Es dauerte nicht einmal eine Stunde, dann war Juan auch schon da. Irgendwie hatte er schon alles organisiert. Auch wenn Nat nicht wusste, wie er das bewerkstelligt hatte. Jedenfalls rief er sie an und kam dann in die Strandbar.
Original anzeigen (0,2 MB) Er hätte die Papiere und Wagenschlüssel auch beim Nachtportier hinterlegen können, gab sie aber stattdessen direkt Natalie. „Je weniger davon wissen, umso besser ist es, glaub mir.“ Als er ihre leere Flasche sah, bestellte er noch zwei und trank dann einen großen Schluck. Mit einem seufzte meinte er „Das tut gut…“ und schielte sie grinsend an, als hätte er drei Liter Tequila intus…
Original anzeigen (0,3 MB)Lachend stupste sie ihn an und fragte was er bekomme. „Für den Drink oder den Wagen?“ Sie nickte. „Beides.“ Er winkte ab „Lass stecken…“ Nat schüttelte den Kopf „Das geht nicht Juan, du hast schon genug für mich getan.“ Er wehrte mit wedelnden Händen ab. „Doch doch, es passt schon! Wenn ich mal in der Klemme wäre oder besser gesagt, wieder einmal, würdest du mir auch helfen, ohne zu fragen!“ Sie kannte Juans Stolz und wusste, dass es sinnlos war, dagegen anzugehen. Also nickte sie nur und sagte einfach nur „Danke.“
Bevor die Stille zu peinlich wurde, bedeutete er ihr auszutrinken. „ Komm, ich zeig dir gleich alles. Habe das Auto und das Zeug was du brauchst, gleich hinter dem Hotel abgestellt. Keiner hat was gemerkt. Wenn du zurück bist, komm gleich zu mir. Ich erledige dann den Rest.“
Juan hatte den Wagen, wie versprochen, hinter dem Hotel geparkt. Er war vollgetankt und auch das restliche Equipment war schon im Kofferraum untergebracht. Keine Ahnung, wie er das so schnell organisiert hatte!
Original anzeigen (0,2 MB) Das Fahrzeug, ein älterer VW Käfer, war noch mindestens aus den 60ern, aber soweit gut in Schuss und gepflegt. Der Lack war glatt und sauber und nirgendwo war Rost zu erkennen. Sie war also bestens gerüstet für die Reise. Morgen wollte sie noch einige Vorräte besorgen und dann spätestens übermorgen aufbrechen, nachdem sie eine Route geplant und mit Eric Rücksprache gehalten hätte. Aber für heute war es genug. Der Tag war lang und anstrengend gewesen, Nat wollte nur noch ins Bett…
Das Schrillen des Telefons riss sie aus dem Schlaf. Völlig benommen lugte sie unter der Decke hervor und stierte auf den altmodischen Hotelapparat, der auf dem Nachtschrank stand und einen Höllenlärm verursachte. Bis sie es endlich geschafft hatte, sich aufzurappeln, hatte das endlose, nervende RingRing allerdings aufgehört. Immer noch verwirrt blickte sie mit zusammen gekniffenen Augen auf die alte Omega Seamaster, die in ein breites Lederband gefasst war, an ihrem Handgelenk.
Die leuchtenden Zeiger auf dem Ziffernblatt behaupteten stur, das es erst halb Fünf war ungefähr. Wer sollte sie um diese Zeit anrufen? Planlos fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar und gähnte ausgiebig. Niemand hatte diese Nummer hier. Alle, die sie kannte und die Kontakt haben sollten, hatten ihre Handynummer. Sie schüttelte den Kopf, nach einem schnellen Blick auf das Smartphone zeigte sich, dass dort niemand angerufen hatte. Sie überlegte, den Nachtportier anzurufen, nur er konnte es gewesen sein, warum auch immer. Aber eine plötzliche Eingebung sagte ihr, dass das keine gute Idee wäre… Stattdessen stand sie auf, schlurfte barfuß, nur in Shorts und Hemdchen, zur Tür ihres Zimmers und öffnete sie einen kleinen Spalt. Von dort konnte sie den Eingang der Hotelanlage sehen, wo auch die Anmeldung war.
Zwei skurrile Gestalten standen dort und diskutierten scheinbar ziemlich aufgeregt mit dem Angestellten. Der gestikulierte genauso wild und zeigte auf das Telefon auf seinem Schreibtisch und dann zu den Zimmern, in ihre Richtung! Als er abwinkte und mit den Schultern zuckte, begann ihn der eine Typ sogar zu schubsen! „Shit…!“ Schlagartig war Natalie hellwach, Adrenalin pumpte durch ihren ganzen Körper und ihr Herz fing wild an zu pochen. Die waren wegen ihr da! Und der Portier versuchte sie abzuwimmeln, aber scheinbar ohne Erfolg.
Wie Polizisten sahen die beiden nicht aus. Keine Anzüge, auch keine Uniform. Eher wie Mönche in einer Art Kutte. Für Mönche jedenfalls benahmen sie sich ziemlich rabiat. Der andere verpasste dem Nachtwächter jetzt sogar eine Ohrfeige, die ihn auf seinen Stuhl zurück beförderte, während der andere sich über den Tresen beugte und das Schlüsselregal durchwühlte. Scheinbar hatte er gefunden was er suchte. Nach einer weiteren Drohgebärde jedenfalls wandten sie sich ab und begaben sich in Richtung der Apartments.
Nat’s Gedanken rasten, sie hatte vielleicht zwei Minuten, dann waren die Kerle hier. Wer auch immer sie waren und was auch immer sie von ihr wollten! Leise aber schnell verschloss und verriegelte sie die Tür, ihr Blick irrte umher, dann fand sie was sie suchte. Rasch zog sie sich ein Paar Socken über, glitt dann in ihre Jeans vom Vortag und schlüpfte in das langärmlige Henley, welches sie in der Strandbar getragen hatte. Genauso schnell schnürte sie ihre Schuhe, eine Art Trekkingversion von Sneakers. Was nun? Hektisch überlegte sie, schnallte sich den Rucksack um und verstaute eilig Handy und Netbook in der Umhängetasche. Ihre Sachen? Nein, die waren zu groß. Egal, sie konnte sie später immer noch holen.
Sie war schon fast am Fenster angekommen, als sie kurz inne hielt, dann war sie mit einem Satz am Nachttisch und krallte sich die Autoschlüssel, die sie gestern Abend von Juan erhalten hatte. Fast war es ihr, als könnte sie bereits Schritte aus dem Flur hören, dann schloss sie die Balkontür von außen und blickte rasch nach unten. Die Luft war rein, hier war niemand. Ein weiteres Indiz, dass dies keine Offiziellen waren. Wären es Polizisten, hätte der eine sich sicherlich selbst hier postiert oder weitere Verstärkung abgestellt.
Egal, der Weg war frei und sie musste weg! Zum Glück war ihr Zimmer nur im ersten Stock und es befand sich sogar eine Regenrinne direkt neben der kleinen Terrasse. Vorsichtig kletterte Nat über das schmale Geländer, dann versuchte sie das lange Rohr so gut wie möglich zu umfassen und daran hinunter zu rutschen. Fast hätte sie es geschafft, aber dann begann das schwache Plaste nachzugeben. Vor Schreck ließ sie los, mit dem Ergebnis, den letzten Meter runter zu plumpsen und auf ihrem Hintern zu landen.
Etwas durchgeschüttelt stand sie auf, rieb sich ihr Gesäß und lauschte. Es klang, als wenn sich jemand laut fluchend an ihrer Zimmertür zu schaffen machte. Zeit für den Abgang befand Natalie und sprintete los, in den kleinen Park hinter dem Hotel, wo der Wagen stand.
Dort angekommen, überlegte sie nicht lange. Nachdem sie sich überzeugt hatte, dass niemand beim Auto war, schloss sie die Tür auf, warf Rucksack und Tasche einfach auf den Beifahrersitz und hievte sich eilends selbst in das Gefährt.
Sich anschnallen, die Tür zumachen und den Käfer starten war alles eins. Mit einem Brummen erwachte der Motor. Nat blickte nochmals durch die Scheiben und die Spiegel, das ihr auch niemand gefolgt war, dann legte sie einen Gang ein und fuhr los.