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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.11.2019 um 23:10
Zitat von AndanteAndante schrieb:Sicher ist es unbefriedigend, dass einige den vollen Urteilstext haben mitsamt den selbstbelastenden Äußerungen, die Mazurek in den abgehörten Gesprächen machte und die offenbar eine wesentliche Grundlage für die Verurteilung waren.
Die würden mich auch mal interessieren. Sie werden ja offenbar recht verkürzt wiedergegeben und finden hier keine allzu große Beachtung.

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.11.2019 um 23:15
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Na ja. Es gibt ja hier die Regel, wer behauptet, muss belegen.
Da bist du im Recht.
Diese Thematik können wir unendlich weiterführen:
  • muss allen Usern, ein uneingeschränkter I-Net-Zugang- möglich sein?

  • muss allen Usern, die Möglichkeit des Schulbesuches zu Grunde liegen, um Lesen zu können?


Und ja, es gibt realitätsnahe Grenzen im Hausrecht des Inhabers. Das ist aber keine Absolution, hier dauernd ** Forderungen zustellen.

Ich finde es gut, wenn sich User die Mühe machen, Urteilspassagen hierher zu kopieren und darüber diskutieren. Wer mehr Infos will, muss sich nur ein wenig bemühen. Die Voraussetzungen für eine Anfrage, sind ähnlich der des Zugangs bei "Allmystery".

Ob die komplette, schriftliche, Urteilsbegründung, auch für die Öffentlichkeit rechtlich zugänglich ist, habe ich dem Bittsteller @Lichtenberg
gefragt.

Wenn im dt. Gesetz, bzw. in der dt. Rechtsprechung gesagt wird, dass die schriftlichen Urteilstexte (Strafrecht) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, liegt es an jedem selbst, sich den Schriftsatz zu besorgen bzw. einzufordern. Oder sich bei den entsprechenden Stellen zu beschweren.

______________________________
Ich habe eine Email an des LG Augsburg geschickt. Warten wir auf eine Rückmeldung.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.11.2019 um 23:25
Zitat von jadajada schrieb:Wenn im dt. Gesetz, bzw. in der dt. Rechtsprechung gesagt wird, dass die schriftlichen Urteilstexte (Strafrecht) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen
Das sagt der BGH in Strafsachen gerade nicht, wie ich oben schrieb. Man kann sehr darüber streiten, ob Strafurteile schrankenlos für jeden einsehbar und abforderbar sein sollen. Immerhin gibt es auch noch so was wie Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das auch jemand hat, der mit dem Strafurteil verurteilt wurde und über den im Urteil oft allerhand sehr persönliche Sachen stehen. Diese Erwägungen gelten auch für das Opfer.

Andererseits gibt es natürlich das Informationsrecht der Bürger. Und es gibt die öffentliche Verhandlung, wo solche persönliche Dinge des Angeklagten zur Sprache kamen und wo die Medien über den Inhalt der öffentlichen Verhandlung berichten, so dass über den Angeklagten - oder das Opfer - sowieso schon viel bekannt ist.

Vielleicht wird zur Frage der voraussetzungslosenZurverfügungstellung von Strafurteilen an private Dritte irgendwann doch noch mal das Bundesverfassungsgericht was sagen


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.11.2019 um 23:54
@Andante
Zitat von AndanteAndante schrieb:Vielleicht wird zur Frage der voraussetzungslosenZurverfügungstellung von Strafurteilen an private Dritte irgendwann doch noch mal das Bundesverfassungsgericht was sagen
Antwort per PN weil OT.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ganz kostenlos wird das Ganze aber, wenn es klappt, nicht sein. Sollte es klappen, kann dann diese anonymisierte Fassung auch veröffentlicht werden, denn es bekäme ja jeder, der will, so eine Fassung.
Kostenlos nicht. Da fallen "Verwaltungsgebühren" an.

Hier ist natürlich die Frage: Wenn ich, als Privatperson, den Urteilstext abgerufen habe und dafür die "Verwaltungsgebühr" bezahlt habe, legitimiert es mich, den Text zu veröffentlichen?

§ 5 (1) UrhG


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04.11.2019 um 00:18
@jada

Du hast es ja richtig erwähnt: Urteile genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Wenn dir das Gericht eine anonymisierte Fassung zur Verfügung stellt, kannst du sie unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten bedenkenlos veröffentlichen. Es kann aber sein, dass Mazurek durch die Veröffentlichung sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sieht. Ob dieses Argument allerdings noch zieht, wo ja die Hauptverhandlung öffentlich war sowie mündliche Urteilsverkündung und -begründung auch: da will ich jetzt keine Garantieerklärung abgeben.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 00:32
Zitat von AndanteAndante schrieb:Urteile genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
Der Wortlaut des § 5 (1) UrhG:
(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
Ich weiß nicht, wie du den Gesetzestext interpretierst. Ich empfinde ihn als uneindeutig.
Hier ist die "Einbettung" von dem Wort 'Entscheidungen' m.M.n. maßgeblich.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 00:42
"Entscheidungen" ist der Oberbegriff für alles, was Gerichte so verfassen, also nicht nur Urteile, sondern etwa auch Beschlüsse.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 00:52
Zitat von AndanteAndante schrieb:"Entscheidungen" ist der Oberbegriff für alles, was Gerichte so verfassen, also nicht nur Urteile, sondern etwa auch Beschlüsse.
Ja, mir ging es aber nicht um den Begriff "Entscheidungen", sondern wir er in dem Gesetz "eingebunden" ist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 00:53
Zitat von EdelstoffEdelstoff schrieb:Wie dem Zeugen P. Täterwissen unterstellt werden kann, welches offensichtlich Zeitungswissen ist erschließt sich mir nicht, es wäre schön, wenn jemand erklären könnte, wie derartige Widersprüche in einem Bereich entstehen können, der zum Kern des juristischen Handwerks zugeordnet werden kann.
Nein, das hast Du falsch verstanden. Dem Zeugen P wurde vom Gericht Täterwissen unterstellt, das eben nicht in der Zeitung gestanden ist.

Ich versuche das mal zusammenzufassen, das Gericht hat sich im Urteil weit über 40 Seiten lang mit P. befasst. P geriet in den Fokus der Ermittlungen, weil er kurz vor dem Tatzeitpunkt bis dahin immer wieder mit einem Spaten am Mofa in der Gegend herumfahrend gesehen wurde. Der Vielzahl anderer Zeugen, die dazu vernommen wurden, erschien das für P untypisch. P machte nachweislich falsche Angaben hinsichtlich dieser "Spatenfahrten" und passte sie im Laufe der Ermittlungen immer wieder dem neuesten Stand an, jedoch nicht sehr überzeugend.

Dann "gestand" er freiwillig, dass M. ihn damit beauftragt habe, ein Loch im Weingartengebiet zu graben. Er beschrieb seine Grabungstätigkeit mit erstaunlicher Detailfülle, die das Gericht als für eine erfundene Geschichte völlig unüblich und überflüssig einstufte. Die Details stimmten alle mit den tatsächlich vorgefundenen Indizien überein und wurden von P. mehrfach in Vernehmungen bestätigt. Dabei kam es auch zu detaillierten Äusserungen, deren Details nicht in der Presse und falsch in der Presse zu lesen waren.

Das Gericht folgerte aus all diesen Umständen und den Erkenntnissen zur Persönlichkeit des P. dass die Angaben "erlebnisfundiert" gewesen sind und nicht nur aus den Pressemeldungen stammen konnten. Gerade die Detailfülle, aber auch Ps gewisse Naivität, weil er sich ja durch diese Aussagen selbst belastete, wertete das Gericht als Zeichen seiner Glaubwürdigkeit.

Es ging auch auf andere Dinge ein, die P. im Laufe seiner langen Berührungen mit dem Strafjustizsystem erlebt hatte und stellte diese in Relation zu den Ermittlungen hier.

Unterm Strich stufte es die entscheidenden Aussagen als wahr, erlebnisfundiert und ohne sinistre Hintergedanken durch P freiwillig gemachte Angaben ein. Mir erschienen diese Ausführungen des Gerichts plausibel.

Im Vordergrund stehen zwei Dinge: einmal die, laut Gericht, klar erwiesenen "Spatenfahrten" des P. Und zum anderen, seine sehr detaillierten Angaben zu der Grabungstätigkeit einschliesslich bestimmter Masse, die so nicht in der Presse veröffentlicht worden sind.

Das Gericht beurteilte auch M.s Reaktionen auf die Aussagen des P., die durchaus interessant sind und das gesamte Beziehungsgeflecht zwischen M und P und M und P und anderen Beteiligten.

Es ist meine persönliche Einschätzung (!) dass das Urteil mit diesem Themenkreis steht und fällt, und nicht mit dem Tonbandgerät. Das Gericht hat letztem zwar auch eine erhebliche Bedeutung beigemessen, laut eigener Aussage, aber ich vermute, das Urteil wäre auch ohne den Tonband-Themenkreis so ergangen.

Ps Aussage dagegen hat erstmals eine Verbindung zwischen M und dem Loch und damit auch der Kiste ergeben. Aber auch dieser Themenkreis allein ist ja nicht alles, was das Gericht bewertet hat. Dazu kommen noch umfangreiche andere Zeugenaussagen und Ermittlungen hinsichtlich des M. und weiterer Personen in dessen Umfeld. Insofern empfand ich schon ein Bemühen des Gerichts, den Themenkreis P. nicht losgelöst vom Rest des Falles zu betrachten, sondern zu untersuchen, wie dieser plausibel in den Rest der Indizien passt.

Anders gesagt: selbst ohne den gesamten Indizienkreis um P. hat das Gericht viele Indizien beurteilt, die auf eine Täterschaft des M. weisen. Ob es ohne P. zu so einem Urteil hätte kommen können, kann ich nicht beurteilen, aber man darf sich das Urteil nicht so vorstellen, als hätte es nur diese beiden Themen - P. und Tonband - gegeben.

Es gibt zum Beispiel auch durchaus belastende Indizien hinsichtlich der beim Bau des unterirdischen Gefängnisses verwandten Materialien, die nichts mit P. oder mit dem Tonband zu tun haben.

Zum Tonband ist zu sagen, dass ich das Gefühl habe, dass das Gericht sich vorsichtig geäussert hat. Es hat freilich die Kompetenz der Gutachterin nicht angezweifelt, was verständlich ist, denn das Gericht hat nun mal gerade deshalb eine Gutachterin eingeschaltet, weil es selbst nicht die technische Kompetenz hat. Allerdings, so hatte ich das Gefühl, hat es zumindest berücksichtigt, dass in einigen Fragen die Gutachterin, die das wohl auch so geschrieben haben soll, keine endgültigen Einschätzungen abgeben konnte. Es hat allerdings, das ist richtig beschrieben, das Gutachten als Ganzes als Indiz gegen M. gewertet und geht davon aus, dass dieses Tonband bei der Tat verwendet wurde.

Interessant dabei ist, dass es bei der gesamten Erörterung des Tonband Bereichs mehr darum ging, ob es nun in Ms Besitz zur Tatzeit gewesen ist, bzw. ob seine gegenteilige Aussage dazu glaubwürdig ist. Hier hat das Gericht ebenfalls recht viel Zeit und Gedanken aufgewendet und kommt zu dem Schluss, dass Ms. Aussage nicht glaubwürdig ist.

Noch einmal meine persönliche (!) Einschätzung: würde sich herausstellen, dass das Tonbandgerät nicht das zur Tat verwendete gewesen ist, denke ich, das Gericht würde immer noch guten Gewissens Ms Schuld feststellen, weil die zahlreichen anderen Indizien, die nichts mit dem Tonband zu tun haben, darauf hinweisen.

Der gesamte Themenkreis "Erpresseranrufe und Tonbandgeräte des M." umfasst im Urteil ca. 60 Seiten (von insgesamt über 300), wobei dem umstrittenen Gutachten lediglich ganze 9 Seiten gewidmet sind. Das Gericht hat sich der Auffassung der Gutachterin angeschlossen, dass es "wahrscheinlich" ist, dass das untersuchte Tonbandgerät bei der Tat verwendet wurde (Seite 200), aber schon diese Formulierung ist bedeutsam. Sie zeigt mir, dass das Gericht dieses Thema allein nicht schuldbegründend werten würde, wenn es eben nicht noch zahlreiche ganz andere Indizien geben würde.

Und auch im Gutachten geht es nicht nur um das B3 Signal, sondern auch, und nach meinem Eindruck besonders, um bestimmte Schaltgeräusche eben dieses speziellen Geräts. Der Fokus allein auf das B3-Signal und seine Tonfolge etc. schien dem Gericht nicht übermässig bedeutsam.

Interessant ist in dem Zusammenhang, dass das Gericht sich dafür sehr mit den Aussagen Ms und vieler Zeugen zum angeblichen Tonbandkauf in Beverungen beschäftigt hat.

Mein Eindruck ist, dass neben Ps. Aussagen ganz besonders das Verhalten und die Aussagen des M. und seines Bekanntenkreises im Fokus des Gerichts gelegen sind. Ich habe den Eindruck, und das kann ich aus eigenem Gefühl bestätigen, dass das Gericht meint, M. habe sich selbst eine Grube hier gegraben - im Englischen würde ich jetzt sagen "pun intended."

Das Gericht schreibt zum Beispiel:
Die Hartnäckigkeit mit der der Angeklagte Mazurek bis zuletzt vehement geleugnet hat, irgendein eigenes Tonbandgerät außer einem Philipps-Gerät zwischen 1984 und 1986 besessen zu haben, lässt nur den Schluss zu, dass er den durch die Beweisaufnahme zweifelsfrei festgestellten Besitz weiterer Tonbandgeräte vertuschen will. Dies wiederum ist nur dann geboten, wenn ein Zusammenhang mit dem gegenständlichen Entführungsfall Ursula Herrmann besteht. Bei einer umfassenden Würdigung der Erkenntnisse, dass der Angeklagte entgegen seiner Angaben einerseits das gegenständliche Tonbandgerät Grundig TK 248 nicht am 14.10.2007 auf dem Flohmarkt in Beverungen gekauft hat und andererseits bereits während seiner Echinger Zeit im Besitz eines sehr ähnlichen Spulentonbandgerätes war, ergibt sich für die Kammer vor dem Hintergrund des Aussageverhaltens des Angeklagten der zwingende Schluss, dass er bereits im Entführungsjahr 1981 im Besitz des bei ihm am 30.10.2007 sichergestellten Tonbandgerätes Grundig TK 248 war, das nach Überzeugung der Kammer für den Zusammenschnitt der Erpresseranrufe verwendet wurde.
Dass das Grundig-Gerät TK 248 bei den früheren Durchsuchungen nicht sichergestellt wurde, kann den Angeklagten nicht entlasten. Neben der Möglichkeit, dass es übersehen wurde, spricht die größere Wahrscheinlichkeit dafür, dass es außerhalb der durchsuchten Objekte gelagert wurde. Vor der Durchsuchung am 30.10.2007 in Kappeln wurde letztmals beim Angeklagten am 15.11.1982 in Gschwend durchsucht. Von Ende 1982 bis Herbst 2007 blieb der Angeklagte also unbehelligt und durfte sich spätestens nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 06.03.1991, die verlesen wurden, in Sicherheit wähnen, wegen des Verfahrens Ursula Herrmann nicht mehr belangt zu werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht fernliegend, dass der Angeklagte Mazurek irgendwann sein Grundig-Tonbandgerät wieder aus dem Versteck holte und in seinen Haushalt integrierte, wo es dann am 30.10.2007 aufgefunden und sichergestellt wurde.
Seite 251

Das ist meines Erachtens aus all den im Urteil aufgeführten Zeugenaussagen und Gutachten ein Schluss, der nicht unplausibel ist. Hier erinnere ich noch einmal daran, dass es Aufgabe des Gerichts ist, alle vorliegenden Indizien zusammen zu würdigen, ob sie zusammen einen Beweis ergeben. Und meiner Meinung nach ist das dem Gericht hier plausibel gelungen.

Ich bin ohne tiefere Kenntnisse zu diesem Fall hier eingestiegen und versuche zunächst einmal das Urteil zu verstehen und nachzuvollziehen. Ähnlich wie im Fall Darsow ist es nicht zielführend, ein Indiz losgelöst von allen anderen zu betrachten, ausser wenn klar ist, dass das Gericht ein einzelnes Indiz komplett falsch beurteilt hat. Das kann ich hier nicht behaupten.

Im Gegenteil: wenn ich all die vorgebrachten Indizien sine ira et studio betrachte, komme ich auch zu dem Schluss, dass M. der Täter gewesen ist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 01:12
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:aber man darf sich das Urteil nicht so vorstellen, als hätte es nur diese beiden Themen - P. und Tonband - gegeben.
Vielfach ist hier allerdings vertreten worden, dass die Verurteilung praktisch nur auf diesen beiden Punkten beruhe.

Ich vermute, dass Mazurek als Beklagter sich auch im Zivilprozess lediglich mit diesen beiden Punkten verteidigt hat. Denn die Beweisaufnahme des Zivilgerichts befasste sich anscheinend nur damit (zwei Beamte aus der Pfaffinger-Vernehmung und die LKA-Tonband-Gutachterin).

Dass die Strafkammer die Verurteilung auf eine Fülle weiterer wichtiger Indizien gestützt hat, hätte im Zivilprozess also dazu führen müssen, dass Mazurek auch die diesbezügliche Beweisführung der Strafkammer angreift, aber das ist offenbar nicht geschehen. Zu einer Beweisaufnahme diesbezüglich ist es beim Zivilgericht jedenfalls nicht einmal gekommen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 01:18
Zitat von AndanteAndante schrieb:Zu einer Beweisaufnahme diesbezüglich ist es beim Zivilgericht jedenfalls nicht einmal gekommen.
Und wie Du das richtig dargestellt hast, war das auch nicht die Aufgabe des Zivilgerichts.

Es ist bei der Beurteilung dieser Dinge immer wichtig, den gesamten Fall, die gesamte Beweisaufnahme im Auge zu behalten. Selbst die Beurteilung an Hand eines Urteils ist immer nur eingeschränkt möglich, denn am Ende fehlen auch dabei die Eindrücke, die sich in einer Hauptverhandlung ergeben.

Ich bestreite keineswegs, dass es vorkommt, dass Gerichte eine nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung vornehmen, aber im vorliegenden Fall mit meinen limitierten Kenntnissen, die sich allein auf das Urteil stützen, komme ich zu dem Schluss, dass das Gericht hier nachvollziehbar geurteilt hat.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 01:35
Es war mir schon bewusst, dass ein 300-Seiten-Urteil, nach einer Beweisaufnahme mit etwa 200 Zeugen, wahrscheinlich auf etwas mehr als auf zwei "Hauptindizien" gestützt sein würde. Denn wenn dem Gericht diese zwei "Hauptindizien" gereicht hätten, hätte es sich vermutlich die Arbeit mit der weiteren umfangreichen Beweisaufnahme nicht gemacht. Da musste also schon noch mehr gewesen sein als bloß der Zeuge P. und das TK-Gutachten.

Dass das TK-Gutachten im Rahmen der Beweiswürdigung des Gerichts letztlich offenbar nicht den Stellenwert hatte, der ihm hier teilweise beigemessen wird, ergibt sich schon daraus, dass die Gutachterin die Benutzung des TK248 lediglich als "wahrscheinlich" bezeichnete. Das ist für eine Bewertung des TK als jedes andere Indiz auf jeden Fall um Längen schlagendes Beweisstück natürlich zu wenig, und das wusste das Gericht auch, indem es das TK eben nicht in diesen Rang erhoben, sondern als ein Indiz unter vielen angesehen hat.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 01:43
Danke für die ausführliche Darstellung @Rick_Blaine

Aus Ingnieurssicht sind mir ja zunächst einmal die offesichtlichen Absurditäten in der Tonbandgeschichte aufgefallen und vor dem Hintergrund diverser Medienberichte, soll dies ja eines der wesentlichen Indizien gewesen sein, was Du in Deiner Ausführung relativiert hast.

Dein Beitrag mit dem langen Zitat aus dem Urteil gibt mir einen kleinen Einblick in die Denkweise des Gerichts, auch dort fallen mir schon erste Fehler in's Auge - aus dem Auge des naturwissenschaftlich geprägten Betrachters. Ich muss das komplette Urteil gelegentlich dann mal selbst lesen, um mir einen vollständigen Eindruck zu verschaffen.

Die Geschichte mit dem Besitz von Tonbandgeräten zwischen 1984 und 1986 aus dem zitierten Text des Urteils habe ich nicht verstanden. Wird das im Urteil näher erklärt? Das wäre über drei Jahre nach der Tat und zwei Jahre nach der Hausdurchsuchung. Was steckt da dahinter?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 02:30
Zitat von EdelstoffEdelstoff schrieb:Die Geschichte mit dem Besitz von Tonbandgeräten zwischen 1984 und 1986 aus dem zitierten Text des Urteils habe ich nicht verstanden. Wird das im Urteil näher erklärt? Das wäre über drei Jahre nach der Tat und zwei Jahre nach der Hausdurchsuchung. Was steckt da dahinter?
Es geht um die Frage der Herkunft des Tonbandgeräts. M behauptet ja, er habe es erst lange nach der Tat auf einem Flohmarkt in Beverungen erstanden und er behauptet vorher keines dieser Art besessen zu haben. Dagegen haben zahlreiche Zeugen ausgesagt, dass er sehr wohl ein "ähnliches" besessen habe. Auch stellte das Gericht fest, dass er das fragliche Tonbandgerät nicht in Beverungen auf dem Flohmarkt erstanden hat, wiederum basierend auf zahlreichen Zeugenaussagen.

Das Gericht hat sich nun offensichtlich gefragt: "warum leugnet er so vehement den Besitz dieses Tonbandgeräts?" und kommt zu dem Schluss, dass M. selbst befürchtet, dass ein Zusammenhang zwischen der Tat und dem fraglichen Tonband bewiesen werden kann - also muss er den Besitz leugnen. Und es fragt schliesslich: warum scheint M zu denken, dieses Tonband hat einen Bezug zur Tat. Die naheliegende Antwort des Gerichts: weil er weiss, dass er dieses Tonband zur Tat benutzt hat.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 04:06
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Es geht um die Frage der Herkunft des Tonbandgeräts. M behauptet ja, er habe es erst lange nach der Tat auf einem Flohmarkt in Beverungen erstanden und er behauptet vorher keines dieser Art besessen zu haben
Ist es eigentlich erwiesen, dass genau mit dieser Art Tonbandgerät TK der Erpresseranruf einging oder ging man jetzt einfach davon aus, weil man bei M. dieses Gerät gefunden hat?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 04:22
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Ist es eigentlich erwiesen, dass genau mit dieser Art Tonbandgerät TK der Erpresseranruf einging oder ging man jetzt einfach davon aus, weil man bei M. dieses Gerät gefunden hat?
Das ist ja der Inhalt des hier so oft diskutierten Gutachtens. Das Gericht und das Gutachten gehen davon aus, dass es dieses Tonband gewesen ist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 04:33
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Das ist ja der Inhalt des hier so oft diskutierten Gutachtens. Das Gericht und das Gutachten gehen davon aus, dass es dieses Tonband gewesen ist.
Mir ging es darum, ob es auch ein andere Marke gewesen sein kann oder eben genau dieses Marke. Ja von diesem Tonbandgerät hat es aber auch noch ein weiteres gegeben, was auch in Frage gekommen wäre. Wurde das im Urteil gewürdigt?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 07:59
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Ist es eigentlich erwiesen, dass genau mit dieser Art Tonbandgerät TK der Erpresseranruf einging oder ging man jetzt einfach davon aus, weil man bei M. dieses Gerät gefunden hat?
Es ist nicht erwiesen, dass überhaupt ein Tonbandgerät benutzt wurde. Die Idee eines Tonbandgeräts entstand erst, als man eines bei Mazurek entdeckt hat. Vorher, also von 1981 bis 2007 hat man die Tätertonfolge vollkommen richtig als ein Resultat unbekannter Überspiel Prozesse eingeordnet. Erst mit dem Gutachten wurde die Idee eines Tonbandgerätes geboren.

Aber das ist für die Verurteilung Mazureks nicht ausschlaggebend gewesen. Es war lediglich der Aufhänger für den Prozess. Deshalb hat die Verteidigung während des Verfahrens wohl nicht den Schwerpunkt drauf gelegt, sondern auf die Entkräftung der Pfaffinger-Vernehmungen.
Das ist nicht gelungen, weil das Gericht die Aussagen als erlebnisfundiert eingestuft hat.

Das Urteil ist von diesem Credo geprägt und deshalb ist es in sich schlüssig. Da gebe ich @Rick_Blaine recht. Wenn man es liest, erscheint alles plausibel. Das bedeutet für die Zukunft, also, wenn es gelingt, das Urteil zu veröffentlichen, und ihr darüber diskutiert, dass ihr über die Schlussfolgerungen von drei Berufsrichtern nachdenkt.

Ich selbst werde mich an dieser Diskussion nicht beteiligen, weil für mich interessanter ist, was NICHT im Urteil steht. Da ist zum einen die Frage nach den Mittätern. Auf die nimmt das Urteil verständlicherweise keinen Bezug. J und die Frau von M müssten in der Logik des Gerichts Mittäter sein. Aber J wurde im Urteil nicht beleuchtet. Frau M wurde freigesprochen.

Zum anderen ist die Waldkunde und das unbemerkte Vorbereiten der Tat von Bedeutung. Hierauf geht das Urteil auch nicht ein. Bzw. geht es davon aus, dass es irgendwie funktioniert haben muss. Die Wahl des Entführungsortes und des Vergrabungsortes, das unbemerkte Graben des Loches, das Ausschneiden der Pfade, die Installation des Klingeldrahts, die unsichtbare Bewegung im Wald und überhaupt die Wahl des Waldes (sowohl für die Entführung als auch für die Verwahrung des Opfers, was in der Geschichte der Entführungen völlig ungewöhnlich ist). Das waren keine Themen.

Und Pfaffinger? Der blieb bei seinem Widerruf. Nur bei einer Sache beharrte er stetig: Dass M ihm das Graben eines Lochs einmal bei einem Spaziergang am Seeweg vorgeschlagen hat. Also eine Grabung am Seeweg. Er wurde nach Februar/März noch ein paar mal befragt. Bei einer Befragung im Juni steht dann noch folgendes, bevor er wieder entlassen wurde:

Bildschirmfoto 2019-11-03 um 12.26.16

Ich selbst werde mich wie gesagt an weiteren Diskussionen nicht mehr beteiligen, kann aber anbieten, dass mich jeder, der weitere Fragen hat, gerne über https://www.ursulaherrmann.org (Archiv-Version vom 25.09.2019) kontaktieren kann. Vielleicht trifft man sich ja mal im echten Leben. Aber hier in der virtuellen Welt ist mir der Umgangston zu rau geworden. Das liegt sicher auch am Schutz der Virtualität, den die meisten von euch genießen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

04.11.2019 um 08:10
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:und ihr darüber diskutiert, dass ihr über die Schlussfolgerungen von drei Berufsrichtern nachdenkt.
Es sind die Schlussfolgerungen von drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, also der Besetzung einer Großen Strafkammer.

Von diesen fünf Richtern müssen mindesten vier für die Verurteilung gestimmt haben. Mindestens ein Schöffe, ein Richter aus dem Volk also, muss also für Mazureks Verurteilung gewesen sein und die Schlussfolgerungen des Gerichts mitgetragen haben.

Es ist immer so, dass bei dieser Besetzung die Stimme der Laienrichter den Ausschlag gibt. Dies nur am Rande, um den falschen Eindruck zu korrigieren, dass lediglich die Berufsrichter für die Entscheidung des Strafprozesses verantwortlich sind.
Strafprozeßordnung (StPO)
§ 263 Abstimmung

(1) Zu jeder dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung über die Schuldfrage und die Rechtsfolgen der Tat ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich.



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04.11.2019 um 08:11
Zitat von AndanteAndante schrieb:Du hast es ja richtig erwähnt: Urteile genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Wenn dir das Gericht eine anonymisierte Fassung zur Verfügung stellt, kannst du sie unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten bedenkenlos veröffentlichen. Es kann aber sein, dass Mazurek durch die Veröffentlichung sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sieht. Ob dieses Argument allerdings noch zieht, wo ja die Hauptverhandlung öffentlich war sowie mündliche Urteilsverkündung und -begründung auch: da will ich jetzt keine Garantieerklärung abgeben.
Genießen Gutachten, die vor Gericht öffentlich vorgetragen wurden, urheberrechtlichen Schutz? Dabei denke ich nicht nur an das Tonbandgerät. Und wie sieht es mit Ermittlungsakten aus Anfang der 1980er Jahre aus, die pauschal mit "Geheim" gestempelt sind (auf dem Ordner-Rückenschild)?

Und noch einmal: Das Gericht hat kein Gutachten in Auftrag gegeben. Die belastenden Gutachten stammen alle aus der Polizeiarbeit vor dem Prozess. Es gab einige Beweisanträge der Verteidigung, aufgrund derer so etwas wie zusätzliche Gutachten erstellt wurden. Leider nicht in dem Umfang wie gewünscht. So hat die Gutachterin trotz Antrags nicht erläutert wie sie gemessen hat, sondern nur was sie gemessen hat. Das war aber ohnehin bekannt. Die handwerklichen Fehler stecken aber im Wie.

Werner M. wird kaum sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt fühlen, weil ohnehin alles was dazu gehört, bereits öffentlich gemacht wurde. Einschließlich seiner vertraulichen Telefongespräche mit Freunden. Wie ich M. einschätze, legt er aber Wert darauf, Ross und Reiter zu nennen, denen er seine Haftstrafe zu verdanken hat. Wären eigentlich die vertraulichen Gespräche bei einer Urteilsveröffentlichung unkenntlich zu machen?


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