http://www.wissenschaft-online.de/artikel/907009&_druckversion=1MANNHEIM
Mehr als 100 Jahre lang lag eine peruanische Kindermumie in einem Schrank im Mannheimer Zeughaus. Neue Analysen zeigen nun: Das Kind wurde nach dem Tod künstlich mumifiziert. Bislang war völlig unbekannt, dass südamerikanische Frühkulturen diese Technik beherrschten
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,508106,00.htmlzu LENIN
Russland
Lenins Rest
Warteschlange vor dem Lenin-Mausoleum in Moskau
28. Juli 2008 Beim Dienst am vollkommenen Menschen scheut Russland keine Investition. In den dreißiger Jahren legten sich ganze Fabrik- oder Kolchosbelegschaften ins Zeug, damit der Bestarbeiter oder die Rekordmelkerin vor der Allgemeinheit Kohlegebirge und Milchseen ausschütten konnte. In den Fünfzigern wurde Kosmonaut Gagarin, der, getragen von der ganzen Kraft der Volkswirtschaft, als erster Mann mit kindlichem Lächeln durchs All schwebte, zum sowjetischen Superman. Heute ist Putin, der Bändiger der russischen Demokratie, Held von Pressekonferenzen und Militärsportikone, dessen Allmacht nicht mal mehr der Präsidentenvollmachten bedarf, eigentlich konkurrenzlos.
Wäre da nicht Lenin, der Begründer des heroischen Staates, den die russische Hauptstadt als Mumie weiterhin am Herzen trägt. Fünf Tage in der Woche empfängt Lenin im Mausoleum am Roten Platz von zehn bis eins Besucher, wie um die alte Parole zu beweisen, er sei lebendiger als alle Lebenden. Das Idol, dessen Genialität nach seinem Ableben ein eigenes Institut zur Erforschung von Lenins Hirn zu ergründen suchte, wird jetzt zur Feriensaison vor allem von japanischen und amerikanischen Touristen bestaunt, die in den Augen kommunismusgläubiger russischer Mütterchen nicht die richtige Pietät aufbringen.
Kein Grab für Lenin
Doch Lenin in ein Grab zu verlegen, was seit dem Ende der Sowjetunion, ob mit christlichen, ideologischen oder wirtschaftlichen Argumenten Politiker immer wieder vorschlugen, wagt keiner. Soeben erklärte Dumaabgeordneter Medinski vom „Einigen Russland“, das Balsamierungskunstwerk weiter zu unterhalten, sei teuer, amoralisch und ideologisch fragwürdig. Vom echten Lenin seien ohnehin nur noch zehn Prozent übrig, versichert Medinski, was angesichts verdächtig flacher Ärmel und Fußhügel des Aufgebahrten überzeugend klingt. Freilich, die Geschäftsführung des Präsidenten ließ wissen, der Unterhalt der Mumie inklusive Bewachung, Temperierung und biomedizinischer Instandhaltung sei vergleichsweise kostengünstig.
Der Wahrheit kommt der Chef der Kommunistischen Partei Sjuganow am nächsten, der das Gerede von der Demontage des Toten stets als „Sakrileg“ zurückweist. Heute, da Sjuganows Parteigenossen handzahm in der Duma sitzen, aber große Luxuswagen fahren, haben selbst zehn Prozent von Lenins Biomasse für den Gleichheitstraum des zwanzigsten Jahrhunderts geradezu Reliquienwert.
Text: F.A.Z.