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univerzal schrieb am 11.11.2022:Dachte eigentlich auch, dass sich die Mär vom subventionierten Schmarotzertum langsam erledigt hätte, aber ganz offenbar lässt sich dafür noch viel zu vortrefflich nach unten treten und ein Feindbild generieren, bei dem man seinen Mist abladen kann. Klar, die gibt es freilich auch, sind aber bei weitem nicht das Problem, wie uns manches Schundmedium glauben machen wollte.
Das, also dieses "Feindbild", ist ja auch das, was derartige Formate erfolgreich werden lässt. Es tut "einfach gut", wenn man selbst das Erleben hat, dass das eigene Leben nicht so optimal läuft (womöglich eigener Frust in diversen Bereichen), wenn einem präsentiert wird, dass man "immer noch besser (dran) ist" als "die da". Dabei werden niedere Instinkte angesprochen und es kann sich innerlich verortet werden, in dem Fall bei "den Guten". Also den quasi "Anständigen" (iSv arbeitswillig / sog. Leistungsträger).
Es geht also in erster Linie um die Befriedigung der Bedürfnisse der Konsumenten und die Diskreditierung bestimmter Bevölkerungsgruppen ist ein Erfolgsmodell:
„Eskapismus, also das Entfliehen aus der vorgegebenen Realität, ist ein in vielen Studien genanntes Motiv der Mediennutzung. […] [So] bauen Menschen in modernen Gesellschaften durch die Ausübung ihrer Rollen im Alltag zahlreiche Spannungen auf. Als Ursache hierfür nennen sie Deprivation, Einsamkeit und Entfremdung in unserer Gesellschaft. Der Wunsch, diese Spannung abzubauen, kann zu einer verstärkten Mediennutzung mit eskapistischen Inhalten führen. Die entsprechenden Angebote der Massenmedien haben eine kompensatorische und in einem psychoanalytischen Sinne eine reinigende Wirkung auf den Rezipienten.“
Quelle:
https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/752910univerzal schrieb am 11.11.2022:Und ja, ins Hintertreffen gerät dabei immer wieder, dass im Zuge der Agenda2010 der Wert der Arbeitsleistung verramscht wurde, zur optimalen Herausbildung eines Niedriglohnsektors auf dem Rücken nicht unerheblicher Teile der Bevölkerung und unserer europäischen Nachbarn.
Das Schlagwort war ja "Fordern und Fördern." So sollte es verkauft werden. Im Zuge dieser Umstellung schoss mWn u. a. die Zeitarbeit nach oben, wobei die Ungerechtigkeit erst recht offenbar wurde, wenn fest Angestellte deutlich mehr Lohn - für gleiche Arbeit - bekamen, wie die Leiharbeiter, als quasi "Kräfte zweiter Klasse". Da ist so viel schief gelaufen. Ich las über sinnfreie "Qualifizierungsmaßnahmen", die der gleiche Arbeitssuchende mitunter mehrfach wiederholen musste; ansonsten drohten Sanktionierungen. Dass die Leute dabei psychisch unter Stress gerieten und / oder frustriert waren, das verwundert mich keineswegs.
Dass Heil versucht, mit dem Bürgergeld einen Ausweg aus dieser Tretmühle zu finden, das begrüße ich. Ich hoffe, dass sich das Ganze doch noch durchsetzen wird, wenn wohl auch mit Abstrichen.
rhapsody3004 schrieb:Und zur Altersvorsorge zählt übrigens auch unbewegliches Vermögen wie Häuser bspw. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass unter dem aktuellen H4-System Menschen dazu gedrängt werden ihr Eigenheim (Villen mal ausgenommen) zu verkaufen oder ihre fürs System zu große Wohnungen kündigen müssen, weil unverhältnismäßig für einen jeweiligen Einzelfall.
Ich bin da eigentlich bei Heil, der das Ganze über Schonfristen (und besagtes Schonvermögen) zu regeln sucht, damit jemand ausreichend Zeit erhält, sich ggf. zu verkleinern, bzw. eine neue Arbeit zu finden. Was oft ignoriert wird, ist ja der Umstand, dass ein Jobverlust auch einen psychischen Schlag bedeutet. Dieser muss verarbeitet werden. Danach braucht es volle Kapazitäten um das Leben neu zu ordnen und ggf. einen neuen Broterwerb zu erschließen. Man muss mE den Leuten dazu Raum lassen, anstatt sie sofort extrem in Druck zu bringen; was mE in solcher Lage kontraproduktiv ist.
rhapsody3004 schrieb:Das kann ja letztendlich auch ältere Menschen noch betreffen und sie müssen deswegen aus ihren jahrelangen Wohnungen ausziehen und sich im höheren Alter noch neue kleinere Wohnungen suchen, damit die Jobcenter zufrieden sind. Und das auch noch in Zeiten, in denen gerade bezahlbarer Wohnraum knapp ist.
Ja. Das Problem wird nicht gelöst, sondern lediglich verschoben, bis nach Aufbrauch der Rücklagen. Dass der Umstand, die womöglich über Jahre gebildeten Rücklagen zu verlieren, einen Menschen zusätzlich stresst und damit schwächt, sollte man mAn auch im Blick behalten. Wenn man will, dass ein Mensch stark ist und eine starke Motivation zeigen soll sich neu zu orientieren, sollte man vermeiden ihn zu sehr zu stressen; zumindest eine gewisse Zeit lang.
Schließlich ist nicht jeder, der seine Arbeit verliert, ein potenzieller Faulenzer. Ihn so zu behandeln, das kann psychisch einiges bewirken. Nichts Gutes will ich meinen.
LG Marina