Hallo Forum-Mitglieder,
Ich wollte mich wieder melden -- diesmal werden meine Beiträge nicht gelöscht, hoffe ich. Hier ein Paar ungeordnete Bemerkungen zu einigen Themen, die in letzter Zeit angesprochen worden sind. Leider weiß ich noch nicht viel übers Zitieren/Kopieren, also ich kann keine entsprechende Zitate einbauen.
Vorab einige Bemerkungen zum Podcast:
* Der Podcast ist nicht von mir produziert worden, sondern von echten Profis. Ich werde darin zitiert, aber nur ab und zu.
* Elizabeth Haysom wird nicht zur Sprache kommen. Sie lebt jetzt völlig privat unter einem anderen Namen in Kanada. Sie will absolut überhaupt nichts mehr mit dem Fall zu tun haben, Punkt. Sie wird sich nie wieder melden bis zum Lebensende. Dass steht definitiv fest.
* Der Podcast wird JS' Schuld gelegentlich thematisieren, Schwerpunkt aber wird vielmehr die *mediale Aufarbeitung* des Falls, besonders in Deutschland.
Zum Fall:
* Es gibt leider keine schlüssige Beweise vom Marriott-Hotel, die irgendwie noch zu finden wären. Das Problem liegt daran, dass die Polizei mit einer ernstzunehmenden Ermittlung des Hotel-Aufenthalts erst im September 1986 begonnen haben. Wie Yale Feldman während Sörings Prozess bestätigte, waren alle detaillierte Aufzeichnungen zu diesem Zeitpunkt schon lange zerstört:
https://hammeltranslations.com/2021/10/18/mordakte-jens-soring-aussage-von-yale-feldman-6-juni-1990/ (Archiv-Version vom 03.12.2021). Das ist übrigens üblich in den Vereinigten Staaten, es nennt sich ein "Document Retention/Destruction Policy".
* Auch erinnerten sich keine Hotel-Angestellte an dem Aufenthalt von Söring und Haysom.
* Bei Sörings Prozess haben sich Staatsanwalt, Verteidiger, und Christine Kim darauf geeinigt, dass der Jury lediglich eine "Erklärung" von Christine Kim vorgelesen wird. Darin behauptet sie, sich an überhaupt nichts mehr erinnern zu können. Das war in der Tat außergewöhnlich, aber die Motivation liegt auf der Hand: Sie wollte sich aus dem Medien-Rummel heraushalten. Wir werden nie wissen, was sie sonst zu sagen hätte, weil -- genau wie Elizabeth Haysom -- sie hat sich definitiv entschieden, kein Wort über den Fall zu sagen, für immer. Es muss nie unterschätzt werden, wie viele Menschen eine tiefe Abneigung haben, sich mit dem Fall befassen zu müssen. Man hört das immer wieder. Das gilt auch für "Beth". Man hört immer wieder von Menschen, die irgendwas mit dem Fall zu tun hatten, Folgendes: "I want absolutely no part of the Söring circus. I've never said a word about it, and I never will. If you contact me again, I will consult my attorney."
* Es kann nicht zu 100% ausgeschlossen werden, dass EH auch am Tatort war. Aber meines Erachtens schon zu 99.999%. Sechs Telefonanrufe wurden vom Hotelzimmer getätigt, auch war Essen an diesem Tag bevor 23:30 bestellt. Es ist möglich, dass dass alles vor ca. 18:00 Uhr gemacht wurde, aber nicht wahrscheinlich. Man muss nur Occams Rasiermesser zum Einsatz bringen: Was ist wahrscheinlicher: Elizabeths Aussage (also die Kernelemente), oder eine 2-Täter Theorie? Elizabeths Aussage erklärt all die Beweise, die noch erhalten sind, ziemlich gut. Die 2-Täter Theorie fußt auf sehr unwahrscheinlichen Annahmen und ist daher meiner Meinung nach nicht überzeugend.
* Overkill: Die Theorien über Overkill sind vielfältig. Ich glaube, die extreme Gewalt, die JS an den Tag gelegt hat, hatte drei eigentlich einfache Erklärungen.
1. Erstens hat Derek Haysom "wie ein Löwe" gekämpft, mindestens einmal stand er auf, nachdem Söring dachte, er sei schon tödlich verletzt bzw. tot. Söring hatte keine Erfahrung mit Morden oder auch nur Fleischerhandwerk. Er wusste nicht, genau wie viele Messerstiche nötig wären, um ein Mensch definitiv umzubringen. Es kommt auch sehr oft vor, dass ein Mensch, der schwere Messerstiche erlitten hat, lebt doch noch, und schreit, oder röchelt, oder flieht um sein Leben, oder versucht, die Wunden irgendwie zu binden. Das ist für den Täter in der Regel extrem verstörend -- einige ehemalige Mandanten von mir haben davon gesprochen: "He was laying there, trying to hold his intestines in, bleeding and crying and begging. I couldn't stand it, so I just hacked at him again and again and again until he was quiet. I have no idea how many times I stabbed him. Hundreds? I was in a fog, and not thinking clearly." Sehr hässlich, aber Mord ist eben eine hässliche Angelegenheit.
2. Adrenalin. Niemand von uns hat einen Überlebens-Nahkampf bis zum Tode erfahren (hoffentlich). Aber diejenige, die das durchgemacht haben (ohne militärische Vorbereitung & Übung) berichten immer von dem völlig irrationalen Geisteszustand, den massive Adrenalinschubse hervorbringen kann.
3. Auch musste Söring sichergehen, dass die Haysoms *nicht erwachen und die Polizei rufen* werden würden. Jederzeit hätte Derek oder Nancy nur '911' wählen müssen, und die Polizei wären innerhalb von Minuten da, selbst wenn der Anrufer nichts gesagt hätte. Schon zu dieser Zeit hatten die meisten Polizeiwachen Software, die die Adresse eines 911-Anrufs automatisch ermitteln, und die Polizei rücken bei jedem Anruf an. Es kommt immer wieder vor, dass Opfer von Gewalt Minuten oder Stunden nach der Tat aufwachen -- vielleicht nur kurz -- und die Polizei rufen. Ist eigentlich nicht außergewöhnlich. Söring wollte dies auf absolut jeden Fall verhindern. Aus naheliegenden Gründen! Und hatte Erfolg!
Warum hat Söring die Annie-Massie-Geschichte erfunden? Einfach: Weil er wusste, dass die "Verstümmelungen" Elizabeth tief verletzen/verunsichern würden. Ja, sie wollte ihre Eltern irgendwie tot sehen, aber nicht verstümmelt. In der Tat hat Elizabeth erst 1986 oder 1987 unzensierte Bilder der Opfer zu sehen bekommen, und war bestürzt. Die Fotos waren einer der Hauptbeweggründe für ihre Entscheidung, die Auslieferung nicht anzufechten. Auch waren "Voodoo-Morde" und "Satanische Kultmorde" damals, in den 1980ern, voll im Trend, obwohl sie (wie immer) extrem seltene Ausnahmefälle waren.
OK, das wär's fur heute. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!