Der mysteriöse Fall der Evi Rauter aus Lana

Vorweg und bevor ich mich dem eigentlichen Thema sowie insbesondere an mich gerichtete Beiträge wieder zuwende, der Hinweis auf einen interessanten Artikel und damit Antwort auf eine gestellte Frage:

keeprunning schrieb:Und als kleine Pointe: "wo ist Walter Benjamin begraben worden nach seinem Suizid:"

"Etwas weiter liegt der kleine Friedhof Portbous. Das Grab Walter Benjamins gibt es leider längst nicht mehr. Stattdessen hat man ihm aber einen Gedenkstein in der Mitte des Friedhofs errichtet."

Quelle:
https://www.freibeuter-reisen.org/walter-benjamin-portbou-letzte-grenze/

BernardLe36 schrieb:"Etwas weiter liegt der kleine Friedhof Portbous. Das Grab Walter Benjamins gibt es leider längst nicht mehr. Stattdessen hat man ihm aber einen Gedenkstein in der Mitte des Friedhofs errichtet."

Eben...und wurde die Tote nicht unweit des Friedhofs aufgefunden?...ich las so etwas jedenfalls.

Zu den "Leumundszeugnissen" bezüglich Suizidalität...zum einen gibt es auch geplante Suizide, bei denen enge Kontaktpersonen im Vorfeld wirklich keine Auffälligkeiten bemerken, zum anderen ist es eher die Ausnahme, dass Angehörige nach einem Suizid offen über die Vorfeldbeobachtungen berichten.
Der Suizid eines geliebten Menschen ist eine enorme seelische Traumatisierung.

Der zitierte Beitrag von darkstar69 wurde gelöscht. Begründung: Antwort auf gelöschten Beitrag

"Wanderlust" ganz ohne Gepäck...Entsorgen der Papiere?...falsche Angaben vor dem Verschwinden?

Garza schrieb:Zur Thematik der Reise: Das wird sich schlicht nicht mehr eruieren lassen, weshalb sie nach Portbou gegangen ist. Ob sie aus psychischen Gründen einfach in einen Zug stieg und diesen in Portbou verliess oder ob andere Gründe dazu führten.

Aufgrund meiner eigenen Reiseerfahrung in der damaligen Zeit von der Toskana nach Spanien bin ich mir sehr sicher, dass es nicht nur keine direkte Verbindung gab, sondern man mindestens drei, eher viermal umsteigen musste. Dass es möglich war, am Vormittag mit dem Zug in Florenz loszufahren und vor dem Morgen des folgenden Tages in Portbou anzukommen, schliesse ich aus. Privatflieger wäre die obskure andere Option - oder die naheliegendere einer Reise per Mitfahrgelegenheit mit einem PKW oder LKW. Selbst damit wäre sie, die Strecke und alle Umstände berücksichtigend vermutlich aber erst nach Mitternacht angekommen. Am Morgen war sie bereits tot.

Ich hab immer noch meine Probleme damit, nachzuvollziehen, dass jemand diese Tour macht und sich dann nach Ankunft gleich selbst richtet (und wie sie das dann an dem ihr unbekannten Ort im Dunklen organisiert hat). Eher vorstellen kann ich mir, dass eine junge Frau als Mitfahrerin an den oder die Falschen gerät und sie im Endergebnis dann durch welche Umstände auch immer umkommt und zur Vertuschung erhängt wird. Die Familie zumindest scheint ja einen Selbstmord auszuschliessen. Vermutlich auch nicht unüblich.

keeprunning schrieb:zum einen gibt es auch geplante Suizide, bei denen enge Kontaktpersonen im Vorfeld wirklich keine Auffälligkeiten bemerken, zum anderen ist es eher die Ausnahme, dass Angehörige nach einem Suizid offen über die Vorfeldbeobachtungen berichten.

Eben, gerade nach dem Entschluss zum Suizid sind suizidale Menschen meistens sehr gelöst und entspannt und gut gestimmt, so dass Angehörige nichts merken. Daher ist es interessant, was gab es so an psychischen Belastungen in der Biografie?
Und genau, wir wissen ja gar nicht, was die Familie damals gemerkt und gesagt hat und was die Polizei damals wusste, aber nie an die Medien gelangte.

keeprunning schrieb:"Wanderlust" ganz ohne Gepäck...Entsorgen der Papiere?...falsche Angaben vor dem Verschwinden?

Wieviel Gepäck sie wollte oder hatte, wissen wir ja nicht ganz genau. Und ob sie die Papiere entsorgte ebenso wenig. Wir wissen auch hierzu nicht, was die Polizei wusste. Und gerade wenn sie kein Gepäck und keine Papiere hatte, ist es doch ein Mysterium, wie und weshalb und mit wem sie dann nach Spanien kam. Und danach kommt die Frage, weshalb kam es dann zur Eskalation, mit oder ohne Fremdeinwirkung?

Was die Zugfahrt betrifft kann ich @Kaietan bestätigen. Das wäre sich für Evi zeitlich nicht ausgegangen. Ich bin damals genau
diese Strecke in umgekehrter Richtung, von Barcelona kommend, gefahren. In Portbou war dann abends erst mal Endstation.
Die Tramper haben alle dort campiert/übernachtet. Da war richtig was los. Bin auch den nächsten Tag noch geblieben.
Der Zug hielt dann in Frankreich fast in jeder Station. Der Aufenthalt an der französisch-italienischen Grenze war damals auch
relativ lange.

Diese Reise war meiner Meinung nach nur mit einem Auto realistisch und zeitlich möglich. Das Evi mit wem auch immer nachts in
Portbou ankommt, an den Strand geht, sich einen Strick von einem Boot nimmt und sich dann an einem Baum aufhängt halte ich
für unrealistisch. Was mich bei Fremdverschulden stört ist die Auffinde-Situation. Evi so an den Baum zu hängen ist für eine
Person ohne Hilfsmittel (Leiter) schwer machbar.

Der verlassene VW-Golf mit italienischem Kennzeichen ist auch seltsam. Vielleicht gibt es dazu ja auch eine passende Vermissten-
Meldung in Italien.

Kaietan schrieb:Aufgrund meiner eigenen Reiseerfahrung in der damaligen Zeit von der Toskana nach Spanien bin ich mir sehr sicher, dass es nicht nur keine direkte Verbindung gab, sondern man mindestens drei, eher viermal umsteigen musste.

Ich bin im Sommer 1990, direkt nach dem Abi, per Interrail von Barcelona nach Florenz gefahren, natürlich mit Umstieg in Portbou. Ob es jetzt irgendeine Möglichkeit gegeben hätte ohne Unterbrechung von Florenz nach Portbou oder andersrum (zB Nachtzug) zu kommen, weiß ich gar nicht mehr. Üblicherweise war es aber nicht so. Es waren idR mehrere Umstiege notwendig. Und wenn nicht, dann waren es sicherlich die damaligen Intercity und Eurocity, die alle zuschlagspflichtig waren. Sie hatte ja offenbar wenig Geld.

darkstar69 schrieb:Wieviel Gepäck sie wollte oder hatte, wissen wir ja nicht ganz genau. Und ob sie die Papiere entsorgte ebenso wenig. Wir wissen auch hierzu nicht, was die Polizei wusste. Und gerade wenn sie kein Gepäck und keine Papiere hatte, ist es doch ein Mysterium, wie und weshalb und mit wem sie dann nach Spanien kam

Gepäck soll sie nach Angaben der Schwester nicht mitgenommen haben. Eine kleinere Menge Geld (aber womöglich genug für eine Zugfahrkarte), ihre Bahnermäßigungskarte sowie die Geldbörse habe sie mitgenommen. Diese wurde aber nicht gefunden.

Aringarosa schrieb:Was die Zugfahrt betrifft kann ich @Kaietan bestätigen. Das wäre sich für Evi zeitlich nicht ausgegangen. Ich bin damals genau
diese Strecke in umgekehrter Richtung, von Barcelona kommend, gefahren. In Portbou war dann abends erst mal Endstation.
Die Tramper haben alle dort campiert/übernachtet.

Nach den mir bekannten Angaben war die offizielle Fahrdauer zu der in Frage kommenden Zeit für eine Zugfahrt die gleiche wie für eine Autofahrt. Also lässt sich von daher nicht zwangsläufig auf das Transportmittel schließen.

Die Polizei dürfte die Camper gefragt haben, wie lange sie schon vor Ort waren und wann sie von wo kommend angekommen sind. Meines Wissens standen sie nie unter Verdacht, etwas mit der Toten zu tun zu haben.
Der Auffindeort liegt in nächster Nähe zum Friedhof.

Schon bei den ersten Auffindebildern die ich sah, dachte ich spontan an einen LKW Fahrer, der relativ nahe zum Fundort lebte, das Seil bereits an Bord hatte, als er seine Rücktour von Florenz nach Portbou fuhr und von dort aus Evi Rauter mitnahm, der er vorgaukelte, er fahre an ihr eigentliches Wunschziel für diesen Tag.
Auch wenn es nun pietätlos klingt, erinnert mich das Auffindebild an eine abhängende Tierhälfte.
Ein LKW Fahrer, der Kühltransporte mit Tierhälften fuhr und zwar so regelmässig, dass ihn schon jeder Zöllner kannte und gar nicht mehr kontrollierte und dem es aufgrund seiner üblichen Ladung möglich war, Evis Körper ohne fremde Hilfe hochzuhieven und gezielt "einzuhängen".

Aringarosa schrieb:Das Evi mit wem auch immer nachts in
Portbou ankommt, an den Strand geht, sich einen Strick von einem Boot nimmt und sich dann an einem Baum aufhängt halte ich
für unrealistisch.

Das ist interessant, dass du das schreibst und mich würde weiter interessieren, was genau du daran als unrealistisch empfindest.
Ich persönlich halte das von dir geschilderte Szenario nämlich keineswegs für unrealistisch oder nur auf den ersten Blick vielleicht.
Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Evi sich mit einer geheimen Absicht oder gar einem Plan herumtrug, freiwillig aus dem Leben zu scheiden (was in ihrem Alter und bei einer ansonsten gesunden Frau auch nur durch eine
- von ihrem Umfeld möglicherweise nicht als solche erkannte - psychische Problematik erklärbar ist, die es noch einmal schwieriger macht, sich von außen in das Empfinden und die Gedankengänge der Person hineinzuversetzen), halte ich das für ein durchaus realistisches und denkbares Szenario.

Die Gesamtsituation ist für mich für einen Suizid unrealistisch. Da ich eine Zugfahrt aus zeitlichen Gründen ausschließe, bleibt nur die Mitfahrgelegenheit per Auto/LKW. Da ist Evi möglicherweise an die falsche/n Person/en geraten. Für einen Suizid hätte es auch eine
Pinie in Italien getan, dazu brauchte es keine Kiefer in Spanien.

Corydalis schrieb:Als sie mit dem Seil um den Hals bis auf Höhe des Astes geklettert war, verknotete sie die beiden losen Enden über dem Ast,

Hast Du das schon mal nach gestellt? Dich mit nur einer Hand am Stamm fest zu halten und gleichzeitig, ebenfalls nur mit einer Hand, das Seil über dem Ast zu verknoten?

Oder noch einfacher: Probier erst mal, ein Seil mit nur einer Hand zu verknoten.

Aringarosa schrieb:Für einen Suizid hätte es auch eine
Pinie in Italien getan, dazu brauchte es keine Kiefer in Spanien.

Ja, das sagst du jetzt so klar denkend. Nur wer weiß, was im Kopf eines Menschen vorgeht, der davor steht, sich das Leben zu nehmen. Der sieht die Sache vielleicht nicht ganz so nüchtern und rational.

Zum Thema LKW-Fahrer: Die Frage ist mir eigentlich etwas peinlich, da ich seit 2006 selber in einer Spedition arbeite, aber seit wann gibt es Lenk-und Ruhezeiten? Spontan finde ich nur "vereinheitlicht ab 2006". Es fällt mir irgendwie schwer zu glauben, dass man diese Strecke in einem begrenzten Zeitraum überhaupt mit einem LKW zurücklegen könnte. Die Regeln waren damals sicher nicht so streng wie heute (falls es da überhaupt schon Regelungen gab), aber 1000km in so kurzer Zeit mit dem LKW... puh.

Unabhängig davon: Wie hier ja schon mehrfach geschrieben wurde, galt Portbou damals als großer Umsteigebahnhof. Was ist da naheliegender, als dass sie per Zug dort hingekommen ist. Möchte ich nur mal erwähnt haben, bevor hier weitaus unrealistischere Szenarien zwecks Überbrückung der weiten Strecke diskutiert werden. ;-)

@BernardLe36 es freut mich übrigens sehr, wieder von dir zu lesen!

Ich finde die Suizid-Theorie mit den Fotos des Aststumpfes der Kiefer durchaus plausibel. Allerdings frage ich mich trotzdem, wie sie es geschafft hat, keine Spuren der Kiefer an sich/an der Kleidung zu haben und wie es möglich war, dass sie nicht gezappelt hat (dies ist einfach ein Reflex), sie müsste sich demzufolge eigentlich die Knie an dem Baumstamm angehaut haben, Rindenstücke an der Kleidung aufweisen durch das Dagegenlehnen bei der Fixierung des Seils.

off-peak schrieb:Hast Du das schon mal nach gestellt? Dich mit nur einer Hand am Stamm fest zu halten und gleichzeitig, ebenfalls nur mit einer Hand, das Seil über dem Ast zu verknoten?

Bitte keine Nachstellungen! Bitte nichts nachmachen, da hört der Spaß auf.