Kriminalfälle
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 01:36
Nachtrag: Das sind eben jedesmal schwierige Abgrenzungsfragen zwischen bedingten Vorsatz, Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit.

Zu bedingtem Vorsatz käme man vielleicht dann, wenn der Täter das Opfer betäuben wollte und sich im Vorfeld über die Frage der Dosis informiert hat. Im Vor-Internetzeitalter liest er irgendwo, dass man für einen Erwachsenen soundsoviel Mikrogramm für eine wirksame Sedierung braucht.

Nun beschließt der Täter, genau diese für einen Erwachsenen berechnete Dosis dem entführten Kind zu verabreichen. Ist das noch bloße Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigleit, oder hätte der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (darauf kommt es immer bei der individuellen Schuld an) ahnen oder wissen müssen, dass die zugeführte Dosis auf jeden Fall zu hoch ist, und kann man annehmen, dass er sich trotzdem für die hohe Dosis entschieden hat, wohl wissend, dass diese für ein Kind tödlich sein kann?

Und vor allem: Wie beweist man ihm das? Das sind die Fragen, die sich die StA gewiss gestellt hat.

Anzeige
1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 01:38
@Andante
@AnnaKomnene
Zitat von AndanteAndante schrieb:Aber allein der Umstand, dass du als Mordmerkmale zB Grausamkeit oder Heimtücke in Betracht ziehst, @2r2n oben aber niedrige Beweggründe für möglich hält, zeigt schon, wie wenig an Tatsachen da ist, die in Richtung eines konkreten Mordmerkmals deuten, wie vage also eigentlich der Sachverhalt ist
Vorweg: Wie aus dem Thread ersichtlich gehen alle maximal von Eventualvorsatz aus und natürlich nicht von Vorsatz. Möchte das nur klarstellen.

Die Mordmerkmale werden im deutschen Strafrecht in drei Kategorien klassifiziert, die allesamt gewisse Elemente aufweisen.

- Verwerflichkeit
- Tatausführung
- verwerfliche Ziele

Es reicht bereits für eine Mordanklage aus, wenn nur einer dieser Punkte erfüllt wird. Daraus folgt: Es können auch zwei oder mehr zutreffen. In der ersten Kategorie haben wir zB die "sonstigen niedrigen Beweggründe", die "unter allgemein sittlichen Bewertungsaspekten die niederste Stufe einnehmen, hemmungslosen Egoismus aufweisen und als besonders verachtenswert anzusehen sind". Wichtig für die innere Täterseite ist dass sich der Täter seiner niedrigen Beweggründe stets bewusst ist.

Im Konkreten wird auch eine "menschenverachtende Gesinnung" aufgezählt. Das dürfte @2r2n gemeint haben. Die hat das Gericht beim Angeklagten auf S.309 des Urteils expressis verbis festgestellt. Und andere Elemente auch noch:

IMG 20190826 011726Original anzeigen (2,5 MB)

wie zB die Hilf-/Arglosigkeit des Opfers oder die Drangsalierung seelischer Art im Zeitpunkt der Tat.

Warum ich Heimtücke und Grausamkeit ausgewählt habe wird dann klarer wenn man sich diese beiden Elemente genauer ansieht. Die sind für diese Tat jedenfalls einschlägig. Wichtig: Grausamkeit iSd 211 kann auch durch Unterlassen begangen werden.

Das Gericht hat sich aber gegen die Subsumtion unter Mord einfach deshalb entschieden, da einerseits die umfangreiche Ausstattung der Kiste dagegen gesprochen hätte und andererseits ein getötetes Opfer für die Entführer "wertlos" gewesen wäre (trotz anderer Erfahrungen). Deshalb wurde auch Eventualvorsatz abgelehnt. Und zwar eine ziemlich eindimensionale Annahme des EvV wenn ihr mich fragt, denn (wie bereits ausgeführt) gibt es in hL und Rspr noch andere Spielarten davon, die man ebenfalls in Betracht ziehen hätte sollen.

Mit einem Satz: Die "Mordthese" ist nicht vom Tisch.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 01:48
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Das Gericht hat sich aber gegen die Subsumtion unter Mord einfach deshalb entschieden, da einerseits die umfangreiche Ausstattung der Kiste dagegen gesprochen hätte und andererseits ein getötetes Opfer für die Entführer "wertlos" gewesen wäre
Und warum sollten diese Erwägungen für einen anderen/für andere Täter nicht auch gelten?

Die StA weiß ganz genau, dass sie eventuellen Beschuldigten eines neuen Ermittlungsverfahrens Mord nicht hätte nachweisen können. Zu einer Mordanklage (gegen wen bitteschön?) hätte es angesichts des Grundsatzes „in dubio pro reo“ nicht gereicht, jeder Verteidiger hätte eine solche Anklage sofort mit Leichtigkeit zerpflückt.
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Mit einem Satz: Die "Mordthese" ist nicht vom Tisch.
Hier im Forum nicht, schon klar.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 08:10
@Andante
Zitat von AndanteAndante schrieb:Man kann ja auch auf eigene Kosten seine Probe analysieren lassen. Nur gibt es mangels Ermittlungen niemanden, der dann dieser freiwilligen Probe sammelt und (mit was eigentlich?) vergleicht und die Ergebnisse auswertet.
Ich verfolge diesen Fall zwar schon seit 15 oder 20 Jahren und habe hier viel, aber nicht alles gelesen. Daher bitte ich Fehler oder Unwissenheit zu entschuldigen.
Ich dachte, dass man unter einer Briefmarke weibliche DNA gefunden hat (ebenso an einer Schraube). Damit könnte man doch vergleichen. Ich bin einfach der Meinung, dass man die "Ermittlungslücke" LEH schließen sollte. Man kann doch nicht eine Bitumenfirma in der Nähe einfach unter den Tisch fallen lassen. Irgendwie finde ich, dass man das der Familie H. schuldet. Das ist mein Fazit. (Moralisch gesehen, rechtlich mag das anders aussehen.)

-Ist es eigentlich sicher, dass die ganzen Heftchen in der Kiste neu gekauft waren?

-Der Wald galt als "Spielplatz für die Schüler". Würde man in der Nähe seines Spielplatzes ein Entführungsopfer verstecken?

-Angenommen ein Opfer wird mit Lachgas betäubt (Tüte über dem Kopf), man bindet die Tüte zu, hätte die Gerichtsmedizin dann auch "Erstickungsmerkmale" gesehen? Oder ist das wie ein - ich nenne es mal- "stilles" Ersticken, weil es aus einem Dämmerzustand heraus passiert?


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 09:17
@burgula

Die Tuete haette in einem solchen Szenario eine Zuleitung gebraucht, und auch etwas undicht sein muessen, damit Luft entweichen kann. Eine improvisierte Maske waere wirklich einfacher gewesen.

Mit dem Lachgas sieht es so aus: Es wirkt sehr schnell, und es hoert sehr schnell wieder auf zu wirken, wenn man es absetzt. Da geht es um einzelne Atemzuege. Im medizinischen Bereich wird Sauerstoff beigemischt, und wenn Lachgas zB in der Geburtshilfe selbst verabreicht wird, gibt es eine einfache Sicherungsmassnahme - die Patientin hat dann ein Mundstueck in der Hand, und sollte die Dosierung zu hoch sein und sie das Bewusstsein verlieren, dann faellt ihr einfach das Mundstueck aus der Hand und sie erlangt wieder das Bewusstsein.

Wenn man reines Lachgas selbst aus einem Sahnespender oder Luftballon konsumiert, sieht es prinzipiell aehnlich aus. Es ist sehr viel schwerer sich umzubringen, weil einem einfach das Geraet aus der Hand faellt. Trotzdem passiert das immer wieder.

Die Todesursachen saehen bei den Varianten so aus:

- relativ dichte Plastiktuete mit reinem Lachgas: Hypoxie
- relativ dichte Plastiktuete mit Lachgas Sauerstoff Gemisch: hier muesste man rechnen, ich wuerde sagen wahrscheinlich Hyperkapnie
- leicht undichte Plastiktuete mit Zuleitung von reinem Lachgas: Hypoxie
- leicht undichte Plastiktuete mit Zuleitung von Lachgas Sauerstoff Gemisch: hier koennten bei Bewusslosigkeit die Atemwege nicht mehr frei sein, Todesursache Hyperkapnie
- Weiteratmen in der luftdicht abgeschlossenen Kiste: Todesursache Hyperkapnie

Vom Gerichtsmediziner wurde Hypoxie festgestellt.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 09:27
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Wie aus dem Thread ersichtlich gehen alle maximal von Eventualvorsatz aus und natürlich nicht von Vorsatz. Möchte das nur klarstellen.
Unter Vorsatz wird im Strafrecht der Wille des Täters zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis von all dessen Tatumständen, d.h also der Wille zur Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale, verstanden, also das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung durch den Täter.

Der Vorsatz setzt sich also aus einem Wissens- (kognitiv) und aus einem Wollenselement (voluntativ) zusammen.

Auch der bedingte Vorsatz (Eventualvorsatz oder dolus eventualis genannt) gehört zu den Vorsatzformen, ist also Vorsatz. Der Vorsatz (Dolus-Begriff) kennt drei Einteilungsstufen:

a) Dolus directus 1. Grades („Absicht“): Die Absicht ist der zielgerichtete Wille, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Die Tatbestandsverwirklichung ist das „Ziel“ des Handelns des Täters.

b) Dolus directus 2. Grades („direkter Vorsatz“, „Wissentlichkeit“): Der Täter hat das Wissen, dass das eigene Handeln zur Verwirklichung des Tatbestandes führt.

c) Dolus eventualis („Eventual- oder bedingter Vorsatz“): Nach der Auffassung des BGH ist der bedingte Vorsatz gegeben, wenn der Täter „den Taterfolg ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat“, beziehungsweise „sich mit diesem Risiko abfindet“. Der Eventualvorsatz ist grundsätzlich ausreichend, um Vorsatz für eine Tat zu begründen.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 09:48
PS: Mit Tatbestandsverwirklichung ist dabei die Verwirklichung des Straftatbestandes, so wie er wörtlich im Gesetz steht, gemeint, hier also Mord nach § 211 Abs. 2 StGB.
§ 211 Mord

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Um zum Vorsatz zu kommen, muss bei Mord der Täter also mit einer der 3 Vorsatzformen zunächst einen Menschen hat töten wollen. Er muss diese Tötung dann zusätzlich aus Habgier etc. oder heimtückisch oder grausam etc. oder um eine andere Straftat zu verdecken etc. gewollt und ausgeführt haben.

Fehlt es an einem der Mordmerkmale, wäre die Tötung eines Menschen mit einer der 3 Vorsatzformen nur Totschlag.

Wird ein Mensch durch einen anderen getötet, fehlt es aber am Vorsatz des Täters zur Tötung eines Menschen (also an jeder der 3 Vorsatzformen), kommt je nach den gesetzlich definierten Tatbestandsmerkmalen fahrlässige Tötung in Betracht. Oder eben auch ein anderer Straftatbestand wie erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge, Körperverletzung mit Todesfolge, Raub mit Todesfolge.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 09:55
Noch ein weiterer Gedanke zum Lachgas. Wenn man damit eine Narkose einleitet, kommen die Patienten wie beim Aether in das sogenannte Exzitationsstadium, dh sie beginnen sich mit aller Kraft gegen die Aerze zu wehren. Bei Aethernarkose wurde mW frueher deshalb Curare verabreicht, damit die Patienten nicht einfach kurz vor der OP um sich schlagen konnten, oder sie wurden an den OP Tisch gefesselt.

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-28958062.html (Archiv-Version vom 22.12.2018)

Bei reinem Lachgas kommt man wahrscheinlich gar nicht mehr dahin, da die Verdraengung der Atemluft schnell zur Ohnmacht fuehrt.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 17:28
@AnnaKomnene
Hatten wir schon: wenn ein Fremder einem Kind eine Tüte über den Kopf zieht, so hat es Todesangst und wird sich bestimmt mit aller Kraft wehren. Man hat aber keine Druckspuren oder Abwehrspuren gefunden. Daher bleibt der Überfall auf das Kind für mich weiter ein Rätsel.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 17:58
@Andante
@ErwinKöster
Die Frage ob die Staatsanwaltschaft wg. Mordes oder wg. erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge anklagt, ist ihr überlassen.
Im Strafprozess war es letzteres, aber die Nebenklage hatte wegen Mordes angeklagt. Die Fakten in Bezug auf die Betäubung waren schon damals klar.
Das Urteil hatte Mord aber ausgeschlossen.
Heute stuft die Staatsanwaltschaft die Tat immer noch als erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge ein.
Wir können hier unsere Sichtweisen kontrovers diskutieren, das erweitert mir öfters den Horizont. Der Staatsanwaltschaft heute aber irgendeine Form von Rechtsbeugung zu unterstellen, würde ich pers. aber als wohlfeil und selbstgerecht erachten.

Ich hatte ja schon gesagt, die Leute bei der STA haben bestimmt so ähnlich wie wir diskutiert, kamen aber juristisch auf den alten Nenner:
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Ich würde als leitender StA bei der Wahrheit bleiben und sagen: Obwohl die Richter eine Betäubung als naheliegend einstufen, können wir uns nicht mit diesem Gedanken anfreunden, weil das Fehlen von toxischen Spuren für uns bedeutet, dass keine toxologisch relevanten Vorgänge gegeben hat, weil wir Lachgas ausschließen.
Das ist die Argumentation, die deinem Gedankengang zugrundeliegt.
Und auch dem Gedankengang der StA.
Ich verstehe das juristisch, aber nicht von der Sache her.



melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 20:13
Mapillary bietet die Möglichkeit, sich partiell durch die Republik zu klicken, ähnlich wie google street view. D. h. einige Straßen und Wege kann man virtuell befahren.

Interesanterweise ist der Seeweg von Eching nach Schondorf zu befahren, vielleicht möchte das ja jemand tun und vielleicht kann das bitte jemand mit Ortskenntnis bestätigen!

https://www.mapillary.com/app/?lat=48.06798055555556&lng=11.107949999999999&z=14.252463200757344&focus=photo&pKey=dp1sojFUKLvAYlp06EB34w

Mit den links/rechts-Pfeilen oben kann man navigieren und grün hinterlegte Straßen kann man „befahren“.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 21:05
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Zitat aus dem Wikipedia Artikel. Es wird also abgeatmet, und wenn der Kreislauf stehenbleibt, kann auch kein Choloroform mehr in die Lungen gelangen. Ob es sich dann auf andere Weise abbaut, weiss ich natuerlich nicht.
Es ist klar, dass während der Chloroform-Inhalation das meiste auch wieder ausgeatmet wird, weil Chloroform schlecht im Wasser löslich ist. Wenn die Chloroformgabe beendet ist, soll ungefähr die Hälfte ebenfalls wieder ausgeatmet werden. Nach Atemstillstand ist das vorbei. Es wird jetzt nur noch auf andere Weise im Körper abgebaut. Umwandlung in Phosgen und andere Stoffwechselprodukte. Dieser Teil wurde aber bei der gerichtsmedizinischen Analyse ignoriert. Es bleibt damit die Frage, wie viel gasförmiges Chloroform nach knapp drei Wochen im Körper noch vorhanden ist.

Bei der Suche nach Informationen fiel mir in einem Vergleich auf, dass reines Lachgas als Narkosemittel ungeeignet ist, weil es zu wenig wirkt:
"Lachgas (auch Stickoxydul) ist ein gutes Schmerzmittel, es muss zu Narkosezwecken mit einem Schlafmittel kombiniert werden. Durch die hohe verwendete Konzentration (für gewöhnlich werden 70 % eingesetzt) und seine schlechte Blutlöslichkeit besteht bei der Ausleitung der Narkose die Gefahr des Sauerstoffmangels (sog. Diffusionshypoxie), deshalb werden solche Narkosen mit 100 % Sauerstoff ausgeleitet. An der hohen MAC ist auch zu erkennen, dass man eine Narkose ohne Kombination mit anderen Mittel nur unter erhöhtem Umgebungsdruck machen könnte. Stickoxydul wird in der Anästhesiologie immer seltener angewandt."
Siehe Tabelle in https://www.chemie.de/lexikon/Narkotikum.html
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nun beschließt der Täter, genau diese für einen Erwachsenen berechnete Dosis dem entführten Kind zu verabreichen. Ist das noch bloße Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigleit, oder hätte der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (darauf kommt es immer bei der individuellen Schuld an) ahnen oder wissen müssen, dass die zugeführte Dosis auf jeden Fall zu hoch ist, und kann man annehmen, dass er sich trotzdem für die hohe Dosis entschieden hat, wohl wissend, dass diese für ein Kind tödlich sein kann?
Mir ist klar, dass es sich hierbei um hypothetische Überlegungen handelt. Trotzdem ein Kommentar dazu.
In der Humanmedizin wird die verabreichte Dosis nur selten an den Patienten angepasst. In der Tiermedizin dagegen ist das die Regel. Falls ein Täter den Unterschied zwischen Erwachsenem und Kind ignoriert, wird man ihm das nicht vorwerfen können.
Bei der Inhalation lässt sich außerdem die wirklich verabreichte Dosis kaum abschätzen. Damit meine ich den Anteil des Mittels, der ins Blut übergeht. Tiefe Atmung und wenige Atemzüge sollten zu einer höheren Dosis führen als flache Atmung und viele Atemzüge.

Nach der langen Diskussion hier schließe ich mich der Meinung an, dass eine Mordanklage nicht vertretbar ist. Ob sich Ermittlungen wegen eines Anfagsverdachts des Mordes einleiten ließen, kann ich nicht abschätzen. Falls das im Ermessensbereich der StA liegt, wird sie Mord in unserem Fall wohl immer ausschließen.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.08.2019 um 22:29
@robernd

Das glaube ich nicht. Ich habe auf jeden Fall schon mehrmals genau das Gegenteil mitbekommen. Ich weiss auch, dass Anaesthesisten, die Kinder behandeln, eine spezielle Ausbildung haben, und fuer Babies gelten noch ganz andere Richtlinien.

Bei paediatrischen Narkosen verwenden einige Krankenhaeuser uebrigens weiterhin zunaechst Spielzeug und dann Lachgas fuer die Narkosevorbereitung. Sie drehen das Lachgas langsam hoch und hoeren auf, wenn sie die gewuenschte Wirkung erreicht haben, also wenn das Kind gluecklich aussieht. Danach drehen sie dann erst das Sevofluran hoch, und hoeren auf, wenn die Muskelspannung auf einmal weg ist und das Kind wie tot daliegt. Und dann wird schnell intubiert. Das Geraet sieht in etwa so aus wie frueher die Verstaerker an der Stereoanlage. Es ist ein schwarzer flacher Kasten mit zwei Reglern und Anzeigen.

Deshalb steht uebrigens bei einer OP immer der Anaesthesist hinter dem Kopf. Er hat mehrere Aufgaben, unter anderem muss er wiederbeleben, wenn etwas schiefgeht, er muss aber auch auf die Monitore aufpassen und gegebenenfalls etwas nachjustieren. Ausrechnen kann man die Normaldosis zwar, auf Autopilot geht das aber trotzdem nicht.

Mit Lachgas alleine operieren geht, und es wird heute auch noch in manchen Laendern in Notfallsituationen gemacht. Aber auch ein Anaesthesist muss bei so etwas erstens Messgeraete verwenden und zweitens mitdenken und sich drittens sehr gut damit auskennen. Heute kannst Du Dir ein Pulsoximeter fuer 20 Euro ueberall bestellen, das gab es damals aber nicht.

Also selbst wenn die Entfuehrer einen ausgebildeten und erfahrenen Anaesthesisten dabeigehabt haetten, waere das mE noch Mord. Man kann einem Kind doch nicht ohne Grund und ohne Ueberwachung im Wald einfach eine Narkose verpassen. Auch bei einer fachgerecht durchgefuehrten Narkose im Krankenhaus und gutem Gesundheitszustand gibt es ein erhebliches Risiko, dass etwas schiefgeht. So etwas macht man nur, wenn es noetig ist.

Denk doch mal an den Fall Michael Jackson. Das war ein Erwachsener Drogensuechtiger, der einen Arzt beauftragt hat, ihm zuhause eine Propofolnarkose einzuleiten. Erstens war der Arzt kein Anaesthesist sondern Kardiologe, und zweitens hatte er zwar eine Art Monitor da, der hat allerdings keinen Alarm ausgeloest, wenn die Vitalwerte nicht mehr im normalen Bereich lagen. Und da ist ihm eben der Patient verstorben, als er kurz aus dem Raum ging. Der Arzt wurde zu Totschlag verurteilt, obwohl der (erwachsene) Patient ihn selbst darum gebeten hat, das zu tun.

Um auf Ursula zurueckzukommen. Hier haetten die Taeter, selbst wenn sie sich ausgekannt haetten, zwischen Skylla und Charybdis gestanden. Einerseits mussten sie das Opfer gefuegig machen, und dafuer brauchen sie eine hohe Dosis. Andererseits muessen sie das Exzitationsstadium vermeiden, sonst haette sie sich wehren koennen. Und drittens wollten sie die vollstaendige Narkose vermeiden, damit sie nicht auch noch beatmen mussten. Wie haetten sie das denn im Wald beim Laufen machen sollen? Das Kind auf einer Trage mit ueberstrecktem Genick und nach oben gezogenem Genick und Lachgas und einer Beatmung, die von Hand betrieben wird? Ohne Monitor, dh jemand zaehlte den Puls mit und machte auch sonst alles manuell? Und das alles querfeldein durch den Weingarten? Wieviele Personen braeuchte man da? Zwei zum tragen des Opfers auf einer Trage, einer fuer die Beatmung, einer traegt den Lachgaszylinder, einer den medizinischen Notfallkoffer, falls etwas schiefgeht und einer ueberprueft die Vitalzeichen. Das waeren schon mal sechs Personen. Und die kaemen nur langsam voran, da sie sich gleichmaessig bewegen muessten, ueber Stock und Stein, waehrend sie an dem Kind arbeiteten.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.08.2019 um 18:25
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Mit Lachgas alleine operieren geht, und es wird heute auch noch in manchen Laendern in Notfallsituationen gemacht.
Das glaube ich dir. Ich stutzte lediglich bei dem gefundenen Text.
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Also selbst wenn die Entfuehrer einen ausgebildeten und erfahrenen Anaesthesisten dabeigehabt haetten, waere das mE noch Mord. Man kann einem Kind doch nicht ohne Grund und ohne Ueberwachung im Wald einfach eine Narkose verpassen. Auch bei einer fachgerecht durchgefuehrten Narkose im Krankenhaus und gutem Gesundheitszustand gibt es ein erhebliches Risiko, dass etwas schiefgeht. So etwas macht man nur, wenn es noetig ist.
Es ist auch mir bekannt, dass Tote bei Operationen meistens Narkosezwischenfälle sind.
Es gab mal ein Treffen von unterschiedlichen Sicherheitsexperten, bei dem es um Qualitätssicherung in der Medizin ging. Ein Spezialist für Flugsicherheit stellte fest: Wenn wir den gleichen Sicherheitsstandard hätten wie die Medizin, gäbe es kein einziges Flugzeug mehr.
Ich habe es auch selbst erlebt und überlebt. Es ging um eine Bypass Operation. Mein Kardiologe empfahl mir einen bestimmten Chirurgen mit dem Hinweis: Die Bundesdeutsche Todesrate liegt bei 2,5 %, bei diesem Chirugen beträgt sie nur 1 %. Auch 1 % war für mich unerwartet hoch.

Ist es tatsächlich im juristischen Sinne Mord, wenn ein Täter keinen Anästhesisten dabei hat und meint, dass es ohne aufwendige Technik auch geht? Wo er es doch in vielen Krimis vorgeführt bekommt. Wahrscheinlich nicht.
Ich sehe es generell (im bürgerlichen Sinne) als Mord, wenn jemand einen Menschen eingräbt und sich darauf verlässt, dass es schon gut gehen wird. Für mich ist es auch Mord, wenn ein Soldat im Krieg einen anderen erschießt. Auch wenn er dafür nicht juristisch belangt wird, und dessen Vorgesetzte auch nicht.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.08.2019 um 19:57
@robernd
ob Mord oder Totschlag, das sind juristische Begriffe, aber im Grunde sehe ich das genauso wie Du. Wie ein Täter zu bestrafen ist, da wird es dann schwierig. Ich wollte kein Richter sein, der mit seinem Urteil nach einem Indizienprozess in der Öffentlichkeit zwischen den Stühlen sitzen muss.
Ich beneide die Journalistin die im vorliegenden Fall mit allen Parteien sprechen konnte, auch wenn ich an ihrer Stelle natürlich viel interessantere Fragen gestellt hätte :-)
Manchmal wünschte ich, man müsste eine Zeitmaschine haben, um zurückzureisen, oder frage mich was ich wohl damals gemacht habe. Das sind dann wahrscheinlich Anflüge von Nostalgie ...


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.08.2019 um 22:41
Hier wird bezüglich Eventualvorsatz ausschliesslich auf die Billigungs - und Einwilligungstheorie der Judikatur und Rechtsprechung eingegangen. Zum vollen Verständnis sei angemerkt dass es auch noch andere Theorien gibt die weniger auf das voluntative Element und mehr auf das eingegangene Risiko abstellen. Hier ist eine kurze leicht verständliche Übersicht:

https://www.proverbia-iuris.de/dolus-eventualis/ (Archiv-Version vom 23.10.2019)


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.08.2019 um 23:27
@ErwinKöster

Man kann sich über die Definition des dolus eventualis und die Frage, wie ausgeprägt das Wissens- und das Wollenselement sein müssen, sicher trefflich streiten.

Die StA ist aber per Gesetz nicht zur Klärung solcher abstrakter Fragen berufen, sondern zur Verfolgung von Straftaten. Das heißt: sie muss einem bestimmten Tatverdächtigen dessen individuellen dolus eventualis nachweisen. Und da scheint es sowohl an konkreten Tatverdächtigen wie auch an ausreichenden Indizien für deren dolus eventualis gefehlt zu haben.


1x zitiertmelden
2r2n ehemaliges Mitglied

Link kopieren
Lesezeichen setzen

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.08.2019 um 23:39
Zitat von AndanteAndante schrieb:Die StA ist aber per Gesetz nicht zur Klärung solcher abstrakter Fragen berufen, sondern zur Verfolgung von Straftaten. Das heißt: sie muss einem bestimmten Tatverdächtigen dessen individuellen dolus eventualis nachweisen. Und da scheint es sowohl an konkreten Tatverdächtigen wie auch an ausreichenden Indizien für deren dolus eventualis gefehlt zu haben.
Es ist keine abstrakte Frage, ob die Entführer ihr Opfer töten wollten. Das wollten sie definitiv. Oder wie ist das hier zu verstehen? Wenn ich des Deutschen mächtig bin, handelt es sich hier um eine Tötungsabsicht. Und zwar nicht mal eventualis.

Bildschirmfoto 2019-08-28 um 23.33.25Original anzeigen (0,6 MB)


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

29.08.2019 um 09:40
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Wenn ich des Deutschen mächtig bin, handelt es sich hier um eine Tötungsabsicht. Und zwar nicht mal eventualis.
So gesehen natürlich ja. Aber dann bleibt zu fragen, warum Mazurek nicht wegen Mordes, sondern „nur“ nach § 239 a StGB verurteilt worden ist, da das Gericht doch annahm, dass er der Täter ist und diesen Brief geschrieben hat.

Ich denke, dass das Gericht im Fall M zu seinen Gunsten den Brief eben nicht Beleg für einen Tötungsvorsatz gewertet hat, sondern als Beweis für die Erpressung (Drohung mit dem Tod des Opfers, um das Lösegeld zu bekommen) im Zusammenhang mit dem Menschenraub.


1x zitiertmelden
2r2n ehemaliges Mitglied

Link kopieren
Lesezeichen setzen

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

29.08.2019 um 11:42
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich denke, dass das Gericht im Fall M zu seinen Gunsten den Brief eben nicht Beleg für einen Tötungsvorsatz gewertet hat, sondern als Beweis für die Erpressung (Drohung mit dem Tod des Opfers, um das Lösegeld zu bekommen) im Zusammenhang mit dem Menschenraub.
Und weil wir noch vor der Verjährung waren, hatte man auch keine Probleme, das Verbrechen so einzustufen. Und die Sicherheit, dass, wenn später jemand kommt, der das anzweifelt, gesagt bekommt: Ist verjährt.
Für das Strafmaß war das unerheblich.


Anzeige

1x zitiertmelden