WgahnaglFhtagn schrieb:Wir sind uns ja einig, dass die Hoax-Theorie d.h. dass die Morde unabhängig voneinander begangen wurden, am einleuchtendsten ist.
Ja, da sind wir uns einig.
Ich wollt´s eigentlich kurz halten, wird aber wohl wieder ziemlich lang :-(
Ich habe mit der Person Horan so meine Probleme. Seine Kritiker werfen ihm vor, immer mehr Richtung Verschwörungstheoretiker abzugleiten, was übrigens mittlerweile auch mein Eindruck ist.
Dumm kann er als Professor für Literatur (?) ja nicht sein, aber Schlauheit und Verschwörungstheorien schließen sich nicht immer unbedingt aus.
Trotzdem hat er mMn als Erster die richtigen Fragen gestellt, nachdem nach der Jahrtausendwende immer mehr Polizeiakten zum Fall freigegeben wurden.
Nur die Schlüsse, die er aus den richtigen Fragen für sich gezogen hat, sind teilweise schon schräg.
Ein Beispiel: er hält Dennis Land für den Lake Berryessa-Killer und hat starke Argumente. Nun hält er Land aber auch für den Serientäter der "Santa Rosa Anhaltermorde", ...
Wikipedia: Santa Rosa hitchhiker murders...die parallel zu den Heydays der Zodiac-Ermittlungen in der Nachbarschaft stattfanden und für die man ebenfalls Arthur Leigh Allen wegen seines Wohnwagens in Santa Rosa drankriegen wollte.
Horan bringt auch hier starke Argumente für eine Täterschaft D. Lands, wie z.B. der Umstand, daß Opfer auf halben Weg zwischen dessen Ranch und Arbeitsplatz am Lake Berryessa gefunden wurden. Horan argumentiert, daß die Frauen, denen die Gefährlichkeit des Trampens in der Region wegen der Mordserie bewußt war, trotzdem zu Land in den Wagen stiegen, weil sie sich durch Park-Ranger Uniform und Dienstwagen in falscher Sicherheit wähnten.
So weit so gut.
Doch dann kommt´s: Horan sagt, daß Dennis Land schwul war, "und zwar einer von der Sorte, die Frauen hasste" .
Und ab da bin ich dann wieder raus.
Ich hab natürlich schon von homosexuellen Serienmördern gehört, San Francisco selbst hatte wenige Jahre nach Zodiac seinen "Black Doodler" ,..
Wikipedia: Doodler... aber ein schwuler Serienmörder, der aus Haß nur Frauen tötet, ist mir noch nicht untergekommen.
Zumal Opfer der "Santa Rosa-Serie" nackt und mißbraucht aufgefunden wurden. Es besteht mMn noch die Möglichkeit, daß Dennis Land den Lockvogel für einen heterosexuellen Serienmörder gegeben haben könnte, aber wie wahrscheinlich ist das?
WgahnaglFhtagn schrieb:Warum ich darauf anspringe ist ja, dass ich mir schon öfter überlegt habe, ob die Zodiac-Briefe wirklich nur auf eine Person zurückgehen.
Der Professor hält Napa-Detective Hal Snook für den Briefeschreiber. Und zwar für so lange, bis Leute aus dem Umfeld des "SF Chronicle" übernommen hätten, Robert Graysmith beschuldigt er sogar namentlich.
Zumindest den ersten Teil interpretiere ich persönlich anders und dann wird´s spannend: fast sicher bin ich mittlerweile, daß die "Lake Herman Road-Morde" nicht auf das Konto eines seine Opfer willkürlich auswählenden Serienkillers geht und bin damit nicht alleine. Die Detectives Cunningham, Lynch, Rust und wohl auch Barwart der frühen Zodiac-Ermittlungen sahen das offenbar ähnlich, leider der leitende Ermittler Lundblad nicht.
Wer soll denn der Doppelmörder gewesen sein?
Ich nenne jetzt keine Namen, weil meines Wissens zwei der drei Verdächtigen noch leben, lediglich Dave Magris ist 2023 in Florida gestorben, nachdem er die Kurve gekriegt hat und seine schwerkriminelle Vergangenheit hinter sich lassen konnte.
Horan verortet den rothaarigen Biker als Täter, der sowas wie den Cleaner für die allseits bekannte Rockergang der Bay-Area gab und schon im Jahr zuvor als HV für einen ähnlichen Drogenmord in Vallejo galt. Der aber auch Kontakte ins Vallejo-PD hatte, das damals in Teilen als korrupt galt. Ich habe übrigens nie eine Quelle gefunden, die diese Behauptung in Frage gestellt hat.
Und jetzt kommt meine persönliche Meinung zu den Briefen, die man nicht teilen muß. Es gibt auch hervorragende Argumente für eine ganz andere SichtweiseWenn Horan recht hat und der Biker ist der LHR-Mörder, kamen die ersten dieser angeblichen Serienkiller-Briefe aus dem Umfeld des Vallejo-PD, was auch das (angebliche) Täterwissen des Schreibers erklären würde. Nämlich um vom eigentlichen Täter abzulenken, dessen Verhaftung und Verurteilung einiges an Schmutz ans Tageslicht gebracht hätte.
Ein Anruf alleine, wie in der Mordnacht von BRS geschehen, hätte nicht ausgereicht.
In der Nacht während der Feierlichkeiten des Independence-Days kamen viele Scherzanrufe, auch Anrufe zur Schießerei selbst .
Ein einzelner Brief hätte wahrscheinlich ebenfalls nicht gereicht, um die Ermittler auf die Spur eines (fiktiven) Serienkillers anzusetzen. Spinner gab´s und gibt es viele.
Es mußte schon ein einfach zu lösendes Cipher her, das sogar von Bingo-Spielern geknackt werden konnte.
In dem dann ein publicityträchtiges Schizo-Motiv wie " Bei der Menschenjagd geht mir einer ab" und "Sklavensammlerei für´s Jenseits" genannt wird. Erst dann hat der Briefeschreiber seine Gewissheit, ernst genommen zu werden.
Es gibt aber auch noch eine andere Variante, die hier bisher kaum besprochen wurde: es sollte nicht vom eigentlichen Täter der LHR-Morde abgelenkt werden, sondern vom Täter der BRS-Schießerei, der Beziehungstat an Darlene Ferrin.
Diese Variante würde passen, wenn Horan mit seinem rothaarigen Biker unrecht haben sollte. Denn auch Cunningham hatte seinen rothaarigen Tatverdächtigen, dem Gang-Leader, der mit Magris und Co. einen Monat vor BRS die Tankstellen mit einem Toten und einem Schwerverletzten überfallen hatte.
Wenn Cunningham statt Horan recht haben sollte , und mein Bauchgefühl als interessierter Amateur-Beobachter geht eher in diese Richtung, macht ein Briefeschreiber aus dem Umfeld des PD keinen Sinn mehr. Dann kommt ein möglicher Beziehungsmord an Ferrin ins Blickfeld:
Mr Nock actually tracked down Mr Phillips, who now goes by another surname, conducting a deeply weird interview during which the victim’s former husband claims to have been a military cryptologist and to have threatened Ferrin the last time he spoke to her.
Quelle:
https://www.independent.co.uk/news/world/americas/crime/zodiac-killer-myth-thomas-horan-peacock-b2373580.htmlDer andere "surname" des Mr. Phillips ist der von mir bereits mehrfach angesprochene Jim Crabtree, der gewalttätige Ex von Darlene, die bekannterweise selbst kein Kind von Traurigkeit war . Ich hatte beim Lesen der Polizeiberichte teilweise den Überblick verloren, wen sie alles datete und wer deswegen bei den Cops "Person of Interest" war.
Phillips ist ein guter Verdächtiger , allerdings gab es auch einige andere Männer mit Motiv. Immerhin hatte er als Kryptograph die nötigen Voraussetzungen für die Ciphers und zugegeben, Ferrin bei ihrem letzten Aufeinandertreffen bedroht zu haben. Er wurde in Gewahrsam genommen, aber plötzlich hatte man wegen des vermeintlichen Serienmörders kein Interesse mehr an ihm.
Der angesprochene "Mr. Nocks" ist übrigens der Regisseur der Dokumentation: "The myth of the Zodiac-Killer".
The filmmaker also had the letters analysed by experts in computational linguistics to see if, like Mr Horan, they believed they could have been written by multiple authors.
Quelle:
https://www.independent.co.uk/news/world/americas/crime/zodiac-killer-myth-thomas-horan-peacock-b2373580.htmlZur Erinnerung: der "Handschrift-Pabst" der späten Sechziger, Sherwood Morrill, hatte bestätigt, daß die "handwritten letters" im Cheri Bates-Fall Werk des Zodiac waren. Quatsch, wie wir seit 2021 wissen. Ohne diese Briefe wäre Bates erst gar nicht mit dem Zodiac-Fall verknüpft worden. Morrills Expertisen waren gelinde gesagt "fragwürdig".
Horan glaubt, daß Dennis Lands Bruder Ray , der bei Cecil Shepard mal abgeblitzt sein soll, Hartnells Autotür am LB mit Fadenkreuz und Z-Daten verschönert haben soll. Das ist eine steile These.
Dafür spricht wiederum, daß der Kritzler zwar das Logo und die Daten, aber offensichtlich noch nicht den Markennamen des Killers parat hatte: der wurde zu diesem Zeitpunkt in den Medien nämlich noch als Code-Killer diskutiert. Das Symbol und ein "Z" hätten gereicht, um seine Existenz zu beweisen. Daten, Uhrzeit, "by knife" wäre vollkommen überflüssig gewesen.
Der blutige Hemdszipfel Paul Stines, der dem Brief vom 13. Oktober anbei lag, ist kein Beweis für die Existenz eines Zodiac-Killers.
Bis zu diesem Zeitpunkt ging man von einem aus dem Ruder gelaufenen Überfall eines damals aktiven Taxi-Serienräubers aus, der in dieser für das SFPD gewohnt hektischen Samstagnacht (Samstagnächte sind in Großstädten immer hektisch) längst über alles Berge schien. Es gab keinen Grund, Stines Kleidung unter besondere Bewachung zu stellen.
True-Crime war in den späten Sixties so angesagt, daß Zeitungen eigene Abteilungen unterhielten , die ausschließlich für "Verbrechen" zuständig waren. Journalisten und Fotografen hatten bei den Behörden ihre Kontaktleute und gingen ein und aus. Der "Chronicle" unterhielt im Gerichtsbäude von SF sogar ein eigenes Büro.
Wahrscheinlich hätte jeder, der es darauf anlegen wollte, sich ein Stück Hemd abgreifen können. Spätestens seit dieser Nacht kamen mMn alle weiteren Briefe , aus dem Umfeld der Zeitung, die von der Berichterstattung am meisten profitierte, was bei den Ripper-Morden in London ja nicht unähnlich gewesen sein soll.