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Beschneidung erlauben oder verbieten?

7.857 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Religionen, Köln, Toleranz ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:01
@kleinundgrün
Religiöse Meinungen (Wahn?) kann man ändern, Fakt ist Körperteile wachsen nicht nach.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:03
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Erzähl mal. Warum am Gleichheitsgrundsatz?
Warum dürfen Mädchen nicht die "wundervolle" Erfahrung einer Klitorisvorhaut Zwangsbeschneidung erleben? Den Jungen billigt man es zu, dass ist doch gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Oder auch andersrum: Warum werden die Genitalien von Jungs nicht ebenso geschützt, wie die der Mädchen? Sind Jungs weniger Wert? Wo ist da der Gleichheitsgrundsatz?


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:21
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Aber es ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber sich natürlich die medizinische Beurteilung ansehen muss und diese in seine Abwägung einbeziehen muss.
Gerade das wurde aber bei den Beratungen zu § 1631d BGB nicht gemacht

Es gab nach dem LG Köln Urteil einen Shitstorm quer durch alle Religions-Vertreter
Als Reaktion wurde
- Von der Bundeskanzlerin wurde ganz klar vorgeben, daß es ein Gesetz geben muß, das die religiöse Praxis erlaubt
- Eine Alternative zu dem "Erlaubnisgesetz" wurde überhaupt nicht diskutiert
- Bei den Beratungen zu dem Gesetz wurden eigentlich nur "Sachverständige" eingeladen, die sich bereits vorher öffentlich zu positiv zu religiös motivierter Beschneidung geäussert hatten


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:22
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Wie ist es mit dem Jugenschutz, wird der nicht tangiert?
Doch. Der ist sogar besonders gewichtig. Gerade Kinder werden besonders geschützt.
Und auch das muss der Gesetzgeber beachten. Und zwar angemessen beachten.
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Weshalb konnte die Rechtsprechung nicht wenigstens den Kompromiss aushandeln
Die Judikative ist nicht dafür da, mit dem Gesetzgeber zu verhandeln. Dafür gibt es z.B. das Parteiensystem.
Die Judikative prüft - und das sehr sorgfältig und ohne Rücksicht auf die "Gefühle" des Gesetzgebers, ob ein Gesetz gegen das GG verstößt. und es verstößt zwingend, wenn der Gesetzgeber die Abwägung grundlegend falsch durchgeführt hat.
Zitat von AbahatschiAbahatschi schrieb:Religiöse Meinungen (Wahn?) kann man ändern, Fakt ist Körperteile wachsen nicht nach.
Und der Ball ist rund. Oder was willst Du mit diesem Allgemeinplatz ausdrücken? Dass eine Beschneidung (faktisch) irreversibel ist? Das ist völlig unstrittig.
Zitat von Bone02943Bone02943 schrieb:Warum dürfen Mädchen nicht die "wundervolle" Erfahrung einer Klitorisvorhaut Zwangsbeschneidung erleben?
Irgendwie wäre eine Diskussion zu so einem wichtigen Thema angenehmer, wenn sie ohne Smileys, Sarkasmus oder Zynismus geführt würde. Meinst Du nicht?

Aber zu Deiner Frage:
Die wurde schon beantwortet. Ein Aspekt kam von shionoro und einer von mir. Liegt nur wenige Beiträge zurück und ich weigere mich, das nach so kurzer Zeit zu wiederholen.
Wenn Du zu diesen Ausführungen konkrete Fragen oder Anmerkungen hast, gerne.
Es ist wirklich ein ernstes Thema. Das eine rationale und zielgerichtete Diskussion erfordert.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:26
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Weshalb konnte die Rechtsprechung nicht wenigstens den Kompromiss aushandeln
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Die Judikative ist nicht dafür da, mit dem Gesetzgeber zu verhandeln
ich hatte mich falsch ausgedrückt.
Hatte es so gemeint: weshalb hatte der Gesetzgeber keinen Kompromiss "ausgehandelt" - erst ab 18?


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:29
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Das ist der Grund für die Gewaltenteilung. Wenn eine staatliche Entscheidung Ermessensfehler aufweist (und das Ignorieren von relevanten Umständen ist ein ganz besonders starker Ermessensfehler), hauen die Gerichte das der Exekutive und Legislative um die Ohren.
Es muß aber erst jemand klageberechtigt sein, damit das Thema überhaupt vor Gericht kommt
- entweder ein Junge der nach dem Inkrafttreten des Gesetzes beschnitten wurde
- oder Eltern die ein Mädchen beschneiden wollen und wegen Ungleichbehandlung klagen


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:30
Zitat von FrankMFrankM schrieb:Gerade das wurde aber bei den Beratungen zu § 1631d BGB nicht gemacht
Bitte zeige mir diese Stelle in den Protokollen.

Du behauptest, der Gesetzgeber hätte rechtswidrig ein Gesetz erlassen. Keine Frage, das kommt vor. Aber ein derart schwerwiegender Fehler im Gesetzgebungsverfahren, der völlig folgenlos blieb? Keiner, der geklagt hat? Kein Gericht, dass sich keiner Rechtsbeugung schuldig gemacht hat?

Mal ehrlich: Es ist schwierig, über Gesetzgebungsverfahren zu diskutieren, wenn (das ist nicht böse gemeint, aber ich unterstelle das aufgrund des bisherigen Diskussionsverlaufs), hier keine allzu tiefe Kenntnis vorherrscht.
Da wäre es zielführender, nicht so sehr etwas als Fakt hinzustellen, sondern es zu klären.

Es gibt einen Grund für die Gewaltenteilung. Und der ist, dass der Staat nicht machen kann, was ihm alleine opportun erscheint.
Es mag so gewesen sein, dass viele sachfremde Gründe eine Rolle gespielt haben - aber wäre die Entscheidung fehlerhaft gewesen (nicht im Ergebnis, in der Herleitung), wäre das schnell von den Gerichten kassiert worden.
Schau Dir doch mal Urteile der Verfassungsgerichte an. Die nehmen keine Rücksicht auf die Belange des Gesetzgebers. Wenn ein Gesetz gegen das GG verstößt (und bewertet wird), hat der Gesetzgeber immer das Nachsehen.

Die einzige Möglichkeit, das in unserem Gesetzgebungsverfahren mit Deiner Meinung abzubilden wäre, dass alle gemeinsam, rechtswidrig zusammengewirkt haben. Theoretisch denkbar, aber weit abseits einer realistischen Betrachtung.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:33
Zitat von FrankMFrankM schrieb:Es muß aber erst jemand klageberechtigt sein, damit das Thema überhaupt vor Gericht kommt
Das stimmt.
Wikipedia: Normenkontrolle

Hältst Du es für abwegig, dass so gar niemand auch nur am Rande von so einer Norm betroffen wäre?


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19.05.2021 um 14:34
@kleinundgrün
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Die Judikative ist nicht dafür da, mit dem Gesetzgeber zu verhandeln
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Hatte es so gemeint: weshalb hatte der Gesetzgeber keinen Kompromiss "ausgehandelt" - erst ab 18?
hatte mich immer noch falsch ausgedrückt: ich meinte "aushandeln" untereinander (also die Entscheidungsträger bei der Gesetzgebung) unter Einbeziehung der Islamverbände und jüdische Gemeinden usw.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:45
Zitat von OptimistOptimist schrieb:ich meinte "aushandeln" untereinander (also die Entscheidungsträger bei der Gesetzgebung) unter Einbeziehung der Islamverbände und jüdische Gemeinden usw.
Weil es dafür keinen Grund gab. Nur wenn ein Gericht zu der Überzeugung gelangt wäre, dieser Aspekt wäre zu kurz gekommen, hätte es dem Gesetzgeber aufgeben können, den Gesetzgebungsprozess neu (unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung) durchzuführen.

Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Abwägung des Gesetzgebers rechtsfehlerhaft gewesen wäre. Dass er die Belange von Art. 2 Abs. 2 nicht hinreichend berücksichtigt hat. Das hätte meinem Rechtsempfinden entsprochen.

Aber so war es eben nicht. Er hat alle relevanten Belange gesehen, sie alle pflichtgemäß bewertet und formal korrekt abgewogen.

Religionsfreiheit ist eben ein stark geschütztes Rechtsgut. Und der Staat hat sich da heraus zu halten, wie die Religionsausübung ausgestaltet ist. Darauf hat sich das deutsche Volk 1949 geeinigt.
Die Hürde, dass in die Religionsausübung eingegriffen werden kann, ist eben hoch.

Das ist (in meinen Augen) nicht mehr zeitgemäß. Aber es ist noch nicht lange her, da war Religion ein wichtiger Aspekt des gesellschaftlichen Lebens.
Und das ändert sich. Zu recht, wie ich finde. Aber wir sind aktuell noch in diesem Prozess drin. In 10 Jahren sind wir da vielleicht weiter. Aktuell ist das aber Stand der Dinge.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:46
Zitat von OptimistOptimist schrieb:ich meinte "aushandeln" untereinander (also die Entscheidungsträger bei der Gesetzgebung) unter Einbeziehung der Islamverbände und jüdische Gemeinden usw.
Wieso muss man die Beschneider fragen???
Was glaubst Du was raus kommt…das Allah, Messias und wer auch immer das befohlen haben? Und dann?


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 14:49
Zitat von AbahatschiAbahatschi schrieb:Ja, es geht immer noch gegen religiosverblendeten Barbaren. Sie sollen kleine Kinder mehr verstümmeln, wo ist das Problem?
Das ist für mich moralisch eine Straftat und sollte auch eine rechtliche werden.

Wie schizo ist dass denn dass wenn ich einem Kind ein Haar ausreisse sprechen wir über Körperverletzung sprechen aber Schnitte an Genitalien sind oh...mähh...man muss berücksichtigen dass...ich finde es echt bescheuert.
Das Problem ist, dass ein Verbot aus den von mir genannten Gründen nicht zielführend ist.
Zitat von boraboraborabora schrieb:Klar geht es auch im Gesamten, allgemein darum, sich zu positionieren, eine klare Haltung einnehmen. Und dann zu entscheiden, ob man z. B. gegen Unrecht ankämpft oder eine Art Egalhaltung einnimmt, Unrecht dulden kann, möchte.

Bleibt bei Deinen Gedankengängen demnächst z. B. der (berühmtberüchtigte) Mafiaboss verschont, weil mit Rache bei Verurteilung zu rechnen ist?

Was nach einem Verbot geschieht, liegt nicht in den Händen derer, die sich für ein Verbot ausgesprochen haben, sondern in deren, die sich dem Recht und Gesetz zu fügen haben und es nicht ignorieren oder unterwandern dürfen.

Man darf wohl sagen, das gar nichts zum Wohle der Kinder geschieht, sollte man dieses Unrecht zulassen, indem man untätig bleibt.
Also ist es dir wichtiger, dich selbst zu positionieren als Kindern zu helfen? Wenn du jede verantwortung dafür, was nach dem Verbot passiert, von dir weist, ist das sehr verantwortungslos.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 15:11
Für die "Ziel-Vorgabe" was das Gesetz erlauben muß - wie es am Ende ja auch ausgestaltet wurde - beziehe ich mich vor allem auf Aussagen wie
Im CDU-Bundesvorstand sagte die Parteichefin am Montag nach Informationen der "Financial Times Deutschland", sie wolle nicht, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt sei, in dem Juden nicht ihre Riten ausüben könnten. "Wir machen uns ja sonst zur Komikernation", so Merkel unter Berufung auf Teilnehmer.
Quelle: Welt vom 16.07.2012
https://www.welt.de/politik/deutschland/article108304605/Merkel-Wir-machen-uns-zur-Komikernation.html
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Bitte zeige mir diese Stelle in den Protokollen.
ich beziehe mich dabei vor allem auf zwei Interviews mit Prof. Dr. Holm Putzke (Strafrecht/)
hpd: Aber in dem zuvor schon angesprochenen Interview verweist die Bundesjustizministerin darauf, dass auch kritische Stimmen gehört worden seien. Wieso wurden deren Argumente nicht aufgenommen?

Holm Putzke: Ein weiterer Versuch, die Wahrheit zu verdrehen. Bis zur Präsentation der Eckpunkte des Justizministeriums gab es keine Beteiligung kritischer Experten. Das war ja auch gar nicht gewollt, weil es dann ziemlich schwierig geworden wäre, medizinisch unnötige Beschneidungen als kindeswohldienlich zu verkaufen. Mit dem Kindeswohl haben medizinisch unnötige Beschneidungen so viel zu tun wie Reinhold Messner mit einem Tiefseetaucher. Hätte das Justizministerium das durch Studien solide belegte Schädigungspotential von Beschneidungen objektiv dargestellt, wäre die Mehrheit für das Gesetz bedrohlich ins Wanken geraten, weil vielen Bundestagsabgeordneten dann klar geworden wäre, dass sie keine Entscheidung treffen, die dem Wohl von Kindern dient.
Quelle: "Den Gesetzgeber hat der Teufel geritten" (7. Jan 2013)
https://hpd.de/node/14709?nopaging=1

und
(hpd) Die Politik reagierte ja umgehend auf das Beschneidungsurteil, indem sie ein neues Gesetz erließ: § 1631d BGB. Wie kam es dazu und was ist in diesem Gesetz geregelt?

(Putzke) Die Politik wurde vor allem von Vertretern der jüdischen Religion massiv unter Druck gesetzt, auch indem reflexhaft und schwungvoll mit der Antisemitismuskeule gedroht wurde, die in diesem Zusammenhang auch heute immer wieder gern hervorgeholt wird. Dabei gab und gibt es weltweit zahlreiche Juden, darunter sogar Rabbiner, die die Vornahme des Rituals bei Säuglingen strikt ablehnen – vor allem ihnen Antisemitismus vorzuwerfen, ist geradezu absurd. Angesichts der damals starken Einflussnahme religiöser Lobbyisten auf die Politik hat niemand mehr ernsthaft die Verfassungskonformität des Gesetzes objektiv und neutral geprüft. Viele Parlamentarier haben sich einschüchtern und von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
Quelle: "Ich bin sicher, dass ein solcher Gewaltakt gegen Kinder vor unserem Grundgesetz auf Dauer keinen Bestand haben wird" (7. Mai 2017)
https://hpd.de/artikel/ich-bin-sicher-dass-solcher-gewaltakt-gegen-kinder-unserem-grundgesetz-dauer-keinen-bestand-haben-14388


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 15:27
Zitat von shionoroshionoro schrieb:Das Problem ist, dass ein Verbot aus den von mir genannten Gründen nicht zielführend ist.
Wäre es denn nicht - wenn man das aus Sicht der Religionsausübenden betrachtet - einfach möglich, ein Ritual durchzuführen, das nicht irreversibel ist?
Natürlich ist die Tradition da eine andere. In früheren Zeiten ist das Kind einer jüdischen Familie nahezu immer jüdischen Glaubens geblieben. Gerade hier herrscht aufgrund der über Jahrhunderte dauernden Verfolgung eine ziemlich ausgeprägte Abgrenzung nach außen vor. Aber auch das ändert sich. Religionsgrenzen werden immer durchlässiger. Religion wird immer weniger ein zentrales Element der Bevölkerung.
Zitat von FrankMFrankM schrieb:Für die "Ziel-Vorgabe" was das Gesetz erlauben muß - wie es am Ende ja auch ausgestaltet wurde - beziehe ich mich vor allem auf Aussagen wie
Das mag ein Motiv gewesen sein. Aber auch Merkel stammt aus einer Zeit, in der Religion einen höheren Stellenwert hatte.
Zitat von FrankMFrankM schrieb:ich beziehe mich dabei vor allem auf zwei Interviews mit Prof. Dr. Holm Putzke (Strafrecht/)
Dem ich weit überwiegend zustimme.

Aber es ist halt "nur" eine Meinung. Eine fraglos qualifizierte, aber es heißt nicht umsonst: Zwei Juristen, drei Meinungen.
Die Meinung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit war eben, dass dieses Gesetz rechtsfehlerfrei zustande kam.

Ich will auch gar nicht ausschließen, dass in dem Verfahren ein Wunschergebnis vorlag. Nur war die sachliche Ausgestaltung hinreichend belastbar, dass das im Rahmen der Gesetzgebung rechtsfehlerfrei so bewertet werden konnte.

Aber dieses Gesetz hat eben auch gerade bewirkt, dass sich die Öffentlichkeit überhaupt mit dieser Sache auseinander setzt. Dass eine öffentliche Meinungsbildung statt findet.
Und das wird dazu führen - sofern das eine stabile Meinung bleibt - dass sich wieder Gerichte damit auseinandersetzen. Und es wird dazu führen, dass es eine parteipolitische Diskussion gibt. Wer mit so einer Sache Stimmen bekommt, nimmt diese auch an.

Ein demokratischer Prozess ist zäh. Oft ein Problem. Aber wäre er anders, wäre es ein noch viel größeres Problem.
Es ist eben Teil der Demokratie, dass man sich in manchen Punkten nicht wiederfindet. Da hilft natürlich Protest - aber auch das dauert. Es muss eben am Schluss in einem rechtsstaatlichen Verfahren eine andere Entscheidung heraus kommen.

Interessant wäre z.B. zu wissen, wie viele der Beschnittenen im Nachhinein sich gegen eine Beschneidung aussprechen. Letztlich sind diese Menschen besonders betroffen.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 15:46
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Wäre es denn nicht - wenn man das aus Sicht der Religionsausübenden betrachtet - einfach möglich, ein Ritual durchzuführen, das nicht irreversibel ist?
Natürlich ist die Tradition da eine andere. In früheren Zeiten ist das Kind einer jüdischen Familie nahezu immer jüdischen Glaubens geblieben. Gerade hier herrscht aufgrund der über Jahrhunderte dauernden Verfolgung eine ziemlich ausgeprägte Abgrenzung nach außen vor. Aber auch das ändert sich. Religionsgrenzen werden immer durchlässiger. Religion wird immer weniger ein zentrales Element der Bevölkerung.
Das müsstest du mit einem Rabbi und einem Imam besprechen, aber ich vermute stark, dass das nicht geht. Und wenn, dann kommt sowas aus den religiösen communities heraus, nicht durch ein Verbot.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 16:04
Zitat von shionoroshionoro schrieb:Und wenn, dann kommt sowas aus den religiösen communities heraus, nicht durch ein Verbot.
Aus einem Dialog. Man kann als Gesetzgeber durchaus seine Bestrebungen mit den Betroffenen diskutieren und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Es ist sicherlich auch im Interesse der Religionsgemeinschaften, dass ihre religiöse Praxis ihre Mitglieder nicht in die Illegalität zwingt.

Und eigentlich ist es kein Verbot der Beschneidung (nur de facto), es ist der Wegfall eines Rechtfertigungsgrundes für eine Körperverletzung. Das Verbot ist die Körperverletzung. Dieses Verbot ist etabliert. Man darf andere Menschen nicht in ihrer körperlichen Unversehrtheit beeinträchtigen.
Das ist der Grundsatz.
Das, wovon wir hier reden, ist die Ausnahme zu diesem Grundsatz.

Die Frage ist ganz einfach: Ist diese Art der Religionsausübung ein hinreichend belastbarer Grund, vom Grundsatz des Verbotes der Körperverletzung abzuweichen?
Verstärkt wird das durch den Umstand, dass es ein irreversibler Eingriff ist. Und dadurch, dass es heutzutage nicht mehr mit dieser früher geltenden Sicherheit prognostizierbar ist, dass der Sohn mit dieser elterlichen Entscheidung voraussichtlich einverstanden ist (der Punkt ist ja, dass das Einverständnis von einer anderen Person erfolgt, als von der, deren Rechte betroffen sind).


Abseits dieser Frage, lohnt sich ein Blick in die USA. Nicht, um die dortigen Verhältnisse als Vorbild zu nehmen, sondern um zu sehen, wie mächtig Tradition für gesellschaftliche Normen ist.
In den USA werden ca. 55% der männlichen Kinder beschnitten. 1960 waren es noch 90%.
Und warum? Nur ein kleiner Teil aus religiösen Motiven. Der Rest: Weil man es halt so macht. Weil man es schon immer so gemacht hat.
Das ist mal bitter.
Geboren aus einer englischen Tradition (viktorianisch), die Masturbation zu erschweren, werden Jahrhunderte Jahre später Jungen noch immer beschnitten. Und zwar "weil man es halt so macht".

Da sieht man die Macht der Tradition.


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19.05.2021 um 16:18
@kleinundgrün
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Die Frage ist ganz einfach: Ist diese Art der Religionsausübung ein hinreichend belastbarer Grund, vom Grundsatz des Verbotes der Körperverletzung abzuweichen?
So einfach ist es nicht, weil es hier nicht um moral geht. Was richtig und falsch ist spielt nur da eine rolle, wo man es auch sinnvoll ändern kann.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 16:42
Zitat von shionoroshionoro schrieb:weil es hier nicht um moral geht
Ich denke schon, dass es um Moral geht. Moral ist ja der Punkt, ob eine bestimmte Handlung richtig oder falsch ist.
Und es herrscht ja auch Konsens, dass "Religion nicht alles darf".
Zitat von shionoroshionoro schrieb:Was richtig und falsch ist spielt nur da eine rolle, wo man es auch sinnvoll ändern kann.
Aber gerade eine bestimmte Handlung kann man ja sinnvoll ändern. Bzw. die Frage ist eben, ob es "sinnvoll" geht. Da sind wir wieder in der Abwägung. Wie wichtig ist es, dass eine Religionsgemeinschaft ein bestimmtes Ritual durchführen darf im Verhältnis zu der Verletzung anderer Grundrechte. Auch die Religionsfreiheit ist nicht absolut.

Und da spielt natürlich hinein, was die faktischen Folgen wären. Wäre das das Leben als Jude oder Moslem in Deutschland übermäßig erschwert? Dann kommen wir zu dem Punkt, ob eine Tradition in einer Glaubensgemeinschaft in Stein gemeißelt ist. Oder ob die Religion auch (zunächst) ohne genau diese Maßnahme erfolgen kann.

Stell Dir eine extremere Ausprägung vor: Ein großflächiges Gesichtstattoo. Oder die Amputation eines Ohres.
Der Sache nach genau das selbe - nur eine andere Ausprägung.
Oder eine Religionsgemeinschaft mit weniger Anhängern. Oder eine "weniger schutzwürdige".

Letztlich ist es auch eine Frage, ob man sich als Jüdischer oder Moslemischer Geistlicher auf den Standpunkt zurückziehen darf (moralisch), dass eine rituelle Handlung völlig unabhängig der ggf. anderen Umstände, Bestand hat. Die Heilige Inquisition findet auch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Ausprägung statt (ein krasses Beispiel, aber zur Illustration). Ich sehe da durchaus auch eine Verantwortung in den Religionsgemeinschaften, an einer Lösung mitzuwirken. Zumal das kein historisch einmaliger Prozess wäre.

Edit: Ich kritisiere hier bewusst den moralischen Habitus der Geistlichkeit. Deren Standpunkt scheint zu sein: So mache ich das halt - und Du alleine musst schauen, das Dilemma zu lösen.


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19.05.2021 um 16:53
@kleinundgrün

Nein, mein Standpunkt ist, dass man nur sachen machen sollte, die man bis zum Ende durchziehen kann. Ein beschneidungsverbot, was man weder kontrollieren kann, noch durchsetzen kann was aber dazu führt, dass muslime und juden sich hier weniger zu Hause fühlen, bringt niemandem etwas.

Egal ob man es richtig findet oder nicht.


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Beschneidung erlauben oder verbieten?

19.05.2021 um 17:12
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Erzähl mal. Warum am Gleichheitsgrundsatz?
Das erkläre ich gerne. Die Geschlechtsorgane des Menschens entwickeln sich aus der gleichen Anlage.

Anlage Geschlechtsorgane

Dementsprechend siehst du, dass das, was sich beim Jungen zu Eichel und Vorhaut entwickelt, analog beim Mädchen zu Klitoriseichel und Klitorisvorhaut entwickelt.
Wenn man jetzt aus welchen Gründen auch immer die Vorhautbeschneidung beim Jungen gestattet, muss rein sachlich auch die Vorhautbeschneidung beim Mädchen gestattet sein, sodass die Klitoris freiliegt.

Klitorisvorhautreduktion

Weil diese jedoch verboten ist, ist das eine Benachteiligung des weiblichen bzw. männlichen Geschlechts (je nachdem, welche Perspektive man einnimmt) und somit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz GG §3 Abs.2:
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Ergänzend dazu Abs.3:
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Interessant ist im Übrigen schon die Tatsache, dass man bei Wikipedia sofort zu "Weibliche Genitalverstümmelung" weitergeleitet wird, wenn man "Genitalverstümmelung" eingibt.


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