Kephalopyr schrieb:Das heißt also an dem ganzen Konstrukt Zeit, vor allem WIE wir sie wahrnehmen, ist mehr dran, als nur etwas ganz subjektives.
Vor allem heißt es, je mehr wir Zeit erfassen wollen, desto weniger gelingt es uns. Zeit ist etwas, bei dem man beeindruckend gute Chancen hat, falsch zu liegen, wenn man was über sie sagt. Etwa dies hier:
Kephalopyr schrieb:Die moderne Physik legt nahe, dass Zeit eine Illusion sein könnte . Einsteins Relativitätstheorie beispielsweise geht davon aus, dass das Universum ein statischer, vierdimensionaler Block ist, der Raum und Zeit gleichzeitig umfasst
Kennste diese Apparate mit Nadeln, die ausschlagen? Gibts als Seismometer, als EKG, EEG... In jedem Augenblick entscheidet ein Impuls, wo sich die Nadel befindet. Die Nadel wandert hoch und runter, das ist ein fließender Prozeß.
Gemeinhin wandert die Nadel über ein Blatt Papier und hinterläßt auf diesem eine Farbspur. Da kann man dann ablesen, welche Impulse es so in nem bestimmten Zeitraum gab. Während nun aber die Nadel, wenn man ihr zusieht, ständig hin und her springt, es also ein ziemlicher Prozeß ist, ist die gemalte Linie total statisch.
Würde das Blatt nicht weiterwandern unter der Nadel, würde die Nadel nur auf ein und der selben (leicht gebogenen) Linie ihre Spur hinterlassen. Die Darstellung wäre eindimensional. Ensprechend ist auch das, was wir life sehen, wenn wir nur den Nadelkopf betrachten, quasi eindimensional.
Nein - zweidimensional. Eine Raumdimension, eine Zeitdimension.
Lassen wir nun wieder das Papier unter der Nadel weiterwandern, ergibt sich die typische Zickzacklinie, aus der man ablesen kann, obs Dein Herz noch macht, wie verrückt Du bist oder warum alle Sachen bei Dir zu Hause um- und runtergefallen sind. Jetzt haben wir auf dem Papier also ein zweidimensionales Bild. Die Y-Achse zeigt die Ausschlaghöhen an und die X-Achse den zeitlichen Verlauf. Man könnte sagen: Wenn wir die Zeit zu einer Raumdimension umwandeln, dann wird das aktive Hin- und Herspringen zu einem "statischen zweidimensionalen Block".
Ach, ist das so? Ich bin erstaunt, daß die Y-X-Achse auf meinem Blatt Papier tatsächlich die Zeit
IST, nur eben in ne Raumdimension umgewandelt. Ich hätte schwören können, daß, während ich mein Blatt betrachte, weiterhin Zeit stattfindet.
Was ich auf dem Blatt sehe, ist zwar "statischer Block", aber es ist eben auch nicht das Geschehen selbst, sondern nur ne Spur, die das Geschehen hinterlassen hat. Ne bildliche, graphische Darstellung / Wiedergabe. Nicht die Sache selbst. Der gesehene statische Block ist nicht die Realität selbst. Die Realität, die Raumzeit und ihre Prozesse, sind also nicht statischer Block. Nicht in diesem "Bild".
Wir wissen ja, daß in der Raumzeit Zeit in Raum und Raum in Zeit umgewandelt werden kann. Oder anders gesagt, in einem Minkowskidiagramm mit mehreren Weltlinien kann das, was der eine Beobachter der einen Weltlinie als Zeit wahrnimmt, für den anderen Beobachter der zweiten Weltlinie als Raum wahrgenommen werden. Kann man also Zeit insgesamt als Raum wahrnehmen? Nö. Denn auch der Beobachter der zweiten Weltlinie nimmt Zeit wahr (und ein Teil davon, nicht alles, wird vom Beobachter der ersten Weltlinie wiederum als Raum wahrgenommen).
Daß Zeit sich komplett in Raum umwandelt, geht nur auf der Weltlinie, bei der v=c ist. Das Dumme aber ist, daß ein hiesiger Beobachter nicht "nur noch Raum" sieht, sondern gar nichts mehr wahrnimmt. Schlicht, weil für ihn keine Zeit mehr vergeht. Würde ein Mensch auf c beschleunigen können und so ne Milliarde Jahre lang rumfliegen, würde er ab dem Abbremsen in einer ne Milliarde Jahre gealterten Umwelt landen und selber Null Erinnerung an diesen Zeitraum haben.
Und als der Reisende sich immer mehr der c genähert hatte, hat er wenigstens da dann immer mehr Raum und immer weniger Zeit gesehen? Nö, auch nicht. Seine Eigenzeit blieb völlig normal*, aber seine Raumwahrnehmung wurde immer mehr eingeschränkt. Sie näherte sich sogar immer mehr einem Punkt.
* Immerhin hätte der Reisende bei hoher Geschwindigkeit draußen vorbeifliegende Uhren langsamer ticken sehen können, die "Zeit draußen weniger sein". Jedenfalls bei gleichbleibender Geschwindigkeit. Aber er beschleunigte ja, befand sich also gar nicht in einem Ruhezustand., für den das so gilt, daß bewegte Uhren langsamer ticken.
Na wie auch immer. In Richtung v=c wird Zeit "draußen" zwar weniger - aber es wird nicht "dadurch mehr Raum". Vielmehr wird der Raum auch weniger, schrumpft zu einem Punkt hin. Und der statische Block ist mehr ein Artefakt des verwendeten Bildes (Zeit als X-Achse)