Brexit und danach?

Wenn DAS das Ergebnis dann sein soll, hätte man sich den ganzen Spaß auch sparen können.

Wie zu erwarten, hakt es weiterhin an der Nordirland-Frage, die Meldung der Süddeutschen war wohl eine Nullmeldung.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-vorerst-kein-durchbruch-bei-gespraechen-a-1233213.html

Die Berichterstattung im Gurdian hat sich auch eher auf die Rolle von Arlene Foster (DUP) konzentriert, die unbedingt auf einen no deal Brexit hinarbeiten will.

https://www.theguardian.com/politics/2018/oct/13/leaked-emails-dup-arlene-foster-no-deal-brexit-most-likely-outcome-eu

Eines der größten in England beheimateten Unternehmen, der Pharmariese AstraZeneca, legt wegen des Brexit bis auf weiteres alle Investitionen auf Eis. Und die Wachstumsprognose im UK wurden zum zweiten Mal in diesem Jahr wegen anhaltender Unsicherheiten um den Brexit nach unten korrigiert.

https://www.telegraph.co.uk/business/2018/10/15/astrazeneca-halts-uk-investments-due-brexit-uncertainties/
https://www.telegraph.co.uk/business/2018/10/14/gdp-growth-forecasts-downgraded-second-time-year-brexit-uncertainty/

AstraZenica ist echt ne Hausnummer. Da hängen sehr viele, und vor allem auch hochqualifizierte Arbeitsplätze dran.

An diesem Artikel sieht man gut, warum die EU recht relaxed sein kann, was die Verhandlungen betrifft. Sinn Féin kündigt nämlich schon mal ein neues Referendum an für den Fall, dass keine Einigung zustande kommt.

Before a meeting with Theresa May, she said: “I very much hope that it doesn’t but if, by accident or design, there is a crash or a no-deal Brexit, Mrs May and whoever is in No 10 needs to understand that in those circumstances the constitutional question would have to be put to the people of Ireland.”

“You could not countenance such damage and disruption to our island and imagine that we will simply be philosophical about it and move on,” she said.

The principle of self-determination for the people of Northern Ireland is enshrined in the Good Friday peace agreement and allows for a border poll if there is evidence that a majority in Northern Ireland would support the reunification of the island.

https://www.theguardian.com/politics/2018/oct/15/sinn-fein-we-will-demand-referendum-on-northern-lreland-in-event-of-no-deal-brexit

Nach der irischen Wiedervereinigung kann man dann immer noch ein Freihandelsabkommen mit Zollfreiheit im Warenverkehr (aber ohne hürdenfreien Handel) vereinbaren. Dies hätte dann doch lediglich die Folge, dass eine Reihe von Unternehmen, die jetzt noch im UK operieren, in die EU abwandern. Der negative Effekt auf das Wirtschaftswachstum der EU wäre aber zeitlich begrenzt.

Man fragt sich also, welches Druckmittel Ms May in der Hand haben will, um den backstop für Nordirland entweder direkt abzulehnen oder auf eine zeitliche Befristung zu bestehen. Der no deal Brexit kann es ja schon mal nicht sein.

AstraZeneca kann seinen Hauptsitz nach Schweden verlegen. Auch ur-britische Unternehmen haben bereits Konsequenzen und Stizverlegungen angekündigt. Der Brexit kann ein Beispiel dafür sein, wie schädlich nationalistische Bestrebungen sein können und damit ein Warnsignal an andere Länder, die mit ähnlichen Konsequenzen drohen.

Mit Großbritannien verlässt ein destruktiver Quertreiber die Union, so what. Mir tun die Menschen leid, die erkennen, wohin der Weg auch für sie persönlich (Freizügigkeit) geht. Aber sie sind es, die abgestimmt haben oder eben nicht, damit aber politische Wirkung erzielt haben. Selbst in dieser prekären Situation für viele Briten und die britische Wirtschaft scheint die Regierung noch nicht das Maß finden zu wollen und zu können.

EU bietet Briten längere Übergangsperiode an. Damit könnte mehr Zeit bleiben, die Nordirland-Frage anzugehen.

http://www.faz.net/aktuell/brexit/brexit-eu-bietet-briten-laengere-uebergangsphase-an-15841790.html

Nach Auskunft des britischen Finanzministeriums (Philip Hammond) muss das UK auch im Falle eines Ausscheidens ohne Abkommen zumindest den größten Teil der im vergangenen Dezember vereinbarten Summe begleichen, allernfalls ein verhältnismäßig geringer Teil (zwischen 3 und 9 Mrd Pfund) könnte entfallen. Der Rest sei nach Einschätzung des Finanzministeriums vor einem internationalen Gerichtshof einklagbar.

https://www.theguardian.com/politics/blog/live/2018/oct/17/brexit-eu-summit-may-pmqs-corbyn-blair-heseltine-and-clegg-urge-eu-leaders-to-extend-article-50-to-allow-2nd-referendum-politics-live?page=with:block-5bc708b7e4b002841cd8d24a#block-5bc708b7e4b002841cd8d24a

https://www.telegraph.co.uk/politics/2018/10/16/britain-will-face-36-billion-bill-fails-agree-trade-deal-eu/

Das war zuvor in den britischen Medien anders dargestellt worden, demnach sei es möglich gewesen, die Summe gar nicht zu zahlen.

Was für eine Logik:

Der Charme einer solchen Verlängerung wäre, dass der EU und Großbritannien damit mehr Zeit bliebe, um ein umfassendes Handelsabkommen zu vereinbaren. Bisher haben sie dafür nur 21 Monate Zeit, weil die Gespräche offiziell erst nach dem Brexit beginnen können. Eine Rückversicherung für Nordirland bräuchte man noch immer. Es würde aber unwahrscheinlicher, dass die jemals greifen würde – was es für die britische Seite leichter macht, sie zu akzeptieren.

http://www.faz.net/aktuell/brexit/brexit-verhandlungen-alles-haengt-an-der-irland-frage-15844049-p2.html

Eine backstop-Option für Nordirland braucht man für jede Form von Freihandelsabkommen zwischen Drittstaaten, einzig wenn das UK in Zollunion und gemeinsamen Markt verbleibt, entfällt diese, völlig unabhängig von der Länge der Übergangsperiode.

Einziger Unterschied ist, dass bei den 33 Monaten eine General Election dazwischen liegt, mit entsprechender Wahrscheinlichkeit, das gesamte Brexit-Projekt noch zu kippen. Da das UK dann bereits ausgetreten ist, bliebe aber vorerst nur der Vasallenstatus.

Gelungenes Diagramm zur Veranschaulichung des Nordirland-Problems:




Ich mache mir da ernsthaft Sorgen um den Friedensprozess, leider scheint das den Brexit-Befürwortern völlig egal zu sein.

@DerGreif
Das ist das Problem, was aber schon vor dem Referendum klar war. Entweder man gefährdet den Frieden in Nordirland oder man bleibt ein Teil der EU (egal ob Vollmitglied oder in entsprechende Verträge eingebunden).
Eine Lose-Lose-Situation.
Man glaubt es kaum, dass wenige Populisten so viel Porzellan zerschlagen konnten.

@Fichtenmoped
Traurig aber wahr. Leider hatte es auch die Remain-Kampagne verabsäumt, die vielen Vorteile, die die EU mit sich bringt, insbesondere für den Friedensprozess in NI, entsprechend deutlich herauszustellen und stattdessen primär darauf gesetzt, etwaige wirtschaftliche Nachteile des Brexit in den Fokus zu stellen. Eine positivere Kampagne hätte vielleicht mehr erreicht, wobei das natürlich nicht an der ausländerfeimdliche Hetze von Leave geändert hätte.

DerGreif schrieb:Leider hatte es auch die Remain-Kampagne verabsäumt, die vielen Vorteile, die die EU mit sich bringt, insbesondere für den Friedensprozess in NI, entsprechend deutlich herauszustellen

Das ist generell ein Problem. Man nimmt die direkten und indirekten Vorteile der EU nicht wahr und schimpft lieber auf das Bürokratiemonster und so weiter. Das geht sogar so weit, dass man lieber seinen eigenen Arbeitsplatz gefährdet der erst durch EU-Vorgaben und Freihandel usw. entstanden ist. Selbst hier in Deutschland...

DerGreif schrieb:insbesondere für den Friedensprozess in NI

Den Engländern sind doch die Iren egal und den Unionisten läuft beim Gedanken eines neuerlichen Krieges sogar der Geifer aus dem Maul.

Stand jetzt gibt es einen Brexit ohne Deal. Der für November ursprünglich mal geplante Gipfel liegt auf Eis, solange es in der Nordirland-Frage keine Einigung gibt, womit nicht zu rechnen ist.

Aber jetzt ist auch der Versuch, die WTO-Handelsbedingungen, die das UK derzeit gegenüber Drittstaaten hat, also die Tarife der EU, einfach für die Zeit nach dem Austritt zu übernehmen, gescheitert, weil 20 Länder, darunter auch Russland und die USA, ihr Veto eingelegt haben, weil sie auf finanzielle Vorteile durch einen schlechteren Deal hoffen. Das UK könnte dennoch vorläufig weiter gegenüber dem Rest der Welt Handel treiben, wie derzeit gegenüber Drittstaaten ohne Einzelabkommen, Ärger ist aber vorprogrammiert, und bilaterale Handelsabkommen könnten sich auf Jahre verzögern.

https://www.theguardian.com/world/2018/oct/26/russia-brexit-liam-fox-wto-plan-uk

Anaximander schrieb:Aber jetzt ist auch der Versuch, die WTO-Handelsbedingungen, die das UK derzeit gegenüber Drittstaaten hat, also die Tarife der EU, einfach für die Zeit nach dem Austritt zu übernehmen, gescheitert, weil 20 Länder, darunter auch Russland und die USA, ihr Veto eingelegt haben, weil sie auf finanzielle Vorteile durch einen schlechteren Deal hoffen.

Hat man nicht mit den Top-Deals mit den USA und Co für den Brexit geworben?
Tja, in Wirtschaftsbeziehungen galt schon immer, dass jemand in der Bredouille jeden Strohalm ergreifen muss um zu überleben...
Aber das war schon vor der Brexitabstimmung klar.

Die Aktivitäten von Aaron Banks und anderen Spendern von Leave.EU wurden bislang nur wegen des Verdachts auf Wahlbetrug untersucht. Jetzt wird die Angelegenheit allerdings auch an die National Crime Agency übergeben, da der Verdacht besteht, dass bei den Spenden strafrechtlich relevante Verbrechen begangen wurden, die über einfachen Wahlbetrug hinausgehen.

https://www.theguardian.com/uk-news/2018/nov/01/arron-banks-referred-to-agency-over-suspected-offences-in-brexit-campaign

Brexit und danach?
wisst ihr, was ich daran i-wie witzig finde.
England möchte sich trennen aber weiterhin alle Vorteile nutzen, die sie eigentlich nur als unsere Partner bekommen würden.

BossMeng schrieb:England möchte sich trennen aber weiterhin alle Vorteile nutzen, die sie eigentlich nur als unsere Partner bekommen würden.

Viele der Hardcore Brexiter leben eben an den Realitäten vorbei. Sie können es bis heute nicht mental verarbeiten, dass die Iren nicht auch sofort die EU verlassen haben um ihren Angelsächsischen Meistern zu folgen.

lockdown schrieb:Viele der Hardcore Brexiter leben eben an den Realitäten vorbei.

Sehr schön gesagt!
Obwohl ich hier auch nur nochmal erwähnen möchte, dass die Wahl echt knapp verlaufen ist

lockdown schrieb:Sie können es bis heute nicht mental verarbeiten, dass die Iren nicht auch sofort die EU verlassen haben um ihren Angelsächsischen Meistern zu folgen.

Wollte Irland sich nicht eigentlich auch von England abkoppeln oder bringe ich das mit Shottland durcheinander?