Der Mensch Jens Söring
um 12:59
Ich stelle für mich fest, dass man am Fall Söring gut nachvollziehen kann, was heute ein erheblicher Nachteil des Internet ist: Das Senken der Aufmerksamkeitsschwelle für ein Ereignis und die möglichen Erklärungen lassen keinen Raum mehr, die beschriebenen Vorgänge zu hinterfragen.
Seit Anfang der 2000er Jahre, als Söring noch ohne Aussicht auf Entlassung ziemlich hoffnungslos im Gefängnis saß, verfolge ich diesen Fall. Und hatte von Anfang an Schwierigkeiten, die einzelnen und unterschiedlichen Darstellungen von ihm nachzuvollziehen - und dann gab es nach seiner Entlassung die Begeisterung auch der seriöseren Talkshows (sofern eine Talkshow das sein kann) für seine Person, die vollkommen unhinterfragt seine Erzählung übernahmen.
Und dann kamen die Fragen. Und die wirklich guten Recherchen. All das zu verfolgen, hat ziemlich viel Zeit gekostet, aber das Ergebnis war doch sehr eindeutig: Jens Söring ist ein zu Recht verurteilter Doppelmörder.
Seine damalige Partnerin und Komplizin hat ihre Strafe akzeptiert und lebt heute offensichtlich ein zurückgezogenes und anderes Leben als Jens Söring - abseits der Öffentlichkeit.
Dass Elizabeth Haysom ihn ohne irgendwelche Probleme entlasten könnte, ohne irgendetwas befürchten zu müssen, ist eine Frage, die offensichtlich keiner seiner begeisterten Follower stellt.
Aber, wie gesagt, am Fall J.S. kann man die Probleme der digitalen Welt ganz gut nachvollziehen.
Es erinnert mich daran, wie - soweit ich es gelesen habe - die katholische Kirche den Buchdruck zu regulieren versuchte, weil ihre (berechtigte) Sorge war, am Ende würde jeder die Bibel lesen und darüber nachdenken können.
Es entwickelte sich der Ausspruch: "Papier ist geduldig."
Heute könnte man entsprechend sagen: Digitale Quellen sind vielfältig und garantieren keine Richtigkeit.
J.S. ist ein gutes Beispiel dafür und verdient möglicherweise einen Teil seines Lebensunterhalts damit. Und so wird er auch nicht damit aufhören, denke ich.
Bedauernswerterweise werden auf diese Art und Weise die Opfer immer wieder missachtet. DAS ist wirklich übel.
Schönen Sonntag allen!
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