emz schrieb:Allerdings versuche ich die Erklärungen so ganz knapp wie möglich zu verfassen.
Es gibt:
- Pflichtverteidiger - werden vom Gericht beigeordnet und (erst mal) bezahlt
- Wahlverteidiger - die sucht man sich aus und zahlt man selber
- Wahlpflichtverteidiger - den sucht man sich aus und fragt den, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen will.
Richtig. Wobei in Deutschland, anders als z.B. in den USA, grundsätzlich das Recht besteht, den "Pflichtverteidiger" selbst auszuwählen. Dieser muss freilich zustimmen und kann nicht gegen seinen Willen beauftragt werden. In den USA dagegen gibt es meistens vom Staat angestellte und bezahlte (office of the public defender) Anwälte, so dass man in der Regel nicht eine bestimmte Person auswählen kann.
Insofern sind in Deutschland "Pflichtverteidiger" und "Wahlpflichtverteidiger" meist die selbe Person. Der Unterschied zu einem "Wahlverteidiger" ist nicht die generelle Qualifikation, sondern tatsächlich der Umfang der Bezahlung. Hat ein Beschuldigter einen "Wahlverteidiger," so braucht er nicht unbedingt auch noch einen "Pflichtverteidiger." Das Wort "Pflichtverteidiger" beruht auf der Tatsache, dass für bestimmte Situationen in der StPO vorgeschrieben ist, dass ein Beschuldigter einen Verteidiger haben muss, also eine "Pflicht" besteht, einen Verteidiger zu haben. Wer das am Ende ist, ist erst einmal dem Beschuldigten überlassen, nur wenn er keinen benennen kann oder will, wird das Gericht einen benennen.
Tiergarten schrieb:Sind Pflichtverteidiger in einem solchen Verfahren eigentlich üblich oder sogar vorgeschrieben? Oder werden sie einem Angeklagten nur zur Seite gestellt, wenn er keine Wahlverteidiger findet bzw. bezahlen kann?
Wie läuft das, wenn ein Pflichtverteidiger von seinen Aufgaben entbunden wird? Kann er von sich aus auf diese Funktion verzichten oder seine Entpflichtung beantragen?
Oder ist es zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Angeklagter erklärt, er habe kein Vertrauen mehr in seinen Pflichtverteidiger und möchte nicht mehr von diesem vertreten werden?
Im vorliegenden Fall sind es ja gleich zwei Pflichtverteidiger, die aus ihrem Mandat ausscheiden.
Mich beschleicht da ein wenig der Verdacht, dass auslösender Moment für diesen Schritt ein gestörtes Verhältnis zwischen Pflicht- und Wahlverteidiger gewesen sein könnte…
Ist ein "Pflichtverteidiger" erst einmal beigeordnet, ist es nicht so einfach, das Mandat niederzulegen, weil die Rechtsordnung keine Verzögerung des Verfahrens und natürlich auch keine Benachteiligung des Beschuldigten oder Angeklagten will. Freilich gibt es aber dennoch Gründe, ein Mandat niederzulegen, z.B. gesundheitliche Gründe, Interessenkonflikte oder aber das zitierte "gestörte Vetrauensverhältnis." Damit hier aber nicht nach Lust und Laune entschieden wird, muss das Gericht zustimmen und ist gehalten, relativ strenge Masstäbe anzulegen.
emz schrieb:Wobei ich mich frage, ist denn das Mandat nicht allein schon deshalb beendet, weil der Prozess längst abgeschlossen wurde? Würde ich fast annehmen.
Seit der Neuregelung des Pflichtverteidigerwesens vor 4 Jahren ist klar etabliert, dass eine "Pflichtverteidigung" erst mit Einstellung oder rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens endet. Das ist auch ein Unterschied z.B. zu den USA, wo es vollkommen üblich ist, für Rechtsmittel wie Revision etc. neue Verteidiger zu bestellen, da hier viele Anwälte sich extra auf bestimmte Verfahren spezialisieren, z.B. auf Revisionen.
emz schrieb:Da war doch was mit der Zschäpe, erinnere mich dunkel, Blieben da nicht alle Pflichtverteidiger und es kamen immer neue dazu?
Ja, da war was. Da dieser Prozess aber m.E. sehr merkwürdige Umstände zu Tage brachte, ist das m.E. kein gutes Beispiel.
Tiergarten schrieb:Aber noch mal nachgehakt: Was ist, wenn es -wie in diesem Fall- zwei Wahlverteidiger gibt? Müssen dann noch zusätzlich Pflichtverteidiger bestellt werden? Oder haben die Wahlverteidiger gleichzeitig die Funktion von Pflichtverteidigern und werden vom Staat bezahlt?
Es hat ja offenkundig eine förmliche Entpflichtung durch das Landgericht Traunstein stattgefunden. Hat also das Mandat eigentlich über den ersten Prozess hinaus auch für ein zweites Verfahren gegolten?
Und noch eine Frage am Rande: Werden die Herren Baumgärtl und Dr. Frank nun eher erleichtert oder betrübt sein, dass sie in diesem Verfahren nicht mehr als Pflichtverteidiger tätig sein können/dürfen/müssen?
Wenn das Gericht feststellt, dass der Angeklagte durch seine Wahlverteidiger adäquat vertreten wird, besteht keine Notwendigkeit, "Pflichtverteidiger" beizuordnen.
Eine Situation, welche die Rechtsordnung ausdrücklich missbilligt ist allerdings, wenn ein Angeklagter "Wahlverteidiger" benennt, diese das Mandat übernehmen, die bisher beigeordneten "Pflichtverteidiger" daher entpflichtet werden, und dann die "Wahlverteidiger" sich zu "Pflichtverteidigern" beiordnen lassen wollen.
Wie sich die Herren Kollegen Frank und Baumgärtel fühlen, werden nur sie selbst wissen. Ich an ihrer Stelle wäre froh. Das hat aber etwas mit meiner Persönlichkeit zu tun, ich bin eher wie Kollegin Rick und habe ganz gerne das "Sagen," wenn es um Strategie usw. eines Mandats geht.