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Amanda Knox

11.079 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Medien, Prozess ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Amanda Knox

17.12.2016 um 21:48
@stefanclimbr15
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Die True Crime Welle gibt es - aber nicht im deutschen Profi-Theater. Der ganze Ansatz gilt als künstlerisch minderwertig. Bekannte Theaterverlage werten die Stücke auch weniger nach kommerziellem Potential, als nach Gesichtspunkten literarischer und theaterästhetischer Art.
Nun gut, inwieweit es nun moralisch vertretbar ist auf der True-Crime Welle mit zu schwimmen lasse ich mal außen vor, allerdings sollten die literarischen und theaterästhetischen Gesichtspunkte eigentlich nicht das Problem sein. Das ist zumindest meine Meinung, nachdem ich das „Zuckerl“ gelesen habe.
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb: „Ehrenrührig“ meint hier (bei „Outfoxed“, das ich noch gar nicht kannte gebe ich dir recht) „unehrenhaft von Seiten des Autors“ weil man, sozusagen, nicht die Phantasie und Kreativität hat einen Stoff zu wählen der nicht in den internationalen Schlagzeilen war. Diese Gründe kann ich aber nur raten, denn bei Einreichung eines Theatermanuskripts läuft das so 1.) eine Rückantwort kommt nach 6 Monaten bis einem Jahr 2.) Man hat keinen Anspruch auf eine Rückantwort, auch nicht auf Absage 3.) Man erhält keine Begründung. Ist also, selbst für mich als Profi , ein Kampf gegen Windmühlen. Aber ich gebe nicht auf.
Diese Einstellung finde ich schade, zumal es meiner Meinung nach nicht minder kreativ ist einen aktuellen Stoff zu verarbeiten, als etwas komplett neu zu erfinden.
Gerade dieser Fall mit all der im realen Gerichtssaal zur Schau gestellten Theatralik (Pacellis „Luciferina“, Comodis BH Spiele und auch Bongiornos Messergefuchtel) schreit geradezu danach, als Gerichtsdrama Kammerspiel auf die Bühne gebracht zu werden. Meine Reaktion auf einige der Gerichtsmitschriften und vor allem ein paar von den verfügbaren Videos, war so etwas wie „Bin ich hier im Theater oder in einem Gerichtssaal?“
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Ein kleines Zuckerl: Man kann auf meiner Website (leicht zu finden, ich will sie hier nur nicht direkt angeben weil ich in der Vergangenheit schon…ähm…. „Kontakt“ zu Guiltern hatte), unter „Das Urteil von Perugia“ einen kompletten Szenenausschnitt lesen. Zur Teilbefriedigung der Neugier.
Danke dafür. :) Die Szene zeigt, wie es eigentlich hätte laufen sollen, mit einer starken Verteidigung, die den Fall der Staatsanwaltschaft nach allen Regeln der Kunst auseinander nimmt. Dummerweise haben sich die realen Verteidiger nur zu oft von den Ermittlern im Zeugenstand oder den Staatsanwälten den Schneid abkaufen lassen. Ich finde die Szene einfach nur brillant.

@Quiron ist nichts hinzuzufügen, ausser vielleicht dieses kleine Detail: "Für sie Signora Knox."
Dieser eine Satz bringt etwas auf den Punkt, dass mir von Anfang an sauer aufgestoßen ist.
Man sollte doch meinen, dass es der Situation vor Gericht angemessen wäre, von "Frau Knox" und "Herr(n) Sollecito" zu sprechen, wenn es um die Angeklagten geht. Interessanterweise hat nur Lumumba Anwalt Pacelli Amanda Knox im Kreuzverhör mit "Signorina Amanda" angesprochen, wohl um sie zu verspotten.
Alle anderen haben "Amanda" und "Raffaele" benutzt...
Wie Rollennamen in einem Theaterstück...

@2Cat1971
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Wenn es nämlich „Is Amanda Knox Guilty“ war, oder auch „Amanda Knox-Mord unter Studenten“(ZDF Neo) – beides ist eigentlich dieselbe Doku derselben vorbelasteten Autorin in unterschiedlichen Schnittfassungen – die kann man getrost in die Tonne kloppen.
Die "Vogt/Russell mockumentary" wie ich sie nenne zeigt, was passieren kann, wenn man einen Propagandafilm von 90 auf 45 Minuten zusammenschneidet. Ich habe mich hier schon mal zu der Nummer ausgelassen. ;)
Das Schreiben an ZDF Neo würde ich allerdings auch gern lesen wollen. ;)

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Amanda Knox

17.12.2016 um 22:48
@2Cat1971
Zitat von 2Cat19712Cat1971 schrieb:Ich glaube, die beiden "Pro- und Contra-Seiten werden auch im Buch erwähnt. Die werde ich mir auch auf jeden Fall mal ansehen.
Das Buch bezieht sich hauptsächlich auf die folgenden Seiten (die beiden "Wikis" gab es damals noch nicht):

- auf der pro Schuld Seite:
- True Justice for Meredith Kecher (kurz TJMK) Ein Blog.
- Perugia Murder File.net
- Perugia Murder File.org (kurz PMF) Zwei Foren, wie Allmy, die sich wegen Meinungsverschiedenheiten der Admins trennten. Aber das ist eine andere Geschichte...

- auf der pro Unschuld Seite:
- Injustice in Perugia (kurz IIP) Ebenfalls ein Blog und das dazugehörige
- Injustice Anywhere (ehemals "Injustice in Perugia Forum")
Zitat von 2Cat19712Cat1971 schrieb:Nun zur Frage, welche Widersprüche ich meinen:
Ich denke ich habe den Ausführungen von @Quiron und @SCMP77 nicht viel hinzuzufügen, außer vielleicht, dass in diesem Fall eine ganze Menge an "Nichtigkeiten" erst zu "Indizien" wurden, die dann zu "Beweisen" aufgeblasen wurden.
Zitat von 2Cat19712Cat1971 schrieb:Ich kriege das mit dem "Zitieren" leidere nicht geregelt.
Ist ganz einfach:
- unter dem Bearbeitungsbereich auf "Zitieren" klicken
- dann das "Text" zwischen den Tags per Copy/Paste mit dem "Zitat" ersetzen... ;)


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Amanda Knox

17.12.2016 um 22:53
@HansM
@stefanclimbr15
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:„Ehrenrührig“ meint hier (bei „Outfoxed“, das ich noch gar nicht kannte gebe ich dir recht) „unehrenhaft von Seiten des Autors“ weil man, sozusagen, nicht die Phantasie und Kreativität hat einen Stoff zu wählen der nicht in den internationalen Schlagzeilen war.
Zitat von HansMHansM schrieb:Diese Einstellung finde ich schade, zumal es meiner Meinung nach nicht minder kreativ ist einen aktuellen Stoff zu verarbeiten, als etwas komplett neu zu erfinden.
Dem schließe ich mich an. Wenn man dieser Einstellung der Theaterverlage folgen wollte, müsste man alles in Shakespeares Werk zwischen "Julius Cäsar" und "Richard III." als minderwertig und ehrenrührig betrachten. Und das wäre erst der Anfang.


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Amanda Knox

18.12.2016 um 14:09
@hans M und @Quiron

Danke für die klarsichtigen Bemerkungen und die Zustimmung. Ja, das mit den Vornamen ist mir damals auch aufgefallen daher die Signora Knox -Stelle. Diese Praxis erstreckte sich auch auf Frau Kercher, die ja vor Gericht stets nur als Meredith bezeichnet wurde.

@alle : Also, wer es sich wirklich antun möchte kann hier

https://www.dropbox.com/s/l46qvzp8r639g2b/Sehr%20geehrte%20Damen%20und%20Herren%20%28geschw%C3%A4rzt%29.pdf?dl=0

mein damaliges Anschreiben an ZDFneo lesen (Einige persönliche Daten sind geschwärzt) und hier die als Anhang mitgeschickte Einzelbegründung (mit Timecode) https://www.dropbox.com/s/41b1q5lxpob3nkk/Einzelbegr%C3%BCndung.pdf?dl=0

Voraus: Das Ganze entstand aus den schon erwähnten Gründen im Sommer 2016, innerhalb eines Wochenendes. Aufgrund der begrenzten Zeit mußte ich - auf der Basis meines Hintergrundwissens- aus dem Gedächtnis, nach bestem Wissen und Gewissen, und so akkurat wie mir nur möglich argumentieren. Mir ging es in erster Linie darum für den Redakteuer/die Redakteuerin die das zu Gesicht bekamen deutlich zu machen, dass hier nicht journalistisch die Geschichte erzählt wurde, die die Fakten ergaben, sondern propagandistisch die Fakten zu einer vorher festgelegten Geschichte zurechtgebogen wurden. Ich beziehe mich in Kritik und Timecode auf die Variante "Amanda Knox - Mord unter Studenten".


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Amanda Knox

18.12.2016 um 19:35
@stefanclimbr15
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb: Ja, das mit den Vornamen ist mir damals auch aufgefallen daher die Signora Knox -Stelle. Diese Praxis erstreckte sich auch auf Frau Kercher, die ja vor Gericht stets nur als Meredith bezeichnet wurde.
Bei Meredith Kercher ist es vielleicht sogar noch schlimmer, denn für sie wurde teilweise auch ihr Spitzname "Mez" gebraucht, der sich dann in den Protokollen als "Metz" wiederfindet...

Was deinen Brief ans ZDF angeht, kann ich nur sagen: "Hut ab." Einige von den Punkten die du ansprichst waren mir gar nicht aufgefallen. Zwar schleicht sich auch bei dir an der einen oder anderen Stelle der Fehlerteufel ein, dass mindert aber den überwältigenden Gesamteindruck in keinster Weise.

"Amanda Knox - Mord unter Studenten" ist ja an sich schon irreführend. Rudy Guede hat erst im Gefängnis angefangen zu studieren...


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Amanda Knox

19.12.2016 um 12:43
@stefanclimbr15
Auch von mir ein "servus"!

Gratulation zu Deinen Arbeiten, auch wenn ich Dein Stück im Detail nicht kenne, aber den "Informierten" oder einschlägig Interessierten ist die Aufführung in Burghausen nicht entgangen.

Aus Deinem Schreiben an den ZDF geht hervor, dass Du (2015 8-jährige Befassung), sogar ein "2007-er" bist und nicht wie so viele die ich "kenne" so wie ich ein "2009-er". Ende November 2009 stolperte ich über Berichte über ein bevorstehendes Urteil in Italien und nach kurzem Einlesen dachte ich noch ahnungslos und naiv: "Italien braucht ZWEI Jahre um so einen Unsinn auszusortieren". Der Schock um Mitternacht vom 4. auf den 5. Dezember saß dann umso tiefer.

Aber ich erwischte mich sogar unlängst noch bei einer Naivität indem ich annahm, dass die ohnehin empörende legale Dauer einer Untersuchungshaft ohne rechtsgültiges Urteil mit 6 Jahren limitiert sei und wurde im Oktober (Überraschung!) eines besseren belehrt, als man für Sabrina Misseri im Sarah Scazzi - Fall die Haft über diese 6 Jahre verlängerte.

Mit einem ORF-Journalisten hatte ich auch vor 2 oder 3 Jahren eine Auseinandersetzung per e-mail-Verkehr, den ich jedoch nicht speicherte und daher nur aus dem Gedächtnis wiedergeben kann:
Bei einem Bericht auf news.ORF.at störten mich weniger die ärgerlichen c&p-Textbausteine wie "nie geklärter Fall" oder "Mittäter unbekannt" als der Stil mit dem meiner Erinnerung nach über das Image von Knox oder über die angebliche, öffentliche Korrektur desselben (PR-Kampagne, Unschuldslamm oder so) süffisant geschrieben wurde.
Jedenfalls verglich ich diesen in meiner Beschwerde mit dem des Boulevards. Der Verfasser des Textes meldete sich tatsächlich zurück und fragte, worauf ich meine Meinung stützte und bemerkte dazu in einem unterstellenden Ton wie wenig ich von der italienischen Justiz hielte. Im Nachhinein hätte ich vielleicht nur mit einem Satz antworten sollen, wenn er nur seinen Job als Journalist ordentlich machte käme er von selbst drauf. Leider ließ ich mich auf eine kleine Suada hinreißen und erzählte ihm beispielhaft vom Sarah Scazzi-Fall, um meine (noch höflich) Skepsis gegenüber der italienischen Justiz zu untermauern. Jedenfalls brachte ich auch unter, dass diese ganze Affäre im besonderen weniger ein Fall "für die" Medien als ein Fall "der" Medien ist.

In den letzten Jahren verfolgte ich daher auch andere Fälle aus Italien, siehe IA-Forum, und gerade heute wird zum Beispiel in allen italienischen Medien über Stasi berichtet, der ZWEI mal für unschludig befunden wurde und für den sogar der Staatsanwalt des Kassationsgerichts auf Freispruch plädierte aber die Kassationsrichter dennoch 16 Jahre wegen Mordes an seiner Freundin über ihn verhängten, dass die Ermittlungen fehlerhaft waren.


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Amanda Knox

19.12.2016 um 13:51
@hans M
Gracias und danke für den Hinweis. Ja, der Titel ist zwiespältig, wie du schon verschmitzt angedeutet hast, und falls er von Vogt selbst stammt – ich vermeine mich zu erinnern, dass sie auch deutsch spricht – sicherlich kein Zufall, sondern bereits Teil ihres Narrativs.

@euroneighbour
Servus zurück, und vielen Dank!
Ja, das ist korrekt, ich bin tatsächlich ein 2007er (was nicht dazu führt, dass ich mich jünger fühlen würde) und auch noch ein Konvertit. Denn mein Wechsel von der oberflächlichen Annahme Knox & Sollecito seien schuldig, zur absoluten Überzeugung von ihrer Unschuld kam erst Ende 2009. Das war dann später ein entscheidender Motor der mich antrieb - meine vormalige eigene Verführbarkeit durch die katastrophale Berichterstattung. Anfang 2008 dachte ich noch darüber nach evtl. einen Thriller über eine Satansorgie in einer WG in Perugia zu schreiben…. Gottseidank setzte ich das nie um.
Respekt für das verbale Gefecht mit dem ORF – Mann! Ich weiß genau, was du mit „süffisantem Stil“ meinst. Ich hatte einst eine ähnliche Diskussion mit einem deutschen Printjournalisten (Anfang 2015), auch dieser schrieb mir dann zurück, und war offenbar sicher, dass das Oberste Kassationsgericht das Nencini Urteil bestätigen würde. Ich hätte später gerne sein Gesicht gesehen….
Vieles an der italienischen Justiz ist kritikbedürftig, da stimme ich völlig zu, insbesondere die ewige Fortdauer von Untersuchungshaftzeiten. Dennoch: Das italienische System, mit seinen umfangreichen Möglichkeiten zur Berufung, und der stets nötigen Bestätigung durch das Oberste Kassationsgericht hat in gewisser Hinsicht FÜR Knox & Sollecito gearbeitet! Stellen wir uns denselben Fall in der BRD vor. Da es in Deutschland ausgerechnet bei Kapitalverbrechen keine Berufung gibt, nur die Revision, hätten Knox & Sollecito nie die Möglichkeit gehabt die Beweiswürdigung des Gerichts und damit auch die Beweismittel je überprüfen zu lassen. Nur die Begründung des Urteils, was nicht gereicht hätte. Die Wahrheit hätte nur ein Wiederaufnahmeverfahren bringen können, wozu die Hürden in Deutschland besonders hoch sind. Es hätte neues, zuvor unbekanntes Beweismaterial gebraucht, das, nach subjektiver Einschätzung der dann zuständigen Richter, geeignet hätte sein müssen, das ursprüngliche Urteil anders ausfallen zu lassen. Aus dem Fall Harry Wörz wissen wir, dass so etwas bei uns 13 bis 14 Jahre dauert, wenn es überhaupt funktioniert. Mit anderen Worten: Von bestimmten Ausprägungen abgesehen hätte sich der Kercher –Fall in jedem anderen Rechtsstaat auch zutragen können, aber, es war ein Glück dass er wenigstens dort geschah, wo die zu Unrecht Angeklagten sich ab einem gewissen Zeitpunkt wehren konnten.
Ich bin in der Beschäftigung mit dem Justizirrtum als solchem, auch international betrachtet, zu der Überzeugung gelangt, dass dieses euphemistisch als „Irrtum“ bezeichnete Versagen eines Apparats in allen Rechtsstaaten ein großes, verdrängtes Problem mit extrem ähnlichen Ursachen darstellt. Geradezu erschreckend, aber auch erschreckend plausibel, die Vorstellung dass wir von solchen „Irrtümern“ nur deshalb häufiger aus den USA hören, weil man dort das Problem erkannt hat und es dort Organisationen gibt, die dagegen kämpfen.


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Amanda Knox

19.12.2016 um 16:00
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb: Da es in Deutschland ausgerechnet bei Kapitalverbrechen keine Berufung gibt, nur die Revision, hätten Knox & Sollecito nie die Möglichkeit gehabt die Beweiswürdigung des Gerichts und damit auch die Beweismittel je überprüfen zu lassen. Nur die Begründung des Urteils, was nicht gereicht hätte.
Ich persönlich halte es ebenfalls als sehr bedenklich, dass es keine Berufungsinstanz hier in D gibt, in diesem Fall wäre eine Revision aber vermutlich trotzdem erfolgreich gewesen.

Nur mal ein paar Punkte hier mal rausgegriffen, die eine Revision erfolgreich gemacht hätte Es hätte noch viel mehr gegeben, aber hier nur zwei der zentralen Punkte:

Man muss sich mal vorstellen, da zeigt sie StA am letzten Tag ihres Plädoyers eine Animation von nicht unerheblicher Dauer, zu der die Angeklagten nie im Verfahren Möglichkeiten hatten, gezielt Stellung zu nehmen.

Ein Richter hier hätte so etwas erst gar nicht zu diesem Zeitpunkt zulassen dürfen. Allein die Zulassung einer solchen Produktion hätte vermutlich bewirkt, dass ihnen nicht ausreichend Gehör gewährt wurde bzw. es lag nie ein faires Verfahren vor.

Außerdem müssen Gutachten auch überprüfbar sein und daher müssen natürlich die Rohdaten offengelegt werden, damit überhaupt ein Gegengutachten diesbzgl. angefertigt werden kann. Wenn ein Gericht - wie im vorliegenden Fall erfolgt - solchen Anträgen nicht nachkommt, handelt es sich um kein faires Verfahren. Da die DNA-Untersuchungen aber eine zentrale Rolle gespielt hatten, wäre einen Revision höchstwahrscheinlich erfolgreich gewesen.

In Italien war es ja ebenfalls "nur" eine Revision gewesen, die dann zum endgültigen Freispruch führte.


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Amanda Knox

19.12.2016 um 17:29
Stefan, ich habe mittlerweile keinen Zweifel dass wir auch in Österreich Justizirrtümer produzieren. (Die USA lass ich außen vor, die sind ein in vieler Hinsicht abzulehnender Spezialfall). Allerdings gibt es eben einen Unterschied zwischen einem Irrtum und einem Skandal. An einen ausreichend gelösten Fall wie einen solchen in Perugia oder Avetrana überflüssigerweise noch einen "Irrtum" aus Unverschämtheit oder Arroganz dranzuhängen, das hat schon eine eigene Qualität von der ich behaupte, dass ähnliches weder in Deutschland oder in Österreich überhaupt vor Gericht gelandet wäre. Ein "normaler" Justizirrtum wird hierzulande produziert, indem in Ermangelung eines alternativen Verdächtigen - also des richtigen Täters - jemand aus dem Umkreis des Opfers mit zweifelhaftem Lebenswandel, am besten gleich ein Vorbestrafter, für die Tat verantwortlich gemacht werden kann.

Aber wie man im Fall Stasi sieht ist eine Bestätigung durch Cassazione eine Augenauswischerei und wir dachten doch alle dass Chieffi et al. nach allen Regeln einer zeitgemäßen Judikatur NIEMALS Hellman aufheben würden, oder? Nicht nur dass Italien in verschiedenen Rankings so wie vor dem EGMR Schlusslicht der westlichen Demokratien ist, nein, mir fallen auch so sehr viele Unterschiede im "Handling" zu unseren Usancen auf, von denen ich behaupte, dass sie in Kombination untereinander Ursachen für "Skandale" sind.

Zum Beispiel diese aberwitzig vielen Pressekonferenzen der Polizei, die kenne ich hier entweder gar nicht oder ausnahmsweise wenn es um öffentliche Zusammenhänge wie Naturkatastrophen oder gröbere Unfälle geht. Dabei haben sie gemäß EGMR-Urteil Ribemont v. France das Potential einer Menschenrechtsverletzung hinsichtlich Unschuldsvermutung.

Oder gibt es in Deutschland spezielle "Cronaca nera"-Medien wie "Giallo", publiziert von "Guilter"-Charakteren wie Roberta Bruzzone oder Andrea Biavardi, oder Sendungen wie "Quarto Grado"? Egon Zimmermanns "Aktenzeichen XY ungelöst" möchte ich vor einem Vergleich dezidiert in Schutz nehmen. Wir können das Wort "colpevolisti" auch nicht ins Deutsche übersetzen.

Gehäufte Todesfälle kurz nach Polizeigewahrsam wie Aldrovando, Cucchi, Bianzino, Ferrulli, Lonzi, Uva, Magherini, Carmelo und andere hätten sich herumgesprochen und hätten sowohl in Deutschland oder Österreich zu Gegenmaßnahmen geführt, in Italien wurden die Mörder von Aldrovandi nach ihrer grad zweimonatigen Haft von ihren Polizeikollegen öffentlich applaudiert.

Ich kenne keinen vernünftigen Grund, warum die Verhandlungen nicht in einem Stück hintereinander abgehalten werden sondern an einzelnen Tagen über Jahreszeiten hinweg, wenns sehr schnell geht eine Verhandlung pro Woche, oft aber bloß eine pro Monat oder wesentlich weniger wie im Sonia Marra Fall. Dass hier der Gründlichkeit gedient wird ist natürlich ein Trugschluss, weil am Ende dieser langen Verfahren keiner mehr weiß was am Anfang genau verhandelt wurde. Mittlerweile können so schwache Richter wie Micheli Karriere machen und werden zu Höchstrichtern ernannt bevor nach Beendigung des Perugiafalles klar sein musste wie er als Untersuchungsrichter gepatzt hatte.

Ein wesentlicher Unterschied ist zum Beispiel die Verjährung, die bekanntlich nicht wie hier VOR einem Verfahren, sondern während des laufenden Verfahrens greift! Die Konsequenzen sind dramatisch. In den letzten zehn Jahren endeten ca. 1.500.000 eingeleitete Gerichtsverfahren im Nirwana. Verhandlungen, Richter, Anwälte, Experten, Zeugen, Bereitstellung der Gebäude etc. etc. für NICHTS! Die Gerichte sind mit diesem Unsinn blockiert, gleichzeitig wird damit auch seitens der Richter gespielt und in die Länge gezogen um gar nicht erst entscheiden zu müssen. Oder die zahlenmäßig explodierenden Klagen wie in Perugia oder Avetrana gegen Zeugenaussagen, die irgendwelchen Staatsanwälten nicht gefallen und die meist alle im nichts enden, als reine Sekkatur. Mignini selbst ist nur durch "prescrizione" entkommen. Da aber die Unschuldsvermutung gilt, wurde er befördert sogar zu einem Zeitpunkt, als er noch "vorläufig" verurteilt war und den Zeitpunkt der Verjährung noch nicht erreichte - grotesk! Das bedeutet einen riesigen Mangel an Verantwortlichmachung für sehr viele Strafdelikte in der italienischen Gesellschaft und daher auch ein Problem für die Rekrutierung geeigneter Personen in verantwortungsvolle Positionen, wenn "alle" irgendwie unschuldig sind, solange sie nicht eine Tat begingen die nicht unter die Verjährung fällt (oder es ist willkürlicherweise tatsächlich schwierig in Italien überhaupt eine Haft antreten zu müssen!). Umso größer der öffentliche Druck auf die Fälle ohne prescrizione mit der Gefahr hier erst recht Sündenböcke zu produzieren.

Bei dieser Art von Karriereverläufen habe ich dezidiert weniger Vertrauen in einen Kassationsrichter als in einen deutschen oder österreichischen Höchstrichter. Ich erinnere nur an die sehr simplen Fragen der Straßburger Richter an Italien und bis Boninsegna ignorierten ALLE Richter diese einfachen und für jedermann verständlichen Rechte, da muss man nicht Jus studiert haben. Selbst Marasca und Bruno hatten wider besseres Wissen die Chuzpe und verstiegen sich in abstruse Erklärungen, warum Gestze nicht gelten brauchen und man den Straßburger Richtern sogar die Stirn bieten muss. ES IST MIR UNBEGREIFLICH!


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Amanda Knox

19.12.2016 um 17:34
Ich persönlich halte es ebenfalls als sehr bedenklich, dass es keine Berufungsinstanz hier in D gibt, in diesem Fall wäre eine Revision aber vermutlich trotzdem erfolgreich gewesen.

@SCMP77 ich stimme dir und deinen klugen Überlegungen einerseits völlig zu, dass es objektiv betrachtet, Gründe genug für eine erfolgreiche Revision gegeben hätte, das alleine reicht aber nicht. Ein Richter muss auch subjektiv zu der Einschätzung kommen, dass es objektiv so ist. Da für das Verwerfen einer Revision nicht einmal eine Begründung, geschweige denn eine ausführliche, vorgeschrieben ist, und es hierzulande fast unmöglich ist einen Richter wegen Fehlverhaltens im Amt zu belangen, ist dieses Rechtsmittel nicht sehr schlagkräftig. Man denke etwa, ohne hier ein weiteres Fass aufmachen zu wollen, nur als reines Beispiel, an den Fall Manfred Genditzki. Hier lagen massenweise Gründe für den Erfolg einer Revision vor: Kein Motiv, Keine physikalischen Spuren, kein Geständnis, Indizien die nur in abenteuerlicher Argumentation und mit Zirkelschlüssen überhaupt zu Verdachtsmomenten dekoriert werden konnten,und, vor allem: Keinerlei Nachweis eines Verbrechens. Ein Unfall ohne Fremdverschulden hat in der Sache Genditzki bis heute eine mindestens 50%ige (wenn nicht höhere) Wahrscheinlichkeit. Die Revision hätte hier erfolgreich sein müssen - niemand kann wegen Mordes, noch dazu mit besonderer Schwere der Schuld, verurteilt werden, wenn man ihm a) die Täterschaft nicht nachweisen und b) eine Straftat nicht belegen kann. Das bayerische Gericht das für die Revision zuständig war, sah es anders und verwarf sie ohne Begründung. Die Sache ging bis vor den BGH, wo man sich der Sichtweise der unteren Gerichte anschloss. Die Rechtsmittel des Mannes sind ausgeschöpft.
Objektiv hätte es funktionieren müssen. Jedoch, in der subjektiven Praxis...

Ein Richter hier hätte so etwas erst gar nicht zu diesem Zeitpunkt zulassen dürfen. Allein die Zulassung einer solchen Produktion hätte vermutlich bewirkt, dass ihnen nicht ausreichend Gehör gewährt wurde bzw. es lag nie ein faires Verfahren vor.

Wiederum: Objektiv - Yes! Aber erneut muss ein Revisions-Richter auch subjektiv zu dieser Ansicht kommen. Richtig ist natürlich, dass Massei "die Rekonstruktion" gar nicht erst hätte zulassen dürfen, weder in Italien noch in Deutschland. Eine Fehlentscheidung, auch eine offensichtliche, macht ein Urteil jedoch noch nicht ungültig und hat auch für den Richter null Konsequenzen. Deswegen hätte dieser Fehlentscheid auch bei uns geschehen und leider auch in der Revision durchgewunken werden können.

Entscheidend scheint mir, dass es im Hellmann-Prozeß zu einer Überprüfung der angeblichen physischen Beweismittel kam, die dem Fall der Staatsanwaltschaft komplett die Grundlage entzog. Diese Infos hatte das Kassations-Gericht bei der finalen Revision. Man stelle sich vor das oberste Kassationsgericht hätte bei der finalen Entscheidung auf der (angeblichen) Beweisbasis des Massei Verfahrens entscheiden müssen - ob wohl das selbe Urteil ergangen wäre?
Daher: Ich stimme Dir in der Sache objektiv zu, nur, bin ich aufgrund meiner Lektüre nicht ganz so zuversichtlich hinsichtlich der Praxis.


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Amanda Knox

19.12.2016 um 17:42
@euroneighbour

Deine Kritikpunkte sind absolut berechtigt und ich finde diesen Filz und den fragwürdigen Umgang der italienischen Justiz genauso empörend wie du, da gibt es absolut nichts zu beschönigen und zu deuteln. Justizversagen mag es in Deutschland oder Österreich tendenziell tatsächlich eher wegen Unfähigkeit und monströser Bürokratie geben. Allein, das macht es nicht weniger empörend, und für die Opfer nicht ein Iota weniger schrecklich.


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Amanda Knox

19.12.2016 um 20:37
@stefanclimbr15
Ich gebe Dir vollkommen Recht, was die Bedenken gegen den BGH betrifft. Es heißt ja auch, dass ein Senat der Ansicht sein soll, dass die Richter zu selten schuldig sprechen. Entsprechend aufwändig müssen dann Richter ihre Begründung schreiben, wenn sie jemanden freisprechen wollen. Da gibt es schon recht seltsame Rechtssätze, die einen eher zweifeln lassen, ob vor Gericht hier in Deutschland wirklich "Im Zweifel für den Angeklagten" gilt.

Statistiken, welche die Wirksamkeit der Revisionprüfung zeigen, gibt es nicht, ja, leider gebe ich Dir da recht, auch hier in Deutschland werden vermutlich zu zahlreich Unschuldige verurteilt.

Bzgl. dem vorliegenden Fall sehe ich es aber doch anders, weil die rechtlichen Fehler zu zahlreich sind. Ich spreche wie gesagt nicht von der Beweiswürdigung, welche hier genauso fragwürdig ist.

Aber wegen der fehlenden Berufungsmöglichkeit, so dass nicht doch nochmal ein zweites Gericht auch die Beweiswürdigung prüft, sehe ich hier auch Deutschland fast schon als Entwicklungsland. Sicherlich gibt es in vielen Fällen genügend Indizien und die Urteile sind meist richtig, aber es gibt eben auch andere, wo die Indizienlage mehr als dürftig ist bzw. überhaupt nicht vorhanden.

Falsche Geständnisse sind dann ein weiterer Punkt der bisher zu Fehlurteilen geführt hat. Trotz fehlender anderer Indizien wurde u.a. die Familie Rupp verurteilt.

Da sind andere Nationen wie Japan, das sogar in ihrer Verfassung geschrieben hat, dass Geständnisse ohne weitere belastende Insdizien nicht zu einer Verurteilung führen dürfen, viel weiter.

Wie gesagt, ich persönlich glaube, dass im vorliegenden Fall bei solchen Rechtsfehlern doch eins der Gerichte, die über den Tatsacheninstanzen stehen, doch das Urteil aufgehoben hätte. Dazu gibt es für diese Art von Fehlern eben zu viel Revions-/Beschwerdemöglichkeiten, wie den BGH, das Bundesverfassungsgreicht und zuletzt den EGMR.

Wir sehen ja auch im vorliegenden Fall, dass auch der EGMR momentan sich die Verurteilung bzgl. Verleumdung genauer ansieht.


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Amanda Knox

19.12.2016 um 22:13
@stefanclimbr15
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Gracias und danke für den Hinweis. Ja, der Titel ist zwiespältig, wie du schon verschmitzt angedeutet hast, und falls er von Vogt selbst stammt – ich vermeine mich zu erinnern, dass sie auch deutsch spricht – sicherlich kein Zufall, sondern bereits Teil ihres Narrativs.
Ja, Frau Vogt sprich auch deutsch, zumindest behauptet sie das auf ihrer Website (Archiv-Version vom 14.10.2016).
Interessanterweise bezeichnet sie sich selbst als "independent journalist", wo ihr "blog" zum Fall Knox doch eine ganz andere Sprache spricht. Ich würde sie eher als Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft und da besonders Giuliano Migninis bezeichnen wollen, schließlich kamen die schöngefärbten Berichte über Migninis eigene juristische Schwierigkeiten soweit ich weiß ausschließlich von ihr. Wenn man dann auch noch ihre absolut irreführende Rezension von Amanda Knoxs Buch (basierend auf einem Artikel in der Waschington Post) dazunimmt und ihre Versuche die Glaubwürdigkeit von Unterstützer Greg Hampikian per FOIA Anfragen zu unterminieren kann man sie glaube ich zu recht als "guilter" bezeichnen.

Fraglich bleibt das Motiv dafür. Dem Opportunisten Pisa kaufe ich nach der Netflix Doku durchaus ab, dass er sich einen Sch...dr... um den Schwachsinn schert, den er schreibt, solange er nur veröffentlicht wird.

Was ist aber mit Vogt? Oder Nadeau (die wohl nicht ertragen konnte von Knoxs Familie gemieden zu werden), oder Follain (der in einem seiner Artikel und auch in seinem Buch einen Blog eintrag von Knox bewusst verfälscht). Die können doch nicht alle ihren gesunden Menschenverstand am Eingang abgegeben haben, oder?


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Amanda Knox

20.12.2016 um 00:39
@stefanclimbr15
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Dennoch: Das italienische System, mit seinen umfangreichen Möglichkeiten zur Berufung, und der stets nötigen Bestätigung durch das Oberste Kassationsgericht hat in gewisser Hinsicht FÜR Knox & Sollecito gearbeitet! Stellen wir uns denselben Fall in der BRD vor. Da es in Deutschland ausgerechnet bei Kapitalverbrechen keine Berufung gibt, nur die Revision, hätten Knox & Sollecito nie die Möglichkeit gehabt die Beweiswürdigung des Gerichts und damit auch die Beweismittel je überprüfen zu lassen.
Andererseits kann aber eine automatische Berufung, wie sie in Italien praktisch möglich ist, auch keine Lösung sein. Wozu sollte dann das erste Verfahren überhaupt gut sein, wenn es in der Berufung keine neuen Aspekte zu verhandeln gibt. Zudem halte ich es durchaus für möglich, daß Massei dadurch geneigter war, die Angeklagten schuldig zu sprechen. Er war zu feige, die Verantwortung für die Freilassung (und nachfolgende Ausreise) von Amanda Knox zu übernehmen. Er hat es auf das Berufungsgericht abgeschoben.

Es gibt noch einen Umstand, der mich glauben macht, daß ein Urteil wie das von Massei in Deutschland oder Österreich keinen langen Bestand gehabt haben dürfte. Massei (wie auch nach ihm Nencini) hat die Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft, wie sie ihn in der Verhandlung vorgetragen wurdem verworfen, und hat sein eigenes Szenario entworfen. Das ist ein Unding. Wie soll eine Verteidigung dagegen möglich sein. Wenn ein Richter die Version der Staatsanwaltschaft nicht überzeugend findet, dann hat er wegen begründeter Zweifel freizusprechen. Punkt. Alles andere ist Befangenheit.

Auch gibt es in der Presselandschaft Deutschlands (bei allen Missbildungen) immer noch genügend Redaktionen, die mutig genug sind, inkompetente Staatsanwälte und Richter an den Pranger zu stellen, so daß Leute wie Mignini mit ihren schmutzigen Tricks nicht durchkommen können. Wenigstens nicht in den spektakulären Fällen.


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Amanda Knox

20.12.2016 um 08:44
Zitat von QuironQuiron schrieb:Andererseits kann aber eine automatische Berufung, wie sie in Italien praktisch möglich ist, auch keine Lösung sein. Wozu sollte dann das erste Verfahren überhaupt gut sein, wenn es in der Berufung keine neuen Aspekte zu verhandeln gibt.
Es gibt aber nun mal einen gewissen Beurteilungsspielraum eines Gerichts. Sind die Indizien schwach und es gibt mehr als nur eine mögliche Tatversion, so kann es durchaus passieren, dass das eine Gericht die Schuld als erwiesen ansieht, das andere Gericht aber begründete Zweifel an der Schuld sieht.
Auch kommt es auf den Anwalt an, ob dieser ausreichend hier gegen die Ansicht der StA vorgeht.

Auch gibt es neutrale Gerichte in Wirklichkeit nur auf dem Papier, es ist letztendlich eine Lüge, dass ein Richter vorurteilsfrei urteilen kann. Da spielen viele Dinge im Kopf eine Rolle, da wird beispielsweise in Vermisstenfällen auch einen Rolle spielen, dass ein Angeklagter, der freigesprochen wurde, selbst bei Auffinden der Leiche nicht mehr verurteilt werden kann. Der Richter wird es versuchen, aber ganz neutral wird er nie sein. Gerade in einem Vermisstenfall könnte es sein, dass der Richter sich dann doch mehr von seiner Angst loslösen kann, dass bei Auffinden des Opfers eine Verurteilung nicht mehr möglich ist, wenn ihm bewusst ist, dass noch eine weitere Instanz die Sache kontrollieren wird und er nicht allein zum Schluss mit einem Fehlurteil da steht. Ich denke das sind psychologische Effekte, die bei der Möglichkeit der Berufung existiert.

Außerdem kann man als Angeklagter auch die Indizienlage insgesamt falsch einschätzen und von einer Verurteilung überrascht werden. Sicherlich sind hier in Deutschland Überraschungsurteile nicht erlaubt, da sie gegen die Gewährung von rechtlichem Gehör verstoßen, aber die Prüfung ist hier sehr streng und nur in seltenen Fällen erfolgreich. Da muss man quasi nachweisen, dass es unter keinen Umständen man auf diese vom Gericht verfolgte Idee gekommen wäre.

In einer Berufungsverhandlung hätte dann ein Angeklagter die Chance gegen solche Beurteilungen vorzugehen und auf diese in deren Augen falsche Richtung konkret noch einmal zu argumentieren und evtl. neue Beweismittel vorzulegen. Auch hat der Angeklagte noch einen evtl. nicht ausreichenden Verteidiger zu wechseln.

Dass in Deutschland bei geringeren Delikten die Möglichkeit geboten wird, bei größeren Delikten jedoch nicht, hat aus meiner Sicht nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun, sondern rein nur aus dem Grund, dass man möglichst rasch ein rechtsgültiges Urteil haben will mit manchmal fatalen Folgen. Es ist ein reines Zugeständnis an die Bevölkerung, welche bei schweren Verbrechen den mutmaßlichen Täter möglichst rasch verurteilt sehen will.

Deutschland ist auch nur eins der wenigen Länder, dass die Berufungsmöglichkeit nicht vorgesehen hat.
Zitat von QuironQuiron schrieb:Wenn ein Richter die Version der Staatsanwaltschaft nicht überzeugend findet, dann hat er wegen begründeter Zweifel freizusprechen. Punkt. Alles andere ist Befangenheit.
Auch hier in Deutschland muss ein Gericht nicht den Ideen der StA folgen. Hat er andere Tathergangs-Hypothesen für möglich, muss es aber im Verfahren angesprochen werden. Der Richter soll hier in Deutschland nicht die beiden Theorien der StA und Angeklagten gegenüber stellen sondern soll selber Wahrheitsforschung betreiben. Dazu gehört auch eine evtl. andere Tathergangs-Hypothese, die darf aber nicht so fern liegen, dass sie für die Angeklagten nicht erkennbar gewesen wäre, denn dann könnte man wirklich von einem unzulässigen Überraschungsurteil sprechen.
Zitat von QuironQuiron schrieb: Zudem halte ich es durchaus für möglich, daß Massei dadurch geneigter war, die Angeklagten schuldig zu sprechen. Er war zu feige, die Verantwortung für die Freilassung (und nachfolgende Ausreise) von Amanda Knox zu übernehmen. Er hat es auf das Berufungsgericht abgeschoben.
Da gebe ich Dir Recht, so wird es gewesen sein. Aber wie wir im Nencini-Urteil sehen, passiert das auch, wenn keine Tatsacheninstanz mehr darüber ist. Man kann ein Urteil immer so schreiben, dass eine Revision erfolgreich ist, wenn das die Intention des Richters ist, dann hilft eine fehlende Tatsacheninstanz darüber nichts.

Zitat von QuironQuiron schrieb:Auch gibt es in der Presselandschaft Deutschlands (bei allen Missbildungen) immer noch genügend Redaktionen, die mutig genug sind, inkompetente Staatsanwälte und Richter an den Pranger zu stellen, so daß Leute wie Mignini mit ihren schmutzigen Tricks nicht durchkommen können. Wenigstens nicht in den spektakulären Fällen.
Es geht hier nicht nur um schmutzige Tricks. Es geht auch um Verhörmethoden etc., welche für die Ermittler ok sind, aber manchmal für falsche Geständnisse sorgen, weil sie nicht der Situtation angemessen sind.

Man kennt den Fall Rupp, sicherlich wurde die Justiz an den Pranger gestellt, aber was hat es genützt, wurden die Befragungsmethoden hinterfragt? Nein, ein Richter meinte sogar in dem Fall - obgleich es hierzu überhaupt keine Indizien gibt - dass jemand von der Familie Herrn Rupp umgebracht haben soll, man wisse nur nicht wer. Und dieser Fall zeigt deutlich, wie schwer es auch für einen Angeklagten ist ein WAV durchzubringen - selbst wenn neue Tatsachen offensichtlich vorliegen, man sollte sich mal den "Tot ist tot"-Satz des StA von damals ansehen, erst im zweiten Anlauf war der Antrag erfolgreich.
Ähnliches gab es auch durch einen Richter im Wormser Justizskandal, was dann dem Jugendamt den Eltern vorgehalten hatte, so dass sie nie wieder ihrer Kinder zurückerhalten hatten.

Das gehört auch zur „Rechtsprechung“ Deutschlands!


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Onida ehemaliges Mitglied

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Amanda Knox

21.12.2016 um 15:59
Ich kann beim besten Willen nicht glauben, dass Amanda unschuldig ist - vielleicht ist sie keine Haupttäterin, doch zumindest Mittäterin. Allerdings verfolge ich das Thema aber auch nicht so intensiv, dass ich genügend Fakten kennen würde, die für ihre Unschuld sprechen. Ich habe vor ein paar Tagen eine Doku bei YT gesehen, die fand ich weniger neutral, objektiv. Hat jemand hier zufällig auch andere Dokus / Websites hierfür?


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Amanda Knox

21.12.2016 um 18:36
Wenn du nach eigenen Angaben nicht genug Fakten über den Fall kennst, um an die Unschuld von Amanda Knox (und Raffaele Sollecito) zu glauben, warum meinst du dann, genug zu wissen, um mindestens von einer Mitschuld überzeugt zu sein?

Wie dem auch sei. Im zweiten Beitrag von oben (von @HansM) auf dieser Seite sind einige Webseiten angegeben. Da du nach Argumenten für die Unschuld suchst und um eine neue Perspektive zu gewinnen, würde ich dir vorrangig die Pro-Unschuld-Seiten anempfehlen.


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Amanda Knox

21.12.2016 um 19:58
@Onida
Hallo und wilkommen in dieser Diskussion,

Welche Doku hast du denn gesehen, da schwirren ja mittlerweile so einige durch die Medienlandschaft?
Was wirklich "neutrales" wirst du wohl kaum finden, aber generell kann man sagen, dass amerikanische Produktionen wie die "Amanda Knox" Folge aus Ridley Scotts Reihe Crimes of the Century vorsichtig ausgedrückt eher den "Unschuldig" Standpunkt vertreten, während britische, wie das hier schon erwähnte "Mord unter Studenten", eher zu "Schuldig" tendieren, über die italienischen brauchen wir wohl nicht zu reden.

Auf dieser Seite findest du Links zu so ziemlich allen Dokus, die im Netz noch verfügbar sind. Auf meinen Post mit den verschiedenen Seiten hat @Quiron ja schon hingewiesen. ;)


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Onida ehemaliges Mitglied

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Amanda Knox

21.12.2016 um 22:47
@Quiron
Mich haben ihre Wiedersprüche und (falls es wirklich so sein sollte) ihre Reaktion darauf, als man ihr die Tatwaffe (oder das Tatgeschehen, habe es nicht mehr genau im Kopf - sie hielt sich die Ohren zu ), verwirrt. Deshalb auch die erstmalige Äußerung, warum ich dies nicht glauben konnte.

@HansM
Vielen lieben Dank!
Es war die (wie ich eben gesehen habe) von Dir bereits kommentierte Doku 'Mord unter Studenten - Der Fall Amanda Knox [Doku|2016]', die ich bei Youtube gefunden habe.
Was ist der Grund, dass die britische Produktionen eher zu Schuldig tendieren? Verbindung zu Fr. Vogt?


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Amanda Knox

21.12.2016 um 23:06
@Onida
Ich glaube, dass bei den Dokus eher die Nationalität der Macher, oder besser deren Wunsch "die Heimmannschaft anfeuern" im Vordergrund steht.
Interessanterweise passt Frau Vogt gerade nicht in dieses Muster, weil sie, wie Amanda Knox, aus dem Nordosten der USA kommt. Hier sind wohl eher persönliche Motive im Spiel. Mich würde interessieren welche das sind...


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