Quiron schrieb:Auf der anderen Seite entwickelt sich die Ukraine immer weiter. Jetzt stellen sie also ihre eigenen Marschflugkörper her und vernichten Infrastruktur in ganz Russland. Irgendwann wird sich ein Kipppunkt einstellen müssen, vorausgesetzt der Westen setzt seine Hilfe weiter fort, und an der Front geschehen keine entscheidenden Fehler.
Davon gehe ich auch aus. Mit externer Hilfe kann die Ukraine soweit als Gesamtkonstrukt überleben (auch wenn sie ggf. je nach Endszenario nicht mehr ihre volle vorherige territoriale Souveränität erhalten kann), dass Kipppunkte erreicht werden die Russland am Ende zum Einknicken und Nachgeben bewegen müssen, respektive dass die nicht mehr auf wirren ideologisch-politisch festgesteckten Maximalforderungen beharren können was demnach die Verhandlungsposition der Ukraine stärkt.
Die Ukraine leidet massiv aber hat in diesem Krieg auch die Chance zu nachhaltiger Transformation, auch wenn viele ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit geben müssen weil ein rachsüchtiges Fossil mit Gewalt nach Land, Leuten und Ressourcen giert. Aber es ist nunmal soweit gekommen. Auch wenn es ein lange bitterer Trost sein mag wünsche ich ihr zumindest, dass sie nachhaltig gestärkt aus der Sache hervorgeht, während Russland dafür leidet bzw. nachteiliger aufstellt sein wird.
Dieses eben erwähnte rachsüchtige Fossil hat nicht unendliche Reserven. Vielleicht langen, aber nicht unendlichen Atem. Auch da wird Kriegsmüdigkeit und Hinterfragen bzw. politische innere Unruhe zwangsweise einsetzen müssen, die man vlt. noch versucht zu überspielen. Oder immer stärker versucht zu überspielen. Auch die innere Propaganda muss irgendwann hinterfragt werden. Denke ich zumindest naiv, vielleicht hat man in Russland auch viele Menschen erfolgreich sogar ent-politisiert, dass die das stumpf mittragen oder keine akuten internen Widerstände generieren. Aber in meiner Welt geht nicht in den gleichen Topf, vorher immer davon intern von ner Supermacht die alles kann zu faseln - aber dann jahrelang im Krieg nicht mehr wirklich voranzukommen bzw. keinen Abschluss zu finden. Auch wird man das eigene Demografieproblem, was man mit dem Krieg im Schnitt eher verschlimmert hat, nicht ewig leugnen oder abtun können. Man verheizt für Großmanssucht seine Jugend und jungen Menschen auch wenn man vornehmlich im Krieg die russischen ethnischen Minderheiten, ökonomisch Schwache und sonstige Ausländer an die Front geschickt hat, während man die Leute in St. P und Moskau im Schnitt eher in Ruhe gelassen hat.
Auch der Mythos "russischer Unendlichkeit" - ein relativer Propagandatrick? - muss hinterfragt werden weil in dem Kontext jedem irgendwann die Puste ausgeht. Bzw. weil Russland nicht mehr die große Sowjetunion ist oder mit den ganzen auch personellen Ressourcen derer hausieren kann. Es wurden nicht umsonst diverse/viele Ausländer angeheuert und Nordkoreaner rangekarrt, wenn man selbst locker mit all dem klarkäme. Die Ukraine hat zudem halt als relativer Underdog noch den relativen Vorteil der Innovation und des Verteidigerbonuses, der allgemein davon ausgeht, dass Verteidiger oftmals im Sinne der aufzuwendenden oder notwendigen Kräfteverhältnisse in günstigerer Position sind, weil die Angreifer (in dem Fall Russland) theoretisch halt eine Übermacht aufwenden müssen um vergleichbare militärische Erfolge zu erzielen oder diese verteidigenden Kräfte zu überwinden.
Simpler, wenn das Argument ist, dass Russland ja viel mehr Ressourcen/Menschen hat: Ja, die muss es aber oftmals auch aufwenden um voranzukommen. Es gleicht sich stumpf gesagt also in gewisser Weise aus bzw. macht einen Verteidigungskrieg überhaupt veritabel oder möglich wenn der Feind mit mehr Menschen ankommt bzw. sie auf dem Papier hat.
Vielleicht zielt man deswegen auch bewusst-willentlich auf rein zivile Ziele: Man will mit Bombenterror den Willen der Bevölkerung selbst brechen, wo man rein militärisch vielleicht nicht effektiv weiterkommt.