in das Visier der Ermittler zu geraten. Wenn er einschlägig vorbestraft war, hätte man ohnehin wahrscheinlich überprüft, ob er als Täter in Frage kommt. Wäre er im engeren Umfeld von Reiner gewesen, hätte man ihn wahrscheinlich ohnehin befragt. In einer Doku vom ZDF sagte mal ein Profiler den Satz, dass in den meisten aufgeklärten Cold Cases der Name des Täters schon in der Ermittlungsakte vorkam. Wenn das zutreffen sollte, ist es nicht einmal unwahrscheinlich, dass man den Täter befragt hat. Also wo war da der Nutzen? Na klar, er wollte vielleicht vom Tatort ablenken, weil der Rückschlüsse auf ihn zulässt. Aber er war sich gleichzeitig sehr sicher, dass ihn Leiche und Kleidung allein nicht überführen wird. Von daher könnte er auch mit den Ermittlern "gespielt" haben um zu demonstrieren das an ihn kein Herankommen ist. Ich halte mir da derzeit noch verschiedene Motive für diese Art der Ablage offen und lege mich da nicht fest.
Nightrider64 schrieb:Umso mehr würde mich interessieren, wie denn die weiteren Fahndungsmaßnahmen abliefen, nachdem die Leiche gefunden wurde
Da bin ich voll bei dir. Habe ich das richtig in Erinnerung, dass zu dem Fall nie irgendwo erwähnt wurde das es eine SOKO gab? Wurde der Fall daher "nur" von der zuständigen Mordkommission geführt? Die werden dann ja auch personell und materiell nicht so stark bestückt gewesen sein, wie es eine Soko gewesen wäre...?! Wie wurde weiter ermittelt? Wer wurde zu dem Fall befragt? Vor allem: Gab es noch mehr Verdächtige?
Nightrider64 schrieb:Wer pessimistisch gedacht hat, dem war wohl schon bei der Suche klar, das Reiner höchstwahrscheinlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen war.
Das mag sicher so gewesen sein. Das rechtfertigt aber mMn allein noch keine Haus-/Wohnungsdurchsuchungen. Dafür brauchte man schon konkretere Hinweise auf mögliche Täter. Das jemand vorbestraft ist, reicht da in meinen Augen nicht aus. Vor allem nicht zu einer Sofortmaßnahme in der selben Nacht oder am Tag darauf.
321meins schrieb:Der wäre nach meiner Variante zumindest dem Beamten der in der Kneipe die Befragung durchgeführt hat noch nicht bekannt.
Der Beamte befragte die Wirtin aber erst nachdem man die Leiche und die Chipstüte gefunden hat. Also Tage nach dem Verschwinden. Da müsste der befragende Beamte in der Kneipe ja über alles informiert gewesen sein. Das ergibt für mich jetzt so keinen Sinn.
OpLibelle schrieb:"Gefahr im Verzug" meint hier nicht eine allgemeine Gefahr für irgendwen oder irgendwas, sondern z.B. die Gefahr, dass die Beweismittel sonst verloren gehen könnten. Also z.B. wenn Grund zu der Annahme besteht, der Eiszapfen, mit dem ein Beschuldigter möglicherweise sein Opfer erstochen hat, schmilzt gerade auf der Heizung in der Wohnng des Tatverdächigen dahin.
Das ist richtig. Allerdings bestand kein Grund zur Annahme, dass irgendeine bestimmte Person aus triftigem Grund Beweismittel vernichten könnte oder überhaupt mit der Tat in irgendeiner Weise in Verbindung steht. Eine Vorstrafe allein reicht da nicht aus. Außerdem ist ja nicht einmal sicher, ob eine bestimmte Person überhaupt Vorstrafen hatte, die mit dem Verbrechen einen Zusammenhang rechtfertigen. Wäre eine Person z.B. "nur" wegen Körperverletzung o.ä. vorbestraft, nicht aber wegen Sexualdelikten, dann reicht das mMn nicht für einen begründeten Anfangsverdacht nicht einmal für eine freiwillige Befragung, schon gar nicht für "Gefahr in Verzug", so wie ich das verstehe.
OpLibelle schrieb:Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ... das zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist.
Quelle: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-SOGHAV5P16
Eben jene Tatsachen gab es meiner Meinung nach nicht.
OpLibelle schrieb:Wenn ein Kind gesucht wird, dessen Leib, Leben oder Freiheit möglicherweise in Gefahr ist, geht es um ein so überragendes Rechtsgut im Vergleich zur Unverletzlichkeit der Wohung, dass die Anforderung an die Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, zur Gefahrenabwehr sei ein Betreten oder Durchsuchen einer Wohnung notwendig, nicht sehr hoch sein müssen.
Aber hoch genug, nicht nur wegen der möglichen Vorstrafe einer Person oder allein aufgrund der Tatsache das eine Person im selben Haus oder in der Nachbarschaft wohnt eine oder mehrere Wohnungen, private Kellerräume oder private Dachböden zu durchsuchen, wenn dies durch den Eigentümer/Mieter abgelehnt wird.
OpLibelle schrieb:Wenn ein Anwohner berichtet, er habe in der Nacht Schreie, Hilferufe oder sonstwie Beunruhigendes aus der Nachbarwohnung gehört, dann heißt es klopfen, sturmklingeln und ggf. eben auch die Tür eintreten. Oder ein Anwohner berichtet, sein Nachbar wäre mit einem Kind nach Hause gekommen, was seltsam sei, da der Nachbar gar keine Kinder habe. Und wenn ein Suchhund die Beamten zielstrebig zu einer Wohnung führt, sollte das auch reichen. Und für verschlossene Keller- oder Dachbodentüren gilt das erst Recht, da ist der Eingriff in die Grundrechte - im Vergleich zur Wohnung - ja nochmals geringer.
Das alles trifft aber -unter dem Vorbehalt das ich die Ermittlungsakten nicht kenne- offensichtlich nicht zu. Es wurde nirgends von Schreien, Hilferufen, beunruhigende Dinge aus Nachbarwohnungen, Beobachtungen von kinderlosen Personen mit Kind oder die Anzeige von Suchhunden berichtet. Absolut nichts in dieser Richtung. Deshalb sehe ich da weder eine latente Gefahr für den Täter unmittelbar "erwischt zu werden", noch einen gewinnbringenden Effekt für den Täter, wenn er die Leiche und Kleidung möglichst offensichtlich irgendwo anders ablegt.
Hätte es am Abend des Verschwindens von Reiner irgendwelche Konkreten Hinweise auf den Täter, dessen Wohnung und/Tatort gegeben, hätten sie ihn meiner persönlichen Ansicht nach sehr wahrscheinlich gefunden, bevor er die Leiche/Kleidung hätte ablegen können. Da wir nicht wissen, wo er die Leiche zwischengelagert hat (Wohnung, anderer Tatort, sonstige Räumlichkeiten, Fahrzeug etc. pp.) wissen wir ja auch nicht, welche Gefahr eines Fundes an für den Täter falscher Stelle wirklich bestanden hat. Deshalb lege ich mich bei dem Motiv für das öffentliche Ablegen auch nicht vorschnell fest.