Sollte man Arbeitslose zwingen zu arbeiten?

nairobi schrieb:Am Samstag habe ich mich mit einer Bekannten unterhalten. Sie arbeitet schon seit Jahren auf den Sozialamt. Demnächst geht sie zur Wohngeldstelle. Sie sagte, sie glaube, das werde das neue Jobcenter.

Ich glaube, damit hat sie recht.

Man muss sich da auch klarmachen, wie unterschiedlich man beim Wohngeld verfährt.

Beispiel: Beim Wohngeld muss man natürlich auch genau angeben, was man verdient (man muss z.b., wenigstens in NRW, eine Bescheinigung von Vermieter und von Arbeitgeber Anhängen über Verdienst und Miete).

ABER: https://meineverwaltung.nrw/leistung/99107023011000

Sie haben gegenüber der Behörde eine Mitteilungspflicht,

wenn sich die Miete/ Belastung (ohne Heizkosten) um mehr als 15 Prozent verringert,
wenn das Einkommen der Haushaltsmitglieder um mehr als 15 Prozent steigt,
wenn sich die Zahl der Haushaltsmitglieder verringert,

Heißt, im Bewilligungszeitraum muss man nicht den Bürokratischen Aufwand betreiben und wird nicht gegängelt, nur weil man eine 15% Gehaltserhöhung (bzw. weniger) bekommt oder die Miete/Heizkosten sinken.
Das ist natürlich eine Entlastung, sowohl für die Wohngeldstelle als auch für die Wohngeldbezieher.

Da man das Wohngeld sowieso regelmäßig erneut "bestellen" muss, macht das auch absolut Sinn, da nicht jedem Pfennig hinterherzulaufen.

Da werden viele Aufstocker auch überlegen, ob sie beim JC bleiben oder zur Wohngeldstelle wechseln, wo der Bezug viel einfacher und mit weniger Bürokratischen Aufwand passiert (sofern man einmal die entsprechenden Formulare von Vermiter/AG hat).

Die Frage ist, warum man alg2 nicht auch so einfach gestalten kann. Die Menschen die Wohngeld beziehen haben normalerweise einen job. Die sind in der Lage dazu, einen gewissen bürokratischen Aufwand zu leisten. Die Menschen die ohne Job alg2 empfangen sind das oft nicht, werden aber viel Schärfer kontrolliert mit mehr Raum für Sanktionen und Ähnliches.

rhapsody3004 schrieb:Selbst von dieser Summe können viele Arbeitende nur träumen

Das glaube ich. Mit diesem Netto kannst du dich in dem einen Bundesland als Gutverdiener bewerten, in dem anderen bezahlst du für eine 60-70 qm Wohnung mittlerweile schon 900-1000 € warm (Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur/Sanierungen mit beträchtlichen Aufschlägen) und kommst nicht einfach da raus, wenn du nach einer kleineren, preiswerteren Wohnung suchst, weil die dauerbelegt sind oder in der Hand des sozialen Wohnungsmarktes.
Nach allen anderen Abzügen kommst du auf den BG Satz eines Singles.

Die Mieten auf dem Land ziehen in meinem Bundesland auch schon ordentlich an, mit den Stadt-Mietflüchtlingen kann man eben ordentlich Kasse machen.

rhapsody3004 schrieb:Selbst von dieser Summe können viele Arbeitende nur träumen

Do-X schrieb:Das glaube ich. Mit diesem Netto

Das Durchschnittseinkommen aller Arbeiter ist 2159€ (Monat/2021). Wenn wir hier den Fall haben dass manchen nicht mehr als X Std. arbeiten wollen, macht eine Diskussion über Netto keinen Sinn. Nur mal so als Tipp an die Akademikerfreunde hier, für viele Experten ist das der Tagessatz.
https://de.statista.com/themen/293/durchschnittseinkommen/#topicOverview

Abahatschi schrieb:Das Durchschnittseinkommen aller Arbeiter ist 2159€ (Monat/2021).

Ich halte von diesen Statistiken gar nichts!
Das betrifft auf keinen Fall alle Bundesländer. Keine Ahnung, wer solche Werte ermittelt, das muss ein Blindgänger sein.

Abahatschi schrieb:? ist doch so so:

Genau, hatte ich ja eigentlich auch schon zuvor in meinem Post zitiert.

rhapsody3004 schrieb:Nachteil sehe ich halt erst mal den:

Und der wäre?

Also ich empfinde es schon mal als Verarsche, wenn andere 45 Jahre mit 160 Std/Monat Rente machen und du dann mit 200+ im Monat für 45 Jahre. An sich könntest du, vom reinen Stundenvolumen dann, wahrscheinlich schon nach 40 Jahren in Rente gehen. Die Zeit, die du mehr arbeitest für weniger Geld, wird dir von deinem Leben geklaut. Auch an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Agenda 2010 unter Kanzler Schröder SPD.

PrivateEye schrieb:Und der wäre?

Hatte ich doch schon geschrieben.
Bei nur 8 Stunden Schichten müssten die Leute im Sicherheitsgewerbe (heute wäre es weniger wild als noch zu Anfangszeiten mit Stundenlöhnen zwischen 6-8 Euro Brutto) mehr Tage im Monat arbeiten, um auf eine benötigte Stundenanzahl zu kommen mit der man auch finanziell über die Runden käme.

PrivateEye schrieb:Auch an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Agenda 2010 unter Kanzler Schröder SPD.

Jo, auch Danke für die Union, die Schröders-Reformen bis heute abfeiert.

Und zu damals sei gesagt:

Große Teile des Konzeptes wurden von den Oppositionsparteien unterstützt und von CDU/CSU aktiv mitgestaltet. In ihrer Regierungserklärung vom 30. November 2005 äußerte Schröders Amtsnachfolgerin Angela Merkel: „Ich möchte Bundeskanzler Schröder ganz persönlich dafür danken, dass er mit seiner Agenda 2010 mutig und entschlossen eine Tür aufgestoßen hat, eine Tür zu Reformen, und dass er die Agenda gegen Widerstände durchgesetzt hat

Quelle: Wikipedia: Agenda 2010

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Ps.
Dank der SPD konnte mein Vater übrigens mit 63 Jahren im Jahre 2016 in Rente gehen und das ohne Abzüge. Als körperlich Malochender habe ich ihm das von Herzen gegönnt.

PrivateEye schrieb:Und der wäre?

Außerdem bräuchte es mehr Personal, was auch in der Sicherheitsbranche hier und da längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist/wäre das auch immer in benötigter Anzahl zu bekommen.

rhapsody3004 schrieb:Jo, auch Danke für die Union, die Schröders-Reformen bis heute abfeiert.

Da gehe ich mit dir, auch da wurde nichts gelernt. Und die Auswüchse werden mit der Zeit immer schlimmer. :(

Aber andererseits, wer will es denn anders bzw. besser machen?

rhapsody3004 schrieb:Außerdem bräuchte es mehr Personal, was auch in der Sicherheitsbranche hier und da längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist/wäre das auch immer in benötigter Anzahl zu bekommen.

Ja, dieses Problem haben wir ja mittlerweile nahezu überall. Nicht nur bei den Fachkräften.

rhapsody3004 schrieb:Jo, auch Danke für die Union, die Schröders-Reformen bis heute abfeiert.

DIe sind ja auch nicht die Partei der Arbeiter und des kleinen Mannes. :) Verraten, hat uns Brioni-Gerd mit seiner asozialen Partei.

PrivateEye schrieb:Würden 8 Stunden mal per Gesetz endlich richtig durchgesetzt, könnten weitere Personen beschäftigt werden. Wäre doch toll und fair die Arbeitslosenquote zu senken.

Zum einen vollkommen illusorisch, da ja jetzt schon keine Mitarbeiter gefunden werden. Die können nicht, möchten nicht, sind unter- oder überfordert, werden dort ausgebeutet, was auch immer...also die Arbeitslosenquote würde sich durch mehr Stellen wohl kaum verändern.

Zum anderen rechnest Du falsch. Bei den 12 Stunden geht es ja nicht um eine längere Arbeitszeit, sondern um weniger Arbeitstage, sonst wäre es ja auch rechtlich gar nicht zulässig, wie man Deinen Links auch entnehmen kann.

Bei 12 Stunden Schichten arbeitet man einfach z.B. mal 3 und mal 4 Tage die Woche. Insgesamt eben so, dass die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Schnitt eingehalten wird. Wie soll man bei Abschaffung dieses Systems und wieder wechseln auf 5 Tage Woche zusätzliche Arbeitsplätze schaffen? Man würde den Job nur für viele Mitarbeiter unattraktiv machen.

jeba schrieb:Wie soll man bei Abschaffung dieses Systems und wieder wechseln auf 5 Tage Woche zusätzliche Arbeitsplätze schaffen? Man würde den Job nur für viele Mitarbeiter unattraktiv machen.

Vielleicht muss man die Preise in der EU einfach etwas herunterschrauben, sodass ein Staat es sich leisten kann, einen Arbeitsplatz mit zwei 5h- oder 6h-Kräften/d zu besetzen?
Dementsprechend länger ist dann zwar die Gesamtarbeitszeit des Unternehmens, aber es entstünden mehr Arbeitsplätze unter 8h. Sehr Arbeitnehmer-freundlich.
Ich glaube, es gibt unendlich viele Lösungen.

@Do-X

Ich wäre ja schon zufrieden damit, wenn es die Zielsetzung wäre, dass alle Arbeitnehmer so komfortabel und wenig wie möglich arbeiten (und so viel wie nötig, bevor der Einwand kommt).

Do-X schrieb:Vielleicht muss man die Preise in der EU einfach etwas herunterschrauben, sodass ein Staat es sich leisten kann, einen Arbeitsplatz mit zwei 5h- oder 6h-Kräften/d zu besetzen?

Das muss sich nicht der Staat leisten können, sondern der jeweilige Arbeitgeber. Dem Staat dürfte das recht egal sein. Ich denke gerade im öffentlichen Bereich gibt es tatsächlich sehr viele Teilzeitler. Was für "Preise in der EU" meinst Du überhaupt?
Es gibt aber halt Bereiche, die man schlecht aufteilen kann. Ich habe z.B. auch Teilzeit gearbeitet, aber immer volle 8-9 Stunden. Auch in vielen kleineren Betrieben ist oft die logistische Umsetzung nicht einfach.

jeba schrieb:Was für "Preise in der EU" meinst Du überhaupt?

Lebenshaltungskosten, Miete ...

jeba schrieb:Das muss sich nicht der Staat leisten können, sondern der jeweilige Arbeitgeber.

Und je nach AG oder Unternehmen auch nur leisten wollen. Bin mir nämlich ziemlich sicher, dass es je nachdem problemlos ginge und der einzige Hinderungsgrund, um Preise zu senken, nur die Gier nach noch mehr Gewinnmaximierung ist/wäre.

shionoro schrieb:Ich wäre ja schon zufrieden damit, wenn es die Zielsetzung wäre, dass alle Arbeitnehmer so komfortabel und wenig wie möglich arbeiten (und so viel wie nötig, bevor der Einwand kommt).

Ja, das wäre wirklich schön. Leider weiß auch ich, dass es bezogen auf alle wohl ein Traum bleiben wird. Dafür fehlen einfach die Arbeiter. Und zudem wäre auch nicht jede Arbeit ins wirklich sehr komfortable umsetzbar. Aus praktischen Gründen einfach nicht.

Do-X schrieb:Lebenshaltungskosten, Miete ...

Ja genau...wir senken einfach mal überall die Preise...wer in Gottes Namen kann denn bei geringeren Einnahmen dann auf der anderen Seite höheren Lohn bezahlen? So langsam wird es absurd....
Lebenshaltungskosten---> Zulieferer, Verkäufer/Kassierer, Arbeiter an den Fließbändern etc. , wir machen alles billiger, also müssen auch die Gehälter runter
Miete --> senkt man einfach alle, höhere Baukosten, Instandhaltung, Handwerker , wir machen die Mieten billiger, also müssen auch die Löhne runter

jeba schrieb:Ja genau...wir senken einfach mal überall die Preise...wer in Gottes Namen kann denn bei geringeren Einnahmen dann auf der anderen Seite höheren Lohn bezahlen? So langsam wird es absurd....

Das verlangt doch dann keiner, wenn die Preise (endlich wieder) niedriger sind?

rhapsody3004 schrieb:Und je nach AG oder Unternehmen auch nur leisten wollen. Bin mir nämlich ziemlich sicher, dass es je nachdem problemlos ginge und der einzige Hinderungsgrund, um Preise zu senken, nur die Gier nach noch mehr Gewinnmaximierung ist/wäre

Das ist für die Unternehmen mit "Gier nach Gewinnmaximierung", die Du vermutlich meinst absolut nicht richtig. Genau für diese Unternehmen rechnet sich die Beschäftigung in Teilzeit nämlich auch finanziell. Und da gibt es das doch auch schon sehr häufig. Massen an Kassierern, einfachen Arbeitern etc. arbeiten in Teilzeit.
Schwierig ist es einfach für die kleineren Unternehmen, da der logistische Aufwand recht groß ist oder einfach Arbeiten nicht nach z.B. 4 Stunden beendet werden können.

jeba schrieb:Schwierig ist es einfach für die kleineren Unternehmen, da der logistische Aufwand recht groß ist oder einfach Arbeiten nicht nach z.B. 4 Stunden beendet werden können.

Die AZ kann ,,fließend" organisiert werden. Ich verstehe deine Sorge nicht?

Muss doch nicht jeder mitmachen, nur wer möchte. Alle Anderen können 40 h arbeiten oder mehr.

Do-X schrieb:Das verlangt doch dann keiner, wenn die Preise (endlich wieder) niedriger sind?

Die Energiepreise und deren Auswirkungen pendeln sich sicher einigermaßen wieder ein. Aber es ist utopisch zu glauben, dass die Preise wieder auf Vorkriegsniveau runtergehen werden. In vielen Bereichen sind die Gehälter jetzt so angehoben worden, dass geringere Preise auch gar nicht mehr möglich sind. Viele Bereiche haben doch im Rahmen der Erhöhungen schon eingeräumt, dass einiges quasi "unter Wert" verkauft wurde, um Kunden zu behalten.
Mal knapp gesagt, einen Döner für 3€ wird es nicht mehr geben - also hier bei uns nicht, kenne die bundesweiten Preise nicht 😉