Beschneidung erlauben oder verbieten?

@shionoro

Da hast du wohl nicht unbedingt unrecht. Und so ein Verbot von Heut auf Morgen wäre sicher nichts, was alle wirklich weiter bringen würde. Auch im Hinblick auf dann illegale Hinterhof-Metzger die sich an Penissen kleiner Kinder probieren.

Die Frage dabei aber wäre auch, ob es wirklich so schlimm sein würde, wie befürchtet und ob der Streitpunkt nicht trotzdem angegangen und zur Not ausgesessen werden sollte. Es wäre m.M.n. kein ewiger Konflikt und irgendwann würde sich das durchsetzen. Auch die antisemitische, antimuslimische Nazikeule kann nicht ewig deswegen geschwungen werden. Vorallem weil sich zeigen würde, dass solche Vorwürfe völliger Unsinn sind.

Klar, besser wäre es, aus der Community selbst würden mehr Stimmen gegen diese Genitalverstümmelung laut werden.
Aber es bedarf auch ein umdenken in der Allgemeinheit. Frauen denken wohl oft an sexuelle Befindlichkeiten, als wäre die Beschneidung für alle Männer iwie positiv.
Oft wird es abgetan wie ein Ohrloch stechen, ein Stück nutzlose Haut.
Ich denke da fehlt, auch außerhalb von den betroffenen Communities, oft das Bewustsein für die Tragweite dieses Eingriffs.

Vielleicht sollte es Aufklärungsbögen geben, die die Folgen auch bildlich darstellen. Bei Zigaretten probiert man es ja auch mit Abschreckung.

Wikipedia: Zirkumzision#Mögliche Probleme und Komplikationen durch die Beschneidung

Gibt es eine Studie darüber, ob beschnittene Männer öfter das Tragen von Kondomen verweigern, als unbeschnittene?

Da die Empfindlichkeit, durch eine Beschneidung, herabgesetzt sein kann, könnte ich mir vorstellen, dass dies auch Einfluss auf das Tragen von Kondomen hat.

Bone02943 schrieb:zur Not ausgesessen werden sollte.

Nationales Recht ist das eine.
Würde ein internationaler Gerichtshof dieses Gesetz wieder einkassieren?

@Bishamon

Kann es dass denn? Klar gibt es EU-Verordnungen, aber im Grunde ist ein jeder Staat auch Souverän und ein solches Gesetz würde wohl kaum gegen die Menschenrechte verstoßen. Also Menschenrechte, nicht Religionsrechte, auch wenn die Religionsfreiheit ein Recht ist.

Bone02943 schrieb:auch wenn die Religionsfreiheit ein Recht ist.

mehr als das:

Die Religionsfreiheit ist ein Grund- und Menschenrecht,

und

Welche Normkollision zwischen dem deutschen Grundgesetz (Art. 7) und dem Art. 14 der UN-Kinderrechtskonvention besteht, ist juristisch immer noch nicht geklärt (Kopftuchstreit).

Wikipedia: Religionsfreiheit

Könnte spannend werden ...

Bishamon schrieb:Könnte spannend werden ...

Dann hoffe ich mal auf eine Klärung im Sinne der Kinder und nicht der Eltern, vorallem bei der Zwangsbeschneidung.

Bishamon schrieb:Die Religionsfreiheit ist ein Grund- und Menschenrecht,

Das ist das "Recht auf körperliche Unversehrtheit" eben auch

Das wird unter anderem in "Grundgesetz Art. 2", durch "Charta der Grundrechte der Europäischen Union - Artikel 3" gewährt.

Der Konflikt ist doch eigentlich, ob die Religionsfreiheit der Eltern über dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit steht

-> Dürfen die Eltern ohne Zustimmung oder auch gegen den Willen des Kindes eine Beschneidung durchführen lassen

@FrankM

Bei der Impfung von Masern hatte man eine Impfpficht trotzdem eingeführt, obwohl es religiöse Bedenken gab.

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht.html

@blueavian

Wäre eine Beschneidung doch nur ansteckend...

blueavian schrieb:religiöse Bedenken

Welche größere religiöse Gruppe hatte sich in Deutschland gegen Impfungen ausgesprochen und das mit Religionsfreiheit begründet?

FrankM schrieb:Dürfen die Eltern ohne Zustimmung oder auch gegen den Willen des Kindes eine Beschneidung durchführen lassen

In der Bundesrepublik reicht es aus wenn die angesprochene oder befragte Person kein "Nein" sagt; dies gilt juristisch gesehen bereits als Zustimmung.

FrankM schrieb:Welche größere religiöse Gruppe hatte sich in Deutschland gegen Impfungen ausgesprochen und das mit Religionsfreiheit begründet?

Einzelne Personen in vielen verschiedenen religiösen Gruppen nicht die religiösen Gruppen an sich, die begründen es dann ähnlich wie die religiösen Gruppen aus dem Ausland.

Ich habe jetzt mal mit religiös auch alles andere mitgemeint. Da gibts auch viele Religiöse und Menschen mit verschiedenen Weltanschauungen ohne Bekenntnis zu einer Institution.

In Artikel 4 des Grundgesetzes steht: (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

Impfgegner haben oft alternativmedizinische, anthroposophische oder esoterische Ansichten.

Wikipedia: Impfgegnerschaft
Wikipedia: Impfgegnerschaft#Religiöse Gründe


Zur Spaltung der Gesellschaft durch Impfpolitik gab es einen Beitrag im ÖRR, allerdings zu Corona:

Die Pandemie-Politik spaltet Familien und Freundschaften. Unsere Autorin will sich impfen lassen, ihre Schwester würde es niemals tun.

https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/lebenszeichen/corona-streit-in-familien-100.html

Vor allem genießt das Kind ja neben dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auch selbst Religionsfreiheit. Das Kind kann die Genitalverstümmelung aber nicht rückgängig machen, wenn es sich später gegen die oder für eine andere Religion als die der Eltern entscheidet.

Eingeschränkt würde durch ein Verbot nur die Religionsfreiheit der Eltern, die des Kindes würde aber gerade gewahrt. Ich finde es traurig, dass darüber überhaupt diskutiert werden muss.

Quassl schrieb:In der Bundesrepublik reicht es aus wenn die angesprochene oder befragte Person kein "Nein" sagt; dies gilt juristisch gesehen bereits als Zustimmung.

Wie kommst du auf den Blödsinn?

Quassl schrieb:In der Bundesrepublik reicht es aus wenn die angesprochene oder befragte Person kein "Nein" sagt; dies gilt juristisch gesehen bereits als Zustimmung.

Echt? Freibrief für Vergewaltigung? Kein nein ist ein ja? Das wär mir neu

6.PzGren391 schrieb:Kein nein ist ein ja?

Schlecht von mir formuliert. Kein nein ist dann juristisch gesehen zumindest keine Ablehnung, was u.a. eine Zustimmung bedeuten könnte.

Kann und darf ein Säugling(gut da stellt sich die Frage erst gar nicht) oder Kleinkind denn überhaupt eine Einwilligung zu solch einem Eingriff abgeben? Ich meine nein.

Quassl schrieb:Kein nein ist dann zumindest juristisch gesehen keine Ablehnung

Dazu gehört aber auch ein "Schlüssiges Handeln"

Ein einwilligungsfähiger Patient geht zum Arzt
- Der Arzt sagt "ich nehme ihnen jetzt Blut ab, um das zu untersuchen"
- Patient mache den Arm frei, lässt den Arzt die Nadel/Spritze ansetzen, Blut abnehmen - ohne sich dagegen zu äussern
-> dann könnte das als stillschweigende Zustimmung des Patienten zu der Körperverletzung durch den Arzt gewertet werden
-> Eigentlich müßte der Arzt auch in dem Fall den Patienten erst mal über die Risiken aufklären

Üblicherweise wird der Arzt eben nicht von einer stillschweigende Zustimmung ausgehen sondern explizit fragen "Darf ich Ihnen Blut abnehmen"

zigushen schrieb:Vor allem genießt das Kind ja neben dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auch selbst Religionsfreiheit. Das Kind kann die Genitalverstümmelung aber nicht rückgängig machen, wenn es sich später gegen die oder für eine andere Religion als die der Eltern entscheidet.

Eingeschränkt würde durch ein Verbot nur die Religionsfreiheit der Eltern, die des Kindes würde aber gerade gewahrt. Ich finde es traurig, dass darüber überhaupt diskutiert werden muss.

Genau das war auch die Begründung bei dem Urteil das die ganze Diskussion losgetreten hat

Da wurde festgestellt. daß die Zustimmung der Eltern allein nicht ausreicht um eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung durchzuführen - Das Kind muß selbst einwilligungsfähig sein und zustimmen.

Gemäß § 1627 Satz 1 BGB sind vom Sorgerecht nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohl des Kindes dienen.
....
Die Grundrechte der Eltern aus Artikel 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG werden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Abs.1 und 2 Satz 1 GG begrenzt.
...
Jedenfalls zieht Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG selbst den Grundrechten der Eltern eine verfassungsimmanente Grenze.
Bei der Abstimmung der betroffenen Grundrechte ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.
...
Zudem wird der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können zuwider.
Umgekehrt wird das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten sind abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig ist, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet (...).

Quelle: LG Köln (Urteil vom 07.05.2012 – 151 Ns 169/11)