Doppelmord Babenhausen

abgelenkt schrieb:Danach kann das Wiederaufnahmegericht den Antrag nicht so einfach mit der Argumentation abtun, wenn die Tathandlung nicht genau so ablief, wie vom Gericht angenommen, dann eben anders, aber alles in allem war er es halt trotzdem. Vielmehr muss bei Erschütterung tragendender Feststellungen zum Tatablauf die Wiederaufnahme erfolgen und die Beweiswurdigung unter Berücksichtigung der neuen Beweise im neuen Verfahren erfolgen.

Ach, der Fall des Bauern, der nach dem Geständnis der Familie angeblich umgebracht und an die Hunde verfüttert worden ist und dessen Leiche dann in seinem Auto nach dem Urteil aus der Donau gefischt wurde...? Ja, das ist ein echter Justizskandal. V.a. weil das Wiederaufnahmegericht im Leichenfund nur eine unwesentliche Abweichung vom Tatgeschehen gesehen hat.

Der Fall ist aber doch deutlich anders gelagert, als der hier vorliegende. Die Frage ist, ob die Bauart des verwendeten Schalldämpfers ein tragender Grund des Tatablaufs und somit der Verurteilung ist. Das betrifft weder die Todesart noch ein Mordmerkmal. Ist also die Verwendung eines PET-Schalldämpfers der "Archimedische Punkt", mit dem dieses Urteil aufgehebelt werden kann? Puh, ich weiß nach wie vor nicht.

Im Fall des OLG München war die neue Tatsache, dass die Leiche des Opfers entdeckt wurde und kein Gewaltanzeichen mehr an der (mehrere Jahre alten) Wasserleiche erkennbar waren. Zudem wich offensichtlich der Tod des Opfers (mit Auto in den Fluss) massiv von den Geständnissen der Verurteilten (erschlagen und an die Hunde verfüttert) ab. Eindeutig tragend (vermutlich ist das Opfer in Suizidabsicht mit seinem Auto in die Donau gefahren).

@Mark_Smith
Da hast Du recht.
Ich glaube allerdings, das dem Urteil zugrunde liegende Gutachten wird schon auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse von anerkannten Fachleuten gefertigt worden sein.
So ein Schwurgericht beauftragt ja auch anerkannte Experten auf dem jeweiligen Gebiet

Wenn es jetzt z.B. neuere wissenschaftliche Grundlagen gibt oder erhebliche Zweifel am Sachverstand oder der wissenschaftlich korrekten Arbeit der beteiligten Wissenschaftler besteht, dann würde das zu einem Wiederaufnahmeverfahren führen können.

Darauf baut Strate. Das festgestellt wird, das bei dem Gutachten bzgl der PET Flasche "schlampig gearbeitet" wurde.
Dann kann er in einem etwaigen neuen Prozess die wirklich "harten" Indizien, wie die Recherche, die Schmauchspuren usw angehen.

@monstra
Natürlich hast du recht, dass der Rupp-Fall viel eindeutiger war und dort die ursprüngliche Ablehnung der Wiederaufnahme ziemlich skandalös. Hier scheint dagegrn sowohl Ablehnung als auchAnordnung einer Wiederaufnahme im Bereich des Möglichen.

Mir ging es nur darum die wesentlichen Knackpunkte darzustellen, weil zum Teil spekuliert wurde, der Tatablauf wäre völlig egal. Daher auch der Verweis auf konkrete Randnr. im Urteil des OLG München und nicht auf den Fall als ganzes.

Für mich wäre die Annahme der Verwendung des PET-Dämpfers auch kein so tragendes Indiz, aber es scheint, als war sie das für das LG Darmstadt (sonst hätte man nicht dauernd geschrieben, die Kammer sei davon überzeugt sondern offener formuliert). Vermutlich kommt es bei der Beurteilung, was tragend ist auf die Sicht des Ausgangsgericht lt. Urteilbegründung an.

abgelenkt schrieb:Für mich wäre die Annahme der Verwendung des PET-Dämpfers auch kein so tragendes Indiz, aber es scheint, als war sie das für das LG Darmstadt (sonst hätte man nicht dauernd geschrieben, die Kammer sei davon überzeugt sondern offener formuliert). Vermutlich kommt es bei der Beurteilung, was tragend ist auf die Sicht des Ausgangsgericht lt. Urteilbegründung an.

Das Wiederaufnahmegericht muss aber überzeugt davon sein, dass, wenn die neuen Beweismittel vom Wiederaufnahmeantrag in den alten Stoff eingebaut werden, ein anderes Urteil daraus resultieren würde. Das sehe ich eher negativ. Abgesehen davon, dass noch die Frage offen ist, ob es überhaupt neue Beweismittel sind.
Das heisst: Die neuen Beweismittel müssen aus der Sicht des Schwurgerichts bzw. erstinstanzlichen Urteils Erfolg versprechen.

abgelenkt schrieb:Für mich wäre die Annahme der Verwendung des PET-Dämpfers auch kein so tragendes Indiz, aber es scheint, als war sie das für das LG Darmstadt (sonst hätte man nicht dauernd geschrieben, die Kammer sei davon überzeugt sondern offener formuliert). Vermutlich kommt es bei der Beurteilung, was tragend ist auf die Sicht des Ausgangsgericht lt. Urteilbegründung an.

So habe ich das OLG auch verstanden.

Mark_Smith schrieb:Das Wiederaufnahmegericht muss aber überzeugt davon sein, dass, wenn die neuen Beweismittel vom Wiederaufnahmeantrag in den alten Stoff eingebaut werden, ein anderes Urteil daraus resultieren würde. Das sehe ich eher negativ. Abgesehen davon, dass noch die Frage offen ist, ob es überhaupt neue Beweismittel sind.

Das ist natürlich ein Knackpunkt. Das LG hat - wohl um das Urteil auch "wasserdicht" zu machen - mit relativ großer Selbstgewissheit und ziemlich großen Aufwand die Übereinstimmung zwischen der PDF-Bauanleitung und der bei der Tat verwendeten Schalldämpfung betont. Was bleibt also, wenn dieser Punkt nicht mehr das Urteil "trägt"?

Ich zitiere mal aus dem Beck-Online-Kommentar zu § 359 Nr. 5 StPO:

Die Geeignetheit neuer Tatsachen oder Beweismittel ist für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags erforderlich und muss sich – allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen – im Hinblick auf die in Nr. 5 genannten Wiederaufnahmeziele ergeben. Dabei ist zunächst die Erheblichkeit gegenüber dem rechtskräftigen Urteil iSd abstrakten Relevanz festzustellen (abstrakte Erheblichkeitsprüfung) und sodann zu prüfen, ob konkret eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht (konkrete Geeignetheitsprüfung).
(...)
Geeignet, die Freisprechung des Angeklagten zu begründen, sind Tatsachen oder Beweismittel, welche die Täterschaft ausschließen bzw. einen Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- oder Strafausschließungsgrund begründen können (...). Daran fehlt es, wenn sich das Antragsvorbringen bereits mit der Würdigung des erkennenden Gerichts widerspruchsfrei in Einklang bringen lässt (...).

monstra schrieb:Was bleibt also, wenn dieser Punkt nicht mehr das Urteil "trägt"?

Ja, das wird der Knackpunkt sein!
Was steht diesbezüglich im Urteil und wie interpretiert das das Wiederaufnahmegericht.
Ich finde es einfach komisch, dass der Strate auf diesen Punkt überhaupt nicht eingeht: Weil ihm muss doch auch klar sein: Dass mit dem Suchen und Ausdrucken einer Bauanleitung für Schalldämpfer die Vorbereitungshandlung noch lange nicht vom Tisch ist, wenn schlussendlich nicht genau nach dieser Bauanleitung verfahren wurde oder es eben ein anderer Schalldämpfer ist. Aber darauf geht STrate mit keinem Wort ein und er müsste ja auch sehen, dass dies der Knackpunkt sein wird.

Ma_Ve schrieb:Von daher sind deine vermuteten zwei Wochen reinste Spekulation und mit nichts zu begründen.

Möglicherweise sind es keine zwei Wochen, aber eine Verzögerung ist, denke ich, auf jeden Fall zu erwarten.

Warum der Antrag nicht direkt beim zuständigen LG eingereicht wurde, erklärt sich mir nicht.

Cassandra71 schrieb:Möglicherweise sind es keine zwei Wochen, aber eine Verzögerung ist, denke ich, auf jeden Fall zu erwarten.

Warum der Antrag nicht direkt beim zuständigen LG eingereicht wurde, erklärt sich mir nicht.

Was sollte sich verzögern?

Der Freitag war ein Brückentag und Freitags sind Behörden ohnehin schon im Standby Modus.

Die Akte dürfte mit der Dienstpost heute in Kassel angekommen sein. Nach Jahren der Vorbereitung kommt es auf eine Woche nicht an.

Daraus jetzt so ein Drama zu machen ist lächerlich.

Mark_Smith schrieb:Ja, das wird der Knackpunkt sein!
Was steht diesbezüglich im Urteil und wie interpretiert das das Wiederaufnahmegericht.
Ich finde es einfach komisch, dass der Strate auf diesen Punkt überhaupt nicht eingeht: Weil ihm muss doch auch klar sein: Dass mit dem Suchen und Ausdrucken einer Bauanleitung für Schalldämpfer die Vorbereitungshandlung noch lange nicht vom Tisch ist, wenn schlussendlich nicht genau nach dieser Bauanleitung verfahren wurde oder es eben ein anderer Schalldämpfer ist. Aber darauf geht STrate mit keinem Wort ein und er müsste ja auch sehen, dass dies der Knackpunkt sein wird.

Das Suchen und Ausdrucken einfach so als Vorbereitungshandlung zu sehen halte ich für gewagt.

Im ermittelten Zeitraum gab es um Babenhausen herum rund 300 Zugriffe auf die Internetseite.

300 Morde sind nicht passiert.

Gut möglich, dass RA Strate den Zugriff und Ausdruck, neben anderen Sachen, im neuen Verfahren ins wanken bringt.

Ma_Ve schrieb:Die Akte dürfte mit der Dienstpost heute in Kassel angekommen sein.

Sorry, aber auch das zeugt von Unkenntnis des Gerichtswesens:

Die ganze eingehende Post kommt bei einem Landgericht erstmal in die Postsammelstelle und wird mit dem Stempel des Tages, in dem sie jeweils im Fristenbriefkasten einging, versehen. Danach wird sie erstmal liegen gelassen und nach dem Eingang auf die einzelnen Kammern verteilt. Allein das dauert schon 2-4 Tage, je nach Auslastung der Poststelle (in Berlin bei den Zivilgerichten aktuell um die 10 Tage). Dann erhält die Geschäftsstelle die Post und sortiert sie nach Priorität, damit die Richter jeweils das zuerst lesen, was am dringendsten ist. Dann irgendwann liest der Vorsitzende das Schreiben überhaupt. Er muss es ganz lesen, also alle 30 Seiten, weil in Anwaltsschriftsätzen oft auch am Schluss wichtige Bitten/Anträge etc. formuliert werden. Dann fällt er eine Entscheidung, in dem Fall zwingend: Verweisung an das zuständige Gericht nach Kassel. Er diktiert den Verweisungsbeschluss und legt dann die Akte weg. Die Akte kommt dann mit dem Diktierten zur Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, die einen Haufen Dinge transkribieren muss. Wenn sie das irgendwann geschafft hat, wird die Sendung wieder zur Poststelle gegeben. Wenn sie dann dran ist, geht sie nach Kassel, was alleine schon 2-3 Tage in Anspruch nimmt, da solche Aktensendungen meist mit speziellen Postdiensten versendet werden.

Alles in allem sind zwei Wochen Verzögerung sehr optimistisch geschätzt.

Ma_Ve schrieb:Im ermittelten Zeitraum gab es um Babenhausen herum rund 300 Zugriffe auf die Internetseite.

300 Morde sind nicht passiert.

Nö, vielleicht sind nur 5 Morde passiert und genau die anderen 295 Personen haben eine super gute Erklärung dafür, weshalb sie trotzdem auf dieser Seite waren. :-) Es fehlt also eine unverfängliche Erklärung von Andreas Darsow.

Deus_ex_Machin schrieb:Sorry, aber auch das zeugt von Unkenntnis des Gerichtswesens:

Deine neunmal kluge Art nervt langsam.

Für bestimmte Sendungen bemühen Gerichte auch schon mal einen Kurier!

Zudem ist hier von vorne herein klar, dass der Antrag nicht weiter in Darmstadt bearbeitet, sondern zuständigkeitshalber nach Kassel übersandt wird!

Trotzdem möchte ich mich für den Exkurs in die Postverteilungsmodalitäten in deutschen Gerichten, insbesondere Berlin, herzlich bedanken.

Mark_Smith schrieb:Nö, vielleicht sind nur 5 Morde passiert und genau die anderen 295 Personen haben eine super gute Erklärung dafür, weshalb sie trotzdem auf dieser Seite waren. :-) Es fehlt also eine unverfängliche Erklärung von Andreas Darsow.

Ach komm.
Ich bin gerne bereit am Sachverhalt zu diskutieren.
Wir wissen beide, dass die 295 anderen keine Erklärungen brauchen.

Bei den in der Firma damals herrschenden Sicherungen von Nutzerkonten kann den Zugriff jeder gemacht haben.

Die genauen Arbeitsabläufe und Gegebenheiten in der Firma lassen sich anhand des Urteils faktisch nicht nachvollziehen!

Das Urteil weißt im Bereich des zentralen Punktes der Anklage, nämlich dem Schalldämpfer, gravierende Mängel auf.

Die Spurenlage am Tatort ist mit der Verwendung eines Schalldämpfers aus der Anleitung nicht in Einklang zu bringen!

Wenn die Kammer diesen zentralen Punkt schon nicht adäquat bewerten konnte, soll man dann beim Rest noch blauäugig glauben oder lieber kritisch bleiben?

Ma_Ve schrieb:Wenn die Kammer diesen zentralen Punkt schon nicht adäquat bewerten konnte, soll man dann beim Rest noch blauäugig glauben oder lieber kritisch bleiben?

Kritisch bleiben ist immer gut! Mein kritischer Verstand sagt mir, dass Strate keinen Erfolg haben wird. Aber hätte auch nix dagegen, wenn ich mich täuschen würde.

Mark_Smith schrieb:Kritisch bleiben ist immer gut! Mein kritischer Verstand sagt mir, dass Strate keinen Erfolg haben wird. Aber hätte auch nix dagegen, wenn ich mich täuschen würde.

Wir werden es sehen. Ich sage, es wird ein neues Verfahren geben.

Du recherchierst doch für ein Buch. Bist du in deinem Fall nicht ebenfalls auf deutliche Ungereimtheiten gestoßen?

Der WAV-Antrag von Strate enthält mit Sicherheit das Nötige um erfolgreich zu sein. Das Notwendige für ein neues Urteil bringt er dann im neuen Prozess.

Ma_Ve schrieb:Du recherchierst doch für ein Buch. Bist du in deinem Fall nicht ebenfalls auf deutliche Ungereimtheiten gestoßen?

Doch schon! Aber von einem Justizirrtum bin ich trotzdem nicht überzeugt. :-)
Gebe aber gerne zu, dass ich mich auch täuschen kann.

Sollte das Landgericht Kassel den WA-Antrag erwartungsgemäß abschmettern, wäre das übrigens noch lange nicht das Ende der Darsow-Show. Dagegen kann man dann Rechtsmittel einlegen, so dass sich das OLG Frankfurt mit dem Antrag zu befassen haben würde. Am Ende stünde noch die Verfassungsbeschwerde zur Verfügung. Insofern werden wir uns noch einige Jahre mit diesem Theater zu beschäftigen haben.

Bin aber gespannt, ob er gesteht, wenn das BVerfG die VB zurückweist. Ein Geständnis, wenn auch ein sehr spätes, kann einige Jahre früher offenen Vollzug und weitere Vorteile zur Folge haben.

Ma_Ve schrieb:Ich bin überzeugt, dass einige interessierte am LG Kassel es genauso gemacht haben wie wir ALLE!

Sie haben sich über die Internetseite bei Strate alles heruntergeladen!

Schnell und einfach! ENDE!

Die warten also in Kassel gar nicht erst ab, bis die Post aus Darmstadt da ist, sondern fangen gleich an zu arbeiten?

Ich denke auch, solche Postverteilungsabläufe, wie von @Deus_ex_Machin geschildert, die werden einfach überschätzt :troll:

emz schrieb:Die warten also in Kassel gar nicht erst ab, bis die Post aus Darmstadt da ist, sondern fangen gleich an zu arbeiten?

Damit arbeiten werden die wohl nicht, weil es ja noch nicht offiziell eingetroffen ist.

Neugierig sind die dort trotzdem, dass verstehst du sicher!?

Ma_Ve schrieb:Neugierig sind die dort trotzdem, dass verstehst du sicher!?

Das ist eine Strafkammer, deren täglich Brot es ist, sich mit Mordfällen zu beschäftigen. Das ist sicher ein eher ungewöhnlicher, aber im Großen und Ganzen nichts Besonderes. Außerdem sind WA-Anträge alles andere als beliebt, weil sie das laufende Geschäft (Haftbefehle prüfen, Verhandlungen vorbereiten + führen + nachbereiten etc.) behindern.