Westerwälder schrieb:Ich stelle mir vor, ich müsste erheblich verletzt vom Tatort fliehen.
Aus irgendwelchen Gründen wähle ich den Weg über die Bahnhofstraße.
Das setzt schon mal voraus, dass ich zuvor eine unnötig große Strecke durch die Ortschaft hätte laufen müssen.
Daher wäre ich dort (aus meiner nüchternen Sichtweise) schon mal prinzipiell nicht willentlich hergelaufen. Aber ich bin auf Koks, habe 1L Wodka getankt, blute und habe gerade eine Familie getötet. Ich bin also in erster Linie aufgrund situativer Desorientierung dort lang gelaufen.
Ich denke, dass man bedenken muss, dass Meisner der Polizeistreife vor der Haustür zumindest einmal kurz tief in die Augen geschaut hatte. Er wusste, also, dass die Tat bemerkt worden war (selbst wenn er den Notruf der Frau nicht mitbekommen haben sollte) und musste davon ausgehen, dass mehr Polizei im Anmasch ist. Vielleicht hat er die anrückenden Streifenwagen gehört oder aus der Ferne das Blaulicht gesehen. Vielleicht gingen in den umliegenden Häusers auch schon die ersten Lichter an, weil Anwohner vom Polizeilärm wachgeworden waren.
Das alles kann natürlich seine Wahl der Fluchtroute beeinflusst haben.
Hinzu kommen zu dem vielleicht Koks und Wodka, die in seinen Adern flossen auch noch Tonnen von Adrenalin. Natürlich lässt einen das erstmal klarer denken, aber nur zum Anfang und nur in gewissen Dosen. Und gerade bei Adrenalin bis zum Anschalg in Kombi mit Drogen und Alkohol kann das eben auch zu panischen, unklugen und fehlerhaften Entscheidungen klarer.
Deshalb ist es schwer, nachzuvollziehen, warum Meisner wohl diese oder jene Entscheidung getroffen hat. Aus seiner subjektiven Sicht wird es schon Gründe gegeben haben, einen bestimmten Weg einzuschlagen und eine andere Strecke zu meiden. Die direkte Verbindung ziwschen zwei Punkten ist halt immer die kürzeste, aber oft nicht die einfachste und schnellste (vom Gelände her) und eben oft auch nicht die sinnvollste (oder zumindest die am sinnvollsten erscheinende).
Westerwälder schrieb:Mir -- als ortskundigem Meisner -- wäre es äußerst unangenehm, wenn ich dort unten Schutz suchen müsste, wo er später gefunden wurde. Dafür ist das Gelände auf dieser Seite der Straße viel zu offen. Die "Wildnis" lockt eher auf der anderen Straßenseite. Hier könnte ich relativ schnell unbemerkt bis zum Stegskopf, Bad Marienberg, Hachenburg usw. laufen, ohne dass ich Gefahr laufe, direkt entdeckt zu werden.
Warum zieht es Meisner also auf die fluchttechnisch ungünstigere Straßenseite?
Na, weil es dort "nach Hause" geht. Das ist ein möglicher Weg in Richtung Elkenroth. Vielleicht ist er ja ursprünglich auch diesen Weg unterhalb des Elkenrother Weihers zum Tatort hingegangen und wollte deshalb auch wieder dortlang zurück ins Eigenheim.
Diese Überlegungen finde ich recht überzeugend.
Erster Impuls war wahrscheinlich einfach möglichst schnell und ohne weiteren Kontakt mit der Polizei aus dem Ort rauszukommen, weil absehbar war, dass es da bald vor Polizei wimmeln würde.
Die Polizei geht offenbar nach wie vor davon aus, dass die Tat nicht geplant war und hät es für möglich, dass es zu einem zufälligen Aufeinandertreffen vor dem Haus der Opfer kam, das in einen tötlichen Konflikt eskalierte. Das bedeutet, Meisner hatte zwar die Waffe dabei, war aber sicher selber von der Tat "überrascht". Hatte sich nicht auf eine anschließende Flucht vorbereitet, also kein Fluchtfahrzeug dabei, keine Kleidung, keine Nahrung, vielleicht nicht mal Geld einstecken.
Ich denke deshalb, dass sein Überlegung in dem Moment nicht eine "Fernflucht" war, also z.B. möglichst schnell zum nächsten (Fern-)bahnhof oder zur nächsten Autobahn, sondern nach hause. Entweder, um dort unbehelligt weiterzuleben (man wird ihm schon nicht draufkommen) oder um von dort aus innerhalb kurzer Zeit eine Flucht mit dem Auto und anschließendes Untertauchen zu organisieren.
Und da wäre es logisch, nachdem er die Waffe weggeworfen hat - was für mich eher auf "unbehelligt weiterleben" als aus "Flucht und Untertauchen" spricht, denn auf einer solchen Flucht könnte man eine Waffe doch prima gebrauchen, z.B. um sich Geld durch Raub zu beschaffen oder um die Polizei abzuwehren - von Landstraße, die wenig Deckung bietet, abzubiegen und sich über Feld- und Wiesenwege nach Hause druchzuschlagen.