Vampire
13.08.2008 um 21:45
Echte Vampire trinken kein Blut Von Markus Becker
"Echte" Vampire saugen kein Blut, beißen niemandem in den Hals und zerfallen im Sonnenlicht auch nicht zu Staub: Ein Bonner Forscher hat den Mythos um die Untoten entzaubert, seine Recherchen sind jetzt als TV-Dokumentation zu sehen. Der Werwolf-Mann lebt. In der Nacht versammelt der kleine, hagere Greis ein Rudel Wölfe um sich. Zuhause hat er drei Hunde, die er allein mit Blicken kommandieren kann. "Vîlva Lupilor" wird der 75-Jährige von den Bewohnern des rumänischen Dorfs Brad gerufen - "Anführer der Wölfe". "Das glaubt er selbst, und seine Nachbarn auch", sagt Peter Kreuter. Der Historiker der Universität Bonn beschäftigte sich jahrelang mit dem Glauben an Vampire und Untote. Der WDR zeigt jetzt eine Reportage* über die Recherchen Kreuters in Südosteuropa. "Menschen wie dem Wolfsführer begegnet man dort nicht mit Schrecken", sagte Kreuter im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Man weiß halt, dass sie ein wenig anders sind." Die christliche Orthodoxie, die wenig mit einer Existenz nach dem Tod im Sinn habe, lasse in ländlichen Gebieten Südosteuropas dem Glauben an das Übersinnliche weiten Raum. Sündenböcke für Unregelmäßigkeiten des Alltags Mit den bissigen Fürsten der Finsternis, die seit Bram Stokers "Dracula" (1897) durch Literatur und Filme geistern, haben die Vampire des Volksglaubens kaum etwas gemein. "Sie saugen kein Blut und beißen auch niemandem in den Hals", sagt der Historiker. In Südosteuropa seien Vampire eher eine Alltagserscheinung, verantwortlich für alles, was im Leben schief gehen kann. Zuweilen nehmen sie gar die Züge eines Poltergeistes an: "Wenn es ungeklärte Todesfälle gibt, ein Toter angeblich gesehen wurde, Gegenstände scheinbar durch die Luft fliegen oder Feuer plötzlich verlöschen, heißt es, dass ein Vampir im Spiel ist." Als Kandidaten für das böse Treiben kommen all jene in Betracht, die im Leben wie im Tod von der Norm abweichen. "Dorfbewohner, die für die Herrichtung von Leichen verantwortlich sind, suchen nach verdächtigen Zeichen", sagt Kreuter. Körperliche Deformationen wie ein überlanges, an einen Schwanz erinnerndes Steißbein, Mutter- oder Feuermale gelten als Eigenschaften potenzieller Widergänger aus dem Reich der Toten. Selbst ein besonders niedriges oder hohes Sterbealter kann schon ausreichen für den finsteren Verdacht. Bei eindeutiger Sachlage legen die Leichen-Aufbereiter zügig Hand an. Kreuter sprach etwa mit einer Dörflerin, die ihren eigenen Mann pfählte, weil sie den Verblichenen für einen Vampir hielt. Üblich sei auch, ein heißes Messer im Herz des Toten zu versenken, die Füße zusammen zu binden oder gleich die Sehnen zu durchtrennen, auf dass der Tote seinem Sarg nicht entfliehe. Vampire zählen gern Ein besonders fieser Trick sind in den Sarg gestreute Sonnenblumenkerne oder Mohnsamen. "Vampiren wird ein Zähltick nachgesagt", sagt Kreuter. Mit dem folkloristischen Detail sind die meisten Deutschen seit dem Kindesalter vertraut: In der "Sesamstraße" heißt der Vampir nicht umsonst Graf Zahl, auf Englisch "The Count". "Da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht", lobt Kreuter. In der Mystery-Serie "Akte X" wirft Agent Mulder einem Vampir voller Tücke eine Packung Sonnenblumenkerne vor die kalten Füße. "War das nötig?", jammert der düpierte Untote. Während seiner Studien wühlte sich Kreuter durch zahlreiche Berichte von Ethnologen und Militärärzten. Den frühesten Hinweis auf Vampire fand er in einer Urkunde des serbischen Königs von 1382, doch erst mit der Stationierung österreichischer Truppen auf dem Balkan Anfang des 18. Jahrhunderts häuften sich die Berichte. "Militärärzte berichteten von Leichen, die kaum verwest waren", sagt Kreuter. Der Grund für die gruseligen Funde lag im Boden: "Ein großer Anteil Sand verhinderte die Austrocknung der Leichen, Lehm wiederum unterband die Sauerstoffzufuhr, was die Entstehung von Wachsleichen begünstigte." Blubbern und Schmatzen der Verwesung Oft seien die Toten in Südosteuropa nur etwa einen halben Meter tief vergraben worden. "Das Blubbern und Schmatzen der Verwesungsprozesse konnte man dann natürlich hören", so Kreuter. "Wurde das Grab geöffnet, fand man natürlich eine Leiche, deren Verwesung eben erst begonnen hat und die noch recht gut beieinander war." In solchen Fällen wurde ein noch frischer Körper kurzerhand gepfählt - damit die rastlose Seele endlich ins Jenseits gelange. Das Fehlen systematischer Leichenschauen habe zudem dazu geführt, dass nicht selten Scheintote begraben wurden, die zuerst im Grab rumorten und nach der Öffnung der Gruft in grotesken Positionen gefunden wurden. Die vorschnellen Begräbnisse führten gar zu Erfindungen wie dem so genannten Totenmelder: Strippen an den Gliedern der Toten führten zu einer Klingel im Haus des Friedhofswärters. Zog jemand an der Leine, wurde ein Federmechanismus ausgelöst. "Beim Wärter klingelte es dann Sturm", sagt Kreuter. Medizinische Modelle laufen ins Leere Wissenschaftler versuchten immer wieder, den Vampirismus medizinisch zu erklären. Als Ursachen galten etwa die Tollwut oder die Porphyrie. Die Stoffwechselkrankheit macht die Betroffenen lichtempfindlich, leichenblass und färbt obendrein die Zähne rot. Weltweit sind allerdings weniger als 250 Fälle der seltenen Krankheit dokumentiert - viel zu wenig, um ein Massenphänomen wie den Vampirglauben zu erklären, meint Kreuter. Zudem seien die medizinischen Erklärungsversuche ohnehin zum Scheitern verurteilt. "Blut saugende und lichtscheue Vampire sind eine Erfindung des Westens, die erst seit 100 Jahren existiert", sagt der Historiker. Der Vampir der alten Schule könne sehr wohl auch tagsüber wandeln und habe am Aussaugen schöner Jungfrauen kein Interesse. "Wenn ein Vampir des Volksglaubens eine Frau besuchte, hatte er handfesten Sex." (Quelle Spiegel-online)
Übrigens In den Karpaten versammelt in der Andreasnacht der Vulva Lupilor (Herr der Wölfe) ein Wolfsrudel um sich. Hält Rat, und bespricht das kommende Jahr.
Die Nacht zum 30. November markiert das Ende des Kirchenjahres. Sie ist eine sogenannte Losnacht, dh dem Volksglauben zufolge kann man in dieser Nacht in die Zukunft schauen.