Evidenzbasierte Medizin vs. Komplementärmedizin
gestern um 20:56Genau das ist das eigentliche Dilemma:off-peak schrieb:Wobei hinzu kommt, dass jemand, dem einfach das Bewusstsein dafür fehlt, tatsächlich nicht einsehen kann, dass es fehlt. Von daher kann hier auch die beste Aufklärung nicht helfen.
Aufklärung setzt die Fähigkeit zur Selbstreflexion voraus – und genau die fehlt oft dort, wo sie am dringendsten gebraucht würde.
Das betrifft nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Milieus, in denen sich über Jahre eine Art immunisiertes Weltbild herausgebildet hat.
Kritik wird dort nicht geprüft, sondern als Angriff auf das eigene Erwachen interpretiert.
Widerspruch ist dann kein Gegenargument, sondern ein „Zeichen, dass man auf dem richtigen Weg ist“.
Man bewegt sich in geschlossenen Systemen – ob ideologisch, spirituell oder politisch – und jedes Außen wird als Bedrohung wahrgenommen.
Je mehr man aufklären will, desto mehr radikalisiert sich oft die Abwehr.
Im Kern ist das kein Erkenntnisproblem, sondern ein pädagogisch-didaktisches.
Wer nie gelernt hat, mit Unsicherheit umzugehen, Widersprüche auszuhalten oder eigenes Denken zu hinterfragen, kann Aufklärung nicht als Hilfe begreifen – sondern erlebt sie als Kränkung.
Was es bräuchte, ist eine Lernkultur, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern Denken über das Denken lehrt:
Metakognition, kritisches Hinterfragen, Ambiguitätstoleranz.
Eigentlich Grundpfeiler moderner Bildung – aber oft nur theoretisch vorhanden.
Insofern ist der gesellschaftliche Rückfall in Esoterik, Verschwörungsglauben und Irrationalität nicht das Versagen einzelner – sondern das Symptom eines kollektiven Erziehungsdefizits.